Ein wichtiges Instrument wird in der Gemeinschaftsaufgabe der Agrarstruktur und des Küstenschutzes gesehen. Geschätzter Claus, ich denke, da sind wir uns einig. Das aber sieht die Opposition offenbar völlig anders. Wie sonst ist es zu erklären, dass am 22.10.2003 im Bundestagsausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft die CDU für massive Kürzungen in diesem Bereich gestimmt hat? Sie hat sich für die Reduzierung der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ um 100 Millionen € ausgesprochen. Das muss man sich einmal vorstellen! Die Gemeinschaftsaufgabe ist das wichtigste Förderinstrument im Bereich der Landwirtschaft. Eine Kürzung um 100 Millionen € hätte erhebliche Folgen für den ländlichen Raum bedingt, die mit der SPD nicht zu machen sind.
Darüber hinaus hat sich die Opposition am gleichen Tag für die völlige Abschaffung der Förderung von Demonstrations- und Modellvorhaben eingesetzt. Die Förderung des Ökolandbaus sollte um 20 Millionen € gesenkt werden. Mit den Streichungen in den Bereichen Forschungsmittel, Modellvorhaben und Ökolandbau beweist die Union erneut ihre Rückständigkeit im Bereich innovativer Landwirtschaftspolitik.
Und das, obwohl die Landwirtschaft das Rückgrat der Ernährungspolitik ist, wie wir es eben gerade gelernt haben.
Zurück zum Bericht! Mit der Landesinitiative „ziel“ wurden die strukturpolitischen Optionen, die die EU für die Förderperiode 2000 bis 2006 eröffnet hat, gebündelt. Für die Wirtschaftsstruktur - insbesondere im ländlichen Raum - ist das Regionalprogramm 2000 zur Förderung von Wachstum, Beschäftigung und der regionalen Wirtschaftsstruktur wichtig.
Hervorzuheben ist hier insbesondere die Bedeutung des Programms „Zukunft auf dem Land“ mit den drei Maßnahmegruppen landwirtschaftliche Produktionsstruktur, ländliche Entwicklung mit den ländlichen Struktur- und Entwicklungsanalysen sowie die Agrarumweltmaßnahmen. Weiterhin werden einzelbetriebliche Maßnahmen und ländliche Siedlungen unterstützt. Neben Zinszuschüssen für Kapitalmarktdarlehen erfolgt unter anderem eine Förderung der Ausgleichszahlungen in benachteiligten Gebieten und die Förderung der markt- und standortangepassten Landbewirtschaftung. Zur Stärkung der Vermarktung werden Maßnahmen zur Verbesserung der Marktstruktur gefördert. Die Zuschüsse dienen der Strukturverbesserung einzelner Wirtschaftszweige, der Verbesserung der Verarbeitung und Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte.
Der Strukturwandel in Schleswig-Holstein ist nicht abgeschlossen und wird sich mit der EU-Erweiterung sicher beschleunigen. Der Wettbewerb auf den europäischen Märkten wird wachsen. Behaupten werden sich die Unternehmen, die sich rechtzeitig auf diesen Wandel einstellen. Verhindern kann die Politik die absehbaren Prozesse nicht. Politik kann nur Rahmenbedingungen schaffen, zum Beispiel die Standortbedingungen verbessern, Innovationen fördern und die Exporte unterstützen. Für die Branche ist es entscheidend, sich an diesen Stellen neu zu positionieren. Orientierung dazu bieten die Trends des Verbraucherverhaltens, denn die veränderten Lebensmittel- und Konsumgewohnheiten der
Frisches ist rückläufig, Verarbeitetes ist auf dem Vormarsch. Zeitdruck ist heute eine entscheidende Rahmenbedingung, die den Berufs- und Familienalltag diktiert. Entsprechend schnell und problemlos müssen die Mahlzeiten dazwischen organisiert werden. Fertiggerichte und Fast Food für zu Hause und unterwegs machen es möglich. Der gehetzte Konsument kocht immer seltener und lässt mehr und mehr die Industrie für sich arbeiten. Er greift ins Regal, legt sich ein Trockengericht in seinen Einkaufswagen und kaum zu Hause, sitzt er zehn Minuten später vor einem dampfenden Teller. Rund 80 % unserer Lebensmittel kaufen wir als Fertigsoße, Tütensuppe oder Trockengericht.
