Protokoll der Sitzung vom 12.12.2008

Studienangebote und Hochschulforschung lassen sich nicht kurzfristig herauf- und herunterfahren wie die Stromerzeugung eines Kraftwerks. Hochschulen brauchen Planungssicherheit, denn nur so können sie eine vernünftige Entwicklung von Personal und Infrastruktur steuern. Ein buntes Nebeneinander von Sonderprogrammen, Initiativen, Gipfelaktionen und zeitlich damit überlappenden landeseigenen Fünfjahresplänen bietet hierfür meines Erachtens keine wirklich solide Grundlage.

(Beifall bei der FDP)

Die Landesregierung hat es versäumt, die Stellungnahme des Universitätsrats vom 8. August als Anstoß für eine mittel- und längerfristige Strategie der Hochschulentwicklung aufzunehmen. Sie zeigt dem Universitätsrat, den sie selber über einen Antrag im Landtag im vorigen Jahr aus der Taufe gehoben hat, vielmehr die kalte Schulter und riskiert damit, dass die Mitglieder des Universitätsrats in absehbarer Zeit zu dem Schluss gelangen, sie könnten ihre Zeit nutzbringender einsetzen als mit fruchtlosen Aktivitäten im deutschen Norden. Dann wäre das nicht nur ein Debakel für die Außenwirkung des Hochschulstandort Schleswig-Holstein, sondern die Landesregierung stünde auch vor einem hochschulpolitischen Scherbenhaufen.

(Beifall bei der FDP)

Das wäre auch deshalb schade, weil dieses Gremium, der Universitätsrat, nicht, wie ich es befürchtet hatte - das räume ich gern ein -, zu einem Kampfschauplatz lokaler Standortinteressen geworden ist, sondern sich tatsächlich zu einem strategischen Beratungsorgan entwickelt hat, was man aus seinen vorliegenden Stellungnahmen, vor allen Dingen der großen von Anfang August, sehr gut ablesen kann.

Für mich stellt sich die Frage: Hat die Landesregierung doch noch die Kraft - Herr Minister Marnette! - zu einem echten inhaltlichen Dialog mit dem Universitätsrat? Das ist nach wie vor die offene Frage, die wir heute noch nicht beantwortet bekommen haben.

Vielleicht gibt es hier eine zweite Chance, wenn man, wie ich es vorhin skizziert habe, für 2010/ 2011 eine Revision beziehungsweise eine Neufassung der mittel- bis langfristigen Hochschulplanungen des Landes vor dem Hintergrund der dann hoffentlich konkretisierten Bund-Länder-Vereinbarungen im Bereich Forschung und Lehre an den Hochschulen anstrebt.

Zu einzelnen Punkten der Zielvereinbarungen möchte ich kurz Folgendes hinzufügen:

Die Universität Kiel erhält Spielraum für ein kleines Strategiebudget, das auch mittel- und längerfristig angelegte Entwicklungen in Forschung, Lehre und Infrastruktur ermöglichen soll. Dies ist meines Erachtens einer der wenigen Lichtblicke im sonst nicht so hellen Zielvereinbarungsfeld. Die Christian-Albrechts-Universität hat im Rahmen der Exzellenzinitiative erhebliche zusätzliche Mittel eingeworben, stößt aber nicht zuletzt deshalb nunmehr unter anderem im Bereich der Infrastruktur an doch klar erkennbare Grenzen. Wenn man wünscht, dass die erreichten Erfolge im Bereich der Spitzenforschung nachhaltig gesichert werden, dass man daran auf mittelfristige Sicht anknüpfen kann, dann ist ein weiterer Ausbau des Strategiebudgets in der Zukunft sicherlich unabdingbar.

Was die Kieler Uni ganz sicher nicht gebrauchen kann, das ist die Umwandlung in eine „Museumsuniversität“. Zu der vom Landesamt für Denkmalpflege betriebenen Unterschutzstellung erheblicher Teile des Uni-Campus unter „Ensembleschutz“ vermissen wir - nebenbei bemerkt - eine klare Aussage, ein deutliches Wort des Herrn Wissenschaftsministers. Herr Marnette, vielleicht könnten Sie dazu noch etwas sagen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Kunst und Kultur sind Chefsache!)

