Ingrid Franzen
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Da ich seit 1992 im Landtag die Stadt Flensburg vertrete, gibt es zur Firma Danfoss eine ganz dicke Mappe. In ihr sind Aufzeichnungen, die sich aus Firmenbesuchen und Gewerkschafts- und Betriebsratgesprächen entwickelt haben, wobei sich die Gespräche meistens leider um Entlassungen drehten, und zwar in größeren und in kleineren Schritten. Das ist eine unendliche Geschichte bei der Firma Danfoss in Flensburg. Gegründet wurde das Unternehmen 1956. Es war lange Zeit größter Arbeitgeber der Stadt Flensburg. In der jüngsten Zeit - binnen drei Jahren - gab es eine Kürzung der Belegschaft von 1.450 auf 700 Mitarbeiter. Von Januar bis Mai wurden allein gut 200 Stellen gestrichen. Für das nächste Jahr sind es 450 Stellen.
Es ist meine persönliche Wertung, dass nicht alles für die offizielle Begründung spricht, Abbau und Verlagerung seien aufgrund der Finanz- und Wirtschaftsschwäche notwendig. Das mag ein Anlass sein. Es spricht eher für eine systematische und mit langer Hand betriebene Schwächung des Standortes Flensburg, so bedauerlich es auch ist, das sagen zu müssen. Im April hat die Geschäftsführung mit dem Betriebsrat noch vereinbart, die ausgehandelten Tariferhöhungen nicht ab Mai, sondern erst ab Dezember zu bezahlen. Das Gegengeschäft war die Zusage, dass keine weiteren Kündigungen ausgesprochen werden. Das war im April. Jetzt sind wir im Juni, und Sie wissen, was passiert ist. Natürlich verlangt der Betriebsrat jetzt die Zahlung der Erhöhung um 2,5 % ab Juni. Das kann ich sehr gut verstehen.
Es geht auch nicht nur um Flensburg, es geht um die Region. Es geht um eine Region, die schon viele Jahre lang bei den landesweiten Arbeitslosenzahlen Spitzenreiter war. Die Zahlen lagen bei über 20 %. Diese Region hatte sich deutlich erholt. Sie war deutlich auf dem Weg zu einer Arbeitslosenquote von 10 %. Das hätten wir als Erfolg angesehen. Wir wären stolz gewesen, wenn wir das erreicht hätten. Wir haben nun aber im Zeitraum von Mai 2008 bis Mai 2009 einen Zuwachs der Arbeitslosenquote um 12,8 %. Das ist der höchste Wert in Schleswig-Holstein. Mit 12,9 % bilden wir insgesamt wieder das Schlusslicht. Es geht also
wieder von vorn los, und das kann der Landesteil nicht gebrauchen. Hinzu kommt, dass wir bereits im April 2009 in 92 Betrieben 1.244 Personen in Kurzarbeit hatten.
Ich will noch etwas zum Unternehmen sagen; das hat Anke Spoorendonk auch gemacht. Das ist ein Unternehmen, das 1933 als Familienunternehmen gegründet wurde. Der bei uns sicherlich bekannteste Vorstandsvorsitzende Jørgen M. Clausen ist seit 1996 mit sehr guten Erfolgen - mit einer Verdopplung des Umsatzes tätig. Gerade er ist und war ein großer Verfechter der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Er hat anlässlich vieler Treffen auch von anderen Unternehmen gefordert, es ihm gleichzutun. Er genoss und genießt große Bewunderung in unserer Gegend. Die Frage ist aber, ob man das so stehen lassen kann, wenn man sieht, was jetzt in Flensburg passiert.
Wenn man den Namen der Firma in die GoogleSuchmaschine eingibt, dann liest man, dass die Firma stolz ist auf ihre Unternehmenskultur. Man kann deutlich sehen, dass Sozial- und Umweltverantwortung eine hohe Richtschnur für dieses Unternehmen sind. Man kann auch deutlich sehen, dass auf Kommunikation Wert gelegt wird. Es heißt, die Firma führe die Dialoge mit Kunden, Mitarbeitern, der Presse, Politikern und Behörden aktiv. Davon haben wir nicht viel gemerkt; das muss man so deutlich sagen. Das muss man vielleicht einmal nachlesen. Die Enttäuschung ist vor Ort groß.
Was kann man nun tun? - Herr Minister Biel hat das zu Recht gefragt. Wir fragen uns das auch für die Menschen in der Region. Solidarisieren, demonstrieren, zuhören, Briefe schreiben, Gespräche führen und vieles mehr sind probate Mittel. Sie helfen den Betroffenen durchaus, aber wir wissen natürlich genauso, dass dies nicht reicht. Wichtiger ist es, konkrete Angebote zu machen. Dabei fällt mein Blick auf unseren Arbeitsminister Döring, der sofort da war und das deutsche Modell der Kurzarbeit noch einmal erläutert hat, obwohl man dieses Modell bei Danfoss kennt. Es wird dort teilweise auch schon ausgeübt. Es ist also nicht so, dass es dort nicht bekannt sei. Man kann aber immer noch einmal kommen und sehen, ob man damit etwas machen kann.
Der Knackpunkt ist und bleibt meines Erachtens aber die Frage: Will die Chefetage von Danfoss überhaupt den Standort im Grenzland - den Standort in Flensburg - erhalten? Ich komme in diesem Zusammenhang noch einmal zu einem Zitat des Unternehmers Jørgen M. Clausen anlässlich der Unterzeichnung eines Zukunftspakts, den ich gleich
noch schildern werde. Er sagte in diesem Zusammenhang: Ich sehe die Erklärung als langfristige Verpflichtung an. Ich hänge sehr an dieser Region, sie darf nicht zum Verlierer werden.
Für uns als Menschen, die dort oben leben und das so lange mitverfolgen, ist das eigentlich Dramatische das Déjà-vu-Erlebnis. Das alles war schon einmal da. All das ist nicht neu, auch nicht in diesen Dimensionen. Das ist schwierig. Ich beziehe mich auf Entlassungen im Jahre 2005 von 700 Mitarbeitern. Damals gab es zwischen dem Flensburger Oberbürgermeister, Jørgen M. Clausen und Minister Dr. Rohwer von der Landesregierung einen Zukunftspakt, der Maßnahmen zur Stärkung der wirtschaftlichen Kooperationen in der Region Flensburg-Schleswig-Sonderjylland beinhaltete. Damals kündigte Danfoss an, dass man innerhalb von drei Jahren 30 Millionen € in Flensburg investieren wolle. - Eine Pendleroffensive, von der wir wissen, dass sie erfolgreich gewesen ist. Sie hat etwas gebracht.
Dieser Zukunftspakt - wenn ich das in Richtung der Verhandelnden im Nordborg noch einmal sagen darf - sollte bekräftigt werden. Er sollte erneuert werden und für die Firma Danfoss weiterhin eine Verpflichtung bleiben. Es sollten die Arbeitnehmer und die Gewerkschaften einbezogen werden, denn das ist einfach klug. Sie sind das Kapital einer Firma. Das gilt auch für Danfoss. Nur, der Bruch von Vereinbarungen durch Aussagen wie: Wir kündigen nicht, wenn ihr auf Tariferhöhungen verzichtet, und die schonungslose Entlassung nach Jahrzehnten treuer und zuverlässiger Arbeit, macht die Menschen zu Demonstranten und damit zu Außenstehenden.
Ich komme zum Schluss: Ich denke, es gibt viele Gründe, Ihnen für Ihre Gespräche sehr viel Erfolg zu wünschen. Ich denke, die Region und auch der Schleswig-Holsteinische Landtag werden das mit Aufmerksamkeit betrachten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als vierte Rednerin muss man sich überlegen: Erzählt man noch einmal in etwa dasselbe wie die Vorredner, oder nimmt man einen anderen Schwerpunkt? Ich habe mich für einen anderen Schwerpunkt entschieden und will mich deshalb schwerpunktmäßig nicht mit der Situation der Richterinnen und Richter auseinandersetzen, sondern über die anderen dort Arbeitenden reden. Ich will mich aber genauso wie alle anderen ausdrücklich bedanken - der Minister hat es ja konkret gesagt - für zusätzliche 800 geleistete Stellen, wo immer, auch innerhalb der Justiz.
- Ja, Entschuldigung, Stellen wären nicht schlecht gewesen, ich war schon weiter; also für zusätzlich geleistete Stunden, wo immer sie geleistet werden mussten.
Auch dazu gibt es natürlich keinen Puffer bei der Beantwortung Großer Anfragen, Herr Kubicki. Das weiß ich aufgrund meiner eigenen Tätigkeit.
Nach übereinstimmender Einschätzung von Ministerium, Behördenleitung und Personalvertretung sind die genannten Stellen - 518 Richterinnen und Richter sowie 166 bis 168 Staatsanwältinnen und Staatsanwälte - ausreichend. Sie finden nicht so schnell noch einmal einen Bericht im Bereich der Landesregierung, in dem ein solcher Satz in der Beantwortung einer Großen Anfrage im Grunde genommen unwidersprochen in der Diskussion steht.
Ergänzend kann ich aufgrund meiner langjährigen Erfahrung im Richterwahlausschuss berichten - ohne meine Verschwiegenheitspflicht zu brechen -, dass Schleswig-Holstein über sowohl qualitativ als auch quantitativ ausreichende Bewerbungen für jedwede ausgeschriebene Stelle verfügt. Daran mangelt es uns also nicht. Vielmehr mangelt es uns an Entscheidungen, aber das ist das Thema, das ich mit Ämtern öffentlich nicht erörtern darf.
Noch ein kritisches Wort zu den Sozialgerichten. Ich will nicht alles wiederholen, was hier gesagt worden ist. Hartz IV ist das, was es nicht sein sollte, nämlich eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für diese „besondere Gerichtsbarkeit“. Wer kommt für die Kosten auf? Das sind wir. Warum ist das so? Dies ist so, weil im Grundgesetz keine Konnexität festgeschrieben ist.
