Protokoll der Sitzung vom 30.09.2005

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die Sitzung und begrüße Sie sehr herzlich. Erkrankt ist die Abgeordnete Anna Schlosser-Keichel. Wir wünschen der Kollegin von dieser Stelle erneut gute Besserung. Beurlaubt sind die Abgeordneten Karl-Martin Hentschel und Werner Kalinka. Frau Ministerin Dr. Trauernicht ist für den heutigen Tag ebenfalls beurlaubt.

(Anne Lütkes [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Ist die FDP auch entschuldigt?)

- Dazu äußere ich mich nicht. - Ich habe gehört, dass Herr Abgeordneter Stritzl für heute ebenfalls beurlaubt ist.

Ich begrüße auf der Besuchertribüne die Schülerinnen und Schüler und die Lehrkräfte der Realschule aus Bad Bramstedt. - Seien Sie uns herzlich willkommen!

(Beifall)

Wir treten in die Tagesordnung ein. Ich rufe Tagesordnungspunkt 36 auf:

(Unruhe)

Weiterentwicklung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Dänemark

Landtagsbeschluss vom 16. Juni 2005 Drucksachen 16/113 und 16/139

Bericht der Landesregierung Drucksache 16/253

Ich erteile das Wort dem Minister für Justiz, Arbeit und Europa, Herrn Uwe Döring, und niemandem sonst, wenn ich das angesichts des Lärmpegels der Kolleginnen und Kollegen kritisch anmerken darf.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich begrüße alle ganz herzlich. Wir haben heute so etwas wie einen Europatag, aber es ist auch einmal ganz schön, dass man diese Dinge hintereinander berät und damit auch den Kontext sieht.

(Zuruf des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

- Ich wusste natürlich, dass viel Management dahinter stand, Herr Kollege Astrup.

Ich verweise zunächst auf den vorliegenden Bericht. Da auch Ministerpräsident Carstensen nachher zum Thema sprechen wird, werde ich nur zu einigen Punk

Schleswig-Holsteinischer Landtag (16. WP) - 12. Sitzung - Freitag, 30. September 2005 747

(Minister Uwe Döring)

ten des Berichts genauere Ausführungen machen. Sie gestatten mir, das an einer konkreten Stelle festzumachen. Nicht nur als Europaminister, sondern auch als Arbeitsminister habe ich allen Grund, die Intensivierung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit voranzutreiben. Wenn in Dänemark Fachkräftemangel herrscht, gleichzeitig aber auf deutscher Seite beispielsweise in der Baubranche ein Überhang an Kräften vorhanden ist, ist es dringlichst, dass wir uns in dieser Region zusammensetzen und die Möglichkeiten eines gemeinsamen Arbeitsmarktes nach Kräften fördern, um bestehende Hindernisse zu beseitigen und Potenziale auszuschöpfen.

Wenn wir über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Dänemark und Deutschland sprechen, reden wir erstrangig natürlich über unsere Landesgrenze im Norden. Dazu führt der Ministerpräsident nachher auch noch aus. Ich möchte im Zusammenhang mit diesem Bericht den Blick daher auch auf die anderen Bereiche richten, in denen wir mit unserem Nachbarn Dänemark über die See hinweg nachbarschaftlich verbunden sind und die für uns absehbar erheblich an Bedeutung gewinnen werden.

Mit der Querung des Großen Belts und des Øresunds ist in Dänemark längst eine Verbindung entstanden, die für neue Wachstumsschübe sowohl in Jütland als auch im Großraum Kopenhagen gesorgt hat. Es ist an uns, nun den nächsten Schritt zu tun, uns einzubringen, um an der Wachstumsregion, die dort entsteht, teilzuhaben. Ich habe mit unseren Partnern in Dänemark und Südschweden in den letzten Monaten bereits mehrfach darüber gesprochen und ich kann Ihnen versichern, es bestehen große Erwatungen und Hoffnungen, das Schleswig-Holstein Teil dieser Region wird. Die feste Fehmarnbelt-Querung ist Voraussetzung dafür, dass wir mit Hamburg von der Wirtschaftsregion südliche Ostsee maßgeblich profitieren.

