Protokoll der Sitzung vom 29.11.2006

Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Wadephul. - Für die SPD-Fraktion hat nun der Herr Abgeordnete Günter Neugebauer das Wort.

(Zurufe)

- Wenn ich gleich auch so viel Beifall bekomme wie mein Vorredner, gern. Mir kommt es aber nicht auf den Beifall an, sondern auf die richtige Überzeugung.

(Heiterkeit - Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Für die SPD darf ich bestätigen, was der Kollege Wadephul eben feststellte.

(Beifall bei CDU und FDP)

- Warten Sie doch ab! Sie nehmen mir die Redezeit!

Es gibt unterschiedliche Auffassungen in der Großen Koalition. Kollege Hay, das ist auch nicht überraschend, weil es hier um gesamtgesellschaftliche Überzeugungen, aber auch um sehr viel Geld geht. Es geht um Geld, das über die Zweckerträge und über die Lotteriesteuer in öffentliche Kassen fließt. Es geht um Geld, das wir aus diesen öffentlichen Kassen - aus den zweckgebundenen Einnahmen - den Wohlfahrtsverbänden und dem Sport zur Verfügung stellen. Es geht um Geld, das die Teilnehmer und die Wetter verlieren können und das sie in die private Armut treibt, wenn sie denn spielsüchtig sind. Letzten Endes geht es auch um das Geld der öffentlichen Kassen, um diese Menschen aufzufangen. Wir wollen aber auch nicht verheimlichen, dass es auch für die Anbieter von Sportwetten und Lotterien - seien sie nun privater Natur oder von Anstalten des öffentlichen Rechts angeboten um sehr viel Geld geht.

(Dr. Johann Wadephul)

Die Abwehraktionen von privaten Anbietern, die wir im Internet, aber auch in großen deutschen Tageszeitungen durch Inserate wahrnehmen können, zeigen, dass es um einen großen Markt geht, über den wir hier streiten. Ich vermute, es handelt sich um einen Milliardenmarkt. Es kann uns nicht nur um das Wohl von Unternehmen gehen, selbst wenn sie ihren Sitz in Schleswig-Holstein haben. Es muss uns auch um das Wohl der Menschen gehen, die von Spielsucht betroffen sind. Die Frage lautet: Wollen wir das Sportwetten- und Lotteriewesen mit allen Folgen für Spielsucht und finanzielle Verarmung sowie der Gewinnerzielung durch private Anbieter oder wollen wir die Spielsucht kanalisieren und am staatlichen Lotteriemonopol festhalten? Das ist die spannende Frage. Hier gibt es die von mir beschriebenen Unterschiede in den grundsätzlichen Auffassungen.

Wir Sozialdemokraten haben uns positioniert. Wir haben uns für die Beibehaltung eines staatlichen Monopols ausgesprochen, weil wir glauben, damit für uns wichtige Ziele erreichen zu können. Diese Ziele sind die Spielsuchtprävention, die Abwehr von begleitender Kriminalität und die Kanalisierung des Spielbetriebes. Gerade im Vorfeld der Haushaltsberatungen, die wir in zwei Wochen abschließen werden, sage ich aber auch: Es geht auch um die Sicherung des staatlichen Aufkommens aus den Lotteriesteuern und aus den Zweckerträgen, die wir - weil sie zweckgebunden sind - wieder für das Gemeinwohl und für den Sport zur Verfügung stellen wollen. Wir brauchen eine Sicherung dieses Aufkommens, weil ich noch niemanden in diesem Parlament getroffen habe, der uns garantieren kann, dass wir diese zu erwartenden erheblichen Mindereinnahmen in irgendeiner anderen Weise kompensieren können.

In der Debatte des Landtags am 12. Oktober 2006 habe ich für die Sozialdemokraten signalisiert, dass wir dem Entwurf der Ministerpräsidenten in der Fassung vom Oktober dieses Jahres zustimmen könnten. Wir sind der Auffassung, dass dieser Entwurf den Intentionen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom März dieses Jahres Rechnung trägt. Ich habe für die SPD allerdings gesagt, dass wir am Zustandekommen dieses Staatsvertrags natürlich zwar interessiert sind, dass er aber auch europatauglich sein muss. Das heißt, er muss den Kriterien des europäischen Rechts entsprechen. Heute wissen wir nicht, ob das im Frühjahr nächsten Jahres noch der Fall sein kann. Deshalb haben wir Sozialdemokraten auch dem Vorschlag der geschätzten Kollegin Heinold zugestimmt, und zwar mit dem einstimmig gefassten Votum, das ich Ih

nen als Vorsitzender des Finanzausschusses vorhin anempfohlen habe.

