Protokoll der Sitzung vom 17.09.2009

Der Klimaschutzbericht 2009 steht in der Tradition der zurückliegenden Wahlperioden und greift die Aussagen und Forderungen der Nachhaltigkeitsstrategie sowie den Agenda-21-Prozess auf. Die umfassende und gute Darstellung - hier gilt mein Dank stellvertretend für die Landesregierung vor allem den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Umweltministeriums - zeigt, dass alle Bereiche der Landesregierung stellvertretend für alle Politikbereiche des ganzen Landes ihren Teil leisten müssen

(Dr. Axel Bernstein)

und auch zum Teil - leider aber nicht ausreichend geleistet haben.

Für mich zeigt der Bericht mit all seinen Daten, Modellen und Szenarien deutlich, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gut die Zielsetzung der vorherigen politischen Mehrheiten verinnerlicht haben und gut in ihre Arbeitsfelder einbringen.

(Beifall bei der SPD)

Das Ganze - meine Damen und Herren, da wird der Minister gleich nicht mehr lachen - ist aber mehr als die Summe der Einzelteile. Die Verwaltung braucht den politischen Rahmen, um einen Mehrwert über die Summe der Einzelteile hinaus zu erreichen.

Wir brauchen überzeugte, mutige und charismatische Ministerinnen und Minister für den Umwelt-, Natur- und Klimaschutz,

(Beifall bei der SPD)

wie wir sie bisher von Berndt Heydemann bis zu Klaus Müller hatten. Und wir brauchen - nicht nur in Schleswig-Holstein - einen programmatischen Ansatz, eine wissenschaftliche Begründung für die Umwelt-, Energie- und Klimaschutzpolitik, die in sich stimmig ist und weder vor Konflikten zurückscheut noch sich Nutzerinteressen unterordnet.

(Beifall bei SPD und SSW)

So sehr CDU und FDP etwas gegen programmatische Arbeit eines Ministeriums haben mögen, so richtig und wichtig bleibt sie doch.

In den vielen Berichten des Ministeriums in dieser Wahlperiode - so auch im heutigen - wird aber deutlich, dass die vielen Maßnahmen nicht programmatisch verbunden sind und eigentlich nötige Maßnahmen dann einfach weggelassen werden, wenn sie mit dem so hoch gehaltenen Nutzerschutz nicht vereinbar sind.

Ein programmatischer Ansatz im Natur-, Umwelt- und Klimaschutz ist nicht Ideologie und nicht arrogante Besserwisserei, sondern der Versuch, sich an den Mechanismen der Natur zu orientieren und von der Natur auszugehen. Dafür muss man die Natur verstehen. Berndt Heydemann hat seine Politik wissenschaftlich begründet, und deshalb ist sein unser - Landesnaturschutzgesetz so gut geworden und diente als Vorbild für weitere Landesgesetze und das Bundesnaturschutzgesetz.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Weltbild der CDU dagegen ist in vielem zu menschenorientiert - anthropozentrisch. Die Frage, wie bestimmte Prozesse natürlich ablaufen, zum Beispiel bei der Bewältigung von Abfällen oder bei der Begründung von Naturschutzmaßnahmen, wird viel zu selten gestellt, weil man der Überzeugung ist, die Menschen könnten das schon allein. Der schreckliche Bibelspruch: „Macht euch die Erde untertan“, ist bei vielen so tief drin, dass sie glauben, das sei nicht nur richtig, sondern es sei recht, und es sei machbar. Nein, meine Damen und Herren. Diese gehen häufig auch mit anderen Menschen so um, denken so wie früher die Junker und ihre Vasallen nur von oben nach unten.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW] - Wi- derspruch bei der CDU)

Das ist aber grundfalsch. Der Mensch darf sich andere Menschen nicht untertan machen, und er kann sich die Erde nicht untertan machen. Der Mensch ist Teil der Natur, die sehr wohl ohne ihn funktioniert - aber nicht andersherum.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Leute, die so denken, werden immer vom Menschen her denken, bestenfalls und guten Gewissens glauben, es sei vernünftig, so zu handeln. Solange sie aber die Prozesse in der Natur nicht verstehen, ihre Vernetzung und ihre gegenseitige Bedingung, solange sie nicht von der Natur her handeln und aufhören, natürliche Prozesse zu stören, und glauben, sie könnten die Störungen schon irgendwie kompensieren, werden sie nicht erfolgreich sein.

