Protokoll der Sitzung vom 13.11.2003

Auch die Einkommenssituation unserer Landwirte ist im bundesdeutschen und europäischen Vergleich gut. Daher ist es für uns natürlich besonders angesagt, im Falle einer Mittelumverteilung sehr darauf zu achten, dass uns keine Mittel abhanden kommen, sondern unmittelbar in den ländlichen Raum fließen. Es ist wichtig, dies zu betonen: Dieses Geld kommt nicht allein den Landwirten zugute, es geht auch nicht in den Konsum, sondern es sind Mittel, die für Investitionen in den ländlichen Raum fließen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Deshalb unterstützen wir diesen Punkt des SSWAntrages. Ich möchte Sie hier im Parlament nicht mit Fachfragen, die in den Fachausschuss gehören, überfordern und beschränke mich auf die Erörterung zweier Grundmodelle. Das Betriebsmodell sieht eine Umwandlung der bisherigen Direktzahlungen des Landwirtes vor und bezieht sich auf den Referenzzeitraum 2000 bis 2002. Man orientiert sich dabei also an den individuellen Ansprüchen eines Betriebes, was zu großen Unterschieden und aus unserer Sicht auch zu Ungerechtigkeiten führen kann.

Grundsätzlich bevorzugt die SPD-Landtagsfraktion das so genannte Regionalmodell, das ein einheitliches Flächenprämienrecht zugrunde legt

(Zuruf des Abgeordneten Claus Ehlers [CDU])

(Friedrich-Carl Wodarz)

- man ruhig, man ruhig da achtern! -, weil wir glauben, dass die derzeitige ungerechte Prämienverteilung zwischen den Betrieben nicht aufrechterhalten werden kann.

(Zuruf des Abgeordneten Claus Ehlers [CDU])

Grundlage für die Prämienzahlung ist die bewirtschaftete Fläche und nicht die Höhe der bisherigen Direktzahlungen.

(Beifall des Abgeordneten Günter Neuge- bauer [SPD])

Das hört der Kollege Ehlers überhaupt nicht gern. Wir haben auch Kollegen aus der Wilstermarsch hier. Hör einmal genau zu! Die Demonstration der Bauern aus der Wilstermarsch hat doch deutlich gemacht, dass der schleswig-holsteinische Bauernverband ganz offensichtlich die Interessen der Grünlandbetriebe vernachlässigt,

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

wenn er einseitig die Betriebsprämie favorisiert. Ich begrüße ausdrücklich den pragmatischen Vorschlag des Landwirtschaftsministers. Das hat es noch nie gegeben, dass ein grüner Landwirtschaftsminister auf einer Bauernversammlung Beifall bekommen hat.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Das war einigen Funktionären sehr peinlich. Herr Ehlers zuckt jetzt noch zusammen.

(Zuruf des Abgeordneten Günter Neugebauer [SPD])

Er machte einen sehr pragmatischen Vorschlag, indem er ein Übergangsmodell vorschlug, dass die Flächenprämie und eine degressive Betriebsprämie parallel vorsieht. Kollege Harms, ich vermute, darauf bezieht sich der zweite Spiegelstrich Ihres Antrags.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege, bitte noch eine Bemerkung dazu, was wir mit dem Antrag tun sollen. Sie müssen bitte zum Schluss kommen.

Dann muss ich zum Schluss kommen.

Ich werde auf die geistreichen Ausführungen, die ich mir ansonsten noch aufgeschrieben habe, leider verzichten müssen. Kollege Harms, ich denke, wir sind

uns einig: Dieser Antrag wird in den Ausschuss überwiesen - wir wollen heute nicht abstimmen - mit der Maßgabe, dass das Thema in der Januar-Tagung wieder aufgerufen wird. Ich denke, die fachlichen Dinge, die ich Ihnen ansonsten vorgetragen hätte, sind im Ausschuss besser aufgehoben.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Bevor ich weiter das Wort erteile, begrüße ich Besucherinnen und Besucher. Auf der Tribüne haben Mitglieder des SPD-Ortsvereins Föhr sowie die Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker aus dem Kreis Steinburg Platz genommen. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Jetzt erteile ich Herrn Abgeordneten Jensen-Nissen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! Der Kollege Wodarz hat darauf hingewiesen: Wenn wir uns in Fachfragen ergingen, würde es hoch kompliziert werden. Der Antrag des SSW zur Entkoppelung der Prämien in der Landwirtschaft ist zum jetzigen Zeitpunkt wenig hilfreich und ebenso wenig konkret.

Herr Kollege Harms, wir haben nicht alle Zeit. Das ist Ihr großer Irrtum. Wir haben nicht alle Freiheiten. Das ist Ihr riesengroßer Irrtum. Wenn in den nächsten Tagen oder Wochen in der Bundesrepublik nicht definitiv entschieden wird, gilt das Betriebsinhabermodell ab 1. April 2004. Also werden Sie sich wohl schon an die Beantwortung bestimmter Fragen heranmachen müssen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Täglich erreichen uns neue Überlegungen zu den Auswirkungen der in Luxemburg beschlossenen Maßnahmen, unabhängig von der nationalen Umsetzung der EU-Agrarreform, von der wir auch noch nicht wissen, wie sie in Deutschland und in den Bundesländern aussehen wird. Hier haben wir eine durchaus kontroverse und widersprüchliche Meinungslage. Hier gibt es natürlich die Diskussion Betriebsinhabermodell oder ein individuelles Regionalmodell. Dazwischen gibt es auch die Frage des Kombimodells.

