Protokoll der Sitzung vom 06.05.2009

Zukunft bei der Ausrichtung der HSH Nordbank angeht.

Für die SPD-Landtagsfraktion sage ich, dass wir das tun, was wir in den letzten Monaten in dieser Frage immer getan haben, nämlich uns für die Position der Verantwortung, der Seriosität entscheiden und nicht so sehr der tagesaktuellen Begeisterung in die eine oder andere Richtung folgen.

(Beifall bei der SPD)

Auf der Homepage der HSH Nordbank wird der jetzige Vorsitzende, Herr Professor Dr. Nonnenmacher, mit den Worten zitiert: „Aus Fehlern nichts zu lernen, wäre der nächste Fehler.“ Oder um es mit Edward Heath zu sagen: „Vor Fehlern ist niemand sicher. Das Kunststück besteht darin, den gleichen Fehler nicht zweimal zu machen.“ Dies gilt gerade für die Neuausrichtung der Landesbanken und des Landesbankensektors insgesamt.

Ich möchte dabei ergänzen, dass es entscheidend darauf ankommt, wenn man über die richtigen Zukunftslösungen spricht, die Ursachen der Fehler auch richtig zu erkennen und nicht zu vergessen, was wir eigentlich wollen.

Die HSH war und ist ein wichtiger Baustein der regionalen Wirtschaftsförderung. Sie ist jedenfalls gegenwärtig nicht wegzudenken bei der Finanzierung von Schiffbau, Flugzeugbau und Luftfahrttechnik, und sie ist die Nummer eins im norddeutschen Firmenkundengeschäft. Oder anders gesagt: Landesbanken sind ein entscheidendes Instrument der regionalen Strukturpolitik, wie es Berthold Huber, der Vorsitzende der IGM, Ende April auf dem Arbeitnehmerempfang der SPD-Landtagsfraktion und des SPD-Landesverbands in Kiel formuliert hat. Sie haben viel Erfahrung in ihren Kernbereichen, und auch das sollte nicht leichtfertig weggeworfen werden.

Unabhängig davon, ob man dem Urteil des früheren Wirtschaftsministers, Herrn Marnette, folgt, wir brauchten eine solche Bank nicht, muss ich doch sagen: Wir haben sie, und wir haben keine Stunde null - die gibt es in der Politik relativ selten -, sondern wir müssen mit den Dingen umgehen, die wir haben, und müssen das verantwortlich gestalten.

Die HSH bietet hochwertige Arbeitsplätze, sie engagiert sich in der Sport- und Kulturförderung, sie kann und sollte verstärkt als Partner für die Sparkassen wirken, die das als Miteigentümer übrigens auch nachdrücklich einfordern sollten - manchmal sollten sie eher das tun als anderes, was man von ihnen hört -,

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

und nicht zuletzt hat sie lange Zeit über Dividenden und Gewerbesteuerzahlungen dem Landeshaushalt und dem Haushalt der Stadt Kiel Nutzen gebracht. Deshalb haben die Sozialdemokraten in diesem Haus frühere Forderungen der FDP, die HSH beziehungsweise die Landesbank Kiel zu verkaufen, immer abgelehnt. Unabhängig davon, wie die künftige Struktur aussieht: Diese Leistungen müssen zumindest in weiten Teilen gewährleistet bleiben.

Alle im Aufsichtsrat, auch die vier Politiker unter den 20 Mitgliedern, haben im Rückblick mit heutigem Wissen zu viel auf Wirtschaftsprüfer, RatingAgenturen, auch Bundesbank und Wirtschaftswissenschaften vertraut. Ja, die Abschaffung von Gewährträgerhaftung und Anstaltslast auf liberalkonservatives Drängen hin haben wir in den Folgen nicht hinreichend durchdacht. Wir waren damals dagegen; dazu bekenne ich mich. Wir waren der Meinung, es hätte so bleiben können, wie es war. Die Konsequenzen daraus, Frau Kollegin Heinold da haben Sie recht -, haben wir nicht hinreichend durchdacht. Insofern finde ich es immer richtig, selbstkritische Anmerkungen von diesem Pult aus zu machen. Das unterscheidet uns manchmal von anderen.

