Protokoll der Sitzung vom 29.08.2003

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das war eine eindrucksvolle Liste von Namen, die Sie gerade vorgelesen haben. Ich hoffe, es sind noch ein paar wichtige Leute zu Hause geblieben, damit die deutsche Minderheit vertreten werden kann, falls heute etwas Wichtiges passieren sollte. Es ist schön, dass Sie zu diesem Tagesordnungspunkt extra gekommen sind.

Auf den ersten Blick ist die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit Dänemark Ausdruck guter nachbarschaftlicher Kontakte in einem zusammenwachsenden Europa. Für uns im Norden ist sie allerdings weitaus mehr, und das zu Recht. Dänemark ist einer der wichtigsten Partner Schleswig-Holsteins. Deshalb haben wir auf Wunsch des Landtages gern schon zur Juni-Sitzung einen gesonderten Bericht über die Zusammenarbeit mit Dänemark vorgelegt, der normalerweise in den regelmäßigen über die Ostseeaktivitäten der Landesregierung integriert ist. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Schleswig-Holstein und seinen Nachbarn hat eine lange Tradition. Manchmal war sie überschattet, manchmal war sie fast auf dem Nullpunkt. In der letzten Zeit kann man aber eigentlich nur Positives darüber berichten.

Eine wirklich vollständige Darstellung werden Sie heute hoffentlich nicht von uns erwartet haben, denn das würde einer wissenschaftlichen Forschungsarbeit gleichen. Wir haben uns in unserem Bericht auf die Entwicklung der vergangenen Jahre beschränkt. Dieser Ausschnitt zeigt deutlich: Die Zusammenarbeit mit Dänemark ist nicht Aufgabe einer einzelnen Person oder der Ministerpräsidentin, deren Aufgaben auf europäischer Ebene angesiedelt sind. Sie ist vielmehr Teil der alltäglichen Arbeit aller Ressorts. Diese reicht vom Jugendaustausch über Schul- und Hochschulkooperationen, über kulturelle oder polizeiliche

Zusammenarbeit, über Umweltschutz, Technologie- und Verkehrspolitik sowie Gesundheitskooperation bis hin zur Zusammenarbeit in internationalen Foren und Projekten.

Diese gute und enge Zusammenarbeit hilft, die Interessen beider Regionen in einem zusammenwachsenden Europa abzusichern. Es gibt allerdings auch Fragen und Probleme, die wir auch bei bester Zusammenarbeit nicht lösen können. Dazu gehören zum Beispiel die Fragen der Sozialversicherung für Arbeitspendler zwischen Deutschland und Dänemark, der wechselseitigen Arbeitserlaubnis oder einer Harmonisierung der Steuergesetzgebung. Ich weiß nicht, wie viele Menschen sich schon die Zähne daran ausgebissen haben, eine Art Harmonisierung innerhalb der Sozialversicherungssysteme - und damit eine größere Beweglichkeit - hinzubekommen. Ich fürchte, es sind viele. Es werden auch noch viele folgen, weil die beiden Systeme nicht einfach zusammenzuhäkeln sind. Beide müssten geändert werden. Dabei ist die Frage, wer sich ändern würde.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da sollten wir uns Dänemark anpassen!)

- Ich hätte nichts dagegen, aber das ist eine Frage, die man unter anderem in Berlin und Brüssel stellen muss.

Ich möchte Ihnen kurz einige Projekte vorstellen, insbesondere jedoch das Projekt STRING, das Schleswig-Holstein und die dänischen Partner einvernehmlich mit dem Ziel verfolgen, die südwestliche Ostseeregion zu einem Kraftzentrum zu entwickeln, das ein Gegengewicht zu den aufstrebenden Regionen im Nordosten der Region bilden kann. Diese Region hat sich auch zur Zusammenarbeit zusammengeschlossen. Mit der im Juni 2001 unterzeichneten gemeinsamen Erklärung über die Zusammenarbeit mit Sønderjyllands Amt besteht ein Rahmen, in dem zunächst eine politisch enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit aufgebaut werden konnte. Amtsborgmester Carl Holst hat darauf jüngst in einem Interview hingewiesen.

