Protokoll der Sitzung vom 24.09.2003

und ich finde es schade, dass dies in ihrem Wortbeitrag nicht klarer und deutlicher zum Ausdruck gekommen ist. In Ihrer Presseerklärung vom 13. September haben Sie Zustimmung zu den Zielen der Richtlinie erkennen lassen. Ich kann nur unterstreichen: Dr. Helmut Kohl und Genscher - ich glaube, der kam von der FDP - haben diese Richtlinie ermöglicht. Der Bundestag hat dem zugestimmt. Da kann sich die FDP nicht „herausgeklaut“ haben. Insofern glaube ich, ist es wichtig, dies an der Stelle festzuhalten.

Nun zu dem Antrag, den uns die CDU heute vorgelegt hat. Worum geht es? - Sie fordern uns dazu auf, betroffene Bürgerinnen und Bürger anzuhören. - Das tun wir. Sie fordern uns auf, Gebiete zu melden, die tatsächlich den strengen naturschutzfachlichen Kriterien unterliegen. - Das erfüllen wir.

(Jürgen Feddersen [CDU]: Das Watten- meer!)

- Das Wattenmeer ist schon gemeldet.

(Zurufe des Abgeordneten Jürgen Feddersen [CDU])

Das wissen Sie doch.

Sie fordern uns dazu auf, die Gebiete, die gemeldet werden sollen, schnellstmöglich der Öffentlichkeit bekannt zu geben. - Auch das haben wir getan. Sie fordern uns dazu auf, die Erhaltungsziele zu definieren. - Das wird gemacht. Sie können das in dem Kurzgutachten nachlesen.

Sie haben uns dann dazu aufgefordert, Flächen zu melden, vorrangig im Besitz des Bundes, des Landes und der Stiftung Naturschutz. - Das ist wider die Logik. Das wissen Sie auch; denn es geht nicht nach Eigentumsverhältnissen, sondern nach dem, was naturschutzfachlich richtig ist. Und wenn Sie sich das einmal angucken, werden Sie feststellen, dass da schon ganz viel geschehen ist.

Mir stellt sich die Frage, ob Sie mit Ihrem Antrag eigentlich einen sachlichen Beitrag zur Debatte leisten wollen. Ich glaube, das muss man leider nach den Debattenbeiträgen von heute mit Nein beantworten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, vereinzelt bei der SPD und Beifall des Ab- geordneten Lars Harms [SSW])

Verehrte Damen und Herren, als Folge vielfältiger Informationen und Redebeiträge - der Kollege Nabel wird nie müde darauf hinzuweisen - hat dieses Parlament gegen die Stimmen der Opposition im Mai dieses Jahres das neue Landesnaturschutzgesetz be

(Minister Klaus Müller)

schlossen und damit erstmals die Beteiligung der Betroffenen rechtlich verankert.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das heißt, es ist hier überhaupt keine Gestaltungsfrage mehr, ob ich darauf verzichten würde. Dieses Parlament hat klar gesagt, was es will, und natürlich setzt die Landesregierung das dementsprechend um.

Das stößt auf vielfältigstes Interesse. Schon heute wissen wir das von den über 60 Veranstaltungen quer durch das Land, auf denen meine Mitarbeiter und zum Teil ich persönlich Rede und Antwort stehen. Wir drücken uns vor keinem der Betroffenen, wir diskutieren mit ihnen. Das ist schwer, das ist manchmal hart und da geht es auch um Existenzen; das ist richtig.

(Zurufe)

Aber wenn man mit den Leuten argumentiert, dann stellt man fest, dass wir die Hälfte bis zwei Drittel der Probleme ausräumen können, dann merken wir, dass es hier zwar Bedenken gibt, wie auch in dem heutigen Antrag von SPD, Grüne und SSW dargelegt, dass aber weiterhin ganz viel möglich ist.

