Protokoll der Sitzung vom 16.09.2009

(Beifall der Abgeordneten Dr. Henning Höppner [SPD] und Dr. Ralf Stegner [SPD])

Das heißt aber auch: Auch wir versprechen nicht, eine gänzliche Beitragsfreiheit bei Ganztagsbetreuung umzusetzen. Es wird deshalb auch langfristig eine Sozialstaffel geben müssen, und über diese Sozialstaffel muss Einigkeit hergestellt werden. Die Sozialstaffeln in Schleswig-Holstein sind sehr unterschiedlich in den Kreisen und kreisfreien Städten gestaltet. Es ist einfach nicht nachzuvollziehen, warum Eltern je nach Wohnort mal niedrige, hohe oder sehr hohe Kita-Gebühren bezahlen.

Wir alle wissen natürlich, dass wir nicht in die Regelungskompetenz der Kreise und kreisfreien Städte eingreifen können, ohne Konnexität auszulösen. Aber auch die Kreise, die Gemeinden und die freien Träger können kein Interesse an völlig uneinheitlichen Regelungen haben. Im Bildungsausschuss wurde immerhin beschlossen, dass in der nächsten Legislaturperiode in Gesprächen mit den kommunalen Landesverbänden, den Wohlfahrtsverbänden und dem Landesrechnungshof nach einer gemeinsamen Lösung gesucht werden soll.

Das ist uns aber zu wenig. Wir wollen deshalb diesen Beschluss heute aufheben und über den von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorgelegten Antrag Drucksache 16/2669 (neu) in der Sache abstimmen. Das halte ich wirklich für notwendig, damit wir einen Schritt weiterkommen. Ich bedanke mich bei Ihnen herzlich für die Aufmerksamkeit und hoffe, dass diese Aufgabe zügig in der nächsten Wahlperiode umgesetzt wird.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich danke der Frau Abgeordneten Astrid Höfs und erteile für die FDP-Fraktion Herrn Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die totale Uneinheitlichkeit der Sozialstaffelregelungen in Kindertageseinrichtungen ist wirklich ein großes Ärgernis in diesem Land.

Der Landesrechnungshof hat das Problem anhand mehrerer Musterfälle deutlich gemacht. Bei einer alleinerziehenden Mutter wichen die Bedarfsgrenzen bis maximal 430 € pro Monat voneinander ab. Beim anrechenbaren Einkommen betrug der Unterschiedsbetrag bis zu 355 € pro Monat. In allen berechneten Musterfällen ergaben sich trotz gleicher persönlicher und wirtschaftlicher Verhältnisse je nach Wohnort Ermäßigungen bei den Kindergartengebühren zwischen 0 % und 100 %. Dass die Frage, in welchem Umfang soziale Ermäßigungen gewährt werden, so massiv von der Postleitzahl abhängt, die man zufälligerweise hat, das kann einfach nicht sein.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Man kann diesen Befund wirklich nur als Bankrott sozialdemokratischer Bildungs- und Familienpolitik bezeichnen. Es sind sozialdemokratische Kabinettsmitglieder gewesen, die seit Jahren für dieses Thema zuständig waren

(Beifall bei der FDP und der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

bis vor Kurzem jedenfalls.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Sozialdemokraten, das kann ich Ihnen nicht ersparen. Wir Liberalen teilen jedenfalls die Empfehlung des Landesrechnungshofs, künftig eine einheitliche Bedarfsgrenze verbindlich im Kita-Gesetz festzulegen und dabei auch 100 % der Regelsätze nach § 28 SGB XII anzusetzen.

Dass die SPD-Fraktion noch rasch im Ausschuss eine Antragsvorlage dazu eingebracht hat, ist - wie ich finde - aus mehreren Gründen bemerkenswert. Schließlich waren es die Sozialdemokraten selbst, die damals in der Koalition mit den Grünen zum 1. Januar 2005 eine Gesetzesbestimmung eingeführt haben, wonach den Kreisen eine Absenkung auf 85 % der SGB-XII-Regelsätze ermöglicht wor

(Astrid Höfs)

den ist. Nun hat sich bei Ihnen die Einsicht durchgesetzt, dass das zu einem echten Problem führt allerdings recht spät.

