Protokoll der Sitzung vom 25.01.2007

sollten wir uns doch an der Rede des Ministerpräsidenten und nicht am Wunschdenken orientieren.

(Beifall bei der FDP)

Das erklärt, warum sich der Ministerpräsident auf Allgemeinplätze beschränkte: Es gibt nichts Konkretes, worauf er sich hätte konzentrieren können. Kein Wunder: Die wesentliche Leistung der Landesregierung bestand ja darin, die Anträge der EU für die Ländersozialhilfe richtig auszufüllen und rechtzeitig abzugeben.

(Beifall bei der FDP)

Dass sich der Ministerpräsident traut, sich und seine Regierung öffentlich für derartiges Handeln zu loben, wie wir es eben erleben durften, sagt schon viel über das Niveau der Politik aus. Offensichtlich erwartet er wie auch die Große Koalition davon so wenig, dass ihn schon das Dasein dieser Regierung zufriedenstellt. Die Devise lautet: Ich bin so toll, bin so charmant, bin Peter Harry von Nordstrand!

(Beifall bei der FDP)

Es fehlen eigentlich nur noch die Laolawellen in den Reihen der CDU.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Europäische Union hat den Antrag der Landesregierung auf Ländersozialhilfe großzügig genehmigt. Es gibt

mehr davon und seitdem CDU und SPD gemeinsam regieren, ist scheinbar ganz Schleswig-Holstein darauf angewiesen. Wie könnte es sonst angehen, dass Schleswig-Holstein im Lichte der Erweiterung der Europäischen Union mehr Geld bekommt?

In den meisten der Beitrittsstaaten liegen die Durchschnittseinkommen immer noch unter dem deutschen Sozialhilfeniveau für Menschen, aber Schleswig-Holstein erhält trotzdem mehr Ländersozialhilfe. Das sollte uns nachdenklich stimmen. Denn das kann kein Ausweis erfolgreicher Politik sein.

Selbstverständlich weist es auch aus, wieweit die vorigen Regierungen hinter ihren vollmundigen Ankündigungen zurückblieben, die Zukunft im eigenen Land mit viel ziel, ZAL, ZIP und Knall gewinnen zu können.

Nichtsdestotrotz macht die jetzige Regierung munter im gleichen Trott weiter. Sie nennt ihr Programm nur anders: Zukunftsprogramm SchleswigHolstein. Als Akronym, liebe Kolleginnen und Kollegen, schlage ich „ZUSH“ vor. Das ähnelt einem Geräusch, das sehr gut zum Programm passt.

(Beifall bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich ahne, was die Mitglieder der Landesregierung jetzt am liebsten dazwischenrufen würden: Dieses Mal sei wirklich alles viel besser und zielgenauer und im Rahmen eines abgestimmten Gesamtkonzeptes miteinander verzahnt.

Diese Behauptung entbehrt genau der gleichen Grundlage wie die vollmundigen Ankündigungen des Ministerpräsidenten. Warum sollte sich auch etwas ändern? - Die eine Hälfte der amtierenden Regierung war mehr als die Hälfte der alten Landesregierung und die andere Hälfte der amtierenden Landesregierung hat sich stramm auf den alten SPDKurs begeben. Auf so viel politische Kontinuität und Durchsetzungskraft hätte die schleswig-holsteinische SPD nach ihrem Debakel bei der Landtagswahl, lieber Lothar Hay, wohl nie zu hoffen gewagt.

(Beifall bei der FDP)

Ich habe nicht erwartet, dass die CDU im Vorgriff auf kommende Wahlkämpfe so die Äquidistanz der FDP zu den beiden etwas größeren Parteien herstellen würde. Wer könnte die Durchsetzungskraft der Sozialdemokraten besser verkörpern als unser Alterspräsident Kollege Günter Neugebauer? - Er war es, der schon im April ein Zukunftsprogramm von der Landesregierung forderte.

(Wolfgang Kubicki)

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: In welcher De- batte?)

