Protokoll der Sitzung vom 13.11.2003

Darüber hinaus belegt dieser Bericht, dass die Übertragung der Arbeitsmarktpolitik in das Wirtschaftsministerium nichts bringt, wenn auch hier keine Fähigkeiten zu einer analytischen Bestandsaufnahme zu

(Roswitha Strauß)

finden sind. Auch dieser Bericht bleibt den Nachweis schuldig, dass die eingesetzten Steuermittel in einem angemessenen Verhältnis zum Erfolg stehen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich jetzt dem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Allein 5.900 Existenzgründungen wurden in Schleswig-Holstein in diesem Jahr durch Fördermaßnahmen unterstützt - nicht alle durch Fördermaßnahmen des Landes. Viele Existenzgründungen, die nicht direkt durch Fördermaßnahmen des Landes unterstützt wurden, sind indirekt unterstützt worden, weil das Land sehr viel für die Beratung von Existenzgründerinnen und Existenzgründern tut. Ich denke zum Beispiel an das Frauennetzwerk. Fast alle Frauen, die in Schleswig-Holstein eine Existenz gründen, gehen, sofern es sich nicht um eine größere Existenzgründung handelt, durch eine dieser Beratungsmaßnahmen. Sie sind sehr frequentiert. Ein beträchtlicher Teil derjenigen, die die Beratungsangebote aufsuchen, wird selbstständig.

Ich will an dieser Stelle auch auf das eingehen, was Sie gesagt haben, nämlich, dass eine unterschiedliche hohe Zahl von Arbeitsplätzen bei Fördermaßnahmen, die einen Kredit benötigen, und durch Fördermaßnahmen des Landesarbeitsamtes, die Übergangscharakter haben, entsteht. Das ist völlig logisch. Es handelt sich nämlich um ganz andere Existenzgründungen. Eine Masseurin oder eine Friseurin oder Frauen in ähnlichen Berufen, die sich selbstständig machen, haben ein ganz anderes Profil von Betrieb als jemand, der von der Uni kommt und einen Hightechbetrieb aufmacht, also erst einmal Labore aufbaut und so weiter. Das sind ganz unterschiedliche Dinge. Die kann man nicht miteinander vergleichen. Wenn sich eine Frau oder ein Mann im Dienstleistungsbereich allein selbstständig macht, entstehen dadurch nicht zwangsläufig Arbeitsplätze, während in dem anderen Bereich Arbeitsplätze entstehen und wir zu einer ganz anderen Bilanz kommen.

Immerhin ist erfreulich, dass im Durchschnitt der Existenzgründungen nach drei Jahren drei Arbeitsplätze geschaffen worden sind und immerhin zwei Drittel der Existenzgründungen drei Jahre überleben. Das zeigt eine erhebliche Stabilität, wenn man weiß,

dass Existenzgründungen immer mit einer großen Unsicherheit verbunden sind.

Insgesamt kann man sagen: Trotz der Insolvenzen sind die Vielzahl der Existenzgründungen nicht solche, die insolvent gehen. Der Großteil der Existenzgründungen überlebt und führt dazu, dass Arbeitsplätze geschaffen werden. Eine Minderheit geht Pleite. Das ist so. Das muss man in Kauf nehmen, wenn man Existenzgründungen haben will. Wer das nicht will, braucht nicht für eine freie Marktwirtschaft einzutreten.

Der Bericht der Landesregierung zeigt die breite Palette an Beratungsangeboten. Diese kompetente Beratung ist in der Anfangsphase unverzichtbar. Darauf habe ich schon hingewiesen. Dabei geht es sowohl um Markt wie um Finanzierung, um Materialbeschaffung, um passendes Personal und um die Informationen über Fördermöglichkeiten. Es geht auch darum, bei der Beratung chancenlose Gründungsversuche zu stoppen und Menschen vor falschen Hoffnungen zu warnen, um mögliche Geldvernichtung zu vermeiden. Viele Menschen bringen nicht nur ihr eigenes Geld mit ein, sondern auch das von Verwandten, von Eltern, von Freunden. Das geht in die Existenzgründungen ein und ist verloren, wenn die Existenzgründung scheitert.

Der Bericht geht auch auf die Technologiezentren ein. Der Landesrechnungshof hat gesagt, dass die Auslastung und die Belegung nicht immer in Ordnung sind. Das muss überprüft werden. Das muss gegebenenfalls korrigiert werden. Es darf nicht sein, dass Technologiezentren zu billigen Gewerbegebieten werden, in denen man ein Gebäude zur Verfügung stellt. Gut laufen Technologiezentren in der Nähe von Hochschulen, weil die Ausgründungseffekte von Technologiebetrieben eben gut sind. Auf dem flachen Land ist das sehr schwierig. Von daher hat es keinen Sinn, diese Strategie fortzusetzen.