(Beifall bei der SPD)

Mit der Fehmarnbelt-Querung entsteht nicht nur eine symbolische, sondern auch eine ganz praktische Verbindung, die den südlichen Landesteil näher an die Großregion Kopenhagen-Malmø heranbringt. Das Kräfteparallelogramm Skåne - Seeland - SchleswigHolstein - Hamburg kann ganz neue Perspektiven im Norden schaffen, wenn wir sie gemeinsam mit unseren Partnern entschieden anpacken. Ein entscheidender Vorteil dabei ist die Lage zwischen zwei Metropolregionen, die so nahe beieinander liegen wie sonst selten in Europa. Dazu eine strategische Perspektive gemeinsam mit den dänischen Nachbarn zu entwickeln, ist eine der wichtigsten Zukunftsaufgaben für unser Land.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Das ist gelebte grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Dabei darf allerdings der nördliche Landesteil nicht abgehängt werden. Das wird das Kunststück sein.

(Beifall bei SPD und CDU)

Aber ich denke, mit dieser Perspektive kann auch die unmittelbare deutsch-dänische Grenzregion eine neue Funktion und Bedeutung erhalten. Hier sind bereits viele Felder in der praktischen Zusammenarbeit bestellt. Hier gibt es eigenständig wachsende Foren, die die deutsch-dänische Zusammenarbeit im Alltag praktizieren. Wir sollten dies entsprechend fortführen. Hier wird an vorderster und vordringlichster Stelle das Zusammenleben von Mehrheiten und Minderheiten praktiziert und mit Leben erfüllt. Minderheitenpolitik ist und bleibt dabei - das möchte ich an dieser Stelle noch einmal versichern - ein wesentlicher Faktor für alle Bereiche, die mit der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zu tun haben.

(Beifall bei SPD und SSW)

Sie darf nicht bloßes Aushängeschild sein, sondern sie muss in allen Fachpolitiken unseres Landes ihren Niederschlag finden.

(Beifall bei SPD und SSW)

Ich sage an dieser Stelle auch: Als Europaminister sehe ich mich im Kabinett ein bisschen als Fürsprecher dieser Grenzregion. Ich werde Ihnen versprechen, diese Aufgabe auch wahrzunehmen.

(Beifall bei SPD, CDU und SSW)

Meine Damen und Herren, wir setzen auf den Ausbau der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, der Herr Ministerpräsident wird es gleich weiter ausführen. Sie baut auf unsere vorhandenen Ressourcen und Kontakte, die hier eingesetzt werden können. Wir haben große Potenziale in den Bereichen Wirtschaft und Arbeit, die uns die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit Dänemark bietet. Wir müssen sie nutzen. Dies wird Aufgabe dieser Regierung sein. Wir werden es in Angriff nehmen.

(Beifall bei SPD, CDU und SSW)

Ich danke dem Minister und gehe davon aus, Herr Ministerpräsident, dass Sie das Wort jetzt ergreifen wollen. Oder wollen wir erst die Debatte führen? - Wir führen erst die Debatte, wie es die Regierung wünscht.

748 Schleswig-Holsteinischer Landtag (16. WP) - 12. Sitzung - Freitag, 30. September 2005

(Vizepräsidentin Ingrid Franzen)

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort für die antragstellende Gruppe, den SSW, der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst einmal möchte ich mich ausdrücklich bei der Landesregierung und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für diesen sehr informativen und umfassenden Bericht über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Dänemark bedanken.

(Beifall bei SSW, CDU und SPD)

Der Bericht macht deutlich, dass wir in den letzten Jahren gemeinsam viel erreicht haben. Trotz des bisher Erreichten gilt immer noch der Satz: Stillstand ist Rückschritt. Deswegen hat der SSW diese Debatte über die Weiterentwicklung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit beantragt. Wir wollten von der Landesregierung wissen, wie sie sich die Fortsetzung dieser für den nördlichen Landesteil so wichtigen Zusammenarbeit vorstellt. Dabei ist mir natürlich bewusst, dass grenzüberschreitende Kooperation mehr ist als nur die Zusammenarbeit in unserem deutsch-dänischen Grenzland. Ich will mich trotzdem hauptsächlich darauf konzentrieren, weil diese Zusammenarbeit auch eine andere Qualität hat.