(Zuruf des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Die FDP-Fraktion stimmt dem Antrag Ihrer Fraktion, lieber Herr Kollege Hentschel, zu,

(Beifall der Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD] und Lars Harms [SSW])

auch wenn wir nach wie vor - wir haben das Thema ja im Bildungsausschuss diskutiert - der Auffassung sind, dass es bei einer Reihe von Punkten, zum Beispiel bei der Finanzierung, aber auch bei einigen weiteren Aspekten, die der Landesrechnungshof in seinem Schreiben an den Landtag angesprochen hat, noch Klärungsbedarf gibt. Wir wollen uns aber nicht nachsagen lassen, wir seien gegen eine Vereinheitlichung der Sozialstaffelregelung, denn diese haben wir immer angestrebt. Aber die Materie ist nicht so einfach, wie manche das hier suggerieren wollten, und es sind noch einige Details zu klären. Das, was Sie beantragen, bedeutet, dass die geforderte Neuregelung im Hinblick auf die Sozialstaffel zum Kindergartenjahr 2010/2011, also erst in knapp einem Jahr, in Kraft tritt.

Zu den Hinweisen des Rechnungshofs will ich noch Folgendes sagen: Der Landesrechnungshof weist darauf hin, dass es landesweit sehr uneinheitliche Bestimmungen zu den Geschwisterermäßigungen gibt; diesen Punkt haben Sie gar nicht angesprochen. Bei den Geschwisterermäßigungen, also bei den Ermäßigungen für das zweite oder dritte Kind, gibt es in den einzelnen Kreisen und kreisfreien Städten teils einkommensabhängige, teils einkommensunabhängige Regelungen und teils Mischformen. Daraus folgt - wie der Landesrechnungshof festgestellt hat -, dass die Ermäßigungen für das zweite Kind gegenwärtig von Ort zu Ort zwischen 10 % und 70 % schwanken. Das ist nicht nachvollziehbar, und das ist ein Themenkomplex, den man in einer solchen Reform eigentlich mit angehen müsste.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich halte die Überlegung aus dem Bildungsausschuss für sinnvoll, dass wir als Gesetzgeber, der gefordert ist, weil es um die Änderung des Kindertagesstättengesetzes geht, uns in das Gespräch mit den kommunalen Landesverbänden und den Wohlfahrtsverbänden einschalten sollten. Wir sollten die Sache also nicht ausschließlich der künftigen Re

gierung überlassen. Aus den von mir angesprochenen Gründen werden wir Ihrem Antrag allerdings zustimmen, auch wenn wir wissen, dass in der nächsten Wahlperiode noch einiges zu vervollständigen ist.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN sowie SSW und vereinzelt bei der CDU)

Ich danke Herrn Abgeordneten Klug und erteile Herrn Abgeordneten Lars Harms für den SSW im Landtag das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass mehrere Landtagsabgeordnete von SPD, FDP, SSW und auch von der CDU bei einer Podiumsdiskussion des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes kürzlich die Einführung einer einheitlichen Sozialstaffel für die Kindertagesstätten in unserem Land befürwortet haben und darüber hinaus versprochen haben, sich dafür einzusetzen. Wie gesagt, das waren Kollegen von SPD, FDP, SSW sowie die Kollegin Franzen von der CDU.

Schließlich zeigen alle pädagogischen Erkenntnisse, dass gerade Kinder aus sozial schwachen Familien der besonderen Unterstützung innerhalb der Einrichtungen bedürfen, um in der Schule einen guten Start zu erwischen. Unterschiede in der Einkommensanrechnung führen dagegen zu einem faktischen Ausschluss unterer Einkommensgruppen. Heute haben wir die Möglichkeit, unser Versprechen tatsächlich einzulösen, und zwar noch vor der Landtagswahl. Dazu haben wir den Antrag aus der Ausschussberatung geholt, damit wir möglichst schnell zu einer Änderung kommen. Dieses ungewöhnliche Verfahren ist absolut gerechtfertigt; schließlich muss das ungerechte System schleunigst abgeschafft werden.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Aber nicht heu- te!)

Dazu gehören zwei Schritte. Erstens ändern wir das Kita-Gesetz und schreiben eine 100-prozentige Anrechnung hinein. Die 85 %-Regelung muss gestrichen werden, weil sie Hartz-IV-Familien belastet. Zumindest können wir heute schon einmal andeuten, dass wir das in einer der ersten Sitzungen der neuen Wahlperiode entsprechend machen werden.

