Ich danke der Frau Abgeordneten Monika Schwalm. - Für die SPD-Fraktion erteile ich Frau Abgeordneter Ingrid Franzen das Wort.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! China rückt uns immer näher. Damit meine ich nicht einen rasant wachsenden Markt der chinesischen Touristen
in Schleswig-Holstein. Darauf werden wir wohl noch ein bisschen warten müssen. Nein, ich meine die in China gefertigten Produkte, mit denen wir uns bewusst oder unbewusst im Alltag umgeben. Beispiele dafür sind Kleidung, Haushaltsgeräte, Spielzeug, Handys oder Produkte aus dem gesamten Multimedia-Bereich. Große Konzerne, aber auch traditionelle Mittelständler lassen in China produzieren und verlagern ihre Arbeit nach China. Wir haben das mit Motorola in Flensburg schmerzhaft miterleben dürfen. China kauft sich weltweit auch bei uns in Deutschland - ein. Davon werden Arbeitsplätze und Lebensverhältnisse unmittelbar beeinflusst.
Zu Beginn unserer heutigen Debatte möchte ich mit ein paar Schlaglichtern ein allgemeines Bild von China entwerfen. China ist ein Land des „Ja, aber“. China ist ein Land im Umbruch. Es ist voller Gegensätze und Widersprüche. Ich nenne dazu einige Beispiele. Zur Wirtschaft: China ist schon jetzt mit seinen 1,3 Milliarden Einwohnern nach den USA und Deutschland die drittgrößte Handelsnation. In China gibt es aber auch 40 Millionen bis 200 Millionen Arbeitslose. Keiner weiß dies genau. Es gibt 150 Millionen Wanderarbeiter. Zwei Drittel der Chinesen leben im ländlichen Raum in Armut. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen entspricht im ganzen Land dem eines Entwicklungslandes.
Zu Wachstum und Umwelt: Seit Jahren beträgt die offizielle durchschnittliche Wachstumsrate 9 %. Sie ist nach unten geschönt. In unserer Partnerregion ist sie sicher viel höher. Das sind Werte, von denen wir in Deutschland nicht einmal zu träumen wagen. Fest steht aber auch: Ein Drittel der Städte in China leidet unter starker Umweltverschmutzung. Ein Drittel der Landesfläche wächst sich zur Wüste aus. Das größte Problem in China ist Wasserknappheit. Deshalb gibt es auch prominente Menschen in China, die sagen: Real haben wir eigentlich kein Wachstum, weil wir genauso große Schäden haben. Dies sagte Pan Yue, der stellvertretende Direktor der staatlichen chinesischen Umweltbehörde in einem Artikel der „ZEIT“ vom 20. Oktober 2005.
China hat eine enorme Bildungsoffensive gestartet. So sank die Analphabetenquote von 37 % im Jahr 1978 auf 5 % im Jahr 2002. Was für eine Leistung! Aktuell verlassen in China jährlich 3 Millionen Hochschulabsolventen die Universitäten. In den USA sind es 2,5 Millionen. Die Delegation des Ältestenrates hat - wenn ich es richtig mitbekommen habe - in Hangzhou den siebten Campus besucht. Die ersten sechs haben wir gar nicht gesehen. Frau Schwalm hat darauf hingewiesen. Alles war nur vom Größten und vom Feinsten, das haben wir
gesehen! Da kommt nicht nur Neid auf und man bekommt nicht nur Komplexe, sondern man wird auch nachdenklich ob der Frage, ob wir hier alles in die richtige Gewichtung packen. Das will ich offen und ehrlich zugeben.
Das ist der Erfolg so einer Reise. Wir haben im Austausch mit unseren phantastischen Übersetzerinnen und Delegationsbegleiterinnen gehört, dass es bei den Prüfungen hohe Hürden gibt und dass es Studiengebühren gibt. Das ist für einen sozialistischen Staat erstaunlich. Die eher inoffizielle Erklärung lautete kurz und knapp: Für jedes Kind können ja sechs Erwachsene sparen. Nun haben die Kinder dort nicht sechs Eltern, aber sie haben zwei Elternteile und vier Großeltern. Die Ein-Kind-Politik lässt grüßen. Das macht man dort gnadenlos!
Ein nur negatives Kapitel ist die Situation der Menschenrechte in China. Laut Mitteilung von amnesty international vom 10. Oktober 2006 werden in China weltweit immer noch die meisten Menschen hingerichtet. 2005 waren es offiziell 1.770 Hinrichtungen. Experten schätzen, dass es 8.000 gewesen sein könnten. Hinzu kommt aktuell der Vorwurf, dass 99 % der in China transplantierten Organe von hingerichteten Gefangenen stammen. Auch das ist China. Wir leben in einem freiheitlichen Land. Auch das kann und muss hier angesprochen werden.
