Protokoll der Sitzung vom 30.11.2006

Der SSW begrüßt darum ausdrücklich den Kompromiss der Innenminister zur Neuregelung des Bleiberechts. Geduldete Ausländer, die sich von einer Duldung zur nächsten hangeln, haben jetzt die Chance, zunächst eine auf zwei Jahre befristete Aufenthaltsgenehmigung zu beantragen. Sie können sich auf ein Leben in Deutschland einrichten, die hier geborenen Kinder haben das in der Regel sowieso schon getan.

Der SSW hat dem Innenminister immer den Rücken gestärkt, für die Integration der geduldeten Ausländer eine Regelung zu finden. Lange hat es gedauert, bis sich nun im November alle Innenminister verständigen konnten. Dennoch gibt es in den Ländern noch viele Kritiker. Der Weg ist aber richtig: Wer nach Deutschland kommt, muss die Chance haben, sich hier eine Perspektive aufbauen zu können.

Besonders positiv ist es, dass das Vorrangprinzip wegfällt, wonach ein geduldeter Ausländer belegen musste, dass sich kein Einheimischer für seinen Job finden lässt. In der Wirtschaft geht es langsam bergauf und die Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessern sich. Für denjenigen, der einen Arbeitsoder Ausbildungsplatz findet, steht einer langfristigen Aufenthaltserlaubnis nichts mehr im Wege.

Ich schätze, dass allein in Schleswig-Holstein mehrere Hundert geduldete Ausländer von der Neuregelung profitieren und eine mittelfristige Aufenthaltserlaubnis erlangen werden. Ist das Glas halb voll oder halb leer? - Wir sagen: Es ist eher voller als leerer.

(Dr. Heiner Garg)

Damit ist der vorgelegte Bericht zur Migrationssozialberatung in manchen Bereichen schon wieder überholt, weil eine neue Klientel dazukommen wird. Damit wird der Intention des Antrages indirekt entsprochen.

Erinnern wir uns: Die Antragsteller wollten den Beratungsbedarf gerade auch der geduldeten Ausländer sicherstellen. Für diesen Personenkreis kommt nämlich eine Beratung nur in Krisensituation infrage, eine Regelung, die an den Realitäten vorbei geht. Durch die neue Bleiberechtsregelung werden aus geduldeten Ausländern rechtlich abgesicherte Nachfrager nach Migrationssozialberatung. Ich hoffe sehr, dass dieser Personenkreis die Beratung ausgiebig in Anspruch nehmen wird.

Der SSW geht also davon aus, dass bis 2007 die Beratungsinfrastruktur ausgebaut werden muss. Die Nachfrage wird steigen.

(Beifall bei SSW, FDP und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Aber auch ohne diesen Nachfragezuwachs kommen wir um einen Ausbau nicht herum, wollen wir das Ungleichgewicht im Land beseitigen. Die Benachteiligung im Norden ist mir gleich ins Auge gefallen. Leider muss ich zum wiederholten Mal feststellen, dass in unserem Land eine Zweiteilung praktiziert wird. Das gilt eben auch bei der Migrationssozialberatung. Nordfriesland und der Kreis Schleswig-Flensburg gehören bezüglich der Migrationssozialberatung - neben Plön und Dithmarschen - zu den unterversorgten Kreisen.

Ich hätte mir gewünscht, dass der Bericht konkret genannt hätte, wie und in welchem Umfang die Unterversorgung beigelegt wird. Ausländerinnen und Ausländer sollten in ganz Schleswig-Holstein die gleichen Chancen auf eine solide Beratung haben. Diese kann sich nicht auf die Großstädte beschränken.

Die Ausländer, die in Niebüll oder Tarp leben, sollten auch auf eine gut ausgebaute Beratungsinfrastruktur zurückgreifen können. Hier muss schleunigst ein Gleichgewicht hergestellt werden. Ich denke, dass wir mit der Offenlegung der Unterversorgung den ersten Schritt getan haben. Der Ausbau muss weiter fortschreiten. Dann wird aus der Migrationssozialberatung das, was der Bundestag letztlich mit dem Zuwanderungsgesetz wollte: eine Beratung zur Integration.

(Beifall beim SSW)

Ich danke der Frau Abgeordneten Spoorendonk. Erneut um das Wort hat der Herr Innenminister gebeten. - Bitte schön, Herr Dr. Stegner.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich wegen der Aussagen von Herrn Hentschel und Herrn Dr. Garg noch einmal zu Wort gemeldet. Selbstverständlich, liebe Anke Spoorendonk, bemühen wir uns, die Unterversorgung zu beseitigen. Deswegen haben wir es angesprochen. Da werden wir auch Wege finden.

Lieber Kollege Garg, ich möchte mit Ihnen nicht über Ihren Humor streiten. Da haben wir vielleicht einen unterschiedlichen Geschmack.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das will ich hof- fen!)