Bemerkenswert ist die neue Idee, Produkte aus allen Sortimentsbereichen nur für kurze Zeit als Saisonprodukte oder zeitlich limitierte Spezialitäten anzubieten. Und es ist inzwischen leider sehr schick, bei den Discountern einzukaufen. Denn diese Discounter bieten immer mehr Produkte, die dem Trend folgen. Somit sind für alle Verbraucher Preisbewusstsein und Trendorientierung keine Gegensätze mehr. Das ist heute vermutlich eines der Hauptprobleme für die Ernährungsindustrie, die neue, trendige Produkte immer häufiger zu niedrigeren Preisen anbieten muss.
Das alles fördert einen Trend in der Branchenstruktur der Ernährungsindustrie: Die Unternehmenskonzentration nimmt weiter zu. Größeren Unternehmen gelingt es sehr viel leichter, einen Wettbewerbsvorteil herauszuarbeiten. Eine Mindestgröße ist aus verschiedenen Gründen erforderlich, zum Beispiel um die Kostenführerschaft durch Degressionseffekte zu erlangen oder um in den zehn Großunternehmen des Lebensmitteleinzelhandels deutschlandweit gelistet zu werden.
Wir haben in Schleswig-Holstein gesunde Rohstoffe und gute Verarbeiter. Schleswig-Holstein hat führende Markenartikler ebenso aufzuweisen wie Lieferanten von Handelsmarken, die über Jahre sehr erfolgreich mit ihren Kunden wachsen konnten. Und die Landesregierung wird - wie bisher auch - die Ernährungsindustrie bei den außergewöhnlichen Herausfor
derungen unterstützen, damit die Lebensmittelbranche in Schleswig-Holstein weiterhin einen guten Standort hat.
„Auf den gesättigten europäischen Märkten wird der Wettbewerb zwischen den Ländern und Regionen immer schärfer. Hierauf mit Resignation zu reagieren wäre ebenso falsch, wie tatenlos auf bessere Zeiten zu hoffen. Es muss das Ziel der Ernährungswirtschaft Schleswig-Holsteins sein, weiterhin Spitzenprodukte auf den Markt zu bringen und die Präsenz auf den sich rasch ändernden Märkten im In- und Ausland zu verstärken. Die Aktivitäten der Landesregierung zielen darauf ab, mit geeigneten Strategien und Maßnahmen die Standortbedingungen für die Unternehmen der Ernährungswirtschaft zu verbessern.“
Diese hehren Worte stammen aus dem letzten Bericht der Landesregierung, den sie 1997 dem Landtag zur Situation und Entwicklung der Ernährungswirtschaft vorgelegt hat.
Was ist seitdem passiert? - Die Entwicklung in der Ernährungswirtschaft ist - wie in anderen Branchen auch - insgesamt negativ. Eines ist allerdings positiv, nämlich, dass dieser Bericht nach Auflösung des Agrarministeriums nun aus dem Wirtschaftsministerium kommt und nicht dem Umweltminister zugeordnet wurde. Dafür herzlichen Dank, ebenso auch für den Bericht, den Sie hier vorhin vorgetragen und uns überreicht haben, Herr Minister.
Lassen wir Zahlen sprechen, Zahlen aus den Berichten der Landesregierung. Im Jahr 1997 lag der Umsatzanteil der Ernährungswirtschaft für das Land Schleswig-Holstein noch bei 20 % und der absolute Umsatz bei zirka 4,7 Milliarden €. Diese Zahlen haben sich verschlechtert. In 2002 liegt der Gesamtanteil nur noch bei 16 %. Unproblematisch wäre das, wenn dies durch einen Boom in den anderen Wirtschaftszweigen entstanden wäre, sich dadurch also die Relationen verändert hätten. Problematisch ist
aber, dass die absoluten Umsatzzahlen der Ernährungswirtschaft um knapp 350.000 € auf zirka 4,4 Millionen € zurückgegangen sind. Das sind immerhin 7,5 %.
