Protokoll der Sitzung vom 29.01.2009

Trotzdem wissen wir, es gibt Gewinnerinnen und Gewinner. Profiteure sind zum Beispiel die neuen Bundesländer, die ganz bewusst einen höheren Budgetzuwachs erhalten. Denn bisher rangierten sie eher am unteren Ende der Vergütung. An dieser Stelle möchte ich daran erinnern, es hat vor einigen Jahren eine ähnliche Auseinandersetzung gegeben, die allerdings nicht so laut geführt wurde. Damals ging es um die Honorare für die Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, die so niedrig eingestuft wurden, dass es in den sowieso schon völlig unterversorgten neuen Bundesländern - in der DDR-Zeit kannte man diese Berufsgruppe dort kaum - völlig psychotherapeutenfreie Zonen gibt.

Kinder beispielsweise sind dringend auf die Hilfe von Psychotherapeutinnen und -therapeuten angewiesen. Sie können in Mecklenburg weit und lang suchen, bis Sie dort jemanden finden. Da hätte ich mir mehr Öffentlichkeit gewünscht. Wir haben damals in Schleswig-Holstein etwas gemacht, damals hier auch im Sozialausschuss. Die am stärksten betroffenen Gebiete hatten niemanden als Bündnispartner. Insofern bin ich sehr dankbar, dass sich Frau Ministerin Trauernicht stetig und konsequent der Verteilungsgerechtigkeit annimmt.

Die Zielsetzung der Reform - das ist auch gerecht ist, die Unterschiede zwischen den verschiedenen Regionen anzugleichen. Gewinner sind aber leider auch Bundesländer, die am oberen Ende der bisherigen Vergütungsliste stehen, wie zum Beispiel Bayern oder Nordrhein-Westfalen. Sie müssen nicht so viele Budgetzuweisungen abgeben, wie es

(Jutta Schümann)

zur Herstellung einer bundesweit gerechten Vergütung notwendig wäre. Besitzstandwahrung kann sich lohnen. Schleswig-Holstein hat einfach nur Pech gehabt. Das kann natürlich nicht einfach so stehen bleiben. Es gibt auch weitere Gewinner innerhalb der verschiedenen Berufsgruppen. Wenn man in die Details der Honorarreform einsteigen würde, würde man einzelne Arztgruppen und einzelne Regionen innerhalb Schleswig-Holsteins ausmachen können.

Wir haben hier alle den gemeinsamen Willen, dass es keine facharztfreien Zonen auf dem Land geben darf. Wir sind alle gemeinsam der Überzeugung, dass es hier nicht so sein kann, dass Arztpraxen stillgelegt werden müssen, weil nicht einmal mehr die Kosten bestritten werden können.

Was ist also zu tun? - Der aktuelle Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses eröffnet einen weiteren Handlungsspielraum. Darauf haben sich immerhin die Kassenärztlichen Gremien in verschiedenen Auseinandersetzungen mit Dritten geeinigt, aber Schleswig-Holsteins Kassenärzte bekommen nun doch nicht so viel mehr Geld, wie ihnen bei einer regionalen Gerechtigkeit eigentlich zustünde. Aber immerhin gibt es Flexibilität. Hier müssen wir nun die nächsten zwei Jahre nutzen, um tatsächlich eine gerechte Verteilung herzustellen.

Das ist aber - das sage ich ganz deutlich - in erster Linie eine Aufgabe der Selbstverwaltung. Der Spielraum ist nach wie vor zu klein. Wenn Schleswig-Holsteins Kassenärztliche Vereinigung findet, dass sie hier weiterhin über den Löffel barbiert wird - und sie hat gute Gründe dafür, das zu finden -, dann muss es - das ist vielleicht ein Novum in der Gesundheitspolitik dieses Staates - auch Wege geben, den Rechtsweg zu nutzen. Es kann nicht sein, dass ein Gremium der Selbstverwaltung dafür sorgt, dass ganze Regionen massiv benachteiligt werden.