Dabei sind wir besser aufgestellt. Das ist etwas, was wirklich nicht in Ordnung ist. Es sind die Stellenanhebungen, die Verlagerungen zu erwähnen. Das alles ist besprochen worden. Man muss aber auch sehen, dass wir von 2000 bis 2007 Klagen von plus 68 % und Erledigungen von plus 23 % zu verzeichnen haben. Erledigungszeiten von über 18 Monaten bei circa 45 % der Fälle sind für die Betroffenen nicht akzeptabel. Das muss man leider immer noch sagen.
Gefordert ist in diesem Fall der Bundesgesetzgeber. Wir brauchen ein vernünftiges Gesetz. Ich sage das einmal so einfach, wie es scheinbar nicht zu machen ist.
Ich möchte mich schwerpunktmäßig mit den nicht richterlichen Diensten befassten. So heißt es wirklich in der Frage und auch in der Beantwortung. Meine Damen und Herren, was für ein negativer Begriff! Was ist damit gemeint? Kein Mensch in der Justiz redet so. Das sind die Diplomrechtspflegerinnen und -pfleger. Das ist der mittlere Dienst mit den Schreibkräften - heute Servicemitarbeiterinnen und -mitarbeiter -, das sind die Wachtmeister des einfachen Dienstes. Wenn wir in diesem Bereich nicht ausreichend qualifizierte Leute hätten, könnten die Richter und Staatsanwälte zu Hause bleiben, dann könnte die Justiz einpacken, meine Damen und Herren.
Die Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger des gehobenen Dienstes absolvieren ihr Studium an der Fachhochschule in Hildesheim. Die Ausbildung wird schon seit Jahrzehnten zusammen mit Niedersachsen durchgeführt.
Die Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger haben eine Besonderheit im gehobenen Dienst: Der Inspektor z.A. hat unmittelbar nach der Prüfung genau dieselben Befugnisse wie der im Nachbarzimmer sitzende Oberamtsrat. Das ist zum einen sehr sparend für die Justiz - das müssen Sie zugeben, Herr Minister: junge Leute arbeiten sehr viel preiswerter als die Hochbeförderten -, das ist zum anderen aber auch sehr attraktiv für die Bewerber. Wir haben immer noch weit über 300 Bewerbungen auf etwa 20 bis 25 Plätze. Diese Befugnis war auch für mich zur Ergreifung dieses Berufs ausschlaggebend.
Die Rechtspfleger sind immer noch die am meisten Belasteten innerhalb der Justiz. Das sagt Ihnen jeder Direktor jedes Amtsgerichts im Land, wie ich es bei meinen Besuchen landauf, landab erlebt habe. Die Belastung liegt bei 1,17, die der Rechtspfleger mit Zusatzausbildung als Amtsanwälte sogar bei 1,45.
Hier muss Abhilfe geschaffen werden. Ich will nicht sagen, dass hier nichts erkannt wird. Hier werden zusätzliche Stellen geschaffen und mehr Anwärter angeworben. Hier werden Rechtspfleger aus anderen Bundesländern eingestellt, dann aber ohne Diplom. Das Diplom ist bei uns maßgeblicher Bestandteil der Prüfung. Wer zum Beispiel bei seiner Diplomprüfung durchfällt, wundert sich, dass eine Rechtspflegerin aus Sachsen-Anhalt ohne Diplom hier arbeiten kann. Da müsste man dann vielleicht doch einmal nachhaken.
Der mittlere Dienst und die Schreibkräfte - heute heißen sie Servicekräfte - bilden das Herzstück der Justiz. Wenn diese nicht da sind, können alle zu Hause bleiben. Hier hat im Grunde genommen eine Reform stattgefunden, die ich fast als Revolution ansehen möchte; denn man hat zwei Dienste zusammengepackt, man hat sie partnerschaftlich zusammen arbeiten lassen. Man hat einen neuen Ausbildungsbereich für die Schreibkräfte gebildet. Ich kann allen Beteiligten nur meine Hochachtung dafür aussprechen, dass diese Operation am lebenden Körper so gut geklappt hat.
Ich hoffe, dass die im Richterwahlausschuss in fast jeder Beurteilung zu findende hervorragende Qualifikation im Hinblick auf die Zusammenarbeit der Richterinnen und Richter mit der Serviceeinheit hundertprozentig stimmt; denn wenn das gut läuft, dann läuft auch die Justiz gut.
Zum mittleren Dienst mit Zusatzausbildung gehören auch die Gerichtsvollzieher, die in der Zwangsvollstreckung hervorragende Arbeit leisten. Dabei steht die SPD-Fraktion dem Minister sehr nahe, der in der Beantwortung gesagt hat, dass er Bestrebungen nach mehr Unabhängigkeit dieses Berufszweiges unterstützt. Zuständig ist der Bundesgesetzgeber. Was hört man aus Berlin? Das schaffen wir nicht mehr. - Dazu sage ich „schade“, um parlamentarisch korrekt zu bleiben.
Bei der Justiz gibt es darüber hinaus den einfachen Dienst. Das sind die über 200 Wachtmeisterinnen und Wachtmeister. Ihre Aufgabenbereiche betreffen die Sicherheit beim Zutritt im Sitzungssaal, bei Vorführungen, aber auch Hilfestellung für das Publikum. Wir nennen die Besucher bei der Justiz Publikum. Wer jetzt an Zirkus denkt, der ist ein Schelm. Das Publikum begegnet oft den Wachtmeistern zuerst; denn es ist nicht leicht, in unseren Gerichten trotz guter Ausschilderung den richtigen Ort für sein Anliegen zu finden.
Ich bin sehr dankbar - Herr Justizminister, Sie haben es in der Beantwortung der Großen Anfrage noch einmal aufgezeigt -, dass ab dem Jahr 2010 alle Planstellen in der Endstufe A 6 sind und dass durch die Verkürzung der Beförderungszeiten dort auch alle landen können. Man hätte vielleicht noch dazuschreiben können, wie viel Geld A 6 in der Endbesoldung ist. Dann wären wir noch dankbarer dafür, dass zumindest das geklappt hat.
Meine Damen und Herren, wenn man einen Blick auf die Beförderungsstellen und auf die Beförderungssituation des gehobenen und mittleren Dienstes wirft - dazu gibt es zahlreiche Tabellen -,
dann sieht man lange zweistellige Wartezeiten. Das geht von elf bis in die Zwanziger. Verglichen mit der Beförderungssituation in Ministerien - ich weiß, wovon ich rede - sind wir meines Erachtens nicht leistungsgerecht. Das muss auch einmal öffentlich gesagt werden.
Die Mediation als neues Rechtsinstrument möchte ich ansprechen, aber nicht wiederholen, was dazu gesagt worden ist. Es besteht ein großes Interesse daran. In Jena fand im Jahr 2008 eine Tagung unter dem Motto „Die Zukunft der Mediation - Handschlag statt Richterspruch“ mit über 300 Interessierten statt. Wir haben steigende Zahlen. Aktuelles Beispiel: Im „Pressespiegel“ findet sich eine Meldung über eine sehr weise Entscheidung im Zusammenhang mit dem Freilichtmuseum Molfsee, in Vereinssachen eine Mediation einzuschalten. Das kann nur klug sein, meine Damen und Herren.
Die FDP hat diese Anfrage unter dem Gesichtspunkt der Einsparungen gestellt. Ich bin aber wie alle Vorredner auch der Meinung, dass es eher um den Rechtsfrieden geht. Es geht eher darum, darauf zu verzichten, dies durch alle Instanzen zu pauken, um es einmal deutlich zu sagen.
Ich glaube, unsere Lebenssituation wird immer komplexer. Mit dieser Auffassung stehe ich nicht allein. Auch das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Zusammenhang bereits im Februar 2007 deutlich gemacht, dass die einvernehmliche Konfliktlösung in einem Rechtsstreit grundsätzlich richterlichen Streitentscheidungen vorzuziehen ist. Damit sind weiß Gott nicht nur Nachbarschaftsstreitigkeiten gemeint, die etwas sehr Spezielles sind, wie wir alle wissen.
Bei der EU befindet sich derzeit eine Mediationsrichtlinie in Vorbereitung. Das erwähne ich nicht als Drohung, sondern als positive Nachricht. Der Europaminister sieht das sicher auch so. Auch der deutsche Gesetzgeber wird in nächster Zeit darauf reagieren müssen.
Ich komme zur Bewährungshilfe und möchte dies etwas unkritischer und etwas positiver darstellen, als Herr Kubicki dies vorgetragen hat. Nach jahrelang steigenden Fallzahlen und der danach erforderlichen und auch durchgeführten Verstärkung auf 72 Stellen sind wir im Ländervergleich im Hinblick auf die Fallbelastung auf Platz 2. Das ist nun wirklich kein schlechter Platz. Die Bewährungshelfer sind durch Spezialisierung auf bestimmte Tätergruppen natürlich belastet.
Die Neuordnung des Übergangsmanagements zwischen Vollzug und Entlassung ist sicher eine ganz
wichtige Aufgabe. Wenn es gut gemacht wird, kann es gelingen, keinen Kontakt mit den alten Freunden und zu den früheren Mittätern herzustellen, sondern es kann die Chance zu einem neuen Leben eröffnet werden. Auch Ehrenamtliche sind bereit, das zu leisten. Das hat meine große Hochachtung. Ich hoffe, dass wir genug Geld für die Beschulung haben werden. Eine Privatisierung der Bewährungshilfe lehnen wir ab.
Ich komme zum Schluss. Die Antwort der Landesregierung hatte auch einen enormen Informationsgehalt in Bezug auf den EDV-Bereich. Der Minister hat das hier vorgestellt. Ich kann allen Beteiligten nur sagen: Fahren Sie einmal in ein Amtsgericht, und schauen Sie sich das dort an. Dort werden Sie einiges darüber hören, dass der Teufel im Detail steckt. Denn an den Details sind viele schon verzweifelt, wie zum Beispiel bei der Umstellung des Grundbuches. Aber Sie werden auch sehen, dass die Probleme bewältigt wurden und dass das jetzt funktioniert.
Auch zur Amtsgerichtsstrukturreform sind in der Antwort der Landesregierung interessante Dinge enthalten; ich habe mich gewundert, dass das niemand angesprochen hat.