Ich sage aber auch - da komme ich zu den Lehren aus den Fehlern; die müssen Pate stehen, wenn wir über die zukünftige Landesbankenstruktur reden -: Der Irrglaube an den allwissenden Markt, daran, dass die Börse doch sogar besser den Wohlstand organisieren könne als die Demokratie, daran, dass Private alles besser machten und der Staat sich möglichst raushalten sollte, ist krachend gescheitert.

(Beifall bei der SPD)

Der Mensch als Akteur denkt keineswegs immer rational, und der Markt bietet auch falsche Anreize. Herdentrieb, Unwissenheit, Unsicherheit und vieles mehr stören den angeblich sich selbst regulierenden Markt.

Dennoch hat das liberal-konservative Paradigma „Wenn jeder an sich denkt, ist an alle gedacht“ zu Deregulierungen und Privatisierungen in Bereichen geführt, die entscheidend für unser Wirtschaftssystem und unsere Gesellschaft sind, sodass der demokratische Staat ihr Funktionieren organisieren muss. Teile wären sogar völlig ungeeignet für den privaten Wettbewerb. Das gilt eben nicht nur für die allgemeine Daseinsvorsorge, Wasser, Energie, Gesundheit, Mobilität, sondern eben auch für die Kreditversorgung für alle. Deswegen sind wir zum

(Dr. Ralf Stegner)

Beispiel dagegen, die öffentlich-rechtlichen Sparkassen zu privatisieren. Darüber werden wir nachher noch sprechen.

Ohne einen handlungsfähigen und handelnden Staat, der sich deutlich in die ach so tollen Märkte einmischt, wäre doch hier alles zusammengebrochen, und Landesbanken und Sparkassen hätten, wenn sie denn weniger wie eine private Bank agiert hätten, das riesige Finanzsystem deutlich mehr stabilisieren können. Wir sehen allzu deutlich die finanziellen Grenzen, an die unser Land gestoßen ist.

Der umstrittene, aber legendäre Chef der Deutschen Bank, Hermann Josef Abs, hat 1973 gesagt: „Gewinn ist gut, aber nicht alles.“ Es sei wichtig, fügte er hinzu, dass der Unternehmer „ein waches Gespür für die Regelungen und Stimmungen in seiner gesellschaftlichen Umwelt mitbringt und sich in jeder einzelnen Entscheidung konsequent von seiner Gesamtverantwortung gegenüber der Gesellschaft leiten lässt“. Wie anders klingen die, die sich heute dazu äußern!

Es ist absurd und richtig abstrus, wenn gerade die, die versagt haben, oder die, die immer mehr Markt und weniger Finanzkontrolle gefordert haben, dem Staat, den sie verdrängen, Versagen vorwerfen. So schrieb es der kluge Heribert Prantl in einem Kommentar für die „Süddeutsche Zeitung“. Das will ich hier ausdrücklich noch einmal sagen, weil sich jetzt manche hier aufspielen, wenn wir darüber sprechen, was in der Zukunft für die Landesbanken zu tun ist. Die, die immer weniger Kontrolle wollten und jetzt so tun, als hätten sie das anders gemacht oder Fehler vermieden, sind davor nur bewahrt worden, weil sie seit Jahrzehnten in der Opposition sind.