Insbesondere die funktionierende Ärzteschaft legt seit Jahrzehnten großen Wert darauf, dass sich die Politik nicht in die Selbstverwaltungsstrukturen einmischt. Frau Ministerin Trauernicht hat auch eine entsprechende Passage vorgelesen, aus der das mehr als deutlich geworden ist. Die Ärzte verstehen sich nach wie vor häufig als selbstständige Unternehmer, wenn sie niedergelassen sind. Nun aber, wo der Konkurrenzkampf der verschiedenen Berufsgruppen innerhalb der Kassenärztlichen Vereinigungen ein völlig willkürliches regionales Verteilungssystem zur Folge hat und einzelne Arztpraxen in den Ruin treibt, wird die Politik an den Pranger gestellt.

Ich habe jedenfalls in der Öffentlichkeit noch keine Aussage einer Arztpraxis gehört, die nun ganz konkret die eigenen Funktionäre an den Pranger stellt, sondern da wird immer sehr deutlich auf die Politik gezielt.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Doch, doch! Unter- halten Sie sich einmal mit den Arztpraxen!)

- Gut, wenn es da eine Änderung gibt, ist das schon der erste Schritt zur Ehrlichkeit.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Es gab sogar Rück- trittsforderungen!)

Wir finden jedenfalls: Die Selbstverwaltungsorgane müssen sich entscheiden. Entweder sie lösen ihr Verteilungsproblem kollegial, oder sie lösen sich auf. Dann sind Parlament und Regierung erst recht am Zug. Ich habe die Kollegin Schümann so verstanden, dass auch ihr dieser Gedanke nicht fremd ist. Wir sollten ernsthaft überlegen, wenn sich die Situation nicht bessert, in welcher Verantwortung wir stehen, um tatsächlich einen neuen Rechtsrahmen für die Kassenärztliche Vereinigung zu schaffen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Abgeordneten des SSW hat Herr Abgeordneter Lars Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Dezember flatterten den niedergelassenen Ärzten die Bescheide über das für ihre Praxis anerkannte Regelleistungsvolumen ins Haus. Umgehend protestierten die Ärzte. Inzwischen bestehen keine Zweifel mehr, dass viele dieser Bescheide angreifbar sind. So werden Patienten in fachungleichen Gemeinschaftspraxen kurzerhand als halbe Patienten eingestuft und honoriert. Das ist eine Vorgehensweise, die zu zahlreichen rechtlichen Widersprüchen führte und die die betroffenen Ärzte noch ein bisschen mehr auf Touren brachte - so wie die unfaire Berichterstattung über die schleswigholsteinischen Kardiologen, die fälschlicherweise zu den großen Absahnern hochgeschrieben worden waren.

Also, alles wie gehabt: Die Ärzte stöhnen über unerträgliche bürokratische Zumutungen und Einkommensverluste, die Politik in Berlin verspricht eiligst Nachbesserungen, und die Patienten sind zutiefst verunsichert und dürfen das Ganze mit erhöhten

(Angelika Birk)

Beiträgen bezahlen. Tatsache ist, dass wir seriöserweise derzeit keine einzige belastbare Zahl haben. Wie viel Honorar jeder Arzt tatsächlich für seine Kassenleistungen im Januar 2009 bekommen wird, erfährt er nämlich erst Mitte des Jahres. Allerdings ahnt man in der Ärzteschaft und unter den in den Praxen Beschäftigten natürlich nichts Gutes.

Was macht Gesundheitsministerin Schmidt inzwischen? Sie kritisiert die Kassenärztlichen Vereinigungen wegen ihrer, nach ihrer Meinung, falschen Informationspolitik und schiebt ihnen damit den Schwarzen Peter zu. Die wiederum verlängern erst einmal die Übergangsfristen, um die Widersprüche und Anfragen bearbeiten zu können.