In Kenntnis einer erwarteten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes macht es in der Tat heute keinen Sinn, etwas übers Knie zu brechen, was wir im nächsten Jahr vielleicht gemeinsam wieder einsammeln müssen. Hier gilt das, was mein bekannter Großvater immer sagte: Zügigkeit kommt erst nach der Solidität. Nun müssen wir abwarten. Es gibt unterschiedliche Versionen: Greift der Europäische Gerichtshof im bekannten Fall Placanica auch in das deutsche Rechtssystem ein oder wird sich dieses erwartete Urteil ausschließlich mit dem italienischen Rechtssystem befassen? Hier gibt es unterschiedliche Auffassungen. Der Generalanwalt konzentriert sich in seiner Empfehlung an den Europäischen Gerichtshof ausschließlich an der italienischen Rechtsprechung. Er empfiehlt dem Europäischen Gerichtshof aber bekannterweise auch, eine grundlegende rechtliche Entscheidung für den gesamten europäischen Wettbewerb zu fällen. Herr Ministerpräsident, wie diese aussieht, wissen wir beide nicht. Sonst würden wir als Hellseher einen anderen Beruf ergreifen können.

(Ministerpräsident Peter Harry Carstensen: Dann hätten wir sechs Richtige im Lotto!)

- Dann hätten wir sechs Richtige und ich würde sogar mit Ihnen teilen!

(Heiterkeit)

Herr Neugebauer, die Redezeit ist um, auch wenn Sie interessante Angebote machen.

Frau Präsidentin, ich will mit dem bekannten Hinweis schließen, dass man auf See und vor Gericht in Gottes Hand ist. Wir vertrauen den europäischen Richtern dahin gehend, dass sie - wie in der Vergangenheit - bei ihren Entscheidungen Vernunft walten lassen. Wir vertrauen darauf, dass sie die bisherige Rechtsprechung fortsetzen, die den europäischen Nationalstaaten das Recht gibt, im Rahmen der Spielsuchtprävention eigene Entscheidungen treffen zu können. Herr Ministerpräsident, dann können wir uns wieder begegnen. Dann erwarten wir von Ihnen, dass auch Sie diesen Staatsvertrag unterschreiben.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

(Günter Neugebauer)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Neugebauer. Das Wort für die FDP-Fraktion hat nun der Fraktionsvorsitzende, Herr Abgeordneter Kubicki.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich danke dem Kollegen Neugebauer ausdrücklich für diese wegweisende Rede, was das Vertrauen in die europäische Rechtsprechung angeht. Aber alle hier im Saal wissen es - die meisten wollen es auch wahrhaben: Das staatliche Lotteriemonopol ist Unsinn. Es ist unsinnig, weil Monopole stets die Kundschaft benachteiligen. Sie muss für schlechtere Qualität mehr bezahlen. Das gilt nicht nur hier, sondern eigentlich überall. Auf dem Energiemarkt sehen wir das gerade.

Es ist unsinnig, weil Monopole mit Online-Alternativen unhaltbar geworden sind. Die Alternative ist nur einen Klick entfernt: das muss man sich nur einmal klarmachen, dass heute im Online-Bereich bereits jeder entsprechende Wetten abschließen kann.

Es ist unsinnig, weil mit dem staatlichen Lotteriemonopol ein Werbeverbot einhergehen muss. Herr Kollege Neugebauer, das ist keine europarechtliche Rechtsprechung, sondern eine Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Ich komme nachher noch einmal darauf zurück. Damit muss ein Werbeverbot einhergehen. Das wird dazu führen, dass die Einnahmen aus dem staatlichen Lotteriewesen drastisch einbrechen und dann entsprechend weniger Geld zur Verfügung steht, um gemeinnützige Zwecke zu fördern.

Das staatliche Monopol ist unsinnig, weil mit dem Monopol mehrere zehntausend Arbeitsplätze bei privaten Lotterieanbietern in Deutschland verloren gehen werden - entweder, weil private Anbieter pleite gehen oder weil sie abwandern.

Vor diesem Hintergrund ist der Entwurf des neuen Lotteriestaatsvertrages nicht nur unsinnig, sondern offensichtlich auch verfassungswidrig und europarechtswidrig. Wer dem EU-Kommissar für den Binnenmarkt, Charles McCreevy, dem Kollegen und Vorsitzenden der CDU-Landtagsfraktion, Dr. Johann Wadephul - immerhin auch ein herausragender Jurist -,

(Beifall bei der CDU)

dem Kollegen Hans-Jörn Arp oder mir

(Beifall bei der FDP)

das nicht glaubt, der hört vielleicht auf unseren Justiz- und Europaminister Uwe Döring. Er hat uns vor Kurzem ebenfalls berichtet - sozusagen live aus Brüssel -, dass der Entwurf des Staatsvertrages so offensichtlich europarechtswidrig ist, dass er höchstwahrscheinlich schon im Frühjahr 2007 vom Europäischen Gerichtshof gekippt würde.