Ich komme zum Schluss. - Ob allerdings die bei Gebäuden und Personal in Aussicht gestellten Einsparungen in einem guten Verhältnis zu dem immensen Ärger, den wir alle hatten, steht, wage ich zu bezweifeln.
Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich weiß, dass es spät ist, aber Europa findet immer spät statt. Irgendwann muss ich das aber sagen, was ich jetzt sagen möchte.
Neben den fachlichen Ergebnissen, die bereits dargestellt worden sind und die ich nicht wiederholen möchte, ist für mich die Erweiterung des Forums das Wichtigste. Ermland-Masuren schließt eine Lücke. Idee und Umsetzung lagen sehr zeitnah beieinander. Wir haben die Vertreter kennen gelernt.
Sie sind entschlussfreudig, sie sind dabei, und das ist eine Bereicherung.
Kaliningrad hat eine sehr lange Geschichte im Forum hinter sich. Kaliningrad ist lange Zeit Beobachter gewesen. Umso wichtiger ist es, und es ist zudem von hoher politischer Bedeutung, dass unsere langjährige Partnerregion Kaliningrad Vollmitglied geworden ist. Dies ist auch für uns eine Stärkung. Außerdem ist es eine Erweiterung in den Nicht-EU-Raum. Das gibt es recht selten. Gerade im Bereich der Ostsee gibt es Lücken im Bereich der Nicht-EU. Es ist kein Geheimnis, dass Kaliningrad Teil der Russischen Förderation ist. Der Beitritt war sicherlich auch nicht leicht. Das hat man sicherlich in Moskau abgenickt.
Es ist vielleicht auch interessant - der Landtagspräsident hat es beim Besuch des Ältestenrats dort angeschnitten -, unter Umständen Sankt Petersburg einen Beobachterstatus einzuräumen. Der Wirtschaftsausschuss war auch gerade dort. Vielleicht könnte man eine Dreierkombination mit Hamburg machen. Dann wären wir noch ein Stück weiter. Ich würde das außerordentlich begrüßen. Es gibt eine freiwillige Zusammenarbeit zwischen Helsinki und Sankt Petersburg bei der Überwachung des Finnischen Meerbusens. In diesem Bereich kann man also noch eine Menge tun.
Ich erlaube mir, für die SPD kurz grundsätzliche Ziele zu benennen, weil ich manchmal den Eindruck habe, dass uns diese aus den Augen verloren gehen. Es gilt nicht nur, Erreichtes zu erhalten. Es gilt, Schleswig-Holstein als Drehscheibe der Ostund gern auch der Nordsee-Kooperation - wie bei der Kieler Woche vom Landtagspräsidenten initiiert - aktiv weiterzuentwickeln. Dies müssen Parlament und Regierung natürlich gemeinsam tun. Daran wollen wir alle Parlamentarier beteiligen, und zwar die festen, die da sein und jedes Mal dieselben sein müssen, ergänzt von Kontingenten aus dem Fachbereich. Außerdem plädieren wir dafür, dass Schleswig-Holstein seine Kontingente vollständig ausschöpft. Das ist notwendig. Es kann nicht sein, dass andere Regionen dies tun, wir dies aber nicht tun. Meine Damen und Herren, das ist notwendig, um die Ziele hinzubekommen.
Ich möchte ganz kurz darauf hinweisen, dass ich deshalb so motiviert bin in Bezug auf die regionale Zusammenarbeit, weil ich Schleswig-Holstein seit über zwei Jahren in der Kammer der Gemeinden und Regionen des Europarats vertreten darf. Dazu, zum Klimawandel und zur Meerespolitik vielleicht beim nächsten Mal mehr. Ich will die Zeit und Ihre Geduld nicht überziehen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Dänischlernen ist im Norden unseres Landes seit einiger Zeit ein Renner. Ein deutliches Zeichen dafür ist, dass die Volkshochschulkurse nicht nur ausgebucht sind, sondern dass es sogar Warteschlangen gibt. Sie werden vielleicht fragen, ob dies ein Erfolg unserer Bildungspolitik oder, liebe Kollegin Spoorendonk, der langjährigen Forderungen des SSW zur Zweisprachigkeit ist.
Diese Frage muss man ehrlich eher mit Nein beantworten. Der Grund ist vielmehr eine sogenannte Win-Win-Situation im Grenzland, die durch die gute Konjunktur in Dänemark bedingt ist und seit einiger Zeit von akutem Arbeitskräftemangel begleitet wird. So sind die deutschen Arbeitsuchenden mobil und bereit, Dänisch zu lernen. Und die dänischen Arbeitgeber suchen nicht nur in Schleswig
Holstein, sondern auch im Osten Deutschlands ihre Mitarbeiter.
Und es gibt weitere Gewinner der Situation: Im grenznahen Bereich, dem ehemaligen Sønderjylland, profitiert die deutsche Minderheit mit ihren zahlreichen Einrichtungen. Die Bürgermeister der Gemeinden und Städte haben dies inzwischen als Standortvorteil entdeckt und werben aktiv damit. Schulrat Claus Diedrichsen vom Bund Deutscher Nordschleswiger bekannte deshalb in der Gremiumssitzung am 19. November in Kiel unumwunden: „Durch die Kinder deutscher Arbeitnehmer kommt frischer Wind für die deutsche Sprache in unsere Schulen.“ - Ich meine, das ist eine wirklich schöne Auswirkung.
Auch der heute vorliegende Bericht über den Stand und die Perspektiven des Dänischlernens im Landesteil Schleswig zeigt durchaus steigende Tendenzen. Im Kitabereich lernen neben den fast 1.900 Kindern im Dansk Skoleforening auch 540 Kinder in Kitas der Arbeitsgemeinschaft Deutsches Schleswig, der ADS, die dänische Sprache. Ich finde, das sind gute Zahlen.
Fast alle Realschulen bieten Dänisch als zweite Fremdsprache an. Bei den Gymnasien gibt es eine signifikante Steigerung des Dänischen als dritte Fremdsprache, insbesondere in Erwartung der Profiloberstufe; die Ministerin hat das ausgeführt.
Da der Arbeitsmarkt aktuell die entscheidende Motivation gibt, sollten die gewerblich-beruflichenSchulen, die RBZ, verstärkt Dänischunterricht anbieten, um die Schüler für den internationalen Arbeitsmarkt fit zu machen.
Trotzdem fällt meine Bewertung der Situation und des Berichts kritisch aus. Denn man muss die Gesamtzahl berücksichtigen. Ich finde es nämlich nicht besonders befriedigend, dass lediglich 6.300 von insgesamt 53.400 Schülern in diesen Kreisen der abgefragten Region am Dänischunterricht teilnehmen. Eigentlich sollte das Dänische nicht zuletzt aufgrund der Verpflichtungen in der Sprachencharta - wir haben darüber getrennt diskutiert - an den Schulen weit stärker Fuß gefasst haben, als es derzeit der Fall ist. Auf jeden Fall verzeichnen wir dazu muss man sich bekennen und auch ich bin ein Beispiel dafür - ein Ungleichgewicht zwischen den Dänischkenntnissen unter den Schleswig-Holsteinern und den Deutschkenntnissen unter den Dänen.
Optimistisch stimmt mich allerdings die Tatsache die Ministerin hat auch darauf hingewiesen -, dass die Zahl der Lehramtsstudenten in Kiel und Flensburg seit 2004 auf circa das Doppelte des vorherigen Standes angestiegen ist. Dadurch wird in wenigen Jahren die Einrichtung von Dänischklassen an vielen Schulen möglich. Schließlich mussten viele Schulen in der Vergangenheit sagen: Wir würden ja gern, aber wir haben keine Lehrer.
Zum Schluss möchte ich gern noch einmal auf den Ursprungsantrag des SSW in Drucksache 16/1467 eingehen, der einen Aktionsplan der Landesregierung bis 2010 und langfristig ein obligatorisches Angebot von Dänischunterricht fordert. Dazu möchte ich kurz und deutlich sagen: Wir sind - das muss man ehrlich zugeben - meilenweit entfernt davon. Wenn wir dies wirklich anstreben, dann macht meines Erachtens nur eine Modellregion im gesamten Landesteil Schleswig Sinn, und zwar diesund jenseits der Grenze. Man muss jedoch konstatieren, dass auch im Süden Dänemarks die Bereitschaft, Deutsch zu lernen, zurückgeht. Dass dort nicht einmal die Akzeptanz für doppelsprachige Ortsschilder vorhanden ist, spricht Bände und das sollte man hier auch einmal erwähnen dürfen.
Als eigenes Fazit ziehe ich: Nicht Ordnungspolitik oder Zwang sind hilfreich, sondern eher die sogenannten Win-Win-Situationen. Nur diese helfen uns weiter und diese sollten wir bei Erwachsenen und Kindern diesseits und jenseits der Grenze nutzen. Dann werden wir in ein paar Jahren sicherlich weiter sein.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will mich zu Beginn meiner Ausführungen den Gefühlen in der Region Flensburg widmen. Das betrifft nicht nur die Stadt, sondern wirklich die Region, wie man bei Motorola immer wieder sehen konnte. Ich meine die Gefühle der Arbeitnehmer, des Betriebsrats, der IG Metall, der Bevölkerung und der Politik. Dem Platz zu machen ist einfach nötig; denn diese Gefühle sind in uns drin. Es sind Enttäuschung, Ernüchterung, Wut. In verschiedenen Titeln hieß es: „Blanke Wut“ - „Ohnmacht“
„Dunkle Wolken über Flensburg“ - „Ende der Hoffnung“.
Ich habe Motorola in der Zeit meiner Landtagsmandate seit 1992 und auch schon in der Kommunalpolitik von der Baracke in der Ecknerstraße zum „Palast„ der Fabrik begleiten dürfen. Das war auch in Weiche wichtig. Man muss den Gefühlen hier noch einmal deutlich Raum geben.
Ich bin auch einem anderen Gefühl verpflichtet. Ganz zu Beginn steht ein großer Dank. Er gilt in allererster Linie - da freue ich mich, dass die Präsidentin den Betriebsrat hier begrüßt hat - den Tausenden von wechselnden Beschäftigten bei Motorola, die jederzeit, das heißt Tag und Nacht - das war in dieser Firma kein Thema - mit vollem Einsatz mal Kurzarbeit, mal Überstunden gemacht haben. Dies hat es alles gegeben. Die Leute waren immer und allzeit bereit.
