China hat eine komplett andere Tradition: Unternehmen und Parteikader sind eng miteinander verflochten. Wirtschaftliche Aktivitäten in China sind nicht ohne die Billigung der Staats-, Provinz- oder Kreisregierung und der Bürgermeister möglich. Auch ausländische Unternehmer sind auf den Goodwill der kommunalen und regionalen politischen Führung angewiesen. Sich als Landesregierung oder als Parlament sehen zu lassen, heißt in China, dass man sich hinter die Unternehmen in seinem Heimatland stellt, dass man sie unterstützt. Das ist auch für die schleswig-holsteinischen Firmen in China wichtig, um ihre Verhandlungsposition zu stärken.
Wir haben in den sieben Tagen in den Städten und Provinzen Peking, Ningbo, Shanghai und Hangzhou zahlreiche Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern chinesischer Regierungsinstitutionen und Universitäten geführt. Wir haben mit Vertretern deutscher Firmen gesprochen und chinesisch-deutsche Joint-Venture-Firmen besucht. Auf diese vielfältigen Kontakte ist heute auch schon eingegangen worden.
Ich möchte zwei andere Punkte beleuchten: die Chancen der Umwelttechnologie in China und die Notwendigkeit des kritischen Dialoges mit unseren chinesischen Partnern. Frau Franzen ist darauf eben auch eingegangen.
Schleswig-Holstein ist mit seinem Schwerpunkt Umwelttechnologie der geborene Wirtschaftspartner für China. Umweltschutz ist eines der größten Zukunftsfelder in China. Ein bitteres Erbe aus Maos Zeiten, der glaubte, Berge versetzen zu können, ist eine Umweltzerstörung gigantischen Ausmaßes. Heute frisst die Industrialisierung an der Ostküste wertvolles, fruchtbares Ackerland und verursacht eine katastrophale Wasserverschmutzung. Die Regierung hat dieses Problem inzwischen erkannt. Wir wurden bei jedem Gespräch als Erstes auf den Umweltschutz angesprochen. Die Regierung bemüht sich um eine Verbesserung, nicht zuletzt weil
die Opfer den Weg des Widerstandes gehen. So waren im vergangenen Jahr vor allem Umweltprobleme Anlass für Massenproteste. Und in China heißen Massenproteste nicht, dass 20.000 Beamtinnen und Beamte vor der Tür stehen, sondern dass sich Millionen auf den Weg machen. Vergiftete Flüsse und verschmutzte Luft, hoch verdichtete Siedlungen oder landwirtschaftlich intensiv genutzte Flächen, soweit das Auge reicht. Und Shanghai bleibt einem - mir zumindest - als Stadt ohne Himmel in Erinnerung. Eine dichte Smogglocke lag über der 18-Millionen-Metropole.
Ob es um alternative Energieerzeugung, um Konzepte zur Energieeinsparung oder um eine Lösung der Müll- und Abwasserprobleme geht: China ist in diesen Bereichen noch Entwicklungsland. Schleswig-Holstein mit seiner hoch entwickelten Umwelttechnologie ist der perfekte Wirtschaftspartner, Firmen haben hier einen großen Markt, in den sie gehen können und zum Teil auch schon gegangen sind.
Der Ministerpräsident hat die Windenergie angesprochen. Durch moderne Umwelttechnologie lässt sich wirtschaftlicher Profit mit Fortschritt verbinden. Schleswig-holsteinische Entwicklungen können zur Lösung lokaler Umweltprobleme und damit zu einer Steigerung der Lebensqualität der chinesischen Bevölkerung beitragen.
Gleiches gilt für die Gesundheitstechnologien, welche die gesundheitliche Versorgung verbessern helfen. Das Interessante im Bereich der Gesundheitsforschung ist aber auch die beidseitige Bereicherung. So können auch wir von der chinesischen Heilkunst lernen, hier liegt ein interessanter Markt für chinesische Firmen im Gesundheitsland Schleswig-Holstein.