NATURA 2000 bedeutet eben nicht, dass damit alles verhindert wird, dass jeder ausgesperrt wird. Das ist nicht NATURA 2000. Aber ich gebe zu, dass mancher im ehrenamtlichen Naturschutz sich das vielleicht so wünscht. Aber das ist NATURA 2000 nicht. Und es gehört auch zu Ihrer Verantwortung, den Menschen ehrlich zu sagen, was NATURA 2000 ist und was nicht.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will gern einräumen, dass der, der arbeitet, auch Fehler macht. Wir haben 240 Gebietsvorschläge auf den Tisch gelegt, da können uns Fehler unterlaufen sein. Dazu stehen wir. Das würde übrigens keinem von Ihnen anders gehen, wenn er in meiner Position wäre. Und genau dafür gibt es ein Beteiligungsverfahren. Und ich sage deutlich, dass ich nicht davon ausgehe, dass ich mit dem Vorschlag, den das gesamte Kabinett gebilligt hat, ein weiteres Mal ins Kabinett gehen werde. Denn wir lernen aus diesem Beteiligungsverfahren. Wir sind dankbar dafür, dass uns viele naturschutzfachlich kompetente Stellungnahmen erreicht haben, die wir einarbeiten und gemeinsam bewerten können. Und ich gehe davon aus, dass der abschließende Vorschlag dieser Landesregierung ein naturschutzfachlich besserer und damit auch anderer sein wird, denn eine Verwaltung, die nicht lernfähig wäre, wäre eine schlechte Verwaltung.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Das Bundesumweltministerium hat uns mit Schreiben vom 26. August dieses Jahres darüber in Kenntnis gesetzt, dass die EU-Kommission fernmündlich mitgeteilt hat, ihr vorgesehenes bilaterales Konsultationsverfahren mit den Bundesländern zu verschieben, voraussichtlich auf Januar 2004. Das haben wir nicht schriftlich. Das ist immer risikoreich. Trotzdem sagen wir - und das hat das Kabinett am Dienstag beschlossen -, dass die Frist für die naturschutzfachlichen Stellungnahmen um zwei Wochen verlängert werden kann. Das heißt, wir haben jetzt nicht nur die Zeit der Sommerferien genutzt, die laut Landesnaturschutzgesetz nicht mitzählt, aber die vielen Kommunen die Möglichkeit gegeben hat, sich damit zu beschäftigen. Wir haben neun Wochen und noch einmal zwei Wochen obendrauf. Wir haben 18 Wochen Beteiligungs- und Informationsverfahren in SchleswigHolstein. Und ich glaube, das ist fair, das ist kompetent und für die zuständigen Kommunen auch managebar.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten Konrad Nabel [SPD] und Lars Harms [SSW])

Ich möchte noch etwas zu den Brennpunkten sagen. Ja, wir haben Brennpunkte, auf die sich die Diskussion besonders konzentriert. Das ist erstens Nordfriesland. Ich glaube, wir sind dort in der Lage, durch viele Diskussionen vor Ort viele Befürchtungen zu zerstreuen, die es gibt. Gerade im Bereich des Küstenschutzes ist viel möglich. Ja, wir haben einen weiteren Brennpunkt in Lauenburg, das ist richtig. Und ich möchte auch deutlich sagen, dass wir in Lauenburg deshalb eine schwierige Diskussion haben, weil es dort gleichzeitig die Pläne und Wünsche gibt, ein Gewerbegebiet zu erweitern. Wir haben dort ein Problem im Bereich des Überschwemmungs-, des Hochwasserschutzes. Und obwohl wir dort einen Deich bauen und obwohl wir den von Landesseite so finanzieren, wie an praktisch keiner anderen Stelle hier im Land - das wissen Sie auch, Herr Schlie -,

(Klaus Schlie [CDU]: Das ist völlig in Ord- nung, einverstanden!)

muss man diese Debatte besonders sorgfältig führen. Sie wissen ganz genau, wir schützen dort nach NATURA 2000 die Brenndolde. Das heißt, all unsere Intentionen mit dem FFH-Gebiet, was dort nachher zu schützen ist, bedeuten nicht, dass keiner mehr das Gebiet betreten darf, bedeuten nicht, dass dort nichts zu verwirklichen ist, sondern es bedeutet, dass es

(Minister Klaus Müller)

wegen der Brenndolde, wegen dieser Pflanze, bestimmte Dinge zu prüfen gibt.

(Zuruf des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

Und wenn man feststellt, dass diese Pflanze dort weiterhin mit bestimmten und vielen Aktivitäten gut zurechtkommt, dann sind diese auch möglich. Und wenn man feststellt, dass bestimmte Erweiterungen der Brenndolde nicht schaden, sind diese auch weiterhin möglich.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das ist der Kern von NATURA 2000 und nicht, dass dort nichts mehr möglich und alles verboten ist. Das ist einfach nicht wahr.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Zuruf des Abgeordneten Klaus Schlie [CDU])

Ich sage ungern, dass es ein Beispiel gibt. Sie wissen, warum mir das schwer fällt. Aber die Diskussionen über das Mühlenberger Loch machen deutlich, was NATURA 2000 auch ist. Und damit komme ich zu Lübeck. Wir haben um die Lübecker Gebietsbegrenzung gerungen wie um kaum etwas Anderes, weil uns Lübeck lieb und teuer und sehr viel wert ist. Wir befinden uns mit dem Bürgermeister dort in einer guten und vertrauensvollen Diskussion. Wir schauen, so es Probleme gibt und wie man diese Probleme vielleicht gleich aus dem Weg räumen kann. Ich sage Ihnen zu den Erfahrungen rund um das Mühlenberger Loch: Hamburg hat sorgfältig gemeldet, ohne dieses Tamtam, das wir hier im Parlament hören mussten. Hamburg hat dann sorgfältig begründete Ausnahmeanträge für wichtige Infrastrukturprojekte gestellt, wie es sie analog auch in Lübeck geben könnte. Und ich glaube, dass die EU-Kommission in diesem Fall dann ganz genau so entscheiden würde. Ein bisschen mehr hanseatische Gelassenheit täte uns an dieser Stelle - glaube ich - gut.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD sowie Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