Einige von Ihnen werden zu Recht bemerken, dass es an einer längeren Liste von konkrete Projekten fehlt. Das ist richtig. Hier ist ein Stopp eingetreten, der vielleicht auch etwas mit gegenseitigen Ängsten zu tun hat. Er hat vielleicht auch etwas mit der Sozialversicherungsproblematik zu tun. Er hat aber auch etwas damit zu tun, dass im Moment in Dänemark das große Thema der Gebietsreform die Gemüter bewegt. Man konzentriert sich dort eher auf das Innere als auf das Äußere. Das soll aber kein Grund sein, sich nach

(Ministerpräsidentin Heide Simonis)

dem Motto, es bringt nichts außer ein paar schöne Treffen, zurückzusetzen. Im Gegenteil, es gilt abzuwarten, bis wieder ein guter Moment eintritt, in dem man Diskussionen über konkrete Projekte führen kann.

Wir wollen das, weil die Ostseeregion unverändert die wichtigste regionale Bezugsgröße für SchleswigHolstein ist. Wir wissen, dass diese mit der EUErweiterung ihren Charakter wandeln wird und dass die Schwergewichte gen Nordosten verlagert werden. Deshalb müssen wir uns anstrengen, dass die guten Beziehungen zu Dänemark weiter aufrechterhalten bleiben. Wir wollen in der südwestlichen Ostseeregion mit unseren Partnern in Hamburg, Süddänemark und Südschweden ein wettbewerbsfähiges Kraftzentrum entgegensetzen. Ich bin froh, dass Hamburg inzwischen mit dabei ist.

Schwerpunktbereiche der Landespolitik wie Technologie, Gesundheitswirtschaft, Energie oder Hochschulen werden wir ohne internationale Partner kaum weiterentwickeln können. Hier gibt es gute Ansätze, zum Beispiel die virtuelle Universität Lund, die mit Kopenhagen und unter anderem mit Universitäten in Litauen zusammenarbeitet.

Der Handlungsbedarf im Bereich Transport, Verkehr und Logistik reicht weit über das viel diskutierte - mal fallen gelassene, mal hochgezogene - Thema der Fehmarnbeltquerung hinaus. Es bedeutet eine Modernisierung unseres Schienenverkehrs und zum Beispiel auch, die Brücke über den Kanal fitzumachen, sowie die Lösung anderer kleinerer und größerer Probleme, damit wir im Wettbewerb der Standorte bestehen können. Hier gibt es noch viel zu tun.

In diesem Szenarium hat die Zusammenarbeit mit Sønderjyllands Amt einen besonderen Platz. Wir haben bis jetzt vertrauensvoll miteinander und zusammengearbeitet. Keiner hat den Eindruck, dass der andere ihn über den Tisch ziehen will. Eine Aufgabe, die die zukünftige Zusammenarbeit vorantreiben wird, darf auch nicht davon abhängig gemacht werden, wie viel Geld wir von der Europäischen Union zur Verfügung gestellt bekommen oder welche Instrumente noch übrig bleiben werden. Im ureigensten Interesse der beiden Regionen sollten wir uns dieser Aufgabe stellen, die in den Jahren zunehmend an Dynamik gewinnt und die durch die weitere europäische Entwicklung - so glaube ich - in der Zwischenzeit quantensprungähnlich verlaufen wird.

Wir haben in Schleswig-Holstein die einmalige Chance, unmittelbare nachbarschaftliche Zusammenarbeit mit den Möglichkeiten der Kooperation mit anderen Partnern im Ostseeraum zu vernetzen. So

gibt es beispielsweise in Estland ein TwinningProjekt mit Dänemark und Schleswig-Holstein in der Rechtsneuschreibung. Solche Initiativen wollen wir auch in Zukunft unterstützen. Wir würden uns freuen, wenn uns von dänischer Seite Unterstützung bei unserer Forderung nach einem gemeinsamen Ostseekonzept für Schiffssicherheit zukommen würde.