Ich halte es für selbstverständlich, dass gewählte Verfassungsorgane keine offensichtlich verfassungswidrigen Verträge schließen.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb, Herr Ministerpräsident, fordere ich Sie auf, den Entwurf des neuen Lotteriestaatsvertrages im Dezember nicht zu unterzeichnen und den bestehenden Lotteriestaatsvertrag nicht zu kündigen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, angesichts all dieser offensichtlichen Selbstverständlichkeiten verstehe ich allerdings Folgendes überhaupt nicht. Mir wurde berichtet, dass ein Kollege, der seit Monaten vehement gegen das staatliche Lotteriemonopol kämpft, diesen Punkt von der Tagesordnung streichen wollte, dass aber die Staatskanzlei ausdrücklich um ein Votum des Landtages gebeten haben soll, damit der Ministerpräsident die Unterzeichnung eines offensichtlich verfassungswidrigen und europarechtswidrigen Staatsvertrages nicht ohne Rückendeckung aus dem Parlament unterlassen müsse, und dass sich Vertreter der Großen Koalition im Finanzausschuss erst nach chaotischem Hin und Her mit Sitzungsunterbrechung auf die vorliegende Beschlussempfehlung einigen konnten.

Was ist das Ergebnis dieser Rumeierei? Die folgenden Worthülsen:“…sich auf Bundesebene dafür einsetzen...“ und „... bis zum Abschluss der Auswertung der Anhörungen der Ministerpräsidentenkonferenz im Finanzausschuss des Schleswig-Holsteinischen Landtages abzuwarten.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Ministerpräsident soll sich auf Bundesebene nicht dafür einsetzen, dass etwas nicht passiert; er soll es nicht machen.

(Beifall bei der FDP)

Dass wir so lange warten sollen, bis der Kollege Neugebauer als Vorsitzender des Finanzausschusses die Materie durchdrungen hat, und das auch noch bundesweit, das können wir unseren Kolleginnen und Kollegen in den anderen Landtagen definitiv nicht zumuten.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Der Vorschlag von Frau Heinold war deutlicher!)

Im Gegensatz dazu verfolgen wir beim Lotteriewesen ein klares politisches Konzept. Wir wollen das Staatsmonopol bei Lotto schleifen und auch private Anbieter zulassen, die die persönliche und fachliche Eignung nachweisen können. Dabei sind staatliche und private sowie in- und ausländische Anbieter gleich zu behandeln. Wir wollen aus den Lotterieeinnahmen weiterhin gemeinnützige Zwecke fördern, vor allem den Sport. Ich verweise auf die gemeinsame Entschließung der Fußballligen, des Deutschen Fußballbundes und verschiedener Staatskanzleien, Herr Kollege Neugebauer.

Bei alledem wollen wir mit wirksamen Mitteln Spielsucht und problematisches Spielverhalten bekämpfen und begrenzen, angemessen dem Verbraucher- und Jugendschutz Rechnung tragen und Anreize für Folge- und Begleitkriminalität vermeiden. Diesen Zielen wird der vorliegende Entwurf des neuen Staatsvertrages über das Lotteriewesen nicht gerecht.

Wir stimmen der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses zu. Trotzdem halten wir unseren Antrag aufrecht, der beraten werden soll, nachdem wir noch einige Zeit ins Land haben hiehen lassen.

Herr Ministerpräsident, der Landtag fordert Sie heute eindeutig dazu auf, auf der kommenden Ministerpräsidentenkonferenz Ihre Unterschrift unter diesen unsinnigen und offensichtlich verfassungswidrigen Staatsvertrag zu verweigern. Ich sage ausdrücklich: Es freut mich ganz besonders, endlich wieder einmal sagen zu können: Unsere Rückendeckung haben Sie.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Kubicki. - Das Wort für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Frau Abgeordnete Monika Heinold.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wie verworren die Situation ist, zeigt auch die Situation hier. Wir sind inhaltlich sehr weit auseinander. Dennoch werden wir einen gemeinsamen Beschluss fassen. Das kommt selten vor.

Ich möchte auf das hinweisen, was wir heute beschließen. Wir beschließen kein Nein zum Staatsvertrag. Das steht im Beschluss nicht drin.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Doch!)

- Nein. Wir fordern die Landesregierung auf, sich dafür einzusetzen, dass die Beschlussfassung über den Staatsvertrag zurückgestellt wird. Das ist der Konsens, auf den wir uns verständigt haben. Das heißt, wir sagen nicht, dass der Staatsvertrag unsinnig oder gar verfassungswidrig ist. Der Finanzausschuss war sich einig, dass es sehr schwer ist zu beurteilen, ob dieser Staatsvertrag überhaupt verfassungsgemäß ist und ob er europarechtlich durchstehen würde.

Wir als Grüne haben in die letzte Sitzung einen Antrag eingebracht, in dem wir uns zu dem staatlichen Lottomonopol bekennen. Ich fände es ausgesprochen gut, wenn es dieses Lottomonopol in Deutschland weiterhin geben könnte. Ich glaube auch, dass wir darauf angewiesen sind, dass wir Mittel für die Suchtprävention haben und dass wir sie dort abschöpfen, wo Sucht auch verursacht wird. Ich sage ausdrücklich „auch“. Es geht nämlich immer um Lotto- und um Sportwetten. Insofern halten wir an unserem Beschluss fest. Aber wir haben gesagt, es macht keinen Sinn, jetzt einem Staatsvertrag zuzustimmen, von dem niemand - außer Herrn Kubicki sagen kann, ob er länger als drei Monate durchstünde.