Ein zweiter Punkt, der unsere Reise auszeichnete, war der Dialog mit den Menschen vor Ort. Ein Dialog, der aufgrund der nicht vorhandenen Meinungsfreiheit und aufgrund der Notwendigkeit, über staatliche Dolmetscher zu kommunizieren, noch ganz am Anfang steht. Aber gerade die Themen Menschenrechte, Umweltschutz und soziale Sicherung machen den Dialog zwingend notwendig. Es ist schwierig, vor Ort kritische Fragen zu stellen, aber es ist möglich und es ist notwendig.
Wie schwierig es ist, zeigte unser Besuch in Peking. Wir besuchten das dem Außenministerium unterstellte Institut für Internationale Studien. Der Vizepräsident, Herr Ruan Zongze, berichtete über den geplanten Bau von 30 neuen Kernkraftwerken. Meine Frage, wie man in China das Problem der Endlagerung radioaktiver Abfälle zu lösen gedenke,
beantwortete er auf typisch chinesische Art und Weise. Er sagte: „Wir orientieren uns in dieser Frage am guten Beispiel der Europäer.“ Der Ball war elegant zurückgespielt, aber das Problem nicht gelöst. Endlagerung radioaktiver Abfälle bei gleichzeitiger Planung von 30 neuen Atomkraftwerken ein schwieriges Zukunftsproblem. Dieses Beispiel zeigt, dass auch wir selbst durch Besuche wie diesen wachgerüttelt werden.
Ob Verkehrsprobleme oder Atomenergie - wenn wir unsere eigenen Hausaufgaben nicht lösen, können wir dies auch nicht von anderen Ländern erwarten
Nach der höflich umschriebenen Abfuhr war das Gespräch abrupt zu Ende, zügig gingen die Gastgeber zum Austausch der Gastgeschenke über, eine sehr spannende und ausführliche Prozedur.
Wir dürfen also nicht lockerlassen, auch schwierige Themen wie Umweltschutz und Menschenrechte in China anzusprechen. Denn das riesige Land China auf dem Weg zur Supermacht befindet sich, was die Umweltpolitik betrifft, in einem gefährlichen Entwicklungsstadium. Auch der soziale Unterschied zwischen Arm und Reich, zwischen Stadt und Land und vor allem zwischen dem aufstrebenden Osten und dem rückständigen Westen wächst rapide. Ein idealer Nährboden für Konflikte.
Wichtigste Aufgabe der chinesischen Führung wird es sein, für soziale Stabilität zu sorgen, ohne den Weg der brutalen Unterdrückung von Protesten zu gehen. Wir als Vertreterinnen und Vertreter eines demokratischen Staates haben Vorbilder anzubieten - die europäische Vision einer freien, nachhaltig wirtschaftenden und friedlichen Gesellschaft. Wir dürfen nicht aufhören, den Dialog zu suchen, immer und überall. Wir müssen bereit sein, zu lernen, von den Chinesen zu lernen. Denn wie Konfuzius sagte: „Der Weg ist das Ziel.“
Ich danke der Frau Abgeordneten Heinold und erteile für den SSW der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch im Namen des SSW einen herzlichen Dank für diesen sehr ausführlichen Bericht, der einen guten Überblick über die Geschichte, den aktuellen Stand und die zukünftigen Perspektiven der Zusammenarbeit zwischen Schleswig-Holstein und der chinesischen Partnerregion Zhejiang gibt. Seit nunmehr 20 Jahren bestehen Kontakte zu dieser aufstrebenden Region in China. Wenn man bedenkt, dass die Provinz Zhejiang in den letzten 15 Jahren ein durchschnittliches Wirtschaftswachstum zwischen 13 und 14 % zu verzeichnen hat, dann wird deutlich, welches wirtschaftliche Potenzial sich für unser Land aus dieser Zusammenarbeit ergibt.
China ist auf dem Weg, eine wirtschaftliche und politische Großmacht zu werden. Das liegt einmal an der enormen Bevölkerungsmasse dieses Landes, aber eben auch an dem geradezu unglaublichen wirtschaftlichen Aufschwung Chinas. Deshalb hat die Zusammenarbeit mit der Provinz Zhejiang natürlich einen wichtigen handelspolitischen Stellenwert für Schleswig-Holstein.
Die Schattenseiten dieses Wirtschaftswachstums sind hinlänglich bekannt. Die brauche ich nicht zu wiederholen. Dennoch zwei Stichworte.