Meine Damen und Herren, diese Arbeiter haben qualifizierte Arbeit geleistet. Sie sind noch vor Kurzem von Motorola als der beste Betrieb ausgezeichnet worden. Das ist bei Motorola ja immer mit Riesenwolken gemacht worden. Aber welch ein Hohn! Welch ein Hohn, jetzt die Nachricht über die Schließung zu bekommen!
An Ihnen, an euch - das darf ich einmal so persönlich sagen - ist der Standort Flensburg nicht gescheitert. Dies festzustellen, ist mir ganz wichtig.
Ausdrücklich und namentlich will ich hier und heute auch den Politikern der ersten Stunde danken, die Motorola nach Flensburg geholt haben, und zwar mit persönlichem Einsatz und natürlich auch mit Fördermitteln. Ich nenne Olaf Dielewicz, den damaligen Oberbürgermeister, Heide Simonis und Bernd Rohwer für die damalige Regierung, die ganz übergangslos durch die heutige Regierung weitergetragen wurde. Auch sie waren damals in den USA. Da war ein hoher Einsatz zu verzeichnen.
Und das war richtig. Es war richtig in einer Region, die lange Zeit über 20 % Arbeitslosigkeit hatte. Dort musste es diese Förderung geben. Mit der neuen Fabrik - das werde ich nie vergessen - waren Ermutigung, weitere Investitionen verbunden. Es war eine Aufbruchstimmung in die Region gekommen. Dafür bedanke ich mich.
Herr Minister, ich bin dankbar für Ihre Ausführungen. Man konnte bezüglich der Folgerungen lesen: Gar nicht mehr fördern! Im ersten Moment war ich so enttäuscht, dass ich sagte: Lassen wir es doch! Oder sollte man nur noch den Mittelstand fördern?
Ich spreche mich wirklich ausdrücklich dagegen aus, diese Entscheidung als voraussehbaren Irrtum darzustellen. Das ist Unsinn. Natürlich kann man immer mit dem Wissen von heute sagen, was man vorgestern hätte tun sollen. Aber das ist letztlich Blödsinn; das sage ich ganz deutlich.
Niemand konnte doch voraussehen, dass gerade Motorola eine schwache Konzernleitung hat. Den Eindruck hat es für mich im Betrieb nie gegeben. Deren Fehlentscheidungen - ich finde es schön, dass wir uns in der Bewertung einig sind - führten zum Markteinbruch, nicht unsere Entscheidung.
Jetzt nur auf den Mittelstand - ich sage das ausdrücklich so - zu setzen, ist für meine Begriffe auch nicht richtig. Auch der geht pleite. Auch den verlagern wir zum Teil ins Ausland. Und wir helfen dabei. Was machen wir denn mit unserer Beratung, wenn es um die Verlagerung nach China und in den Rest der Welt geht? Wir wollen, dass der Mittelstand weltweit tätig ist. Wir haben solches auch beobachten können.
Fördern wir doch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, ganz egal, in welcher Wirtschaftsform sie arbeiten! Das ist für mich der Maßstab. Ich freue mich, Herr Wirtschaftsminister, dass wir uns da einig sind.
Was bleibt zu tun? Es gilt, den Menschen, die betroffen sind, zu helfen. Das sind weit über 1.000 Menschen. Ich habe übrigens eine Riesenwut darüber, dass immer nur Einzelpakete genannt werden. Einmal werden die 750 genannt. Dann wird von 300 gesprochen. Glauben Sie allen Ernstes, dass die 200, die noch da sind, dort bleiben? Dann sind wir bei 1.200. Warum lügen sich da alle in die Tasche? Die „Landeszeitung“ tut das in allererster Linie. Sie nennt nicht einmal die große Zahl. Wovor haben wir eigentlich Angst? Die Leute lachen uns doch aus, wenn wir da nicht handeln.
Ich freue mich, wie gesagt, dass der Arbeitsminister bereits da war und veranlasst hat, was man in dieser Situation tun kann.
Ich bedanke mich auch noch einmal beim Betriebsrat und bei der IG Metall für den ausgehandelten Sozialplan für die letzte Sparte, die von Entlassungen bedroht war und bereits in Arbeitslosigkeit ist. Der Sozialplan ist eine gute Lebensgrundlage für Sicherheit, für Zeit zu Umschulungen, für Fördermaßnahmen, zum Dänischlernen. Die Bürgermeister lecken sich schon die Pfoten; das muss man einfach mal so sagen, liebe Anke Spoorendonk, auch wenn es dir vielleicht nicht gefällt; aber es ist
ja so. Der Sozialplan macht alles möglich, was nützlich ist.
Lassen Sie mich, Herr Minister, einmal kurz auf die Dinge eingehen, die Sie genannt haben. Ich bedanke mich, dass Sie von der Strukturkonferenz gesprochen haben. Das finde ich genau richtig.
Bei der WiREG gibt es den Dr. Matthiessen. Hier handelt es sich um einen regional aufgestellten Wirtschaftsförderbereich. Es ist einer der ersten, die es in Schleswig-Holstein gab. Dort findet Auszug eines „Kindes“ statt. Das ist Greylogix. Die habe ich gerade im Rahmen der IHK-Ausbildungsinitiative besuchen dürfen. Es ist ein „Kind“, das in vier Jahren von drei Mitarbeitern zu einer Firma mit zig Leuten gewachsen ist. Die Firma baut neu. 50 % der Fläche wird frei gesetzt. Ist das wunderbar?
Sie haben Zahlen genannt: 28 Anträge, 10,5 Millionen € Förderung. Das ist eine gute Grundlage.
Herr Callsen, mir ist auch der Hinweis auf die neue Ausbildungswerkstatt der Bundeswehr zugegangen. Sie gehört zur Marine. Ich war dort. Da könnten wir zivil mehr ausbilden.
Wenn gesagt wird, biat bleibt, dann verbessert das nicht den Standort. Zehn Jahre hat biat gut gearbeitet. Natürlich müsste biat bleiben; das war immer meine persönliche Meinung. Aber dazu nun Lob auszusprechen, Herr Minister, das geht nicht; es tut mir Leid, das zu sagen. Sie machen ein Vierteljahr lang Wind und sagen, das müsse weg. Dann sagen Sie: Es kann bleiben, es ist besser geworden. Nein, so ist es nicht. Biat muss bleiben, darüber freue ich mich, aber besser ist nichts.
Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Ich richte einen Appell an die Landesregierung, auch an den Ministerpräsidenten. Er setzt im nördlichen Teil Leuchttürme. Das ist gut so. Es passt dort auch noch mehr hin. Aber ich sage noch einmal zum gesamten Kabinett, aber auch zu uns: Wenn wir Leute vor Ort und die Investoren, die kommen sollen, überzeugen wollen, dann müssen wir aufpassen, dass die Leuchttürme nicht auf leere Landschaften leuchten; denn dann schaffen wir es nicht.
Ich bin sicher: Wir in der Region werden nicht resignieren. Wir sind weiter bestrebt, die Entwicklung gemeinsam mit Ihnen in allen Bereichen voranzubringen. Und, meine Damen und Herren, Motorola schafft uns nicht!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Niclas Herbst, wir freuen uns immer über Unterstützung aus dem Süden.
Grundsätzlich bin ich zunächst einmal dem SSW sehr dankbar dafür, dass er das Thema GRAMARK in die Debatte des Schleswig-Holsteinischen Landtages einbringt. Aufgrund der Kenntnis der Arbeit der Flensburger Einrichtung ist mir wichtig, die Erfolge und Leistungen von GRAMARK herauszustreichen, eine Betrachtung der aktuellen Situation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Grenzland, eine realistische Einschätzung des weiteren Fortbestandes von GRAMARK sowie einen Ausblick vorzunehmen.
Wie Sie unschwer sehen, werde ich das in fünf Minuten gar nicht schaffen, und deshalb beantrage ich für die SPD-Fraktion die Überweisung des SSWAntrages an den Sozialausschuss federführend und an den Europaausschuss mitberatend.
Zur Leistung von GRAMARK, die ich in der Flensburger Agentur für Arbeit vor einiger Zeit besucht habe: Ich habe selten zuvor zwei so fitte und effizient arbeitende und erfolgreiche Frauen in einer Einrichtung mit öffentlicher Förderung erlebt und auch die Bilanz kann sich sehen lassen: Über 2.500 vermittelte - meist arbeitslose - Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind zu vermelden, wobei - auch das ist interessant - längst nicht alle Angebote wechselseitig bedient werden konnten; da ist noch ein breiter Betätigungskorridor. Hier wurde Pio
nierarbeit geleistet, die ganz maßgeblich - zusammen mit den anderen Beratungsangeboten - zur erheblichen Steigerung der Zahl der Grenzpendler geführt hat. Ob es eine Verdopplung oder Verdreifachung ist, wissen wir immer noch nicht genau, aber es ist wirklich toll. Ich denke, da sind wir uns einig: Dieses Know-how darf nicht verloren gehen. Das wäre sonst ein schlechtes Ende eines Pilotprojekts.
Natürlich spielt bei der aktuellen Situation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Grenzland die seit Längerem sprudelnde Konjunktur in Dänemark eine positive Rolle. Das muss man auch sehen; sonst hätte man viel beraten können, wenn es das nicht gegeben hätte. Aber die objektiven Bedingungen für die Arbeit im jeweils anderen Land haben sich nicht wirklich geändert. Nach wie vor stoßen an unserer Grenze im Norden zwei grundverschiedene europäische Sozialsysteme und daraus abgeleitete Arbeitsmärkte aufeinander. Eine Änderung - Europa würde sagen: eine Harmonisierung; welch furchtbares Wort! - ist nicht in Sicht und ist auch, soweit ich weiß, nicht gewollt. Oder wollen die Deutschen etwa eine auch nur annähernd gleich hohe Steuerlast tragen wie der Skandinavier, und zwar klaglos? - Nein, das wollen wir nicht; das wäre mir neu.
