Protokoll der Sitzung vom 16.09.2009

Die Vergangenheit hat gezeigt, dass es auch unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten sinnvoll ist, den Überwasser- und den Unterwasserschiffbau nebeneinander zu betreiben. Auslastungsschwankungen in einzelnen Bereichen lassen sich so besser ausgleichen. Das Problem zyklischer Entwicklungen im Rüstungsgeschäft und zeitlich versetzter Auslastungen verschiedener Gewerke im U-Boot-Bau sprechen dafür, den zivilen Schiffbau als zweites Standbein zu erhalten.

Meine Damen und Herren, sicherlich ist es nachvollziehbar, dass auch ein Unternehmen wie ThyssenKrupp darauf reagieren muss, wenn Aufträge storniert werden oder keine neuen Aufträge mehr aufgrund einer schwierigen Marktlage akquiriert werden können. Das bedeutet aber nicht, das Outsourcing-Modelle und Personalabbau das betriebswirtschaftliche Allheilmittel sind. Umstrukturierungsüberlegungen sollten strategisch, ganzheitlich, langfristig und transparent angelegt sein. Zudem sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als das wesentliche Kapital eines Unternehmens in die Überlegungen einzubinden.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Im Hinblick auf die anstehenden unternehmerischen Strukturentscheidungen appelliere ich an ThyssenKrupp, dass sichergestellt werden muss, dass der Überwasserschiffbau in Kiel und seine Arbeitsplätze erhalten bleiben. ThyssenKrupp ist gefordert, seiner Verantwortung für die Region, für seine Beschäftigten und für den Schiffbau in Kiel gerecht zu werden; denn unternehmerische Verantwortung bedeutet auch soziale Verantwortung.

Inwieweit die von ThyssenKrupp und den potenziellen Teilübernehmer Rönner verfolgte Konzeption dem Rechnung trägt, ist für mich durchaus fraglich.

Herr Minister, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Fraktionsvorsitzenden der FDP, Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki?

Gern.

Herr Minister, ich habe mit Freude und Genugtuung vernommen, dass Sie mit dem Betriebsrat gesprochen haben in Anwesenheit der Kollegen Fischer und Arp. Meine Frage lautet: Haben Sie auch schon mit der Unternehmensleitung gesprochen?

Auch mit der Unternehmensleitung habe ich gesprochen, hauptsächlich telefonisch. Wir haben uns auch schon getroffen, allerdings noch zu einer anderen Situation. Seitdem ich von dieser Entwicklung weiß, habe ich nur telefoniert. Ich war noch nicht persönlich bei HDW. Das ist aber auch erst drei Tage her.

Meine Damen und Herren, auch in Zeiten des Wahlkampfs sind übereinstimmende Positionen aller politischen Kräfte im Landtag möglich und notwendig, um die Interessen unseres Landes und seiner Menschen zu vertreten. Deshalb freue ich mich, dass heute ebenso wie im Jahr 2005 alle im Parlament vertretenen Parteien den zivilen Schiffbau bei HDW erhalten wollen. Für diese Unterstützung danke ich Ihnen allen. Das wird sicherlich auch dem Ministerpräsidenten helfen, der morgen noch einmal mit der TKMS-Spitze reden wird.

Ich sehe noch eine Frage. Bitte!

Herr Minister, sind denn auch Gespräche mit der Bundesregierung beziehungsweise mit den anderen betroffenen Bundesländern geführt worden? ThyssenKrupp ordnet nicht nur hier, sondern beispielsweise auch in Niedersachen den Konzern neu. In Bezug auf die Auftragssicherung für den Handelsschiffbau ist es wichtig, in diesem Bereich aktiv zu werden.

Ich habe sowohl mit Herrn Gedaschko als auch mit Herrn Rösler im Vorfeld darüber gesprochen, aber nicht in den vergangenen drei Tagen. Zunächst kam Blohm + Voss in die Diskussion. Deshalb wurde das Gespräch mit Herrn Gedaschko geführt. Dann kamen die Nordseewerke ins Gespräch. Daraufhin wurde das Gespräch mit Herrn Rösler geführt.