Im fast gleichen Zeitraum hat die Beschäftigung in dieser Sparte abgenommen, obwohl es mehr Betriebe gibt. Nimmt man die Entwicklung von 1995 bis 2002, dann hat sich die Anzahl der Betriebe um 5,9 % gesteigert, obwohl seit 1998 wieder eine fallende Tendenz zu beobachten ist. Die Zahl der Beschäftigten nahm hingegen von rund 21.000 in 1995 auf rund 20.000 in 2000 und auf rund 19.500 in 2002 kontinuierlich ab. Das sind 8,4 % weniger Beschäftigte im Jahr 2002 gegenüber dem Jahr 1995.
Die Ernährungswirtschaft in Schleswig-Holstein nimmt also insgesamt ab. Und wenn man betrachtet, dass wir hier über den zweitgrößten Wirtschaftszweig in Schleswig-Holstein reden, dann hat dies auch gravierende Auswirkungen auf das Land insgesamt.
Positiv attestiert der Wirtschaftsminister, dass sich die Exportquote, die sich aus Auslandsumsatz in Prozent des Gesamtumsatzes zusammensetzt, von 11,7 % in 1995 auf 12,7 % in 2002 erhöht hat. Das ist aber eigentlich kein Erfolg. Wenn sich der Gesamtumsatz so verringert, wie bereits dargestellt, dann ist bei gleich bleibendem oder leicht geringerem Exportumsatz durchaus eine relative Steigerung möglich. Solche Zahlen sollten uns also nicht fröhlich stimmen.
Ich komme zu den einzelnen Punkten des Berichts. Im Fleischsektor hat der Umsatz bei den Schlachtungen zugenommen. Seit 1995 ist bis 2002 der Umsatz um insgesamt 22 % gestiegen. Auch die BSE-Krise konnte dieser Zahl der Schlachtungen nichts anhaben. Möglicherweise hat sich aufgrund eines veränderten Konsumverhaltens der Anteil des verarbeitenden Rindfleisches rückläufig entwickelt. Das ist aber aus den Zahlen des Berichts leider nicht ersichtlich.
Beim Fleisch verarbeitenden Gewerbe sehen die Zahlen dann aber gänzlich anders aus. Hier gingen seit 1995 die Umsätze um 3,9 % zurück, die Anzahl der Betriebe reduzierte sich gar um 34,8 % und auch die Anzahl der Beschäftigten ist mit 28,2 % dramatisch zurückgegangen.
Vor diesem Hintergrund ist es jetzt zum Beispiel wichtig zu beobachten, welche Konsequenzen sich aus der Übernahme der Nordfleisch durch den holländischen Konzern Bestmeat ergeben, der damit der zweitgrößte Fleischverarbeiter in Europa wird. Allein die Aussage, dass es zu Konzentrationsprozessen gekommen sei, hilft uns nicht weiter. Wichtig sind die Konsequenzen, die sich hieraus ergeben, wie der Prozess beurteilt wird und wie der Minister mögli
cherweise darauf reagieren wird. Im Fall von Nordfleisch hat er vorhin darauf hingewiesen, dass dieser Fall nicht unbedingt negativ zu beurteilen sei und dass jetzt möglicherweise dadurch eine kapitalkräftige Gruppe am Markt tätig sein könne.
Bei der Obst- und Gemüseverarbeitung ist es im Jahr 2002 zu einem dramatischen Rückgang gekommen. Schuld daran trägt ausnahmsweise einmal nicht die Landesregierung, sondern das Hochwasser des Spätsommers. Insofern sind diese Zahlen nicht repräsentativ.