(Claus Ehlers [CDU]: Das verstehen am bes- ten die Bauern!)

Die Regulierungsmechanismen der Natur können vom Menschen nur gestört werden, aber nicht gesteuert. Die Natur macht, was sie will, und das kann für die Menschen richtig schrecklich sein.

Das gute an den Regulierungsmechanismen der Natur ist, dass sie im Normalfall auch für den Menschen gut sind. Also müssen wir alle Störungen zurücknehmen, aufheben. Dann wird es sich im Rahmen des heute noch Möglichen einpendeln, und uns wird eine halbwegs lebenswerte Welt erhalten bleiben. Tun wir das nicht, wird es auf eine Natur ohne die Menschen hinauslaufen.

Mit Herrn von Boetticher haben wir leider nur einen sicher als Verwaltungschef tüchtigen Landwirtschaftsminister, an dessen Haustür zufällig

(Konrad Nabel)

auch das Schild „Umweltminister“ hängt. Ein verantwortungsbewusster Umweltminister in Schleswig-Holstein hätte niemals versucht, die Mittel für die Naturschutzverbände bis zu deren Handlungsunfähigkeit zu kürzen; er hätte nicht versucht, den Schutz der Knicks aufzuheben; er hätte nicht versucht, das Strandparken im Nationalpark durch die Gemeinde St. Peter-Ording entgegen den bestehenden Verträgen auf ewig zu verlängern; er hätte nicht Vogelschutzgebiete auf Eiderstedt nur ausgeweitet, weil Brüssel schon mit Strafen drohte; er hätte nicht versucht, im Naturschutzgesetz den Vorrang für Landwirtschaft und Privateigentum zu verankern sowie die Förderung des Freiwilligen Ökologischen Jahres existenzbedrohend und der EineWelt-Politik auf null zu kürzen.

(Zurufe von der CDU)

Einen Landwirtschaftsminister, der ernsthaft versucht, den Landeswald zu verkaufen oder das freie Betretungsrecht der Wälder durch die Menschen einzuschränken, kann man nicht Umweltminister nennen.

(Beifall bei der SPD sowie der Abgeordneten Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Lars Harms [SSW])

In der Großen Koalition konnte die SPD viele der geplanten Schäden für Natur und Umwelt vermindern oder sogar verhindern. Wir konnten nicht alles verhindern; das ist richtig, Herr Minister. Aber die Natur in Schleswig-Holstein ist trotz eines tiefschwarzen Landwirtschaftsministers noch intakt und lebenswert.

(Heike Franzen [CDU]: Genau deswegen!)

An einigen Stellen legt sich allerdings inzwischen ein grauer Schleier über die Landschaft und die Institutionen. Er lähmt den Elan und den Mut der hauptamtlichen und ehrenamtlichen Akteure im Land. Das ist sehr, sehr schlimm. Ich möchte, dass wir diesen Schleier nach dem 27. September 2009 wieder wegpusten, damit wir mit Schwung in der neuen Regierung wieder dafür sorgen können, dass Schleswig-Holsein rot und grün und bunt blühen kann.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

So liegt es sicherlich auch an der momentanen politischen Führung des Landwirtschaftsministeriums, dass der von mir schon erwähnte wesentliche Zusammenhang zwischen Klimawandel und Naturschutz nicht ausreichend im Bericht dargestellt worden ist. Funktionierende natürliche Ökosysteme

sind die stärksten Verbündeten im Kampf gegen den Klimawandel. Naturschutz ist Klimaschutz. Klimaschutz ist Naturschutz.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Werden diese Zusammenhänge endlich erkannt und auf die politische Agenda gesetzt, kann die Weltwirtschaft zielgerichteter gegen den Klimawandel vorgehen und Milliarden sparen.