Ich finde es allerdings ehrlich gesagt ziemlich kurios, mit welchen Beispielen Sie hier kommen. Weil die Träger eine Demonstration machen wollten, erscheinen 150 Leute am gleichen Tag zur selben Stunde im Amt, um beraten zu werden. Dann wird ihnen gesagt, dass jeder einen Termin bekommt. Das ist nicht besonders seriös.

Ich muss Ihnen sagen: Es wäre schön, wenn sich alle Länder, in denen Sie mitregieren, also beispielsweise Niedersachsen, bei diesem Thema so verhalten würden wie wir. Ich bin dem Hohen Haus nämlich sehr dankbar, dass es für die nächsten Jahre die Mittel in der Höhe für dieses wichtige Thema zur Verfügung stellt; das will ich Ihnen deutlich sagen. Insofern müssen Sie nicht direkt von einem Skandal sprechen, lieber Herr Garg. Das geht auch ein kleines bisschen kleiner. Schauen Sie sich die Wirklichkeit an. Die ist wirklich anders.

(Beifall bei SPD und CDU)

Lieber Karl-Martin Hentschel, Sie kennen die Flüchtlingspolitik der Landesregierung - das unterstelle ich einmal - vielleicht noch etwas intensiver als der eine oder andere Kollege. Dass Sie mir hier vorhalten, es gehe hier darum, dass manche Menschen verschwinden sollten, und dann auch noch aus dem Grundgesetz zitieren - die Würde des Menschen ist unantastbar -, finde ich vor diesem Hintergrund wirklich ein bisschen schäbig.

Wir kämpfen hier dafür, ein Bleiberecht zu bekommen und dass die Menschen nicht für einen Hungerlohn arbeiten müssen, um ein Bleiberecht zu bekommen. Das, was wir ausgehandelt haben, sorgt für Hunderte von Familien dafür, dass sie endlich

(Anke Spoorendonk)

eine Perspektive haben. Wir kämpfen an vorderster Front. Da finde ich solche Kritik doch ein wenig überzogen, lieber Karl-Martin Hentschel.

(Beifall bei SPD, CDU und SSW)

Ich danke dem Herrn Innenminister. - Aus diesem letzten Redebeitrag resultieren neue Redezeiten für die Fraktionen. - Das Wort hat nun die Frau Abgeordnete Angelika Birk.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist nicht nur eine parteipolitische Frage, vor der wir hier stehen, wie es suggeriert wird. Die Städte Kiel und Lübeck haben geschlossen für den Erhalt der jeweiligen Migrationssozialberatungsstellen gestimmt und sie haben sich auch in der Öffentlichkeit sehr nachdrücklich dafür stark gemacht.

Als Sozialpolitikerin möchte ich Ihnen drei Beispiele geben, warum. - Nach wie vor ist es so, dass Kinder als Übersetzer in der Schule und im Kindergarten gebraucht werden, wenn es um ihr eigenes Schicksal geht. Jetzt können Sie natürlich fragen, warum die Eltern nicht Deutsch lernen. Antwort: Die Deutschkurse sind gut nachgefragt. Es gibt mehr Bewerbungen als vorhandene Plätze. In einer solchen Situation ist also der kleine Spruch von heute: „Na ja, die Migrationsberatungsstellen werden hier nicht als Dolmetscher gebraucht“, ein bisschen leichtfertig. Natürlich ist es nicht allein mit der Sprache getan.

Damit komme ich zweitens, was sehr viel Ärger unter den betroffenen Beraterinnen und Beratern und unter denjenigen, die zu ihnen gehen, hervorgerufen hat: Diese uns hier vorliegende Analyse hat ausgerechnet zur Kündigung von denjenigen geführt, die selber einen Migrationshintergrund haben. Nun wurde vom Innenminister hier gesagt, es würden Qualitätsmaßstäbe angesetzt. Mehrfach haben die Beratungsstellen in der Vergangenheit bei der Erarbeitung dieser Qualitätsmaßstäbe und bei der Überprüfung nachgefragt, ob sie der Qualität genügen. Dies wurde ihnen bestätigt.

