Protokoll der Sitzung vom 11.12.2008

Deshalb sage ich noch einmal: Das sind die Ansätze, die erkennbar wirken. Das bloße Versprechen auf die Heilwirkung einer anderen Schulstruktur bleibt das leere Versprechen, das Sie den Bürgerinnen und Bürger dieses Landes jetzt seit Jahren servieren.

(Beifall bei der FDP)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug und erteile für die CDU-Fraktion der Frau Abgeordneten Sylvia Eisenberg das Wort.

(Dr. Ekkehard Klug)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dr. Klug, als Opposition hätte ich mir diese Gelegenheit, der damaligen Regierungskoalition eins zwischen die Hörner zu geben, auch nicht entgehen lassen. Sie haben nicht ohne Grund diesen Antrag auf einen Bericht über die PISA-Ergebnisse gestellt. In der Tat, die Schüler, die 2006 getestet wurden, haben ihre Schulzeit während der damaligen Regierungszeit zwischen 1996 und 2005 absolviert. Daran geht nichts vorbei. Sie als Grüne - wenn ich darauf hinweisen darf müssten eigentlich insgesamt schamhaft schweigen, denn Sie haben in der Zeit, um die es jetzt geht, Regierungsmitverantwortung getragen.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU - Dr. Hei- ner Garg [FDP]: Aber die Ministerin scheint sich auch nicht zu schämen!)

Meine Damen und Herren, jetzt kommen wir zum sachlichen Bericht. Das Ergebnis des PISA-Ländervergleichs ist für Schleswig-Holstein nicht befriedigend. Das brauchen wir auch nicht zu beschönigen, wie das zum Beispiel andere Bundesländer durchaus tun. So stellte der Bremer Bildungssenat offiziell fest:

„Unsere Aufholjagd hat sich gelohnt.“

Dabei ist zu bemerken, dass Bremen das dritte Mal in Folge das Schlusslicht im Vergleich der Bundesländer darstellt.

Aber kommen wir zu unseren Ergebnissen: Schleswig-Holstein hat sich seit Beginn der PISA-Untersuchungen im Jahr 2000 zumindest im LänderRanking - Sie haben auf die Unterschiede hingewiesen - der Bundesländer nicht verbessert. Im Bereich Naturwissenschaften vom 6. Platz in 2000 mit 486 Punkten auf den 8. Platz in 2003 mit 497 Punkten auf den 10. Platz in 2006 mit 510 Punkten. Ich könnte das für Mathematik, Lesen und Textverständnis ähnlich vortragen; ich spare mir das jetzt. Wir haben auf der einen Seite das Länder-Ranking.

Wir haben auf der anderen Seite aber die Kompetenzpunktzahlen. Wenn auch die Kompetenzpunktzahlen im Vergleich zu 2003 nicht so große Unterschiede aufweisen, so muss man doch feststellen, dass wir im Länder-Ranking zurückgefallen sind. Das heißt, andere Länder haben in den Jahren 2000 bis 2006 offensichtlich größere Anstrengungen als Schleswig-Holstein unternommen, so zum Beispiel Sachsen, das in dieser Zeit eine ansehnliche Leistungssteigerung, vor allen Dingen im natur

wissenschaftlichen Bereich, um plus 42 PISAPunkte aufweist.

Schleswig-Holstein liegt in allen getesteten Bereichen unter dem PISA-Bundesdurchschnitt und nur im Hinblick auf die Naturwissenschaften über dem OECD-Durchschnitt. Nach Einschätzung des Bildungsministeriums handelt es sich hierbei lediglich um „Schätzfehler mit beschränkter Aussagekraft“ und ein „breites Mittelfeld auf ähnlichem Leistungsniveau“. Das waren Zitate.

Dieser Einschätzung können wir uns allerdings nur bedingt anschließen. Was für die Ergebnisvalidität für Gymnasien gilt - die hoch gelobt werden -, und denen auch die KMK einen großen Leistungsvorsprung gegenüber anderen Schularten testiert, muss entsprechend auch für die Validität der Ergebnisse in anderen Schularten gelten.