Erstens. China ist mittlerweile in Asien das Land mit dem größten Abstand zwischen Arm und Reich. Zweitens. Wir wissen aus eigener Erfahrung - diejenigen, die an der Reise des Ältestenrates teilgenommen haben -, dass das größte Problem der chinesischen Städte der fehlende ÖPNV ist und dass es zu einem Verkehrskollaps kommen wird, wenn dort nicht etwas gemacht wird. Ich denke fast, dass es eine internationale Aufgabe ist, China dorthin zu begleiten.
Den heutigen offiziell guten Beziehungen zwischen Schleswig-Holstein und Zhejiang ist erst recht in den 90er-Jahren zum Durchbruch verholfen worden. Wir können jetzt auf diese Entwicklung aufbauen. Wir alle wissen, dass es gerade in China mit der dort herrschenden kommunistischen Partei insbesondere auf die politischen Kontakte ankommt, wenn man irgendetwas erreichen will.
Das haben alle Landesregierungen seit 1986 erkannt. Auch die jetzige Landesregierung führt diese Politik erfolgreich fort. So zeigt der Bericht, dass die Beziehungen zwischen den beiden Partnerregionen auf politischer Ebene schon relativ intensiv sind. Der Ministerpräsident hat das vorhin auch noch einmal deutlich gemacht. Zuletzt wurde dies mit den seit 2001 gepflegten Beziehungen und dem
Besuchsaustausch des Schleswig-Holsteinischen Landtages und des Ständigen Ausschusses des Volkskongresses der Provinz Zhejiang unterstrichen.
Das Schleswig-Holstein-Büro der WTSH - das Schleswig-Holstein Business Center - in Hangzhou ist das greifbarste Ergebnis dieser politischen Kooperation. Die Repräsentanz der WTSH ist der wichtigste Türöffner für die schleswig-holsteinische Wirtschaft, um auf dem chinesischen Markt überhaupt Fuß zu fassen. Mit seinen chinesischen Mitarbeitern verfügt Schleswig-Holstein über das größte und erfolgreichste Firmengemeinschaftsbüro aller Bundesländer in China.
Ich denke, das muss einmal gesagt werden. In der öffentlichen Diskussion hat man das nach meiner Erfahrung überhaupt nicht wahrgenommen.
Der schleswig-holsteinische Export nach China ist dann auch in den letzten Jahren stark angestiegen. Das konnten wir im Frühjahr dem Außenhandelsbericht der Landesregierung entnehmen. Das zukünftige Potenzial für einen noch stärkeren Anstieg des Exports der schleswig-holsteinischen Unternehmen ist also ohne Zweifel vorhanden. China - auch die Provinz Zhejiang - ist ein Zukunftsmarkt. Im Bericht der Landesregierung wird sowohl auf verschiedene Arten der Zusammenarbeit unserer Hochschulen mit dem chinesischen Partner hingewiesen wie auch auf Exportmöglichkeiten unterschiedlicher Branchen im Detail eingegangen.
Leider konnten wir dem Außenhandelsbericht aber auch entnehmen, dass der chinesische Import nach Schleswig-Holstein weitaus höher ist als unser Export. Wir haben also ein großes Handelsbilanzdefizit mit China - wie übrigens die meisten Bundesländer und die meisten europäischen Länder auch. Das liegt zum einen daran, dass wir immer noch nicht genug unternommen haben, um unsere Wirtschaft - gerade auch die kleineren und mittleren Firmen - für die Globalisierung fit zu machen. Trotz vieler guter Beispiele fehlt es in zu vielen Unternehmen immer noch am Know-how und damit verbunden insbesondere auch an qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, um weltweit oder auch in China wirtschaftlichen Erfolg zu haben. Aber das ist ein anderes Thema, das an anderer Stelle schon mehrfach erörtert worden ist.
dass die chinesischen Firmen einen enormen Wettbewerbsvorteil durch niedrigere Umweltstandards, zu niedrige Löhne und durch die oftmals sehr schlechten Arbeitsbedingungen der Beschäftigten haben. Auch wenn wir sehr gern mit China Handel betreiben, müssen wir dennoch von unserem Selbstverständnis her darauf drängen, dass China die internationalen Werte und die internationalen Standards zum Beispiel der WTO anerkennt.