Die Universität Kiel unter Ensembleschutz zu stellen, wäre ein Stück aus dem Tollhaus,

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

weil es nicht nur die Entwicklung auf dem UniCampus erheblich behindern würde, sondern auch erhebliche finanzielle Konsequenzen bei allen dort anstehenden Sanierungen und Renovierungen nach sich ziehen würde. Die finanziellen Spielräume des Landes sind vorgestern im Rahmen der Haushaltsberatungen ausgiebig erörtert worden. Über dieses Thema muss die Landespolitik noch einmal aus ihrer Verantwort heraus eine deutliche Aussage treffen.

(Dr. Ekkehard Klug)

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das muss Chefsa- che sein!)

- Der Chef ist heute - - Ist er da? Ist er woanders? Nein.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Marnette ist doch der Chef!)

Ich spreche den zuständigen Minister an.

(Zuruf)

- Der Herr Kollege Dr. Garg meinte den Chef hier vorn. Der ist ja auch für Kultur und damit für das Landesamt für Denkmalpflege zuständig. Das wollte ich nur kurz andeuten, Herr Minister.

Zur Universität Lübeck ganz kurz im Sinne des ceterum censeo der FDP-Fraktion wiederholt: Wir setzen uns dafür ein, der Universität eine neue Perspektive zu eröffnen und ihr die Umwandlung zur Stiftungsuniversität zu ermöglichen. Das impliziert, wie Sie wissen, auch eine Defusionierung des UK S-H, sozusagen einen Reset, einen Neustart auch im Bereich der Uni-Klinika.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

- Ach, Herr Kollege Stegner, nur weil das UK S-H Ihr Kind ist, das Sie mal in die Welt gesetzt haben, sollten Sie nicht immer so reflexartig auf solche neuen Ideen reagieren.

Die am Mittwoch gefassten Haushaltsbeschlüsse zur Lübecker Musikhochschule tragen der vom Land mit der MHL geschlossenen Vereinbarung nunmehr insoweit Rechnung, als die Hochschule mit dem jetzt aufgestockten Budget eine realistische Grundlage dafür erhalten hat, die Verpflichtungen, die sie in der Zielvereinbarung übernimmt, auch tatsächlich erfüllen zu können. Das begrüßen wir sehr, denn anderenfalls wäre ein zweites Desaster nach Art der gescheiterten Akkreditierung der Flensburger Uni-Studiengänge vorprogrammiert gewesen, nämlich in der Lübecker Musikhochschule. Diese Gefahr ist der Landtag durch eine Aufstockung des Budgets der Musikhochschule sozusagen zuvorgekommen.

Über das Problem Flensburg haben wir in diesem Jahr bereits zweimal gesondert gesprochen. Hierzu ist aus meiner Sicht noch Folgendes anzumerken: Für zusätzliches Lehrpersonal, das die Voraussetzung für eine Weiterführung der Flensburger Lehramtsstudiengänge ist, hat das Land zwar die nötige Mittelaufstockung bereitgestellt, aber in den letzten Wochen ist zugleich deutlich geworden, wie unzureichend daneben nach wie vor die Infrastruk

tur der Universität vor allem in den Bereichen Hochschulverwaltung und Bibliothek ist.

(Beifall der Abgeordneten Anke Spooren- donk [SSW])

Die FDP-Fraktion hat deshalb vorgestern den vorliegenden Haushaltsanträgen zugunsten der Flensburger Universität zugestimmt. CDU und SPD haben jedoch selbst einen Einstieg in eine Problemlösung, wie es der SSW mit seinem Antrag für Mittel in Höhe von 0,5 Millionen € zum Ziel gesetzt hatte, nicht folgen können. Damit stellt sich aus unserer Sicht die Frage, ob der nötige Neuanfang in Flensburg so gelingen kann, wie es im Interesse der Ausbildung des schleswig-holsteinischen Lehrernachwuchses erforderlich wäre.

(Beifall bei der FDP)

Ich will auch hinzufügen: Die Flensburger Universität muss ihre Studiengänge und ihr Prüfungswesen konzeptionell so neu aufstellen, dass die von der Akkreditierungsgesellschaft beanstandeten Mängel gründlich ausgeräumt werden. Die Uni Flensburg darf sich nicht darauf beschränken, Geldspritzen aus dem Landeshaushalt einzufordern. Bei der Gestaltung ihrer vermittlungswissenschaftlichen Studiengänge ist offensichtlich vieles schief gelaufen, und das muss überarbeitet werden.