Zur Existenzgründung von Frauen. Wir als Grüne haben 1999 in Verhandlungen das Ergebnis erzielt, dass für Frauen ein gesondertes Programm aufgelegt wird, das auf die besonderen Bedingungen eingeht, die Frauen bei Existenzgründungen brauchen. Dieses Programm ist erfolgreich gewesen. Man kann anhand der Statistik zumindest feststellen, dass ab 1997 ein signifikanter Anstieg bei der Frauenquote zu verzeichnen ist. Das kann natürlich auch Zufall sein. In jedem Fall freut es uns und ist ein gutes Zeichen. Mittlerweile liegt Schleswig-Holstein weiterhin mit 31 % Anteil der Frauen an Existenzgründungen an

(Karl-Martin Hentschel)

der Spitze aller deutschen Bundesländer. Auch das ist ein erfreuliches Ergebnis.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Es gibt eine Reihe von Maßnahmen, auf die ich der Kürze der Zeit wegen jetzt nicht eingehe, die in 2003 neu gestartet worden sind, zum Beispiel die Starthilfe Schleswig-Holstein, die Sache mit den Technologiescouts und so weiter. Entgegen Unkenlauten ist auch die Ich-AG in Schleswig-Holstein erfolgreich. Von Januar bis April wurden allein 662 Existenzgründungen bewilligt. Man kann natürlich noch keine seriösen Bewertungen abgeben. Das ist ein viel zu kurzer Zeitraum. Wir müssen warten, wie sich das weiterentwickelt.

Im Bereich der Existenzgründungen ist SchleswigHolstein gut aufgestellt. Natürlich gibt es Insolvenzen. Politisch intendierte Krokodilstränen helfen da aber niemandem. Stattdessen sollten wir die Gründerinnen und Gründer unterstützen, denn sie schaffen unter persönlichem Risiko Arbeitsplätze. Bei der Existenzgründung ist viel Engagement gefordert. Da gibt es meistens keine 35-Stunden-Woche, weder für die Gründerinnen und Gründer noch für die Familien, und das nicht nur am Beginn, sondern häufig für viele Jahre. Ich bedanke mich deshalb ausdrücklich bei diesen fleißigen und wagemutigen Menschen, die sich eine eigene Existenz aufbauen, und wünsche allen Existenzgründungen in Schleswig-Holstein Erfolg.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag erteile ich Herrn Abgeordneten Lars Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Förderung von Existenzgründungen in Schleswig-Holstein ist immer noch einer der positiven Lichtblicke im bundesweiten wirtschaftlichen Vergleich. So zeigt der Bericht zum Beispiel, dass die Selbstständigenquote in Schleswig-Holstein im Jahre 2002 mit 12,1 % weit über dem Bundesdurchschnitt von 10,6 % lag und sich Schleswig-Holstein damit auf dem zweiten Platz hinter Bayern befindet.

Selbst bei der von der Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei bereinigten Selbstständigenquote lag Schleswig-Holstein mit 10,3 % bundesweit an zweiter Stelle hinter Berlin. Dabei zeigt die Entwicklung der

Selbstständigenquote in Schleswig-Holstein seit 1996 einen kontinuierlichen Anstieg an.

Diese positive Entwicklung spiegelt sich auch wider, wenn man sich die Zahlen der Unternehmensneueintragungen ansieht. Hier liegt Schleswig-Holstein bundesweit auf dem zweiten Platz hinter Hamburg. Seit mehr als einem Jahrzehnt gibt es jährlich mehr Unternehmensneugründungen als Löschungen aus dem Handelsregister in Schleswig-Holstein.

(Zuruf der Abgeordneten Roswitha Strauß [CDU])

Bezogen auf die Unternehmensneugründungen wird im Bericht festgestellt - Frau Strauß -, dass nach drei Jahren 70 % aller neu gegründeten Unternehmen immer noch am Markt sind und sich somit etabliert haben. Der Vorwurf, dass die Unternehmen nach ihrer Gründung gleich wieder Pleite gehen, wie er manchmal geäußert wird, ist somit nicht haltbar, sondern eindeutig widerlegt. Das heißt, wir können hier von einer positiven, nachhaltigen Entwicklung in den letzten Jahren sprechen.

(Beifall des Abgeordneten Rolf Fischer [SPD])

Die Maßnahmen, die die Landesregierung ergriffen hat, waren erfolgreich. 99 % aller schleswigholsteinischen Unternehmen gehören in die Kategorie kleine und mittlere Unternehmen. Das gilt auch für die Unternehmensneugründungen. Während die großen internationalen Konzerne massiv Arbeitsplätze abbauen, schaffen die kleineren und mittleren Betriebe oder Existenzgründungen neue Arbeitsplätze in unserem Land. Im Schnitt spricht der Bericht hier von etwas mehr als zwei Arbeitsplätzen pro Unternehmen. Das hat die Landesregierung schon vor einigen Jahren erkannt und deshalb ist Schleswig-Holstein in der guten Situation, dass unser Beratungs- und Betreuungsangebot für Existenzgründungen sehr gut bis optimal ausgebaut ist.