(Dr. Ekkehard Klug)

Zweitens appellieren wir an die Kreise, eine einheitliche Sozialstaffel einzuführen. Es ist ausdrücklich zu betonen, dass der Gesetzgeber keine Vorgaben macht, aus Gründen des Konnexitätsprinzips auch nicht machen will; schließlich fällt das in die Zuständigkeit der Kreise. Die Landesregierung sollte allerdings unverzüglich einen Abstimmungsprozess moderieren, der letztlich wieder zu einer einheitlichen Gestaltung der Anrechnung führt. Kein einziger Kreis sollte ausscheren; schließlich liegen überhaupt keine sachlichen Gründe für unterschiedliche Sozialstaffeln vor.

Ich weiß sehr wohl, dass es in einigen Fällen einiger Überzeugungsarbeit bedürfen wird, bis die Staffel einheitlich angewandt werden wird. Aber ich bin gleichzeitig davon überzeugt, dass sich der Einsatz lohnt. Ziel unserer Politik ist schließlich die Teilhabe aller Familien - der besserverdienenden genauso wie der Hartz-IV-Familien - am pädagogischen Angebot und am Betreuungsangebot der Kindertageseinrichtungen. Aus diesem Grund haben wir das kostenfreie letzte Kindergartenjahr eingeführt. Unterschiedliche Sozialstaffeln torpedieren dieses Ziel und müssen aus diesem Grund abgeschafft werden. Das haben wir als SSW, aber, wie gesagt, auch manch anderer kürzlich beim Paritätischen Wohlfahrtsverband für die Zeit nach der Wahl versprochen, und nichts hindert uns alle daran, den ersten Schritt schon heute zu tun.

(Beifall bei SSW und SPD)

Ich danke Herrn Abgeordneten Lars Harms. Die Landesregierung hat keine Redezeit angemeldet. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, über den Antrag Drucksache 16/2669 (neu) in der Sache abzustimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist der Antrag Drucksache 16/2669 (neu) mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und des SSW gegen die Stimmen der Fraktion der CDU angenommen.

Wie ich soeben erfahren habe, haben die Fraktionen vereinbart, die Reihenfolge der Tagesordnungspunkte zu verändern.

Ich rufe daher jetzt die Tagesordnungspunkte 26 a und 26 b auf:

Gemeinsame Beratung

a) Zur Situation von HDW in Kiel

Antrag der Fraktionen von SPD, CDU, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 16/2873 (neu)

b) Handelsschiffbau bei HDW in Kiel erhalten

Antrag der Fraktionen von CDU und FDP Drucksache 16/2874

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende Fraktion Herrn Abgeordneten Rolf Fischer das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zuerst dafür danken, dass es gelungen ist, aus diesen beiden Anträgen einen gemeinsamen Antrag zu machen. Das ist ein gutes Zeichen in Richtung HDW. Vielen Dank für Ihren Einsatz und Ihre Kooperationsbereitschaft!

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Die Situation auf HDW hat sich in den vergangenen Tagen dramatisch zugespitzt. Die Absicht des ThyssenKrupp-Konzerns, sich von großen Flächenteilen, von Hallen und auch von Fertigungskapazitäten zu trennen, würde eines zur sicheren Folge haben: die Aufgabe des Überwasserschiffbaus und das Ende des zivilen Schiffbaus auf HDWGaarden. Das ist nicht unser Weg, das ist nicht unsere Auffassung von Schiffbau, und das ist etwas, was dem maritimen Cluster schadet. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollten wir auf jeden Fall verhindern.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es vollzieht sich jetzt etwas, was offensichtlich schon lange geplant ist. Der Konzern - so die Erfahrungen der letzten Jahre - setzt auf eine permanente und stückweise Auflösung des zivilen Schiffbaus auf HDW. Ich erinnere nur an die Debatte, die wir 2004/2005 geführt haben. Schon damals war es offenbar das Ziel, die Werft zu amputieren. Das Eingreifen der Landesregierung - Heide Simonis sei Dank! -, die erheblichen Proteste der Belegschaft

(Lars Harms)