(Beifall bei SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und des Abgeordneten Heinz Maurus [CDU])

Nach dem Bericht der Ministerpräsidentin eröffne ich jetzt die Aussprache und erteile für die Fraktion der CDU dem Abgeordneten Manfred Ritzek das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerpräsidentin, zunächst möchte ich mich sehr herzlich dafür bedanken, dass ich Sie auf der nächsten Reise nach Kaliningrad begleiten darf; Sie haben mich eingeladen. Ich habe Ihnen die dreitägige Reise des letzten Jahres sehr gegönnt, finde es aber etwas wenig, dass ausschließlich sie als Aktivität für das Jahr 2002 beschrieben wird.

(Dr. Ulf von Hielmcrone [SPD]: Seien Sie doch nicht so nickelig!)

Es ist schade, dass dieser Bericht auf fünf Minuten zusammengestrichen werden musste. Das ist sicherlich - ich glaube, darin stimmen wir alle überein - ausschließlich deshalb geschehen, weil wir in dieser Debatte so wenig Zeit haben. Es gäbe sicherlich mehr zu sagen, als das in fünf Minuten möglich ist.

Frau Ministerpräsidentin, ich begrüße es sehr, dass Sie in diesem Bericht auch die Probleme angeschnitten haben; denn ich denke, auch das ist die Aufgabe der Redner. Sie dürfen nicht nur auf die Erfolge, sondern sie müssen auch auf die Probleme hinweisen, um im Anschluss daran Maßnahmen zu ergreifen, damit bessere Lösungen erreicht werden können.

Der Bericht enthält eine Vielzahl von Daten und Ergebnissen, die interessant sind. Alle Erfolge sind ausdrücklich zu begrüßen. Dennoch möchte ich einige Dinge ansprechen, die etwas mehr Klarheit benötigen.

Es wäre wichtig zu wissen, ob alle aus dem EUINTERREG-Programm genehmigten Projekte auch realisiert werden oder wurden oder ob es Projekte gibt, für die zwar EU-Mittel bereitgestellt wurden, die aber nicht zur Durchführung kommen, weil möglicherweise keine eigenen Landesmittel verfügbar sind.

(Manfred Ritzek)

Die Gründung des Regionalrates ist sehr zu begrüßen; das ist gar keine Frage. Allerdings ist - das hat die IHK Flensburg gesagt - mit dieser Maßnahme die Etablierung zahlreicher zusätzlicher Gremien, Ausschüsse oder Arbeitskreise einhergegangen. Damit verstricken sich die deutsch-dänischen Initiativen immer häufiger in bürokratische Strukturen, wenn es um die konkrete Umsetzung geht. Das hätte in dem Bericht vielleicht auch einmal erwähnt werden können.

Ein aktueller Schwerpunkt des Regionalrates ist die Entwicklung der grenzüberschreitenden Hochschulkooperation der Uni Flensburg mit der Syddansk Universität. Es wäre interessant, zu erfahren, von wie vielen Studenten das Angebot der deutschdänischen Studiengänge genutzt wird, wie sich diese Nutzung auf dänische und deutsche Studenten verteilt und welche weitere Entwicklung zu erwarten ist.

(Anke Spoorendonk [SSW]: Das wissen Sie doch alles!)

Auch über den Erfolg der STRING I- und II-Projekte könnte man vielleicht etwas detaillierter berichten.

Was ist zum Beispiel aus der Förderung des EBusiness in kleinen und mittelständischen Unternehmen, aus der onlinebasierten Fort- und Weiterbildung und aus dem transregionalen Tourismusmarketing geworden, um nur einige Projekte zu nennen?

Einige sehr positive Beispiele seien hervorgehen. Da ist zum Beispiel der Jugendhof Knivsberg, der schulübergreifende Europazweig ab 2003 an den Gymnasien in Niebüll und Tondern, die Kooperation der Sicherheitsbehörden und Rettungsdienste und der gemeinsame Küsten -und Katastrophenschutz. Besonders erwähnt sei auch die Zusammenarbeit bei der Versorgung krebskranker Patientinnen und Patienten und das Abkommen mit der Ostseeklinik Damp für grenzübergreifende medizinische Aktivitäten.