Sie werden sich nach dieser Einleitung fragen, was China mit Schleswig-Holstein zu tun hat. Genau wie meine Vorredner sage ich zum Glück eine Menge! Das ist dank weitsichtiger Politiker so, die vor 20 Jahren diese Partnerschaft mit der Provinz Zehjiang gegründet haben. Ich sage noch einmal sehr deutlich: Heute würde Zehjiang mit uns vielleicht keine Partnerschaft mehr gründen. Ich glaube, dass wissen wir auch, wenn wir ehrlich sind. Es ist aber gelungen.
Es gibt die Erfahrungen, die der Ältestenrat im Jahr 2005 gemacht hat, und es gibt Erfahrungen, die der Ministerpräsident in zahlreicher Begleitung mit einem Abstecher nach Japan in diesem Jahr machen durfte. Es gibt Protokolle dazu. Wir sind auf einem guten und neuesten Stand, zumindest in den Bereichen, die wir sehen konnten. Wir haben natürlich nicht alles gesehen. Ich durfte an der Reise des Ältestenrats teilnehmen und ich sage ehrlich: Nichts, was über China in meinem Kopf war, blieb so stehen, wie es war. Alles wurde neu aufgefüllt. Es hat in mir eine große Neugier entfacht, mich mit
Wir können auf die 20-jährige Partnerschaft stolz sein. Es ist insbesondere von der WTSH Vorbildliches geleistet worden, und zwar von Beginn an. Wir haben das in Augenschein nehmen dürfen. Ich habe wirklich das Gefühl, dass wir auch im Kreis der Bundesländer vorbildlich dastehen. Mein herzlicher Dank dafür!
Auch die Universitäten machen mit. Der Ministerpräsident hat die CAU genannt. Andere Redner haben andere Hochschulen angesprochen. Ich nenne ein Beispiel dafür: Junge chinesische Wissenschaftler sehen einen längeren Forschungsaufenthalt zum Beispiel in Kiel inzwischen als Chance für einen Karrieresprung zu Hause. Wie schön! Was für ein Kompliment für die CAU und für diese Partnerschaft!
Besonders erfreulich finde ich einen Aspekt, den man dem Bericht auch entnehmen kann, nämlich dass die Forschungsprojekte zum Teil durch Drittmittel finanziert und verlängert werden konnten. Auch hier gibt es Innovationen. Aktuell studieren 370 Chinesen und Chinesinnen in Schleswig-Holstein, davon 270 an der CAU. Auch das ist ein deutliches Zeichen.
Interessant fand ich auch den vielleicht etwas mutigen, jedoch durchaus erwähnenswerten Hinweis im Bericht, dass Kontakte der Fachhochschulen Kiel und Lübeck bestehen und dass der Bericht insofern vielleicht sogar von einem Import des deutschen Fachhochschulwesens nach China spricht. Ich würde mir das wünschen. Das wäre ein schönes Kompliment für unsere Art, Menschen auf zwei verschiedene Arten studieren zu lassen.
China wird gern als Fabrik und als Werkbank der Welt bezeichnet. Das ist in vielen Bereichen auch richtig. Aber bedeutet das für Europa, für Deutschland, für uns automatisch auch einen Verlust an Arbeitsplätzen? Das kann man so nicht sagen. Auch das haben wir in China gelernt. Wir durften eine Firma „EUROIMMUN“ besuchen, die weltweit 500 Mitarbeiter und zwei Niederlassungen in China hat. Dadurch konnte sie aber auch an ihrem Standort in Lübeck 30 neue Arbeitsplätze schaffen. Das ist kluge, innovative Globalisierung, das ist das, was wir brauchen, meine Damen und Herren.
Es ist der schleswig-holsteinische Mittelstand, der so etwas leisten kann, und es sind nicht die Giganten aus den USA wie beispielsweise Motorola.
Ist nun alles prima, bin ich einfach nur begeistert und ist nichts zu verbessern? - Nein, dann wäre ich nicht Ingrid Franzen. Ich sage einmal: Ich fand, dass die Kooperation mit Hamburg doch noch größer sein könnte. Ich möchte dem Ministerpräsidenten nicht völlig widersprechen, der schon ganz begeistert war, aber wenn man sich anschaut, was Hamburg mit China macht - ebenfalls 20 Jahre Partnerschaft mit Shanghai - und was Hamburg für Ziele hat, nämlich die erste Adresse für den deutsch-chinesischen Kulturaustausch zu werden, ist noch mehr drin. Und sie sind auf einem guten Weg: In der Kunsthalle eine große Ausstellung; CHINA TIME Hamburg 2006 hieß ein Abend im CCH - ausgebucht bis auf den letzten Platz und einfach nur phantastisch. In China leben - laut Aussage des Bürgermeisters Ole von Beust - 14.000 Chinesen.