Anders formuliert gibt es für uns immer noch die grundsätzliche Frage, wie wir mit der Globalisierung umgehen wollen. Das ist vielleicht etwas, das eher auf Bundesebene diskutiert werden sollte. Ich vermisse eine eigentliche Globalisierungsstrategie. Abschotten geht nicht; das wissen wir. Mir ist in diesem Zusammenhang daran gelegen, deutlich zu machen, dass unser Sozialstaat in dem Kampf um den globalen Markt eine Stärke ist, eine friedliche Gesellschaft mit relativ geringen Abständen zwischen Arm und Reich, mit einem hohen Bildungsstandard, mit Qualifizierungsmöglichkeiten. Das sind Stärken. Darum müssen wir endlich davon wegkommen, über den Preis zu konkurrieren. Das ist nicht möglich.
Es ist auch kein Zufall, dass der Nordische Rat vor einigen Wochen ein Konzept vorgelegt hat, das die Überschrift trägt: Der Norden als globale Erfolgsregion. Dort will man die Wohlfahrtsgesellschaft
und die Stärken dieser Gesellschaft als Wettbewerbsvorteil und als Wettbewerbsmerkmal deutlich machen. Von daher müssen wir diese Diskussion andersherum anpacken. Es wäre wünschenswert, wenn wir das im Zusammenhang mit einer eigentlichen Globalisierungsdiskussion deutlich machen könnten.
Diese Diskussion insgesamt führt uns natürlich auch zu dem sensiblen Thema der Menschenrechte in China. Die Landesregierung macht in diesem Bericht deutlich, dass sie dieses Thema mit den chinesischen Partnern öffentlich nicht anspricht, sondern
Als Begründung wird angegeben, dass SchleswigHolstein schließlich keine Außenpolitik führen kann und dass die chinesischen Partner immer sehr empfindlich auf von außen vorgetragene Kritik reagieren. Aber ich denke, wenn wir von Freundschaft und Partnerschaft reden, dann wir müssen wir auch sagen: Unter Freunden ist auch Kritik möglich.
Es bedarf keiner Besserwisserei, aber auch kritische Fragen müssen angesprochen werden können. Dazu unterstreicht die Regierung, dass gerade in den letzten Jahren der vertiefte Austausch zwischen Schleswig-Holstein und Zhejiang auf politischem Niveau und auf Behördenebene dafür sorgt, dass man chinesischen Partnern unsere europäischen rechtsstaatlichen Normen und Verhaltensweisen erklären und somit indirekt eine Verbesserung der Menschenrechte erreichen kann. Dem stimme ich zu. Das ist eine gute Strategie. Aber ich denke, ein bisschen mehr wäre angebracht.
Aus der Sicht des SSW ist dies für Schleswig-Holstein weiterhin eine schwierige Gratwanderung bei unseren Bemühungen, die Beziehungen zur Partnerregion Zhejiang auszubauen und zu verbessern. Allerdings ist auch klar: In diesem sensiblen Bereich gibt es keine leichten Wege. Eine unserer entscheidende Forderung muss sein, dass in China neben dem wirtschaftlichen Aufschwung endlich auch einen greifbarer Fortschritt in Fragen der demokratischen Prinzipien und bei den Menschenrechten zu verzeichnen ist. - In Klammern bemerkt: Wir hören von Journalisten, dass gerade vor dem Hintergrund der anstehenden Olympiade die Pressefreiheit stark eingeschränkt wird. Ich denke, auch diesbezüglich sollten wir uns vielleicht einmal zu Wort melden. Die schleswig-holsteinische Partnerschaft mit der Provinz Zhejiang kann vielleicht auch in dieser Hinsicht etwas bewegen und einen kleinen bescheidenen Beitrag leisten. Auch das sollte Ziel unserer Partnerschaft und unserer Bemühungen sein.
Ich danke der Frau Abgeordneten Spoorendonk. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit schließe ich die Beratung. Weil kein Antrag gestellt wurde, stelle ich fest, dass dieser Tagesordnungspunkt erledigt ist.