(Beifall bei der SPD)

Was also lernen wir daraus? - Der Charme des Föderalismus ist doch - wenn er denn richtig funktioniert -, dass Risiken auf mehrere Schultern verteilt werden, dass Landesinteressen gewahrt bleiben, und wenn es vielleicht nur eine oder wenige Institutionen einer Art gibt. Die zweite Föderalismuskommission scheint als Ergebnis nur noch eine „Schuldenbremse null“ für die Länder verankern zu wollen. Entscheidender wäre es, Landesegoismen zu überwinden, die gedeihliche Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern zu stärken und dies im Landesbankensektor dadurch voranzubringen, dass wir uns zum Beispiel überlegen, wie wir das gemeinsam mit dem Bund und den Ländern hinbekommen könnten. Da wäre eher ein Lob für das Parlament angebracht gewesen, Herr Kollege Sau

ter. Ich füge nämlich hinzu, dass es dieser Landtag gewesen ist, der mit drei Resolutionen sehr genau die Orientierung gewiesen hat, die die Interessen des Landes Schleswig-Holstein voranbringen sollen. Das will ich hier deutlich sagen.

(Beifall bei der SPD)

Ich füge hinzu: Dieser Landtag erwartet die Einbeziehung des Bundes. Das war übrigens 2008 richtig. Das ist 2009 richtig. Das ist, bezogen auf die Zukunftsrisiken, allemal der richtige Weg, ohne Wenn und Aber und ohne Kautelen, wenn es nötig ist. Das muss getan werden, das ist die einzige Chance, um in vernünftiges Fahrwasser zu kommen.

Die HSH Nordbank ist für einen wichtigen Industriezweig wie die Werften in Schleswig-Holstein nicht wegzudenken. Ich kann mir aber durchaus vorstellen, dass wir eine Neuaufstellung, etwa eine Bank deutscher Länder mit einer Filiale in Kiel, richtig finden können. Das mag der Zukunftsweg sein. Je früher man übrigens anfängt, darüber nachzudenken und sich daran zu beteiligen, umso besser. Sonst spielt man nämlich nicht mit.

(Beifall bei der SPD)

Gerade um das Problem der geringen Eigenkapitalausstattung zu lösen und wieder eine stärkere Abkopplung vom privaten Marktverhalten zu ermöglichen, ist es auch wichtig, den Einfluss Schleswig-Holsteins zu sichern, damit möglichst viele Arbeitsplätze in Kiel gehalten werden können und nach wie vor regional wichtige Entscheidungen möglich sind. Deswegen glaube ich auch, dass wir die Debatte sehr sorgfältig führen sollten und keine Schnellschüsse machen dürfen. Es geht um grundsätzliche Entscheidungen, damit in Zukunft nicht wieder maximaler Profit und allzu schnelle Renditen, sondern der Mensch im Mittelpunkt steht.

Wenn wir in schwieriger Lage in diesem Haus großzügige Hilfen für die HSH Nordbank bewilligen müssen, weil es leider keine bessere Alternative gegeben hat, die die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler weniger belastet hätte, wenn wir dies tun, ohne zu wissen, ob das Geschäftsmodell in der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise nachhaltig tragfähig ist, muss gelten, dass wir den Menschen sagen, welchen Kompass wir an das, was kommt, anlegen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Ich füge hinzu: Weder die rosarote Brille noch das Schwarzsehen oder Schwarzreden macht Sinn. Sinn macht ein nüchterner Blick auf die Verhältnisse. Wir wissen es schlichtweg nicht. Wir haben 6 %

(Dr. Ralf Stegner)

Minuswachstum. Das ist zehnmal mehr als der bisher größte Rückgang, den wir jemals hatten.

Der Kompass für mich - das sage ich für die SPDFraktion in diesem Haus - ist, dass die Menschen wissen müssen, dass wir glauben, dass die Wirtschaft den Menschen zu dienen hat und nicht umgekehrt.

(Beifall bei der SPD)

Das gilt gerade auch bei der Frage, wie wir mit dem Thema HSH Nordbank umgehen wollen. Daran werden wir alle Entscheidungen in der Zukunft messen.