Nach ersten Ergebnissen einer Anfang September 2009 veröffentlichten UN-Studie zur Untersuchung der Ökonomie von Ökosystemen und Biodiversität könnten beispielsweise allein durch eine 45-Milliarden-US-Dollar-Investition in Schutzgebiete Leistungen der Natur im Wert des Hundertfachen davon, im Wert von 5 Billionen US-Dollar pro Jahr, gesichert werden. Darin einbezogen sind sowohl die Wertschöpfung im Tourismus wie auch die kostenfreien Dienstleistungen der Natur wie sauberes Wasser, Böden und Luft. Dies ist mehr als die Umsätze der weltweiten Automobilproduktion, der Stahlproduktion und des gesamten IT-Dienstleistungssektors zusammen.

Die Probleme von heute sind nicht mit den Denkweisen von gestern zu lösen. Das gilt natürlich auch beim Klimawandel. Statt vorausblickend und weitblickend gesellschaftliche Prozesse zu überdenken, sind mir die Rufe nach technischen Schutzlösungen in der aktuellen Debatte viel zu laut. Denken Sie an das Wort: Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windräder.

Wir müssen jetzt handeln - auf nationaler und internationaler Ebene. Die nächsten zehn bis 15 Jahre entscheiden darüber, ob wir die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels noch verhindern können.

Klimaschutz und wirtschaftliches Wachstum sind keine Gegensätze. Je früher wirksame Maßnahmen gegen den Klimawandel ergriffen werden, desto geringer fallen die Kosten aus. Aktiver Klimaschutz stärkt unsere Wirtschaftskraft, schafft Tausende Arbeitsplätze und bietet Unternehmen enorme zusätzliche Exportchancen. Denn wer auf klimafreundliche Energietechnologien, den effizienten Einsatz von Energie und auf erneuerbare Energien setzt, hat die Nase vorn im internationalen Standortwettbewerb.

(Beifall bei der SPD)

Hier möchte ich kurz auf den Bericht zur zukünftigen Energieversorgung und für den Klimaschutz in

(Konrad Nabel)

Schleswig- Holstein sowie auf den Antrag „100 % Strom aus erneuerbaren Energien“ der Grünen eingehen. Der Erfolg der erneuerbaren Energien mit dem Motor Windenergie wird bis 2020 dazu führen, dass in Schleswig-Holstein unser Endenergieverbrauch, also Strom, Wärme und Antrieb, auch für Kfz - jetzt kommt wieder eine Zahl; passen Sie genau auf, und fangen Sie nicht an zu lachen -, mit über 50 % aus erneuerbaren Energien gedeckt werden kann. Das ist dreimal höher als das Ziel auf Bundesebene.

Es ist gut, dass wir dieses Ziel haben. Es ist gut, dass die von Günther Jansen und Claus Möller als Energieminister gegebenen Anstöße so gewirkt haben.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Dass die CDU-Landesregierung aber die Frage der Verlängerung von Laufzeiten von Kernkraftwerken über die Frist des Atomkonsenses hinaus noch „im Licht der weiteren Entwicklungen“ als zu entscheiden einstuft und sich sogar für den Neubau von Kohlekraftwerken als sinnvoll und notwendig ausspricht

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das ist ein Skan- dal!)

- ich komme gleich zu Herrn Gabriel -, ist rückwärtsgewandt und verantwortungslos angesichts der Folgen für die kommenden Generationen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das macht die Bundes-SPD auch!)

Atomkraft und Kohlekraft haben keine Zukunft, weder in Schleswig-Holstein noch in Deutschland.