- Im April 1987!

(Beifall bei der FDP - Lachen bei CDU und SPD)

Ich zitiere aus der Drucksache 10/2051:

„Unerlässlich ist in diesem Zusammenhang ein Zukunftsprogramm Arbeit und Umwelt sowie ein Entwicklungsprogramm für den Landesteil Schleswig, die die besonderen strukturellen Probleme dieser Region berücksichtigen, sowie ein Programm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit.“

(Beifall bei der FDP)

Lieber Kollege Neugebauer, das zeigt, was es nützen kann, stetig dicke Bretter zu bohren. Irgendwann ist man unten durch, aber nicht immer sind die gebohrten Löcher nützlich.

(Beifall bei der FDP)

Nachdem der Ministerpräsident das neue Programm schon abgeschrieben hat, hat er es auch gleich abgeheftet, und zwar im Ordner Musik. Warum verbindet er sonst ständig seine Politik mit einem Dreiklang! Dieser Dreiklang könnte eine Harmonie sein, eine Harmonie aus Sparen, Investieren und Reformieren zum Wohl des Landes. Ist er aber nicht. Wie die Landesregierung bis jetzt heranging, ist dieser Dreiklang eine Kakophonie. Denn die Landesregierung hat bisher weder gespart noch investiert noch reformiert.

Herr Ministerpräsident, gespart hat die Landesregierung bis jetzt noch nicht. Die Neuverschuldung sank 2006 nur deshalb erheblich, weil die Steuereinnahmen wegen der guten Konjunktur überdurchschnittlich stark stiegen. Die Landesregierung hat hierzu nichts beigetragen.

(Dr. Johann Wadephul [CDU]: Das stimmt nicht!)

- Kollege Wadephul, die Nettoausgaben des Landes sanken gerade einmal um 33 Millionen €. Wenn wir berücksichtigen, dass die gute Konjunktur ganz automatisch einige Ausgabenposten senkt, hat die Landesregierung hierzu eigentlich gar nichts beigetragen. Zum Beispiel sind allein die Ausgaben für Sozialhilfe um etwa 50 Millionen € unter den Ansätzen geblieben. Das ist aber keine Leistung der Regierung; im Gegenteil, die Sozialhilfe ist ein Paradebeispiel eines automatischen Stabilisators, der reagiert, ohne dass die jeweilige Regierung eingreift.

Ganz nebenbei: Wäre der jetzige Innenminister als Finanzminister nicht so unverantwortlich mit dem Vermögen des Landes umgegangen, wer weiß, vielleicht hätte Schleswig-Holstein schon einen verfassungsmäßigen Haushalt, vielleicht sogar einen ausgeglichenen, so wie zum Beispiel Bayern oder Sachsen oder aber auch Mecklenburg-Vorpommern, was ich besonders beeindruckend finde.

Herr Ministerpräsident, zusätzlich investiert hat die Landesregierung auch nicht. 2006 blieben die Investitionen 38 Millionen € unter den Ansätzen. Selbst der Finanzminister beklagt die niedrige Investitionsquote im Landeshaushalt.

Reformiert hat die Landesregierung bisher auch nichts. Ich erinnere nur daran, dass der Staatssekretär der Entbürokratisierung, der Kollege Schlie, über die Medien hat verbreiten lassen, wie frustriert er sei, dass die Ministerien nicht bereit seien, auch nur ansatzweise Gedanken, die er zu Papier gebracht habe, in dieser Legislaturperiode umzusetzen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese politische Kakophonie bezeichnete der Ministerpräsident eben als Aufbruch und den will er mit dem Zukunftsprogramm verstetigen. Dafür will die Landesregierung in sieben Jahren 1,4 Milliarden € öffentlicher Fördergelder ausgeben. Kollege Sauter, das hört sich nach gewaltig viel Geld an. Wenn wir das hätten, wären wir froh und zufrieden. Im Vergleich zur Lebenswirklichkeit der allermeisten Menschen ist das auch eine riesengroße Summe. Das ist nach meiner Auffassung aber die falsche Bezugsgröße, um die mögliche Wirksamkeit des Programms zu beurteilen. Deshalb will ich ein paar angemessene Vergleiche heranziehen.