Jetzt haben wir eine Situation, dass Leute, die ein hohes Vertrauen erworben haben, die selbst einen Migrationshintergrund haben, was wichtig sein kann für eine solche Beratung, ihren Job verloren. Das lässt dann schon ein gewisses Nachdenken aufkommen, ob es denn nur um objektive Kriterien dabei gegangen ist. Ich bin sehr dafür, dass man ge

nau hinsieht: Wo ist der Bedarf? Es gibt keine Rechte, dass jeder, nur weil die Beratungsstelle am Ort X ist, dort ewig bleibt. Hätte man aber nicht darüber sprechen können, wenn man Bedarfe verschiebt, ob man in Übereinstimmung mit den Trägern und denjenigen, die bisher die Arbeit gemacht haben, leichte örtliche Verschiebungen vornimmt, beispielsweise dass jemand, der bisher in Lübeck gearbeitet hat, wenn es mehr Bedarf in Ostholstein oder in Lauenburg gibt, dort dann vielleicht in Eutin oder in Mölln berät? Solche Dinge wären doch möglich gewesen.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich kann Ihnen nur sagen, es ist jetzt schon bemerkbar - ich weiß das durch die Kolleginnen in den Städtischen Gleichstellungsstellen oder auch in der Lübecker Fraktion der Grünen -, dass die Ratsuchenden, wenn sie bei den Beratungsstellen nicht mehr unterkommen, wieder wie vor zehn Jahren dort anklopfen. Ich hatte mir gewünscht, dass wir diese Phase überwunden haben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke der Frau Abgeordneten Birk. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratungen. Es ist Ausschussüberweisung beantragt worden. Wer den Bericht der Landesregierung Drucksache 16/1073 dem Innen- und Rechtsausschuss zur abschließenden Beratung überweisen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Das ist so geschehen.

Nun haben wir für meine Begriffe durch die Abläufe ein Problem. Es ist kurz vor 18 Uhr. Der Tagesordnungspunkt 26 wäre aufzurufen. Es geht um die Unterkunftskosten von Arbeitslosengeld-II-Bezieherinnen und -Bezieher. - Ein Antrag zur Geschäftsordnung, wunderbar! Darauf warte ich, wenn es der richtige ist.

(Heiterkeit)

Frau Präsidentin, genau das, fürchte ich, ist aus Ihrer Sicht nicht der Fall. Die Fraktionen haben sich verständigt, dass wir natürlich die Tagesordnung heute abarbeiten, auch wenn wir zehn Minuten länger diskutieren. Ich denke mir, dass diejenigen, die Anschlussverpflichtungen haben und nicht reden müssen, dann entbehrlich sind. Wir finden aber schon, dass wir unser Pensum erfüllen sollten.

(Minister Dr. Ralf Stegner)

Das habe ich befürchtet, dass Sie das beantragen.

(Heiterkeit)

Ich bin eine geduldige Präsidentin und bin dazu da, Sie durch die Tagesordnung zu leiten. Ich will nur noch einmal auf unsere Gäste hinweisen, die IHK zu Lübeck, die uns zu einem parlamentarischen Abend einladen. Aber das Parlament geht vor. Ich will sehr herzlich bitten, dass wir uns alle ein bisschen kürzer fassen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 26 auf:

Aktuelle Änderungen bei den Unterkunftskosten von Arbeitslosengeld-II-Bezieherinnen und -Beziehern

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/1078

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Sie wünschten einen mündlichen Bericht in dieser Tagung. Wenn Sie das haben wollen, bitte ich um Zustimmung. - Das war ganz gut. Wir wünschen diesen Bericht und ich erteile dem Herrn Arbeitsminister Uwe Döring das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst zu dem Teil Kosten der Unterkunft und Bundesbeteiligung ab 2007 kommen. Man könnte das überschreiben mit der Überschrift „was lange währt, wird endlich gut“. Statt der ursprünglich angebotenen 2 Milliarden € wird der Bund ab 2007 rund 4,3 Milliarden € beziehungsweise 31,8 % der KdU - Unterkunftskosten - tragen. Das ist ein respektabler Verhandlungserfolg. Ich muss sagen, das ist eine gute Zusammenarbeit zwischen Arbeitsministerium und Staatskanzlei gewesen. Da die letzten Entscheidungen in der MPK gefallen sind, kann ich sagen, Herr Ministerpräsident: ein gutes Ergebnis für Schleswig-Holstein.

(Beifall bei SPD und CDU)

Wenn man dabei bedenkt, dass Ende letzten Jahres eine Beteiligung von jeweils 29,1 % zu Buche stand und der Bund dieses bereits als eine Quote empfunden hat, bei der er sich übervorteilt fühlte, dann ist das jetzige Ergebnis ein ausgesprochen gutes. Heute hat im Bundestag der Arbeits- und Sozialausschuss dazu getagt. Er ist mit diesem Betrag einverstanden. Allerdings ist ein Punkt dabei: Die Kom

munen wollten eine Anpassung anhand der tatsächlichen Kosten haben. Da ist jetzt gesagt worden, wir nehmen die Anzahl der Bedarfsgemeinschaften. Das ist zwar ein statistischer Wert, aber über den muss man sich nicht streiten. Sonst hätte ich die Befürchtung gehabt, dass wir jedes Jahr den Streit von neuem beginnen müssen. Das muss jetzt nicht mehr sein. Es ist ein gutes Ergebnis.