In dieser unübersichtlichen Situation sind wir zurzeit und wissen nicht, wie die Rechtsvorschriften und

(Peter Jensen-Nissen)

Durchführungsvorschriften aus Brüssel aussehen werden. Das wissen die Agrarminister auch am 27. November nicht, wenn sie in der so genannten Sondersitzung der Agrarministerkonferenz auf Bundesebene tagen. Aus diesem Grund werden wir hier heute bestimmte Rückschlüsse nicht ziehen können.

Der SSW-Antrag lässt darüber hinaus offen, welches Modell national greifen soll, also ein typischer SSWAntrag, lieber Herr Kollege Harms, ein Sowohl-alsauch, wie es Ihnen gerade in den Kram passt.

(Beifall bei CDU und FDP)

Der SSW geht ferner davon aus, dass im Dezember die finanziellen und wirtschaftlichen Folgen für die Betriebe abzusehen sind und die Landesregierung bereits Antworten auf ein sehr kompliziertes Verfahren parat hat. Genau das glaube ich eben nicht, Herr Kollege.

Die Forderung des Kollegen Harms, die Landesregierung möge alternative Verdienstmöglichkeiten schaffen, mutet geradezu hilflos an. Seit vielen Jahren sind sie notwendig, und das unabhängig von Agrarreformen. Darum haben wir uns ständig und immer wieder bemüht.

Ich erwarte nicht, dass die Landesregierung nun in vier Wochen das schafft, was sie in den vergangenen 15 Jahren versäumt hat. Der geforderte Bericht kann daher nur die hinreichend bekannten Leerformeln beinhalten. Ohne konkret zu wissen, wohin die Reise geht, lassen sich keine Rezepte für Folgemaßnahmen entwickeln.

Bundesministerin Künast hat in Brüssel einer Reform zugestimmt, deren Auswirkungen in den Ländern und auf den Höfen noch nicht in vollem Umfang absehbar sind. Die zurzeit vorhandenen Modellrechnungen lassen ahnen - da gebe ich Ihnen Recht -, dass alles nicht einfacher wird, egal, für welches Modell man sich entscheidet. Das ist die Wahrheit. Egal, für welches Modell man sich entscheidet, für das, das Herr Müller präferiert, oder das, das der schleswigholsteinische Bauernverband inzwischen präferiert. Bei beiden gibt es erhebliche Probleme in der Umsetzung und bei beiden kommt es zu erheblichen TopUps. Das wissen Sie genauso gut wie ich, Herr Müller. Insofern sollten Sie sich überlegen, ob Sie sich den billigenden Beifall abholen.

Der SSW-Antrag skizziert die möglichen Risiken und zeigt auf, wo der noch zu installierende Reparaturbetrieb ansetzen sollte. Das beschreiben Sie richtigerweise: Verringerung der Gesamtsumme des Prämienaufkommens, schädliche Auswirkungen auf die wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit der Landwirtschaft,

Wettbewerbsverzerrungen, erforderliche Hilfen für Betriebe, die investiert haben, Brüche beim Übergang von der Betriebs- zur Flächenprämie und so weiter. Wohlgemerkt: Alle diese Risiken sind im Antrag des Kollegen Harms aufgeführt.

Im April haben Sie, Kollege Harms, das noch alles begrüßt. Wie passt das denn zusammen? Ich zitiere:

„Aber der grundsätzliche Weg in der künftigen gemeinsamen Agrarpolitik ist in Ordnung und nach unserer Meinung auch genau der richtige."

Welcher Weg ist der richtige, Kollege Harms? Das darf ich hier ja dann wohl fragen.

(Beifall bei CDU und FDP - Lars Harms [SSW]: Habe ich gerade eben ausgeführt!)

Offensichtlich haben Sie sich sagen lassen, welche Probleme auf die Landwirtschaft zukommen, und jetzt haben Sie kalte Füße bekommen.

Wer den Katalog des SSW liest, fragt sich, woher Sie, Herr Kollege Harms, in diesem Parlament den Mut genommen haben, dieses Reformpapier pauschal zu begrüßen. Die Agrarreform enthält durchaus richtige und richtungweisende Schritte.

(Friedrich-Carl Wodarz [SPD]: Das ist ganz was Neues!)

Das wird von niemandem bestritten. Diese dürfen jedoch nicht - das sage ich sehr deutlich - im Zuge der nationalen Ausgestaltung zu Stolpersteinen gerade für entwicklungsfähige und leistungsstarke Betriebe in unserem Land werden.

(Beifall bei CDU und FDP)

Als Ergebnis stelle ich fest: Die verantwortliche Politik weiß nicht, was sie angerichtet hat. Die Landwirtschaft weiß nicht, wie es weitergeht. Der SSW weiß überhaupt nicht, um was es geht.