Damit behalten wir ein Gesundheitssystem, das drei grundsätzliche Fehler aufweist: Erstens. Es werden falsche Anreize gesetzt. Die ärztliche Versorgung richtet sich nach dem aus, was abrechenbar ist, und nicht immer nach dem, was medizinisch angezeigt wäre. Zweitens. Wir haben eine angebotsorientierte Nachfrage, bei der nicht die Krankheit des Patienten für das System entscheidend ist, sondern das Angebot an Fachärzten. Drittens. Die Zweiklassen-Versorgung benachteiligt die gesetzlich Versicherten, die zwar die Strukturen finanzieren, aber von bestimmten Angeboten unterdurchschnittlich profitieren.

Wenig überraschend ändert die Honorarreform an keinem dieser Strukturfehler etwas. Das wird übrigens auch das weitaus größere Reformprojekt der Großen Koalition, der Gesundheitsfonds, nicht tun. Eine gerechte Gesundheitspolitik ist wahrscheinlich in einer Großen Koalition gar nicht durchzusetzen, weil der vermeintlich kleinste Nenner nur in der Einführung von Zusatzbelastungen für die Patienten besteht.

So wird unverdrossen bei der Honorarreform viel Wind um Zahlen gemacht, die noch gar nicht vorliegen. Stattdessen: altbekannte Rituale.

Es ist zweifelhaft, ob überhaupt eines der Ziele der Honorarreform umgesetzt werden kann, also Entbürokratisierung im ambulanten Bereich oder die Besserstellung bislang vernachlässigter Facharztgruppen oder die Verbesserung der Situation bei den ostdeutschen Ärzten. Bislang kann niemand sagen, wohin die zusätzlichen 2 Milliarden € fließen, die übrigens voll von den Beitragszahlern zu finanzieren sind.

Man muss kein eingefuchster Gesundheitspolitikexperte sein, um zu prophezeien, dass wir spätestens in zwei Jahren eine Reform der Honorarreform haben werden, die wiederum auch in zwei Jahren

dann alles wieder beim Alten belassen wird. Das ist wirklich das Einzige, was wir heute schon mit Sicherheit sagen können. Deswegen glauben wir, der Fehler steckt im System und nicht nur in dieser Honorarreform.

(Beifall beim SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Ich stelle fest, dass der Berichtsantrag Drucksache 16/2394 durch die Berichterstattung der Landesregierung seine Erledigung gefunden hat.

Ich rufe nunmehr Punkt 40 der Tagesordnung auf:

Förderung von Ganztagsangeboten an Gymnasien

Anträge der Fraktion der FDP Drucksache n 16/1874 und 16/2440

Bericht und Beschlussempfehlung des Bildungsausschusses Drucksache 16/2424

Ich erteile der Berichterstatterin des Bildungsausschusses, der Frau Abgeordneten Sylvia Eisenberg, das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. Der Bildungsausschuss hat sich mit dem ihm durch Plenarbeschluss vom 28. Februar 2008 überwiesenen Antrag Drucksache 16/1874 in mehreren Sitzungen, zuletzt am 15. Januar 2009, befasst. Nach alternativer Abstimmung über den Ursprungsantrag und einen von CDU und SPD in dieser Ausschusssitzung vorgelegten Änderungsantrag empfiehlt der Ausschuss dem Landtag mit den Stimmen von CDU und SPD, den Antrag Drucksache 16/1874 in folgender Fassung anzunehmen:

„Der Schleswig-Holsteinische Landtag begrüßt, dass im Rahmen der Verkürzung der gymnasialen Schulzeit (G8), die seit dem Schuljahr 2008/2009 - -“

(Unruhe)

Das Wort hat die Frau Berichterstatterin!