Dabei begrüßt der SSW, dass die Landesregierung in ihrem Bericht klarstellt, dass die Unterschiede in den Sozial- und Steuersystemen nicht die entscheidende Barriere der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit darstellt. Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Bonn-Kopenhagener-Erklärung haben die Bundesregierung und die dänische Regierung eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die unter Teilnahme von Experten beider Länder versuchen soll, etwaige Probleme zu reduzieren, die für Grenzpendler durch die unterschiedlichsten Systeme entstehen oder entstehen könnten. Die Unterschiede in den Steuer- und Sozialsystemen beider Länder wird man niemals ganz beseitigen können, aber man kann sie minimieren. Dies wird demnächst auch geschehen. Das heißt, diese Problematik stellt aus unserer Sicht dann kein entscheidendes Hindernis mehr für die Grenzpendler und für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit dar.

Es geht jetzt vielmehr darum, dass wir gemeinsam die kulturellen und psychologischen Barrieren überwinden, die beiderseits der Grenze immer noch vorhanden sind. Dabei müssen wir erkennen, dass die grenzüberschreitende Zusammenarbeit an einem Scheideweg steht.

Zum einen ändert sich die kommunale Struktur auf der dänischen Seite entscheidend. Im Bericht der Landesregierung wird dies auch angesprochen. Denn in Zukunft wird es nördlich der Grenze kein Sønderjyllands Amt, sondern vier Großkommunen geben, die zur neuen Region Syddanmark gehören. Die Region Syddanmark wird ab 2007 aus den vier Landkreisen Sønderjyllands Amt, Vejle Amt, Ribe Amt und Fyns Amt gebildet und damit werden hier fast 1,1 Millionen Menschen wohnen.

Das heißt, die Region Syddanmark wird damit an den Landesteil Schleswig, die K.E.R.N.-Region und Ostholstein/Lübeck angrenzen. Allein aus dieser Tatsache heraus ergeben sich Konsequenzen für die zukünftige grenzüberschreitende Zusammenarbeit.

Zum anderen erleben wir in diesen Jahren eine Konzentration der wirtschaftlichen Entwicklung Schleswig-Holsteins auf die Zentren Kiel und Lübeck sowie auf den Hamburger Rand.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Auch der SSW begrüßt eine starke wirtschaftliche Entwicklung im Süden des Landes. Der Bau einer FehmarnbeltQuerung wird diese Tendenzen noch verstärken. Deshalb sehen wir mit Sorge auf die Entwicklungsmöglichkeiten des nördlichen Landesteils. Noch haben wir im Norden viele Industriebetriebe und zukunftsfähige Unternehmen mit vielen Arbeitsplätzen. Aber der Arbeitsplatzabbau der letzten Jahre - zum Beispiel bei Motorola oder Danfoss - ist ein Warnsignal. Wenn der nördliche Landesteil nicht zu einem Freizeitpark reduziert werden soll, müssen wir jetzt handeln, um diese Zusammenarbeit in den deutschdänischen Grenzregionen zu vertiefen und auszubauen.

Dabei hat die Landesregierung Recht. Sie sagt in ihrem Bericht nämlich, dass die Region Sønderjylland-Schleswig eine grenzüberschreitende Wirtschaftsregion sei und dass die deutsch-dänische Grenzregion als gemeinsamer, attraktiver Wirtschaftsstandort erkennbar sein müsse.

Der SSW widerspricht aber, wenn gesagt wird, dass dazu in erster Linie das Engagement der regionalen Akteure vor Ort notwendig sei. Das regionale Engagement ist natürlich eine entscheidende Vorraussetzung für diese Zusammenarbeit, aber genauso wichtig wird in Zukunft die Rolle der Landesregierung sein. Denn nur die Landesregierung kann im Grunde auf gleicher Augenhöhe mit der neuen Region Syddanmark agieren.

Wir wollen, dass die grenzüberschreitende Zusammenarbeit für die Landespolitik in Zukunft den gleichen Stellenwert erhält wie zum Beispiel die Zusam

Schleswig-Holsteinischer Landtag (16. WP) - 12. Sitzung - Freitag, 30. September 2005 749

(Anke Spoorendonk)