Um gleich von Anfang an mit einem weit verbreiteten Vorurteil aufzuräumen: Das mittelmäßige Abschneiden unserer Schülerinnen und Schüler liegt nicht am Geld. Die öffentlichen Ausgaben pro Schüler betrugen in Berlin 6.100 € - Berlin, das nur den 11. Platz in Naturwissenschaften und den 12. Platz in Mathematik erreichte, während der PISA-Gewinner Sachsen mit 5.800 € pro Schüler auskam, Bayern mit 5.200 €. Der zum Testzeitpunkt vergleichsweise niedrige Satz in Schleswig-Holstein - ich sage zum Testzeitpunkt - von 4.900 € pro Schüler hat zu besseren Ergebnissen als im Land Bremen geführt, das immerhin 5.300 € pro Schüler ausgibt, das weitere Schlusslicht Hamburg sogar 6.200 €.

Auch die Schulstruktur kann nicht allein die Ursache für das Abschneiden der einzelnen Länder sein. Sachsen mit seiner gegliederten Schulstruktur Mittelschule, das ist unsere Regionalschule, und Gymnasium, wie es bei uns auch vorgesehen ist steht in der Rankingliste an erster Stelle, kurz vor Bayern und Baden-Württemberg mit einem dreigliedrigen Schulsystem, erst dann folgen die anderen Bundesländer. Dänemark, Frau Spoorendonk, mit Ihrer hoch geliebten Gemeinschaftsschule,

(Anke Spoorendonk [SSW]: Ich sage etwas dazu!)

befindet sich zumindest im Bereich Naturwissenschaften unter dem OECD-Durchschnitt und damit hinter Deutschland, und im Bereich der Lesekompetenz ebenfalls hinter Deutschland, wenn auch knapp.

(Thomas Stritzl [CDU]: Die können zu we- nig deutsch!)

- Ich glaube nicht, dass es daran liegt.

Einige Äußerungen sollten uns aber zum Nachdenken bringen, so eine Stellungnahme des Staatsministers aus Sachsen auf die Frage, warum Sachsen so viel erfolgreicher als Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern sei: ,,Weil wir seit 1990 einen stabilen Kurs fahren.“ Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg haben einiges ausprobiert. Sachsen hat von Anfang an einen stabilen Kurs gefahren.

Aber auch die KMK macht nachdenkenswerte Äußerungen. Nach deren Ansicht herrschen an Gymnasien günstige Rahmenbedingungen für das Lernen in den Naturwissenschaften, und die Unterschiede zwischen den Ländern sind an dieser Schulart bei der Lesekompetenz eher gering. Die Aussage des PISA-Konsortiums zitiere ich hier auch noch einmal, darauf ist schon hingewiesen worden:

,,Der naturwissenschaftliche Unterricht in Schleswig-Holstein zeichnet sich durch relativ häufiges interaktives Lehren und Lernen und globale Aktivitäten aus. Globale Aktivitäten sprechen die Schülerinnen und Schüler motivational an,“

- so heißt es hier schön, das heißt, wecken Motivationen und sind interessant

„erweisen sich aber als unzureichend für die Sicherung eines fachlichen Verständnisses.“

Vielleicht ist das der Grund, weshalb SchleswigHolstein auch nur auf Platz 10 der Rankingliste steht. Es gibt viele Erklärungen für die Ursachen.

Welche Lehren können wir in Schleswig-Holstein aus den neuerlich nicht sehr positiven Befunden ziehen? Denn darauf kommt es an und nicht auf ständige Mäkeleien der Opposition, die so oder so nie ein gutes Haar an der Regierung lässt

(Zuruf der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- na klar, das habe ich fünf Jahre miterlebt, ich weiß genau, wie Sie arbeiten

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

und in der Regel außer den Forderungen nach mehr Geld auf der einen Seite und Festhalten am Bestehenden auf der anderen Seite keine machbaren Vorschläge aufweist.