(Lars Harms)

Vielen Dank! - Ich fange noch einmal an:

„Der Schleswig-Holsteinische Landtag begrüßt, dass im Rahmen der Verkürzung der gymnasialen Schulzeit (G8), die seit dem Schuljahr 2008/2009 mit einer 5. Jahrgangsstufe an den schleswig-holsteinischen Gymnasien gestartet ist, Haushaltsmittel im Rahmen des Doppelhaushaltes 2009/2010 bereitgestellt werden, um beginnend mit dem nächsten Schuljahr 2009/2010 den aufwachsenden G8-Jahrgängen eine Betreuung in der Mittagszeit zu gewährleisten.“

Wortmeldungen zum Bericht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat für FDP-Fraktion Herr Abgeordneter Dr. Ekkehard Klug.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor einem Jahr hat die FDP-Fraktion einen Entschließungsantrag eingebracht, der darauf abzielte, auch die Gymnasien in den Genuss der Fördermittel für Ganztagsangebote zu bringen. Nach den Vorgaben des geltenden Schulgesetzes soll es 2010 ja nur noch drei allgemeinbildende weiterführende Schularten in Schleswig-Holstein geben: Regionalschulen, Gemeinschaftsschulen und Gymnasien. Als einzige Schulart wäre dann nach den geltenden Bestimmungen des Bildungsministeriums das Gymnasium nicht berechtigt, Zuschüsse für die Durchführung von Ganztagsangeboten zu beantragen. Diese Diskriminierung der Gymnasien halten wir nicht für tragbar, und zwar erst recht nicht unter den neuen Rahmenbedingungen einer verkürzten Gymnasialschulzeit - Stichwort G8 -, die faktisch einen zumindest teilweisen Umstieg auf Ganztagsbetrieb geradezu erzwingt.

Während also die Gymnasien nach den geltenden Richtlinien des Bildungsministeriums bei der Förderung von Ganztagsangeboten benachteiligt werden, gibt es in der Schulartenverordnung für die Gemeinschaftsschule eine Sollvorschrift, die faktisch bedeutet, dass diese neue Schulform, die Gemeinschaftsschule, beim Zugang zu den Fördertöpfen für Ganztagsangebote besonders bevorzugt wird. Auch dieses Missverhältnis gilt es im Zusammenhang mit der Entscheidung über unseren Antrag zu bedenken.

Die CDU-Fraktion hatte in der vor rund einem Jahr zu unserem Antrag geführten Aussprache Zustimmung zu unserem Anliegen signalisiert. Ihr Koalitionspartner, die SPD, und deren Bildungsministerin zeigten sich dagegen ablehnend. Herausgekommen ist nun, nachdem unser Antrag etwa ein Jahr im Ausschuss quasi auf Eis gelegen hat, die Ihnen vorgelegte Beschlussempfehlung, die sich auf eine künftige Betreuung in der Mittagszeit auch an den Gymnasien bezieht. Das ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, das will ich ausdrücklich anerkennen, aber wir bleiben dabei: Es gilt, die bestehende generelle Diskriminierung der Gymnasien beim Zugang zu den Fördermitteln für Ganztagsangebote grundsätzlich zu beseitigen. Dies gebietet unseres Erachtens auch die Notwendigkeit, gegenüber allen Schülerinnen und Schülern weiterführender Schulen faire und gerechte schulische Rahmenbedingungen zu gewährleisten.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, die Haushaltsmittel für die Förderung solcher Ganztagsangebote sind von 3 Millionen € im Jahre 2008 in diesem Jahr, also im neuen Haushalt, auf 5,4 Millionen € und 2010 auf 6,8 Millionen € erhöht worden. Sie wurden also im Rahmen des neuen Doppelhaushaltes mehr als verdoppelt. Sollte dies nicht ausreichen, um auch eine Förderung jener Gymnasien zu ermöglichen, die bereits heute offene Ganztagsschulen sind, müsste im anstehenden Nachtragshaushalt für eine angemessene Finanzierung gesorgt werden.

Ich will abschließend darauf hinweisen, dass jedenfalls in den Vorjahren 2006 und 2007 die Mittelansätze bei Weitem nicht ausgeschöpft worden sind. Also auch hier gilt es, Spielräume zu prüfen.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit, auch wenn es sehr spät geworden ist, und bitte um Zustimmung zu unserem Ergänzungsantrag zur Beschlussvorlage.

(Beifall bei der FDP)

Für die Fraktion der CDU hat das Wort der Fraktionsvorsitzende, Herr Abgeordneter Dr. Johann Wadephul.