Beim Fortbestand von GRAMARK gilt es aber realistisch zu sein; das ist angesprochen worden. Nach Rücksprache mit dem Träger, dem Unternehmensverband Westküste, dessen Geschäftsführer, Herr Bruhns, ja auf Nordstrand wohnt und dort oben auch gearbeitet hat - ich habe mich immer gewundert, warum denn UnterelbeWestküste bei uns dort oben so aktiv ist -, ist mir klar geworden, dass von seiner Seite eine Fortsetzung ausgeschlossen wird. Ich finde, wenn ein Träger nicht mehr will, kann man ihn auch nicht zum Jagen tragen, sondern muss das akzeptieren. Als Begründung - dies wurde auch schon gesagt - führte Herr Bruhns in seiner sehr temperamentvollen Art aus, das ginge alles privat. Das kann man glauben, allerdings kann es ja dann nur gehen, wenn die Unternehmen das bezahlen. Die Arbeitslosen werden es weder tun noch können.
Aber, meine Damen und Herren, es drängt sich bei mir ein bisschen der Verdacht auf, dass der Unternehmensverband dem stark wachsenden Arbeitsmarkt für Deutsche in Dänemark sehr kritisch gegenübersteht. Denn wir hören ja auch vom Handwerk oder anderen Mittelständlern Klagen, dass keineswegs nur Arbeitslose, sondern qualifizierte Fachkräfte in Lohn und Brot nach Dänemark wechseln. Ich begrüße das. Das ist meine Vorstellung von Europa und einem freien, grenzüberschreiten
den Arbeitsmarkt. Aber, wie gesagt, das sehen manche Verbände, IHKs und Handwerkskammern kritisch. Auch Minister Döring, der ja noch zu uns sprechen wird, sieht, soweit ich weiß, den Fortbestand kritisch. Das kann ich, insbesondere aus formalen Gründen, auch verstehen, denn ein „Pilot“ hat eigentlich nach sechs Jahren seine Begründung verloren.
Ein kurzer Ausblick: Zu denken geben sollte uns im Landtag, dass die anderen Beratungsstellen - EURES, die Grenzpendlerberatung im Infocenter in Padberg und andere - vor einer ersatzlosen Schließung warnen, und sie wissen, wovon sie sprechen. Zitat von Andrea Kunsemüller vom Infocenter: „Der Bedarf ist einfach da.“ Ich denke, dass es für unsere Fachleute im Europaausschuss auch kein Geheimnis ist, dass es eine akute Unterfinanzierung in der Ausstattung der Beratungsstellen gibt. Das muss man hier einmal sehr deutlich sagen.
Da schwimmt niemand in Geld. Deshalb ist es auch nicht möglich, auf diese Arbeit nur draufzusatteln. Ich will auch daran erinnern, dass wir den grenzüberschreitenden Arbeitsmarkt zum „Leuchtturm“ der Landesregierung erklärt haben, was wir im Norden immer sehr gern hören. Da müssen wir Lichter an- und nicht ausknipsen. Man wird vorsichtig sein mit dem, was man dort tut.
Last but not least werde ich versuchen, darauf hinzuwirken, dass wir uns auf ein gemeinsames Ziel einigen. Ich denke, wir alle wollen, dass die deutsch-dänische Grenzregion zu einer boomenden Wirtschaftsregion mit einem boomenden Arbeitsmarkt wird. Ich bin zuversichtlich, dass wir daran mitarbeiten können.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Besondere an
dem heute vorgelegten Zweiten Opferschutzbericht des Justizministers ist, dass der Bericht ohne parlamentarische Anforderung, das heißt, freiwillig erstellt wurde. Dafür bedanke ich mich bei den beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern namens der SPD-Fraktion ganz besonders. Mir ist im Laufe meines politischen Lebens nicht verborgen geblieben, dass Berichtsanforderungen des Parlaments seien wir selbstkritisch - in den Ministerien nicht immer Jubel auslösen. Insofern herzlichen Dank für diesen freiwilligen Bericht!
Sozusagen vor die Klammer des Gesamtthemas Opferschutz möchte ich folgende Feststellung ziehen: Das Beste für die Menschen ist, gar nicht erst Opfer zu werden. Das bedeutet, Prävention zu betreiben. Auch dieses Thema wurde in SchleswigHolstein früh angegangen. Schleswig-Holstein war das erste Bundesland, das im Oktober 1990 den Rat für Kriminalitätsverhütung gegründet hat. Heute arbeiten in fast 90 Gemeinden und Städten entsprechende Gremien in unserem Land. Sie vernetzen viele Fachleute und Themen vor Ort und sind ein großer Gewinn. Ich möchte von dieser Stelle aus die Bürgerinnen und Bürger und die Institutionen auffordern, die Erkenntnisse dieser Räte, die thematisch geordnet sind, zu nutzen, um sich sachkundig zu machen und auch selber vor Kriminalität zu schützen.
Nun zu den Opfern! Laut Bericht gab es im Jahre 2005 in Schleswig-Holstein 36.326 Opfer von Straftaten. Wir haben es also mit keinem Randthema zu tun. Lassen Sie mich einen kurzen Blick auf die Historie werfen. Es zeigt sich, dass sich der Staat lange Zeit ausschließlich als Aufklärungsund Strafinstanz für den Täter verstanden hat. Erst vor circa 20 Jahren begannen Rechtswissenschaft und Strafrechtspflege damit, dem Opfer im Strafverfahren verstärkt Aufmerksamkeit zu widmen. Darüber gibt der Bericht Auskunft. Ich möchte das an einigen Beispielen deutlich machen. Dabei stelle ich den Sachverhalt zunächst aus der Sicht des Opfers dar.
Wir müssen davon ausgehen, dass unsere Bürger keine Grundkenntnisse über den Opferschutz haben, denn jeder hofft natürlich, gar nicht erst Opfer zu werden. Warum soll er sich also informieren? Da die Rechte des Opfers inzwischen umfänglich und an ganz verschiedenen Stellen geregelt sind meine beiden Vorredner sind darauf hier ja eingegangen -, tut Aufklärung dringend not. Das geschieht gleich zu Beginn mit einem Merkblatt. Eigentlich sind Merkblätter kein Thema im Parlament. Ich will Sie aber ausdrücklich darauf hinwei
sen: Schauen Sie einmal in den Anhang des Berichtes. Dort finden Sie das „Merkblatt über Rechte von Verletzten und Geschädigten im Strafverfahren“. Es ist gut gegliedert und lesbar. Ich erhoffe mir davon auch etwas für die Gesetzgebung. Wenn wir so klar lesbare Gesetze hinkriegten, brauchten wir fast keine Merkblätter mehr. Herr Minister, herzlichen Dank für dieses Merkblatt!
Ich möchte den Schutz des Opfers vor dem Strafverfahren und im laufenden Strafverfahren besonders hervorheben. Die Wiederbegegnung mit dem Täter, die Öffentlichkeit, insbesondere die Presse das muss man durchaus einmal sagen - dürfen die Menschen nicht erneut zum Opfer werden lassen. Zeugenaussagen insbesondere des Opfers sind aber unverzichtbar, denn nach unserer Strafprozessordnung gilt die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme. Das bedeutet: Nur was unmittelbar und größtenteils auch öffentlich - wenn die Öffentlichkeit nicht gerade ausgeschlossen war - in der Hauptverhandlung vorgetragen wird, kann Bestandteil des Verfahrens und des Urteils sein. Das ist ein unschätzbar wichtiger demokratischer Bestandteil unseres Strafverfahrens. Man darf den Opferschutz nicht dagegen ausspielen. Das wäre falsch. Man muss dem Opfer aber helfen.
Es gibt noch andere Möglichkeiten, das Opfer zu schützen. So wurde in Schleswig-Holstein schon in den 90er-Jahren ein Zeugenschutz- und -begleitprogramm entwickelt. Dieses Programm war zunächst nur auf Kinder und Jugendliche bezogen; später wurde es auch auf Frauen erweitert. Dieses Programm wird sehr gut angewandt.
Auch durch bauliche Maßnahmen in den Gerichten - zum Beispiel durch gesonderte Zeugenzimmer - wird die belastende unmittelbare Begegnung mit dem Täter verringert. Als besonders hilfreich haben sich Videoaufnahmen zur Vermeidung von Mehrfachaussagen entwickelt. Seit 1994 wurden von der Polizei circa 5.700 Zeugenaufnahmen per Video dokumentiert. Ich bedanke mich bei der Polizei für diese echte Opferschutzmaßnahme, die sie damit getroffen hat.
Genauso wichtig wie diese geschilderten Rechte zum Schutze der Opfer finde ich das Bestreben, dem Opfer umfassend zu helfen. Damit meine ich neben dem Anspruch auf strafrechtliche Sanktionen auch die Geltendmachung von vermögensrechtlichen Ansprüchen wie Vermögensschäden und Schmerzensgeld.
Wenn der Otto Normalverbraucher der Justiz noch nie begegnet ist, dann weiß er nicht, wie kompli
ziert das ist. Wir haben nämlich zwei völlig verschiedene Gerichtsstränge, nämlich die Strafgerichtsbarkeit und die Zivilgerichtsbarkeit. Denn normalerweise muss man zweimal durch die Mühle, um alles geregelt zu bekommen. Das möchte das Opfer nicht.
Hierfür gibt es nun das Instrument des Adhäsionsverfahrens. Ich verzichte darauf, es Ihnen genau zu erklären, aber es könnte dazu führen, dass bereits im Strafverfahren neben der Verurteilung des Täters auch die vermögensrechtlichen Dinge und Schmerzensgeld abschließend mit geregelt werden können.
Ich bin eine große Befürworterin dieser Regelung, aber leider weist der Bericht aus, dass man dies von der Justiz noch nicht behaupten kann. 2005 wurden vor den Amtsgerichten 404 Fälle und vor den Landgerichten 37 Fälle so erledigt. Hier haben wir Nachholbedarf und insofern empfehle ich dem Innenund Rechtsausschuss, einmal nachzuhaken, woran es denn liegt, dass dieses Verfahren nicht verstärkt genutzt wird.