Nun aber einige kritische Anmerkungen zu den ministeriellen Darstellungen. Der im Bericht genannte Anstieg des Exports nach Dänemark von 680 Millionen € in 2002 gegenüber circa 614 Millionen € in 2001 ist - bezogen auf einen länger zurückliegenden Zeitpunkt - leider nur die Darstellung einer Stagnation, ja, eines Rückgangs der wirtschaftlichen Beziehungen. Bereits in den Jahren 1997 und 1998 betrug die Ausfuhr nach Dänemark mehr als 700 Millionen €. Im Jahre 2002 - wir haben es gelesen - waren es nur 680 Millionen €.

Auch bei der Einfuhr hat sich nichts Bewegendes getan. Im Jahr 2002 betrug sie wie schon im Jahr 1998 1,3 Milliarden €. 1992 waren es sogar 2 Mil

liarden €. Das ist keine dynamische Entwicklung, die in diesem Bericht vorgegaukelt werden sollte.

(Dr. Ulf von Hielmcrone [SPD]: „Vorgegau- kelt“ - was soll das denn?)

Selbstdarstellungen der Staatskanzlei haben hier wenig Substanz.

Im Zusammenhang mit Sønderjyllands Amt wird von der Notwendigkeit der Schaffung eines vertieften Verständnisses gesprochen - wie wahr. Was heißt das aber konkret?

Die Aussage im Bericht der Regierung bezüglich der Diskussion um eine Reform der Regionalstrukturen - Frau Ministerpräsidentin, Sie haben darauf hingewiesen, was ich sehr gut fand - in Dänemark, dass diesbezüglich ein kontinuierlicher Informationsaustausch stattfindet, ist zu wenig aussagefähig.

Der Hauptvorsitzende des Bundes der Nordschleswiger sagte im November letzten Jahres - ich zitiere -:

„Wir sind besorgt über die Folgen einer beabsichtigten Kommunalreform in der dänischen Kommunal- und Amtspolitik, die die Abschaffung der bisherigen Ämter und stattdessen die Bildung von Großregionen vorsieht, sodass Charakter und Identität der historisch gewachsenen Gebietseinheiten verloren gehen und die politische Vertretung und Präsenz der deutschen Minderheit gefährdet sind.“

Welche Berichterstattung erfolgte durch die Minderheitsbeauftragte an den Ministerpräsidenten zu diesem genannten Problem? - Darüber erfahren wir im Bericht nichts.

Von der Staatskanzlei hätten wir im Bericht auch eine Aussage zu den vier Grenzverbänden erwartet. Die Landeszuschüsse für die Grenzlandarbeit der Verbände wurde, wie bekannt, drastisch gekürzt. Ist die Angst um die deutsch-dänische Vielfalt im Grenzland mit der Gefahr des sozialen und kulturellen Aderlasses bei der Staatskanzlei nicht angekommen? Diese Angst haben die vier deutschen Grenzverbände noch im April deutlich formuliert.

Am Prozess der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mit Dänemark muss ständig weitergearbeitet werden. Daran besteht kein Zweifel. Das Parlament hat aber das Recht, regelmäßig, qualifiziert und vor allen Dingen auch tiefer über diese Arbeit unterrichtet zu werden.

(Manfred Ritzek)

Wir beantragen die Überweisung in den Europaausschuss.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion der SPD erteile ich jetzt dem Abgeordneten Rolf Fischer das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Ritzek, lassen Sie mich zu Ihren Ausführungen eine Bemerkung am Anfang machen: Wenn man so kritisch nach Kritikpunkten sucht und dann nur so wenige findet, dann muss der Bericht eigentlich gut sein. Das aber nur zum Einstieg.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW - Manfred Ritzek [CDU]: Wenn ich zehn Minuten Zeit gehabt hätte, dann hätte ich auch mehr gefunden!)

Debatten über die Zusammenarbeit mit Dänemark - das zeigt sich auch jetzt wieder - haben in diesem Parlament Tradition. Wer einmal, wie ich das getan habe, die Protokolle nachliest, stellt fest, dass dieses Politikfeld seit der Landesgründung emotional, hochpolitisch und durchaus kontrovers diskutiert wurde. Deshalb gilt der Dank der Landesregierung und der Europaverwaltung für diesen ersten Bericht zur Zusammenarbeit mit Dänemark.