Er muss ja wissen, wer bei ihm lebt. 14.000 Chinesen, ich weiß nicht, ob er sie gezählt hat, aber er wird darüber wohl Statistiken haben.
- Sie leben in Hamburg, pardon. - 700 Hamburger Unternehmen sind in China tätig, 365 chinesische Firmen in Hamburg. Das ist die höchste Quote in Deutschland und in Kontinentaleuropa. Das liegt direkt vor unserer Tür, meine Damen und Herren. Ich muss die schleswig-holsteinischen Zahlen gar nicht bemühen, um nachzuweisen, dass wir da noch nicht so gut sind.
Liebe Landesregierung, deshalb wünsche ich mir in diesem Bericht nicht fünf Seiten, auf denen Sie darlegen, warum man nicht besser mit Hamburg zusammenarbeiten kann - die WTSH argumentiert so, wir wissen es -, ich wünsche mir zehn Seiten darüber, dass es geht und wie es geht.
Wir müssen diese Partnerschaft nicht bewahren, wir müssen sie dynamisch weiterentwickeln. Das sind wir den Chinesen schuldig.
Liebe Frau Präsidentin, lassen Sie mich zum Schluss eine Anregung geben, wenn ich darf. Helmut Schmidt - Herr Landtagspräsident, wir beide haben das im vergangenen Jahr eindrucksvoll in Hamburg erleben dürfen - ist ein Experte für diesen
gesamten Bereich und ein hoch geachteter Mann. Er reiste etwa zwei Tage vor unserer Ältestenratsreise durch China und wir haben oft noch von dieser Begegnung zu hören bekommen. Er füllt in Hamburg ganze Säle. Das würde er in SchleswigHolstein auch tun. Er ist unser Ehrenbürger. Herr Präsident, vielleicht laden Sie ihn einfach einmal ein.
Ich danke Frau Abgeordneter Ingrid Franzen und erteile für die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Abgeordneter Monika Heinold das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Schuster, bleib bei deinen Leisten, Bauer, bleib auf deiner Scholle - so sagt der Volksmund und stellt die berechtigte Frage, was schleswig-holsteinische Parlamentarier in China zu suchen haben, 10.000 km weit von der Heimat und von den hiesigen Problemen entfernt. Wenn früher ein Sack Reis in China umfiel, brauchte das hier niemanden zu interessieren.
Aber die Zeiten haben sich geändert: China ist mit seinen 1,3 Milliarden Einwohnerinnen und Einwohnern auf dem Weg zur Weltmacht. Das Riesenreich wird zukünftig das internationale Geschehen maßgeblich mitbestimmen. Sein wirtschaftlicher und politischer Einfluss wächst rapide und ist auch in Schleswig-Holstein zu spüren. Chinesische Firmen siedeln sich bei uns an und schleswig-holsteinische Betriebe machen ihr Geschäft in und mit China.
Deshalb ist es auch für ein kleines Land wie Schleswig-Holstein wichtig, dass die Parlamentarier über die eigenen Grenzen hinaus schauen, den Dialog mit den deutschen Betrieben in China suchen und die Chance nutzen, sich mit den Menschen in unserer chinesischen Partnerprovinz Zhejiang auszutauschen.
Ob es um den Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen geht, um wissenschaftliche Kontakte oder um chinesische Studentinnen und Studenten - es ist erwähnt worden -: Es ist wichtig zu wissen und zu verstehen, wie die zukünftige Supermacht China tickt. Ein chinesisches Sprichwort sagt: „Einmal sehen ist besser als hundertmal hören.“ Ich glaube, diese Erfahrung haben wir alle miteinander in China gemacht.
China hat eine komplett andere Tradition: Unternehmen und Parteikader sind eng miteinander verflochten. Wirtschaftliche Aktivitäten in China sind nicht ohne die Billigung der Staats-, Provinz- oder Kreisregierung und der Bürgermeister möglich. Auch ausländische Unternehmer sind auf den Goodwill der kommunalen und regionalen politischen Führung angewiesen. Sich als Landesregierung oder als Parlament sehen zu lassen, heißt in China, dass man sich hinter die Unternehmen in seinem Heimatland stellt, dass man sie unterstützt. Das ist auch für die schleswig-holsteinischen Firmen in China wichtig, um ihre Verhandlungsposition zu stärken.