Eine deutlich bessere Bilanz kann ein anderes Instrument aufweisen: der Täter-Opfer-Ausgleich. Hier wirken Täter und Opfer freiwillig - die Betonung liegt auf „freiwillig“ - unter der Moderation von Experten der Gerichts- und Jugendhilfe zusammen. Es geht um Interessenausgleich, dauerhaften Rechtsfrieden und für den Täter auch um die Möglichkeit, dass die Schadenswiedergutmachung als strafmildernd gewertet werden kann.
Anwendung findet diese Maßnahme bisher bei mittelschwerer Kriminalität. So machen zum Beispiel Körperverletzung, Rat und Erpressung 47 % der Täter-Opfer-Ausgleichsverfahren aus. Das war für mich erstaunlich und daher bin ich für Ihren Hinweis darauf dankbar, dass wir dieses Instrument auch bei der Bagatellkriminalität und der Massenkriminalität - ich denke hier an Ladendiebstähle und Ähnliches - im Strafbefehlsverfahren einführen sollten. Ich finde, das ist ein sehr guter Hinweis, und ich glaube, dass die SPD-Fraktion Sie, Herr Minister, dabei gern begleiten würde.
Im Jahre 2005 wurden insgesamt 1.163 Fälle an die Ausgleichsstellen überwiesen und die Durchschnittsdauer beträgt - das haben uns Kieler Kollegen, die dort arbeiten, mitgeteilt - fünfeinhalb Wochen. Meine Damen und Herren, das ist im Verhältnis zur Dauer eines normalen Straf- oder Zivilverfahrens unschlagbar kurz. Das Land fördert dies mit 294.000 € und dies ist gut angelegtes Geld, das üb
rigens auch zu Freiräumen in der Strafjustiz führt, die sie dringend für andere Dinge braucht.
Es ist bereits von anderen betont worden - ich will es nur kurz aufgreifen -, dass der Staat nicht alles kann. Auch hier gilt das Subsidiaritätsprinzip. Wir haben eine Vielzahl von Vereinen und Verbänden; ich möchte einige nennen.
Die 23 Frauenberatungsstellen im Land leisten insbesondere im Rahmen der häuslichen Gewalt mit Zeugenbegleitprogrammen für Opfer von Sexualund Gewaltstraftaten und Menschenhandel große Dienste.
Meine Damen und Herren, obwohl diese Frauenberatungsstellen von vielen Kollegen im Rahmen der Haushaltsberatungen als obsolet betrachtet werden, werden sie nun hier gelobt. Insofern bitte ich Sie, sie nicht hier zu loben und anschließend in die Tonne zu kloppen. Denn dann können sie ihre Arbeit nicht machen. Das muss man einmal ganz klar sagen dürfen.
Vorbeugender Opferschutz ist besonders wichtig bei Kindern und Jugendlichen. Wir haben Kinderschutzzentren in Lübeck, Kiel und an der Westküste. Der Kinderschutzbund leistet hier eine unverzichtbare Arbeit und beispielhaft nenne ich die Elternkurse „Starke Eltern - Starke Kinder“. Kindergärtnerinnen, Lehrerinnen und auch die Kolleginnen aus diesem Bereich wissen, wie notwendig dies ist, damit wir selbstbewusste Eltern und Kinder haben.
Last but not least möchte ich zum Weißen Ring kommen. Seit 30 Jahren engagieren sich die Mitglieder bundesweit und in unserem Land. Sie finanzieren sich - das finde ich ganz wichtig - aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden, Vermächtnissen und Geldbußen. Sie sind also nicht von staatlichen Geldern abhängig. Das eröffnet ein Stück weit Freiheit und hier wird hohes persönliches Engagement geleistet. Besonders erwähnen möchte ich die persönliche Betreuung von Opfern.
Eines ihrer Ziele ist, die Gleichgültigkeit und Hilflosigkeit im Umfeld von Straftaten zu beseitigen. Dazu zeigt der Weiße Ring Schleswig-Holstein hier im Landeshaus und in Dithmarschen die Wanderausstellung „Opfer“. Diese wurde von Studenten der Bauhaus-Universität Weimar erstellt. Das Motto lautet: „Wer wegsieht, lässt Opfer im Stich.“ Alle Eröffnungen waren sehr gut besucht, insbesondere von Schulklassen.
Ich darf von hier aus dem neuen Landesbeauftragten des Weißen Rings Schleswig-Holstein, unserem ehemaligen Kollegen Heinz-Werner Arens, gratulieren. Ich wünsche ihm viel Erfolg und freue mich, dass er sich gerade in diesem Bereich engagiert.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Gesetzlich ist einiges geregelt. Ausnahmen bestätigen die Regel und diese können wir noch beseitigen. Ich freue mich, dass der Minister vor weiteren Taten glüht. Dabei werden wir ihn gerne unterstützen.
Ich betone es abschließend noch einmal: Unser gemeinsames Ziel muss es sein, dem Opfer umfassend und schnell zu helfen, damit es wieder in sein normales Leben zurückkann. Das ist schließlich sein größter Wunsch und dabei wollen wir ihm helfen.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! China rückt uns immer näher. Damit meine ich nicht einen rasant wachsenden Markt der chinesischen Touristen
in Schleswig-Holstein. Darauf werden wir wohl noch ein bisschen warten müssen. Nein, ich meine die in China gefertigten Produkte, mit denen wir uns bewusst oder unbewusst im Alltag umgeben. Beispiele dafür sind Kleidung, Haushaltsgeräte, Spielzeug, Handys oder Produkte aus dem gesamten Multimedia-Bereich. Große Konzerne, aber auch traditionelle Mittelständler lassen in China produzieren und verlagern ihre Arbeit nach China. Wir haben das mit Motorola in Flensburg schmerzhaft miterleben dürfen. China kauft sich weltweit auch bei uns in Deutschland - ein. Davon werden Arbeitsplätze und Lebensverhältnisse unmittelbar beeinflusst.
Zu Beginn unserer heutigen Debatte möchte ich mit ein paar Schlaglichtern ein allgemeines Bild von China entwerfen. China ist ein Land des „Ja, aber“. China ist ein Land im Umbruch. Es ist voller Gegensätze und Widersprüche. Ich nenne dazu einige Beispiele. Zur Wirtschaft: China ist schon jetzt mit seinen 1,3 Milliarden Einwohnern nach den USA und Deutschland die drittgrößte Handelsnation. In China gibt es aber auch 40 Millionen bis 200 Millionen Arbeitslose. Keiner weiß dies genau. Es gibt 150 Millionen Wanderarbeiter. Zwei Drittel der Chinesen leben im ländlichen Raum in Armut. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen entspricht im ganzen Land dem eines Entwicklungslandes.
Zu Wachstum und Umwelt: Seit Jahren beträgt die offizielle durchschnittliche Wachstumsrate 9 %. Sie ist nach unten geschönt. In unserer Partnerregion ist sie sicher viel höher. Das sind Werte, von denen wir in Deutschland nicht einmal zu träumen wagen. Fest steht aber auch: Ein Drittel der Städte in China leidet unter starker Umweltverschmutzung. Ein Drittel der Landesfläche wächst sich zur Wüste aus. Das größte Problem in China ist Wasserknappheit. Deshalb gibt es auch prominente Menschen in China, die sagen: Real haben wir eigentlich kein Wachstum, weil wir genauso große Schäden haben. Dies sagte Pan Yue, der stellvertretende Direktor der staatlichen chinesischen Umweltbehörde in einem Artikel der „ZEIT“ vom 20. Oktober 2005.
China hat eine enorme Bildungsoffensive gestartet. So sank die Analphabetenquote von 37 % im Jahr 1978 auf 5 % im Jahr 2002. Was für eine Leistung! Aktuell verlassen in China jährlich 3 Millionen Hochschulabsolventen die Universitäten. In den USA sind es 2,5 Millionen. Die Delegation des Ältestenrates hat - wenn ich es richtig mitbekommen habe - in Hangzhou den siebten Campus besucht. Die ersten sechs haben wir gar nicht gesehen. Frau Schwalm hat darauf hingewiesen. Alles war nur vom Größten und vom Feinsten, das haben wir
gesehen! Da kommt nicht nur Neid auf und man bekommt nicht nur Komplexe, sondern man wird auch nachdenklich ob der Frage, ob wir hier alles in die richtige Gewichtung packen. Das will ich offen und ehrlich zugeben.
Das ist der Erfolg so einer Reise. Wir haben im Austausch mit unseren phantastischen Übersetzerinnen und Delegationsbegleiterinnen gehört, dass es bei den Prüfungen hohe Hürden gibt und dass es Studiengebühren gibt. Das ist für einen sozialistischen Staat erstaunlich. Die eher inoffizielle Erklärung lautete kurz und knapp: Für jedes Kind können ja sechs Erwachsene sparen. Nun haben die Kinder dort nicht sechs Eltern, aber sie haben zwei Elternteile und vier Großeltern. Die Ein-Kind-Politik lässt grüßen. Das macht man dort gnadenlos!
Ein nur negatives Kapitel ist die Situation der Menschenrechte in China. Laut Mitteilung von amnesty international vom 10. Oktober 2006 werden in China weltweit immer noch die meisten Menschen hingerichtet. 2005 waren es offiziell 1.770 Hinrichtungen. Experten schätzen, dass es 8.000 gewesen sein könnten. Hinzu kommt aktuell der Vorwurf, dass 99 % der in China transplantierten Organe von hingerichteten Gefangenen stammen. Auch das ist China. Wir leben in einem freiheitlichen Land. Auch das kann und muss hier angesprochen werden.
Sie werden sich nach dieser Einleitung fragen, was China mit Schleswig-Holstein zu tun hat. Genau wie meine Vorredner sage ich zum Glück eine Menge! Das ist dank weitsichtiger Politiker so, die vor 20 Jahren diese Partnerschaft mit der Provinz Zehjiang gegründet haben. Ich sage noch einmal sehr deutlich: Heute würde Zehjiang mit uns vielleicht keine Partnerschaft mehr gründen. Ich glaube, dass wissen wir auch, wenn wir ehrlich sind. Es ist aber gelungen.