Neben dem gut ausgebauten Netz der Technologiezentren im Lande - auch auf dem Lande sind diese wichtig; das NIC in Niebüll zum Beispiel hat gerade 86 % Auslastung bekommen, nachdem man längere Zeit um die 50 % dümpelte - bieten auch landeseigene Institutionen wie beispielsweise die Investitionsbank Beratungsangebote für Existenzgründer. Auch die Industrie- und Handelskammern sowie die Handwerkskammern halten ein breites Beratungsangebot für die verschiedenen Zielgruppen vor.

Dazu gibt es auch vielfältige Finanzierungsangebote für die Existenzgründer. Von der Bürgschaftsbank über die Gesellschaft für Wagniskapital bis hin zur

(Lars Harms)

Investitionsbank werden viele staatliche Förderprogramme angeboten.

Auch die Bundesanstalt für Arbeit gibt als Folge des Hartz-Konzeptes und der Einführung der Ich-AG Zuschüsse für Existenzgründer. Wenn es in diesem Bereich etwas zu kritisieren gibt, dann höchstens, dass die Vielzahl von Finanzierungsmöglichkeiten langsam unübersichtlich wird und es vielleicht auf Bundes- und Landesebene eine bessere Abstimmung der vielen Programme geben muss. Aber selbst das soll ja jetzt angegangen werden, wie Minister Rohwer gerade mitgeteilt hat. Das ist der richtige Weg.

Leider legt der Bericht auch dar, dass die Finanzierungsprobleme der Existenzgründer dennoch in den letzten Jahren zugenommen haben, weil die Privatbanken im Zuge von Basel II und der schlechten Konjunktur viel restriktiver bei der Vergabe von Krediten agieren.

(Günter Neugebauer [SPD]: Nicht nur Pri- vatbanken!)

- Auch Sparkassen, stimmt.

Das ist natürlich bedauerlich und gerade in der jetzigen wirtschaftlichen Schwächephase kontraproduktiv. Hier würden wir uns von politischer Seite wünschen, dass die Privatbanken und Sparkassen sich weniger restriktiv bei der Kreditvergabe verhalten.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Fazit ist trotzdem: In Schleswig-Holstein gibt es ein gutes Klima für Existenzgründungen und jeder, der sich selbstständig machen will, ist in SchleswigHolstein an der richtigen Adresse. Das ist die Botschaft, die wir alle auch nach außen tragen müssen.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Professor Müller, darf ich fragen, ob Ihre Bemerkbarmachung eine Wortmeldung nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung ist? - Dann darf ich Ihnen in Ihrer Eigenschaft als Abgeordneter das Wort zu einem Kurzbeitrag erteilen.

Ich habe mich nicht zu Wort gemeldet, damit wir das üben; es klappt ja schon besser. Ich möchte etwas zu dem sagen, was Frau Strauß hier gesagt hat. Frau Strauß, Sie haben wieder die Lohnneben- oder Lohnzusatzkosten erwähnt und glaubhaft machen wollen,

dass die Senkung der Lohnnebenkosten der rettende Anker sei.

Ich habe gerade in Vorbereitung einer Rede, die ich gestern in Berlin gehalten habe, geguckt, wie lange diese Forderung schon erhoben wird. Als ich vor 25 Jahren das erste Mal etwas über Mittelstandspolitik veröffentlicht habe, gab es auch schon genau diese Forderung. Sie wissen, da haben andere Leute regiert und die hatten vor 25 Jahren sehr lange Zeit, die Lohnnebenkosten deutlich zu senken.

Aber was heißt es denn, wenn wir immer wieder dieselbe Forderung aufstellen? Die Bundesregierung hat gesagt - und wir tragen das mit -: Wir müssen die Arbeitskosten entlasten, ja. Aber dann gibt es nur zwei Möglichkeiten - auch das müssen Sie den Wählerinnen und Wählern sagen -: Entweder wir verteilen um, das heißt, ein Teil der Kosten wird über Steuern erbracht, oder Sie müssen die sozialen Leistungen in diesem Land drastisch senken. Wenn Sie das wollen, sagen Sie das den Menschen auch und tun Sie nicht so, als würden Sie ihnen mit dieser Forderung Heil bringen wollen!

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen vor. Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung darf ich jetzt der Frau Abgeordneten Roswitha Strauß das Wort erteilen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Müller, ich bin mir nicht ganz sicher, was Sie mit Ihrem Beitrag hier eigentlich aussagen wollten.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und FDP)

Wollen Sie die Lohnzusatzkosten und damit die Arbeitskosten in diesem Land senken oder wollen Sie das nicht? Wir haben hier diverse Debatten in diesem Hause geführt. Deshalb hatte ich gesagt, dass ich glaube, in dem Punkt besteht Konsens, dass es die viel zu hohen Lohnzusatzkosten sind, die unsere Wettbewerbsfähigkeit sowohl im nationalen als auch im internationalen Bereich erheblich belasten.

(Klaus-Dieter Müller [SPD]: Dem wider- spreche ich nicht! - Weitere Zurufe von der SPD)