Legen wir die Zahlen der Beschäftigten und der Betriebe von 1995 bis 2002 im Obst- und Gemüsebereich zugrunde, so haben wir einen Betrieb mehr, was immerhin einer Steigerung von 10 % entspricht. So wenig Betriebe haben wir in diesem Bereich. Auch die Zahl der Beschäftigten ist um 500 angewachsen. Das ist eine gute Entwicklung, die wir außerordentlich begrüßen.
Beim Fisch verarbeitenden Gewerbe sind Konzentrationsprozesse zu beobachten. Hier ist im Berichtszeitraum zwar ein leichtes Umsatzplus zu verzeichnen, dennoch sank die Zahl der Betriebe um mehr als ein Fünftel und die Anzahl der Beschäftigten um 15,5 %.
Zwei Bereiche möchte ich noch anführen, weil sie insbesondere für die Landwirtschaft wichtig sind: die Milchverarbeitung und die Zuckerherstellung. Bei den Landwirten werden nach wie vor hohe Erträge aus der Milchviehhaltung erzielt. Die erforderlichen Verarbeitungskapazitäten werden aber nicht mehr vorgehalten, weil viele Verarbeitungskapazitäten zu einem nicht geringen Teil aus Schleswig-Holstein abgewandert sind. Kollege Ehlers hat vorhin darauf hingewiesen.
Ebenso sieht es bei der Zuckerverarbeitung aus. Wie wir alle wissen, gibt es zurzeit noch eine Produktionsstätte der Nordzucker AG. Diese befindet sich am Standort Schleswig und wird am 31. Dezember geschlossen. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal die Empörung meiner Fraktion über diese Entscheidung der Nordzucker AG deutlich machen, zumal, wie der Bericht auch ausführt, der Zuckerrübenanbau
für Schleswig-Holstein wichtig ist und jetzt Gefahr läuft, ganz aus Schleswig-Holstein zu verschwinden.
Wir können solche einzelbetrieblichen Entscheidungen nur schwer beeinflussen. Es ist und bleibt aber Aufgabe der Politik, ordentliche Rahmenbedingungen für den Standort Schleswig-Holstein zu schaffen. Ich zitiere hierzu aus dem Kapitel des Berichts mit der Überschrift „Standortbedingungen für die Ernährungswirtschaft“. Dort sind als Standortfaktoren für die Ernährungswirtschaft insbesondere Frische und Qualität, Liefersicherheit und kurze Wege zu den Rohprodukten, naturnahes Umfeld und Verbrauchervertrauen genannt. Das ist ein Nullsatz. Wenn Sie aber beim naturnahen Umfeld die Ausweisung von FFH-Gebieten meinen, die die Errichtung von Betrieben teilweise noch behindern, dann können Sie die Ansiedlung von weiteren verarbeitenden Betrieben in Schleswig-Holstein ganz vergessen.
Standortfaktoren sind kurze Wege zu den Rohprodukten und kurze Wege zum Absatzmarkt. Dies ist für Schleswig-Holstein aufgrund seiner Randlage aber schwer zu erreichen. So ist für die Hersteller von Rohprodukten ein Standortfaktor der kurze Weg zum Verarbeitungsbetrieb. Wir werden ja sehen, wie es in Zukunft zum Beispiel mit dem Anbau von Zuckerrüben in Schleswig-Holstein aussieht. Leider müssen wir befürchten, dass der Zuckerrübenanbau in Schleswig-Holstein nach der Schließung des Werkes in Schleswig mittel- beziehungsweise langfristig zurückgehen wird.
Standortfaktor sind aber auch die überregionalen Verkehrsverbindungen - das sagt auch der Bericht -, insbesondere im Bereich der A 20, deren Weiterbau die Grünen vor Ort immer noch fröhlich blockieren. Zu den Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen empfehle ich die Lektüre der Kleinen Anfrage des CDUBundestagsabgeordneten Peter Harry Carstensen zur Überschneidung der Ausweisung von Verkehrsprojekten mit FFH-Gebieten.