Wenn sich der Rektor der Universität im „Flensburger Tageblatt“ ganzseitig für seine Hochschule starkmacht, ist das respektabel. Aber nicht jedes Argument, das aus lokaler Sicht überzeugen mag wie der Hinweis auf die Bedeutung der Hochschulangehörigen für die Flensburger Kneipenszene -, bringt auch in hochschulpolitischer Hinsicht ein spürbares Gewicht auf die Waage.

(Beifall bei der FDP)

Aus der Interessenlage des Landes ist das wesentliche, das ausschlaggebende Argument die Funktionsfähigkeit und die Bedeutung der Flensburger Lehramtsstudiengänge. Punkt.

Zusammenfassend - letzte Anmerkung - stelle ich fest: Nicht nur in einer Reihe wichtiger Einzelpunkte, sondern vor allem aufgrund der fehlenden Einbindung in eine mittel- und längerfristige hochschulpolitische Strategie hält die FDP-Fraktion die Vorlage der Landesregierung für mangelhaft. Wir werden dem mit dem Bericht verbundenen Antrag daher nicht zustimmen.

(Beifall bei FDP und SSW)

(Dr. Ekkehard Klug)

Für die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erhält nun Frau Abgeordnete Angelika Birk das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da die Debatte für manche, die im Hochschulbereich nicht so sattelfest sind, etwas sehr insidermäßig verläuft, möchte ich an den Anfang meiner Überlegungen ein sehr konkretes Bild stellen.

Stellen Sie sich vor, Sie wollen den Führerschein machen. Nur weil Sie ein Topabitur haben, konnten Sie unter ganz vielen Fahrschulen in ganz Deutschland einen Platz in Schleswig-Holstein ergattern.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Haben Sie einen Führerschein? - Dr. Henning Höppner [SPD]: Natürlich nicht! - Dr. Heiner Garg [FDP]: Das ist auch besser so!)

Aber schon bei den Theoriestunden müssen Sie immer stehen, weil es so überfüllt ist. Hunderte befinden sich in einem engen Raum, das Tafelbild ist unleserlich, und der Fahrlehrer nuschelt und leiert unverständlich.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Erzählen Sie eine Geschichte aus Ihrer Jugend?)

Aber wenn Sie nur ein einziges Mal ohne ärztliches Attest fehlen und die Verkehrsregeln lieber zu Hause bimsen, dann fliegen Sie aus dem Kurs raus. - Ich erzähle von den Universitäten hierzulande, und ich erlaube mir, das Bild einer Fahrschule zu nehmen, weil es manchem vielleicht geläufiger ist als ein Hörsaal.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Dann hätten Sie die Baumschule nehmen sollen!)

Gleich nach wenigen Wochen gibt es eine Prüfung, die zählt. 60 % fallen durch. Man darf die Prüfung wiederholen, aber wieder fallen 60 % durch. Jetzt nehmen die Verbliebenen teuren Nachhilfeunterricht. Denn wenn sie die nächste Prüfung vermasseln, sind sie in ganz Europa gesperrt - so wird es ihnen jedenfalls von der Fahrschule erzählt -, und sie erhalten nie ihren Führerschein.

Endlich geht es mit den Fahrstunden los. Erst nach einem halben Jahr wird für diese Praxisübung die Erlaubnis erteilt, weil viele andere vorher dran waren. So haben Sie ein halbes Jahr verloren, obwohl es doch strenge Vorschriften gibt, in welcher Zeit

die ganze Sache abgeschlossen sein muss. Außerdem fehlt es Ihnen inzwischen an Geld.

Eigentlich wollten Sie mit dem Führerschein ins Ausland. Doch international gilt er komischerweise nicht - noch nicht einmal in England und erst recht nicht in der Nachbarstadt.

Wie viele Leute würden unter diesen Bedingungen den Führerschein schaffen? - Aber das sind exakt die Bedingungen, unter denen heute junge Leute an unseren Hochschulen in Schleswig-Holstein Mathe, Physik, Medizin, Wirtschaft, Jura und auf Lehramt studieren müssen. Ich habe mich mit vielen Studierenden unterhalten und genau diese Bedingungen geschildert bekommen.

(Thomas Stritzl [CDU]: Die haben alle kei- nen Führerschein?)