Es gibt die Erfahrungen, die der Ältestenrat im Jahr 2005 gemacht hat, und es gibt Erfahrungen, die der Ministerpräsident in zahlreicher Begleitung mit einem Abstecher nach Japan in diesem Jahr machen durfte. Es gibt Protokolle dazu. Wir sind auf einem guten und neuesten Stand, zumindest in den Bereichen, die wir sehen konnten. Wir haben natürlich nicht alles gesehen. Ich durfte an der Reise des Ältestenrats teilnehmen und ich sage ehrlich: Nichts, was über China in meinem Kopf war, blieb so stehen, wie es war. Alles wurde neu aufgefüllt. Es hat in mir eine große Neugier entfacht, mich mit
diesem Land und mit dieser Kultur weiter zu beschäftigen.
Wir können auf die 20-jährige Partnerschaft stolz sein. Es ist insbesondere von der WTSH Vorbildliches geleistet worden, und zwar von Beginn an. Wir haben das in Augenschein nehmen dürfen. Ich habe wirklich das Gefühl, dass wir auch im Kreis der Bundesländer vorbildlich dastehen. Mein herzlicher Dank dafür!
Auch die Universitäten machen mit. Der Ministerpräsident hat die CAU genannt. Andere Redner haben andere Hochschulen angesprochen. Ich nenne ein Beispiel dafür: Junge chinesische Wissenschaftler sehen einen längeren Forschungsaufenthalt zum Beispiel in Kiel inzwischen als Chance für einen Karrieresprung zu Hause. Wie schön! Was für ein Kompliment für die CAU und für diese Partnerschaft!
Besonders erfreulich finde ich einen Aspekt, den man dem Bericht auch entnehmen kann, nämlich dass die Forschungsprojekte zum Teil durch Drittmittel finanziert und verlängert werden konnten. Auch hier gibt es Innovationen. Aktuell studieren 370 Chinesen und Chinesinnen in Schleswig-Holstein, davon 270 an der CAU. Auch das ist ein deutliches Zeichen.
Interessant fand ich auch den vielleicht etwas mutigen, jedoch durchaus erwähnenswerten Hinweis im Bericht, dass Kontakte der Fachhochschulen Kiel und Lübeck bestehen und dass der Bericht insofern vielleicht sogar von einem Import des deutschen Fachhochschulwesens nach China spricht. Ich würde mir das wünschen. Das wäre ein schönes Kompliment für unsere Art, Menschen auf zwei verschiedene Arten studieren zu lassen.
China wird gern als Fabrik und als Werkbank der Welt bezeichnet. Das ist in vielen Bereichen auch richtig. Aber bedeutet das für Europa, für Deutschland, für uns automatisch auch einen Verlust an Arbeitsplätzen? Das kann man so nicht sagen. Auch das haben wir in China gelernt. Wir durften eine Firma „EUROIMMUN“ besuchen, die weltweit 500 Mitarbeiter und zwei Niederlassungen in China hat. Dadurch konnte sie aber auch an ihrem Standort in Lübeck 30 neue Arbeitsplätze schaffen. Das ist kluge, innovative Globalisierung, das ist das, was wir brauchen, meine Damen und Herren.
Es ist der schleswig-holsteinische Mittelstand, der so etwas leisten kann, und es sind nicht die Giganten aus den USA wie beispielsweise Motorola.
Ist nun alles prima, bin ich einfach nur begeistert und ist nichts zu verbessern? - Nein, dann wäre ich nicht Ingrid Franzen. Ich sage einmal: Ich fand, dass die Kooperation mit Hamburg doch noch größer sein könnte. Ich möchte dem Ministerpräsidenten nicht völlig widersprechen, der schon ganz begeistert war, aber wenn man sich anschaut, was Hamburg mit China macht - ebenfalls 20 Jahre Partnerschaft mit Shanghai - und was Hamburg für Ziele hat, nämlich die erste Adresse für den deutsch-chinesischen Kulturaustausch zu werden, ist noch mehr drin. Und sie sind auf einem guten Weg: In der Kunsthalle eine große Ausstellung; CHINA TIME Hamburg 2006 hieß ein Abend im CCH - ausgebucht bis auf den letzten Platz und einfach nur phantastisch. In China leben - laut Aussage des Bürgermeisters Ole von Beust - 14.000 Chinesen.
Er muss ja wissen, wer bei ihm lebt. 14.000 Chinesen, ich weiß nicht, ob er sie gezählt hat, aber er wird darüber wohl Statistiken haben.
- Sie leben in Hamburg, pardon. - 700 Hamburger Unternehmen sind in China tätig, 365 chinesische Firmen in Hamburg. Das ist die höchste Quote in Deutschland und in Kontinentaleuropa. Das liegt direkt vor unserer Tür, meine Damen und Herren. Ich muss die schleswig-holsteinischen Zahlen gar nicht bemühen, um nachzuweisen, dass wir da noch nicht so gut sind.
Liebe Landesregierung, deshalb wünsche ich mir in diesem Bericht nicht fünf Seiten, auf denen Sie darlegen, warum man nicht besser mit Hamburg zusammenarbeiten kann - die WTSH argumentiert so, wir wissen es -, ich wünsche mir zehn Seiten darüber, dass es geht und wie es geht.
Wir müssen diese Partnerschaft nicht bewahren, wir müssen sie dynamisch weiterentwickeln. Das sind wir den Chinesen schuldig.
Liebe Frau Präsidentin, lassen Sie mich zum Schluss eine Anregung geben, wenn ich darf. Helmut Schmidt - Herr Landtagspräsident, wir beide haben das im vergangenen Jahr eindrucksvoll in Hamburg erleben dürfen - ist ein Experte für diesen
gesamten Bereich und ein hoch geachteter Mann. Er reiste etwa zwei Tage vor unserer Ältestenratsreise durch China und wir haben oft noch von dieser Begegnung zu hören bekommen. Er füllt in Hamburg ganze Säle. Das würde er in SchleswigHolstein auch tun. Er ist unser Ehrenbürger. Herr Präsident, vielleicht laden Sie ihn einfach einmal ein.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die Fußballweltmeisterschaft ist ein sportliches Großereignis, auf das sich viele Menschen im In- und Ausland freuen. Das tue ich auch. Wir haben ein Motto gewählt: Zu Gast bei Freunden. Auch das finde ich gut.
Herr Lehnert, wir haben dasselbe Bild für den Beginn unserer Rede gewählt. Auch ich möchte von den Schattenseiten dieses Großereignisses reden, und ich finde, die Zwangsprostitution, die zu erwarten ist, ist ein dunkelschwarzer Schatten. Da gibt es keine Diskussion.
Im März-Journal von amnesty international wird die Situation von Frauen, die von Menschenhandel und Zwangsprostitution betroffen sind, ausführlich, dargestellt. Kolleginnen und Kollegen, dabei geht es um Westeuropa, bei amnesty international geht es um Deutschland. Ich finde, das ist wirklich nachlesenswert.
Neben allen Strafandrohungen, die mangels Beweisen fast nie durchsetzbar sind, lieber Herr Lehnert, finde ich es einfach eine Schande, dass in diesem freien Land, in dieser gefestigten Demokratie Deutschland, solche Verbrechen mit all den Mitteln, die wir haben, offensichtlich nicht gestoppt werden können.
Ich bin deshalb dem Netzwerk „Stoppt Zwangsprostitution“ und dem Deutschen Frauenrat für die anlässlich der Fußballweltmeisterschaft ergriffenen Initiativen außerordentlich dankbar. Dahinter steckt geballte Frauenpower. Das darf man einmal sagen. Denn im Deutschen Frauenrat, der bereits im Jahre 1952 gegründet wurde, sind 55 Frauenorganisationen und -verbände mit insgesamt 11 Millionen Mitgliedern vereinigt. Ich finde, das ist schon etwas.
Das Ziel der Kampagne - das haben meine Vorgängerin und mein Vorgänger in der Debatte schon gesagt - ist insbesondere die Sensibilisierung der Öffentlichkeit und der potenziellen Freier.
Ich kann mir eine Anmerkung zu diesem Wort „Freier“ nicht verkneifen. Deutsch ist eine wunderbare Sprache, aber Sprache ist auch verräterisch. Warum nennen wir diese Männer Freier? Sind sie etwa auf Freiers Füßen? Sind sie auf Brautschau? Wohl kaum. Das ist ein äußerst romantisches Getue um die einfache Tatsache, dass Befriedigung gegen Geld gesucht wird. Um nichts weiter geht es. Das ist auch nicht schlimm. Aber es sind Männer, es sind keine Freier.
Den Männern kommt in dieser Kampagne eine zentrale Bedeutung zu, denn sie sind oft - das muss man sich klarmachen - die Einzigen, die unkontrollierten Zugang zu diesen Frauen haben, die keinen Ausgang haben, die keinen Pass haben, die oft nicht einmal das Nötigste zum Essen haben. Etwa die Hälfte der Frauen, die Beratungsstellen aufsuchen dies sind leider nur sehr wenige -, geben an, dass sie mehrfach um Hilfe gebeten haben. Hier gilt es aufzuklären, und hier gilt es nicht, den Helden zu spielen, sich nicht mit der Unterwelt anzulegen. Das kann man niemandem empfehlen. Aber Hinweise auf Zwang und Gewalt weiterzugeben, wäre vielleicht eine Möglichkeit.
Natürlich ist auch die Politik angesprochen. Ich bin dankbar, dass sich der Schleswig-Holsteinische Landtag in dieser Frage interfraktionell geeinigt hat. Mein Dank gilt selbstverständlich auch den Initiatoren und Initiatorinnen des Antrages, der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Landtag und Landesregierung können gemeinsam mit Verbän
den die Kampagne verbreiten und unterstützen. Uns allen ist aber auch klar, dass das Problem erhalten bleibt, wenn die Scheinwerfer nach der Weltmeisterschaft wieder abgebaut sind.
Erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang einen Hinweis auf den Koalitionsvertrag in Berlin. Dort heißt es:
„Ebenso werden wir die Opfer von Zwangsprostitution mit den Möglichkeiten des Strafrechts noch besser schützen und die Strafbarkeit der Freier der Zwangsprostituierten regeln.“
Das ist ein mutiger Satz. Last but not least die neueste Meldung über den Presseticker lautet: Schweden macht einen Vorstoß gegen Sexkäufer am Rande der Fußball-WM. Das kommt zwar etwas spät und läuft nach schwedischem Muster ab: Die Insider wissen, dass Schweden die Freier, das heißt die Männer, bestraft und nicht die Prostituierten. Wichtiger für uns und für die zukünftige Beratung ist, dass auch die EU-Kommission dabei ist, einen Aktionsplan zur Beseitigung jeglicher Form von Ausbeutung, einschließlich der sexuellen Ausbeutung, zu erarbeiten. Das stünde Europa wirklich gut zu Gesicht.