Jetzt ist es in Kiel so weit. Was wir selbst machen können, machen wir auch selbst. Wir stehen in ständigem Kontakt zum HDW-Vorstand. Mit der Erwähnung des Betriebsrats wollte ich lediglich deutlich machen, dass wir uns auf allen Ebenen informieren und uns gegenseitig austauschen.

(Minister Dr. Jörn Biel)

Herr Minister, erlauben Sie eine Frage des Abgeordneten Rolf Fischer?

Ja.

Herr Minister Biel, habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie mit der Geschäftsleitung bisher nur telefoniert haben? Wenn das so ist, wann wollen Sie das direkte Gespräch führen?

- Morgen. Das habe ich gerade aber auch schon gesagt.

(Zuruf von der SPD: Die Frage war, wann Sie das Gespräch führen!)

- Der Ministerpräsident führt das Gespräch morgen.

Meine Damen und Herren, Sie dürfen sich gern für einen Dreiminutenbeitrag melden.

Das wird sich im morgigen Gespräch mit dem Ministerpräsidenten ergeben. Wir sind in einem ständigen Austausch.

Sehr geehrter Minister, die Dialoge sind den Ausschüssen vorbehalten. - Ich danke Ihnen.

Meine Damen und Herren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe damit die Beratung.

Wir stimmen ab über den gemeinsamen Antrag der Fraktionen von SPD, CDU, FDP, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW, Drucksache 16/2873 (neu). Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 30 und 34 auf.

Gemeinsame Beratung

a) Verlängerung der Altfallregelung für Flüchtlinge aufgrund der Wirtschaftskrise

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/2547

Bericht und Beschlussempfehlung des Innenund Rechtsausschusses Drucksache 16/2842

b) Resettlement - Für eine neue Flüchtlingspolitik

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/2594

Bericht und Beschlussempfehlung des Innenund Rechtsausschusses Drucksache 16/2846

Ich erteile dem Vorsitzenden des Innen- und Rechtsausschusses für die Berichterstattung das Wort, beziehungsweise ich würde dies gern tun, oder Herrn Eichstedt in Vertretung von Herrn Kalinka. - Beides scheint im Moment nicht möglich zu sein.

(Zuruf des Abgeordneten Klaus-Peter Puls [SPD])

- Der Herr Abgeordnete Klaus-Peter Puls ist bereit, die Berichterstattung zu übernehmen.

Dann darf ich als ältestes Ausschussmitglied, sozusagen ersatzweise für die fehlenden Vorsitzenden, hier auf die Beschlussempfehlungen des Innen- und Rechtsausschusses in beiden Fällen verweisen.

(Beifall bei SPD und FDP)

Ich danke dem flexiblen Berichterstatter. Gibt es Wortmeldungen zum Bericht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende Fraktion der Frau Abgeordneten Angelika Birk das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir behandeln heute zwei Anträge mit ganz unterschiedlichen Themen der Flücht

lingsproblematik in einer gemeinsamen Aussprache. Am Schluss werde ich noch etwas zur Form der Abstimmung sagen. Aber jetzt erst einmal zum Inhalt der beiden Anträge.

Der erste Antrag ist eine Aufforderung an die Landesregierung, sich im Rahmen einer Bundesratsinitiative für die Verlängerung der Regelungen aus den §§ 104 a, 104 b Aufenthaltsgesetz - Altfallregelung - einzusetzen. Hierbei geht es darum, dass Menschen, die nach Deutschland geflohen sind und seit Jahren aufgrund einer Duldung hier leben, eine rechtssichere und humanitäre Bleiberechtslösung erhalten. Sie sollen eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen, wenn sie eine gewisse Zeit in Deutschland gelebt haben und ihren Lebensunterhalt eigenständig bestreiten können. Der Nachweis - und darum geht es - muss bis Ende dieses Jahres erbracht werden.