In der Debatte kamen eben viele falsche Vorwürfe. Frau Todsen-Reese, ich kenne meine Rede von der NORLA sehr genau. Ich habe nicht gesagt, dass die unternehmerische Freiheit eingeschränkt wird. Ganz im Gegenteil, ich habe gesagt, durch die landwirtschaftlichen Reformen - die hiermit jetzt gar nichts zu tun haben - wird mehr unternehmerische Freiheit möglich. Das ist aber eine andere Debatte. Hören Sie mir bitte beim nächsten Mal genau zu.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zurufe von der CDU)

Dann kam hier der Vorwurf zum Breitenburger Moor - das haben Sie eben zitiert. Wenn Sie kompetent wären und sich informiert hätten, wüssten Sie, dass es die Ausgleichsflächen für den A 380 sind, um die es dabei geht. Die sollen weiterentwickelt werden. An der Stelle geht es um Ausgleichsflächen, die wirtschaftliche Entwicklungen ermöglichen, von denen Hamburg und Schleswig-Holstein profitieren. Das sind die Fakten, verehrte Damen und Herren!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann wird immer wieder behauptet, Lübeck stehe zu 48 % unter Naturschutz. Ich habe Bernd Saxe gebeten, mir die Zahlen dazu vorzulegen. Das hat er mir zugesagt. Herr Hildebrand, sind Sie sicher und haben Sie sich einmal die Mühe gemacht, das nachzurechnen? Könnte es nicht sein, dass auch Ihnen der Fehler unterlaufen ist, einfach die erste Tranche zur zweiten Tranche und zur dritten Tranche hinzuzurechnen, alles hoch zu addieren, obwohl das teilweise die gleichen Flächen sind? Insofern bitte ich Sie, bevor Sie hier im Parlament solche Aussagen wiederholen, einmal kritisch nachzufragen, ob sich nicht auch in Lübeck inzwischen der eine oder andere wünscht, diese Zahlen nicht öffentlich in Umlauf gesetzt zu haben, bevor er sie noch einmal selbst nachgerechnet hat.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Die Zahlungen von bis zu 790.000 € pro Tag laut Aussagen der Bundesregierung wird nicht Hans Eichel tragen. Ein Blick ins Grundgesetz hilft. Zuständig sind laut Grundgesetz dafür die Bundesländer. Und alle Bundesländer wissen das. Was meinen Sie, warum der Kollege Schnappauf in Bayern noch vor der Landtagswahl in den letzten Monaten Gebiete nachgemeldet hat und heilfroh ist, dass er jetzt damit in der Alpenregion endlich durch ist. Er hat das auch nicht einfach gern gemacht, sondern weil er das genau weiß und auch so von seinem Finanzminister mitgeteilt bekommen hat. Weder die bayerische Staatsregierung noch die Landesregierung SchleswigHolstein können sich freiwillig irgendeiner Straftat aussetzen. Das wäre in der Tat unverantwortlich.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN - Glocke des Präsidenten)

Herr Minister, darf ich an die vereinbarte Redezeit erinnern?

Ich komme zum Schluss.

Herr Abgeordneter Kubicki, die Frage, ob irgendeine Gemeinde 14.000 € für eine Stellungnahme ausgegeben hat, hat rein gar nichts mit dem Thema NATURA 2000 zu tun. Weder schreibt NATURA 2000 vor, dass 14.000 € für irgendeine Stellungnahme auszugeben sind, noch kann ich irgendetwas zu der Frage der Tarife sagen, die hier irgendein Gutachter genommen hat. Zu suggerieren, das wäre eine Verpflichtung von NATURA 2000, ist schlichtweg nicht wahr und das wissen Sie.

(Zurufe von FDP und CDU)

Das ist eine Regelung, die in unserem Landesnaturschutzgesetz zusätzlich zu vielen anderen Problemen zu berücksichtigen ist, wenn es um Abwägungsprozesse im Naturschutz geht. Das war aber immer ein Konsens in diesem hohen Haus, der auch mitgetragen worden ist von Frau Happach-Kasan. Das kann sich jetzt ja geändert haben.

(Zurufe von der FDP)

Es war immer Konsens, dass Naturschutz in seinen Auswirkungen genau überprüft sein will. Insofern bitte ich, hier für eine faire Debatte zu sorgen. NATURA 2000 heißt nicht, dass der Prozess an diesem Land spurlos vorbeigeht. Ja, NATURA 2000 kann auch zu Einschränkungen führen. Unser Ziel ist es jetzt, das in erster Linie über den freiwilligen Vertragsnaturschutz umzusetzen. Wir werden aber notfalls auch anders unseren europäischen Verpflichtungen gerecht werden.