Ich komme am Schluss meiner Rede noch einmal auf die Weltmeisterschaft zurück. Ich hoffe, dass die Aktion am Rande der Fußballweltmeisterschaft möglichst konkret Frauen hilft. Ich würde mich freuen, wenn prominente Spieler das unterstützen würden. Ich glaube, dass das ihrer Kondition nicht schadet. Herr Wowereit hat die Schirmherrschaft übernommen; das ist schon gesagt worden. Anpfiff für diese Aktion wird der Internationale Frauentag, der 8. März 2006, sein. Pfeifen wir mit!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich beginne, was pädagogisch gut sein soll - auch wenn ich keine Lehrerin bin - mit einer guten Nachricht für den Norden, die heute, punktgenau, in der Zeitung zu lesen war. Sie haben es sicherlich im Pressespiegel gelesen. Die Firma Arvato teleservice wird unter der Leitung von Bent Andersen - in Flensburg kein Unbekannter, lange Leiter bei Motorola - 100 Arbeitsplätze in Flensburg schaffen,
70 durch Verlagerung und 30 sehr qualifizierte neue. Das ist eine Nachricht, die uns freut. Ich danke allen, die vor und hinter der Bühne - auch das Land ist mit Förderung beteiligt - daran beteiligt waren.
Mein Dank gilt heute auch allen Kolleginnen und Kollegen für die Debattenbeiträge. Das muss man im Parlament auch so deutlich sagen dürfen. Es tut uns im Norden gut, wenn wir so viel Engagement spüren. Auch der Zeitpunkt der Debatte gehört dazu.
Gestern wollte ich zum Bericht noch etwas fragen. Man kann sehen, man lernt als Politikerin dazu. Gestern wollte ich nämlich noch fragen: Was machen wir nun damit? Schauen wir mal, was die da oben tun; warten wir ab, bis die Dänen ihre Gebietsreform abgeschlossen haben. - Der Bericht lässt das doch ein bisschen erwarten.
Heute, nach der Debatte, insbesondere nach Ihrem Debattenbeitrag, Herr Ministerpräsident, und dem Debattenbeitrag von Herrn Döring habe ich die Hoffnung und die Zuversicht, dass eine Menge passieren wird. Dafür bedanke ich mich herzlich. Aus dem Debattenbeitrag von Herrn Döring habe ich mir gemerkt, dass Sie unser Anwalt sein wollen. Das können wir gut gebrauchen.
Wir haben in dieser Region keine Zeit zu verlieren. Die Bereiche Arbeitsmarkt und Wirtschaft sind dargestellt und geschildert worden. Es gibt ein großes Ungleichgewicht zwischen den Entwicklungen im kleinen, aber sehr erfolgreichen Dänemark und im Norden unseres Landes. Ich erinnere daran, dass wir als Landtag mit anderen europäischen Nachbarn rund um die Ostsee sehr aktiv sind. Oft sind wir der Motor für Zusammenarbeit und für Entwicklung wie zuletzt beim Forum Südliche Ostsee in Binz. Deshalb rege ich an und schlage vor, das wir uns auf Landesebene, im Parlament auf der Grundlage der wirklich reichhaltig vorhandenen Berichte und Arbeitsergebnisse zusammenfinden, um einen Aktionsplan mit konkreten Zielen, mit einem Zeithorizont und verabredeten Zuständigkeiten zu entwickeln. Dieser kann gern Zuarbeit für die konzertierte Aktion leisten, die Sie, Herr Ministerpräsident, vorgeschlagen haben.
Dabei kann es um ganz kleine, konkrete Dinge gehen, wie die unendliche Geschichte einer Fahrradfähre über die Flensburger Förde zeigt. Wir Insider wissen, wovon man redet. Es ist einfach nur ärgerlich, weil es nicht klappt. Das liegt daran, dass man nicht zusammenkommen und nicht genehmigen kann. Ich bin aber auch sehr dafür, visionäre Ziele anzupeilen. Das kann uns überhaupt nicht schaden. Das könnte die Schaffung einer europäischen Modellregion sein oder - wie bereits im April 2003 von der SPD gefordert - die Gleichstellung mit der Øresund-Region. Das wäre meines Erachtens denkbar und machbar.
Wir sollten in diesem Sinne quer über alle Fraktionen tätig sein. Das hat sich heute angedeutet. NordSchleswig-Holstein und Syddanmark sind wunderschöne Regionen. Geben wir den Menschen, die dort leben, eine Chance, dort zu arbeiten, zu leben und zu bleiben. Das ist, liebe Anke, gleichzeitig gute Minderheitenpolitik. Sonst kann der Nachwuchs für die Minderheiten nicht bleiben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Thomas Stritzl, das war sicherlich der leichtere Part.
Ende 1999 wurde im Bundestag mit dem „Gesetz zur Stärkung der Unabhängigkeit der Richter und Gerichte“ eine maßgeblich von Schleswig-Holstein geförderte Initiative beschlossen. Neben anderen Reformen - mir fehlt die Zeit, sie aufzuzählen - wurde es für die Länder möglich, durch eine Öffnungsklausel im Gerichtsverfassungsgesetz bei den Präsidienwahlen neben dem bisher geltenden Mehrheitswahlrecht auch das Verhältniswahlsystem einzuführen.
Ich habe in der ersten Lesung der Gesetzesvorlage vor etwa einem Jahr eine klare Bewertung der Reform abgegeben. Ich zitiere aus meiner Rede, die Sie nicht kennen können, weil wir beide Lesungen ohne Aussprache durchgeführt haben - was bei Gesetzgebungsvorhaben ungewöhnlich ist -:
„Das neu eingeführte Verhältniswahlrecht ist ein erprobtes, von allen Beteiligten akzeptiertes System in Deutschland - oder sehnt sich hier jemand nach dem englischen System, in dem bis zu 49,99 % der Stimmen unter den Tisch fallen können?“
Heute nun liegt uns in zweiter Lesung der Gesetzentwurf von CDU und SPD zur Aufhebung des oben genannten Gesetzes vor. Ich bekenne freimütig und offen: Ich bin eigentlich immer noch derselben Meinung, werde aber - wie meine Fraktion - der Aufhebung zustimmen.
„Was ist zwischenzeitlich passiert?“, wird sich manch erstaunter Bürger fragen, wenn es ihn überhaupt interessiert. Oder drastischer formuliert, zum Beispiel von ver.di:
„Wir fordern Sie nachdrücklich auf, das Gesetz bestehen zu lassen. Das Gerichtspräsidiumswahlgesetz ist ein Herzstück innergerichtlicher Demokratie.“
Die Erklärung ist relativ einfach, wenn vielleicht auch nicht sehr ruhmreich. Die Erklärung lautet: Wir haben in Schleswig-Holstein eine große Koalition. Dieses Thema war einem der Partner so wichtig - man kann nun raten, welcher es war -, dass es zum Schluss in die Waagschale geworfen und die Aufhebung des Gesetzes vereinbart wurde. Das Ganze als Protokollnotiz, also nicht öffentlich nachlesbar. Solche Bruch
stellen inhaltlicher Art gibt es bei Koalitionsvereinbarungen, vielleicht bei großen Koalitionen sogar noch mehr als bei anderen. Ich bin gelernte Realpolitikerin und werde mich dem beugen.
Aber es gilt auch, die Folgen zu prüfen. So ganz einfach kann man es sich nicht machen. Welche Folgen hat die Aufhebung des Gesetzes auf SchleswigHolstein? Das Ergebnis ist doch etwas verblüffend. Erstens hat es keine direkten Folgen, weil das Wahlverfahren in Schleswig-Holstein so bleibt, wie es seit Jahrzehnten war. Zweitens ist das Gesetz nämlich gar nicht erst in die Praxis umgesetzt worden. Denn - drittens; das richte ich insbesondere an die Adresse Lütkes in Ihrer vorherigen Funktion - wir, Rot-Grün, hätten fünf Jahre lang Zeit für diese Reform gehabt. Sie wurde aber erst ganz zum Schluss der Legislaturperiode angegangen, und zwar - wie gesagt - ohne jede Aussprache. Und - auch das will ich, wie vor einem Jahr, kritisch anmerken, diese Reform ist in Wahrheit nur ein Reförmchen gewesen, denn sie führte keineswegs zwingend zum Verhältniswahlrecht. Dieses war nur eine Möglichkeit, die unter bestimmten Umständen genutzt werden konnte. Böswillige Zungen behaupten, es sei eine Lex Lübeck gewesen; das will ich einmal weglassen.
Sehr ernst hingegen nehme ich den Hinweis des Präsidenten des Landgerichts Lübeck, Hans-Ernst Böttcher. Er verweist auf eine vom Europarat erarbeitete Europäische Charta über das Richterstatut aus dem Jahr 1998. Darin wird, ohne dass die Charta ein besonderes Wahlrecht vorschreibt, die Modalität für eine weitestgehende Abbildungsgerechtigkeit verlangt. Genau darum ging es hier. Vielleicht wird uns längerfristig Europa wieder einmal den Weg weisen.
Ich komme zum Schluss. Ich werde das Wahlverfahren bei Gerichtspräsidien bei allen Gesprächen mit Verbänden und bei meinen weiteren Gerichtsbesuchen zum Thema machen. Denn hier haben wir es mit einer typischen Lobbypolitik zu tun. Mir will - gerade weil ich die Justiz von innen so gut kenne und schätze - nicht einleuchten, warum Richter, die im Namen des Volkes Recht sprechen, die verurteilen und die schlichten, mit einem urdemokratischen Mehrheitswahlverfahren nicht leben zu können glauben.
Ich bedanke mich, dass Sie meinen Bauchschmerzen so lange zugehört haben, und empfehle Zustimmung.