Meine Damen und Herren, es war und ist richtig, an der Schulart Gymnasium festzuhalten

(Beifall bei CDU und FDP)

und sie auch entsprechend auszustatten, wie wir es gestern mit dem verabschiedeten Haushalt getan haben.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Das Gymnasium weist eine hohe Qualität auf und bietet die entsprechenden Rahmenbedingungen für gutes Lernen und gute Ergebnisse auch im internationalen Vergleich. Die in Schleswig-Holstein noch notwendigen Planstellen haben wir gestern bewilligt.

Es war und ist richtig, in eine grundlegende Bildungsreform seit 2005 einzusteigen, und zwar von der Pike auf, also vom Kindergarten über die Grundschule bis zu den weiterführenden Schulen, von der Sprach- und Leseförderung über die Grundschulbetreuung, über Ganztagsangebote, Lehrerfortbildung und Qualitätssicherung. Das war und ist ein großer - auch finanzieller - Kraftakt, den die Regierungskoalition seit 2005 geleistet hat.

Dass die Reformen jetzt in der Grundschule greifen - von der Pike auf, von Anfang an - haben uns gerade die IGLU-Ergebnisse bestätigt. Die im Jahr 2006 getesteten Schülerinnen und Schüler sind im Jahr 2000 oder 2001 - wir können uns da ein bisschen streiten, ob 1998, 1999, 2000 oder 2001 in die weiterführenden Schulen aufgenommen worden. Die von den Koalitionsfraktionen angestoßenen vielfältigen Reformen seit 2005 konnten noch keine positiven Effekte erzielen. Erst frühestens 2012 oder vielleicht auch erst 2015 werden wir messbare - ich betone messbare - Ergebnisse bekommen können. Bis dahin dürfen wir in unseren Anstrengungen nicht nachlassen.

Wie die Aussagen aus Sachsen zeigen, brauchen auch wir in Schleswig-Holstein Ruhe in der Schullandschaft, damit Eltern, Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler sich auf die Veränderungen einstellen können und die vielfältigen Hilfen, die das Land in vielfältiger Art und Weise anbietet, auch wahrnehmen können.

(Werner Kalinka [CDU]: Sehr richtig!)

Die Erwartung - und das geht an die Opposition -, dass Deutschland oder Schleswig-Holstein innerhalb von zwei oder drei Jahren nach Einführung der Bildungsreform die Spitze der Bildungstabelle stürmen wird, kann nicht erfüllt werden, jedenfalls nicht nach zwei oder drei Jahren, auch wenn Regierungspolitiker sich das wünschen würden und Oppositionspolitiker genau dieses befürchten.

(Sylvia Eisenberg)

Der konstruktive Dialog mit Lehrer-, Eltern- und Schülerverbänden muss fortgeführt werden, um mögliche Schwachstellen der Reform mit den Beteiligten zu erörtern und dann auch Lösungen zu finden. Wir sollten uns - wie vorgesehen - am Siegerland Sachsen ausrichten und Schülern und Eltern vermitteln, dass neben den Gymnasien auch die zweite Schulart - und ich halte mich jetzt an die Aussage des Ministerpräsidenten von gestern: „Egal wie sie nun heißt, entscheidend ist, was drin ist“ - einen hohen Stellenwert besitzt und es jedem Kind jederzeit offen steht, in einem durchlässigen Schulsystem eine weiterführende Schule zu besuchen. Echte Ganztagsschulen und Ganztagsangebote sind miteinander zu verknüpfen, um eine frühzeitige und umfassende Betreuung und Förderung auch der sogenannten bildungsfernen Schichten zu erreichen. Vorschläge und Maßnahmen dazu sind schon in vielfältiger Weise von der Bildungsministerin genannt worden, die brauche ich nicht zu wiederholen.