Ich finde weder regionale Großspurigkeit besonders sinnvoll, noch finde ich es klug, immer zu sagen, wir warten, bis alle anderen alles gemacht haben, sondern da mischt man sich mit eigenen Vorschlägen, mit der konsequenten Vertretung der Landesinteressen ein.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gilt das, was wir formuliert haben - ich sage es noch einmal; wir haben drei Prämissen -: Erstens. Die Bevölkerung in Schleswig-Holstein, die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler müssen möglichst wenig belastet werden. Das ist die Priorität Nummer eins. Zweitens. Wir wollen möglichst viele Arbeitsplätze sichern. Drittens. Wir wollen eine Neuaufstellung, die, ohne den Sparkassen ruinöse Konkurrenz zu machen, auf Dauer zukünftig tragfähig ist. Das geht nur mit dem Bund. Das ist unsere Richtschnur. Daran werden wir uns halten. Dabei bleibt es auch.

(Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion der FDP hat der Oppositionsführer und Fraktionsvorsitzende, der Herr Abgeordnete Wolfgang Kubicki, das Wort.

Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass der Schleswig-Holsteinische Landtag nach drei Wochen Osterpause endlich wieder zur Sacharbeit zurückkehrt und auch der Kollege Stegner eine vergleichsweise, zumindest für seine Verhältnisse, sachliche Rede gehalten hat. Bedauerlicherweise ist es nur so, Herr Kollege Stegner, dass Sie immer mit Ihren Vorurteilen kämpfen und weniger die Wirklichkeit abbilden, was Marktversagen, Privatisierung und so weiter angeht. Dar

auf werden wir an anderer Stelle noch einmal zurückkommen.

(Konrad Nabel [SPD]: Sie haben aber ge- klatscht! Das habe ich gesehen!)

Das Land hat momentan gravierende Probleme. In dieser Situation ist entschlossenes Handeln einer starken politischen Führung gefragt. Was uns CDU und SPD in den vergangenen Wochen geliefert haben, ist eine Katastrophe.

Eine ebensolche Katastrophe ist der Bericht der Landesregierung über die zukünftige Aufstellung der HSH Nordbank. Wenn ich allein von der Länge des Berichts auf die Zukunft der HSH Nordbank schließe, dann ist diese verdammt kurz. Denn nimmt man einmal das Deckblatt und die Zusammenfassung des Auftrags des Landtags weg, berichtet die Landesregierung dem Landtag auf ganzen dreieinhalb Seiten aus ihrer Sicht über die zukünftige Aufstellung der HSH Nordbank. Und dafür hat sie genau 35 Tage gebraucht. Das ist wahrlich keine Meisterleistung.

Noch schlimmer ist allerdings der Berichtsinhalt. Denn was steht auf den dreieinhalb Seiten geschrieben? - Es gibt offenbar keine Verhandlungen mit dem SoFFin über eine Kapitalbeteiligung an der HSH Nordbank. Die Landesregierung hat offenbar keine inhaltliche Position zur Weiterentwicklung des Landesbankensystems in Deutschland. Und ob es ein Finanzinstitut in mehrheitlich öffentlicher Hand oberhalb des Sparkassensegments in Schleswig-Holstein geben muss, dazu hat die Landesregierung keine Meinung.

Diese Koalition ist nicht nur zwischenmenschlich am Ende, sie ist auch bei dem aktuellen Krisenthema HSH Nordbank inhaltlich am Ende.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn auf keinen der vom Landtag erbetenen Berichtsaufträge war die Landesregierung in der Lage, eine Antwort zu geben. Es bleibt wie gehabt. Die Landesregierung lässt die Bank machen. Der Finanzminister ist nur noch Interessenvertreter der Bank und nicht des Landes. Der Ministerpräsident besucht lieber den Papst, als sich endlich einmal ordentlich mit der Materie HSH Nordbank auseinanderzusetzen und die Interessen der schleswig-holsteinischen Bürgerinnen und Bürger zu vertreten.

Ich frage mich, warum die Landesregierung auf die gestellten Fragen keine Antworten weiß. Herr Kollege Sauter, ich gehe auf einige Ihrer Fragen nachher noch ein. Führt die Landesregierung wirklich