Wie wir alle wissen, befinden wir uns in einer Wirtschaftskrise, welche vor allem die Schwächsten der Gesellschaft trifft. Deshalb wollen wir eine Fristverlängerung für den Nachweis der eigenständigen Lebensunterhaltssicherung um ein Jahr. Aufgrund der hohen Zahl der Aufenthaltserlaubnisse auf Probe ist davon auszugehen, dass ein signifikanter Anteil der Begünstigten der gesetzlichen Altfallregelung zum Jahresende 2009 in die Duldung zurückfallen wird.

Wenn die Altfallregelung nicht scheitern soll, ist jetzt kurzfristig gesetzgeberisches Handeln nötig. Deshalb haben wir mit unserem Antrag die Landesregierung beauftragt, sich im Rahmen einer Bundesratsinitiative für die Verlängerung der Altfallregelung einzusetzen. Kurzfristig soll die Frist zum Nachweis der eigenständigen Lebensunterhaltssicherung um ein Jahr verlängert werden. Langfristig sollte die gesetzliche Altfallregelung außerdem insofern geändert werden, als sie auch gegebenenfalls erfolglose Bemühungen zur Arbeitsmarktintegration sowie humanitäre Kriterien wie Krankheit, Alter, Kinderreichtum der Familie berücksichtigt. Zusätzlich muss eine Lösung gefunden werden, die auch in Zukunft Kettenduldungen verhindert. Ich hoffe also, dass das Parlament unserem Antrag mehrheitlich zustimmt. Da appelliere ich vor allem an die Mitglieder der SPD-Fraktion, die den Antrag ja leider im Ausschuss zuerst abgelehnt hatte, ähnlich wie ihr Fraktionsvorsitzender öffentlich ankündigte, unseren bereits im März eingebrachten Antrag nunmehr endlich zu unterstützen.

Auf lange Sicht sollten wir aber über eine ganz andere Art des Bleiberechts reden. In der nächsten Legislaturperiode sollten wir darüber reden, dass

die Stichtagsregelung dem eigentlichen Ziel widerspricht, langjährig Geduldeten zu einem dauerhaften Aufenthalt in Deutschland zu verhelfen. Deswegen wird sie abgeschafft. Zudem muss bleiben dürfen, wer sich um Arbeit bemüht, aber unverschuldet arbeitslos bleibt. Für Alte, Kranke und Menschen mit Behinderung muss es sowieso Ausnahmen geben. Es sollte darauf ankommen, ob jemand schutzbedürftig ist oder nicht und nicht darauf, ob er oder sie genügend Geld verdient.

(Beifall des Abgeordneten Detlef Matthies- sen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich weiß, dass das manche merkwürdig anmutet, aber es geht hier um Flüchtlinge, es geht hier um eine humanitäre Frage und nicht um Leistungseffizienz.

Unser zweiter Antrag befasst sich mit dem Thema Resettlement. Der Begriff Resettlement bezeichnet dabei die gezielte Neuansiedlung besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge, die auf absehbare Zeit nicht in ihre Heimatländer zurückkehren können. Resettlement ist deswegen zwar einerseits Schutzinstrument, andererseits soll aber den Flüchtlingen auch eine Perspektive für ein dauerhaftes Leben in Deutschland eröffnet werden. Damit unterscheidet sich diese Maßnahme deutlich von früheren Duldungen oder rechtsanspruchslosen Angeboten der Bundesregierung für Flüchtlinge.

Bereits 40 Städte in ganz Deutschland nehmen an der Kampagne „Save me - Flüchtlinge aufnehmen!“ teil. 4781 Menschen unterstützen das Projekt persönlich. In Schleswig-Holstein hat die Stadt Kiel beschlossen, Flüchtlinge aus einem Resettlementprogramm aufzunehmen. Lübeck, Reinbek und Pinneberg machen bereits Veranstaltungen im Rahmen der sogenannten Save-Heaven-Kampagne.