Lassen Sie uns ohne destruktive Kritik, sondern mit konstruktiven Vorschlägen die Bildungsreform begleiten. Ich bin sicher, dass diese nach anfänglichen Schwierigkeiten zum Erfolg führen wird. Unterstützen Sie unsere Lehrkräfte in ihrer nicht immer ganz einfachen Arbeit mit den Schülern und Schülerinnen und uns Bildungsreformer.

(Beifall bei der CDU)

Ich danke der Frau Abgeordneten Sylvia Eisenberg und erteile für die SPD-Fraktion Herrn Abgeordneten Dr. Henning Höppner das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der IGLU-Studie gute Ergebnisse für Schleswig-Holstein, in der PISA-E-Studie keine Fortschritte. Im Kompetenzbereich Lesen ein 12. Platz. Das ist natürlich bedauerlich. Ich werde mich im Verlauf meines Beitrags ein wenig mit diesem Kompetenzbereich Lesen beschäftigen.

Ich erinnere mich als Elternteil gern an Sitzungen der Konferenzen in den Schulen meiner Töchter. Solche Klassenelternkonferenzen waren für die Eltern immer die Möglichkeit, über die Art und Qualität des Unterrichts und die Leistungen der einzelnen Lehrerkolleginnen und -kollegen zu diskutieren. Und ich erinnere mich an den Bericht einer Mutter, oder besser gesagt an eine Beschwerde über den Unterricht eines Lehrers in der neunten Jahr

gangsstufe: „Stellen Sie sich vor“, hat sie gesagt, „Herr P. lässt immer noch aus dem Geschichtsbuch vorlesen und verlangt dann, dass die Schüler das zusammenfassen, nacherzählen und erläutern. Das ist doch wohl viel zu einfach, das ist doch Unterricht von vorgestern.“ Das ist eine Meinung, die da viele Elternteile auch vertreten haben. Wahrscheinlich aber - das bestätigen die Studien IGLU und PISA im Zusammenhang mit den Untersuchungen von Lesekompetenz - ist diese Methode des Lehrerkollegen P. gar nicht so verkehrt. Lesen und Vorlesen im Unterricht ist meines Erachtens im Stellenwert wahrscheinlich viele Jahre lang unterschätzt worden.

An der PISA-Studie nehmen Hauptschulen, Gesamtschulen, Realschulen, organisatorisch diese verbindende Schulformen, Gymnasien, Berufliche Schulen und wie in Schleswig-Holstein zuletzt auch freie Schulen teil. Förderschulen haben nicht teilgenommen. Sie fallen auch nicht in die Bewertung im Rahmen der Vergleichsliste der Bundesländer PISA-2006-E.

Im Hinblick auf die Bildungsbeteiligung der Schülerinnen und Schüler der einzelnen Schularten im Rahmen von PISA ist es aber durchaus wichtig zu wissen, wie hoch der Anteil derjenigen ist, die in den Bundesländern die Förderschulen besuchen. Nehmen wir das Bundesland Sachsen, das zum neuen Star 2006 erklärt wurde. Sachsen hat gut 289.000 Schülerinnen und Schüler auf den allgemeinbildenden Schulen. Das sind etwa 10.000 Schüler weniger als in Schleswig-Holstein. In Sachsen leben aber rund 1.400.000 Einwohner mehr als bei uns. Nach der letzten Statistik gibt es in Sachsen 18.250 Förderschüler, in Schleswig-Holstein bei höheren Schülerzahlen lediglich 9.100, weniger als die Hälfte. In allen neuen Bundesländern, die sich ja so gut entwickelt haben, ist der Anteil der Förderschüler erheblich höher als bei uns. Und gleichwohl ist anzumerken, dass der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit Migration in diesen Bundesländern erheblich kleiner ist als in Schleswig-Holstein. Beide Aspekte sind also vorteilhaft für die neuen Länder, also im Bundesvergleich.