1,4 Milliarden € in sieben Jahren bedeuten durchschnittlich 200 Millionen € pro Jahr. Kollege Ehlers, so weit können auch Sie mir noch folgen.

(Zurufe)

Für dieses Jahr sind 8,3 Milliarden € Nettoausgaben des Landes angesetzt, die 200 Millionen des Zukunftsprogramms sind noch nicht einmal 2,5 % des jährlichen finanziellen Engagements des Landes. 2004 wurden in Schleswig-Holstein brutto 10,7 Milliarden € ausgegeben, Herr Finanzminister. Das sind die neuesten verfügbaren Daten. Die 200 Millionen € des Zukunftsprogramms würden diesen Betrag der Investitionen in Schleswig-Holstein noch nicht einmal um 2 % erhöhen. Das ist übrigens weniger als ein Drittel der durchschnittlichen jährlichen Schwankungen der Investitionen in Schleswig-Holstein seit der Wiedervereinigung. Und dabei sind noch nicht einmal die Beträge des

(Wolfgang Kubicki)

Zukunftsprogramms herausgerechnet, die nach offizieller Lesart gar nicht zu den Investitionen zählen.

2005 betrug das Bruttoinlandsprodukt SchleswigHolsteins 69 Milliarden €. Die 200 Millionen € des Zukunftsprogramms machen noch nicht einmal drei Promille aus.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Vergleiche allein erlauben selbstverständlich keinen Schluss darauf, ob das Geld sinnvoll ausgegeben werden wird. Selbstverständlich lässt sich dieser Sinn auch nicht aus der Propaganda der Regierung oder späteren Danksagungen einzelner Geförderter ableiten das jeweilige Interesse an positiver Darstellung ist zu offensichtlich.

Aber eines zeigen die Vergleiche: Die 200 Millionen € jährlich werden die Entwicklung SchleswigHolsteins allenfalls am Rande beeinflussen, und zwar ganz am Rande. Je größer die Zahl der Ziele und Unterprogramme ist, auf die das Geld verteilt wird, desto weniger Einfluss wird das Kleckern haben. Aus der Erklärung des Ministerpräsidenten waren ja kaum Grenzen der Zahl prinzipiell förderwürdiger Zwecke herauszuhören.

(Beifall bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, so pries er das Zukunftsprogramm Wirtschaft vorhin als Einladung an Unternehmergeist und Eigeninitiative. Die Unternehmen werden diese Einladung selbstverständlich annehmen und Projekte ins Leben rufen, die nach den Kriterien des Zukunftsprogramms förderwürdig sind. Sie werden das mit dem gleichen großen Geschick tun, mit dem sie sich auch am Markt behaupten oder behaupten müssen. Erhebliche Mitnahmeeffekte sind vorprogrammiert. Das Schlimmste daran ist aber, dass eine der wertvollsten Ressourcen unseres Landes vom Staat in den gesellschaftlich unproduktiven Zweck der Subventionsfischerei umgelenkt und verschwendet werden wird: der Unternehmergeist und die Eigeninitiative, die der Ministerpräsident beschwor.

Außerdem soll die Förderung jetzt aufs ganze Land ausgedehnt werden. Wenn man private Projekte einzelner Unternehmen fördern will, ist das wenigstens folgerichtig, aber strukturpolitisch ist das absoluter Unsinn. Denn wer daran glaubt, strukturschwache Regionen mit den herkömmlichen Förderinstrumenten an die strukturstarken Regionen heranführen zu können, weil er eben glaubt, die Instrumente wären wirksam, der konterkariert doch sein Ziel, wenn er gleichzeitig den Vorsprung der strukturstarken Regionen ausbaut.

(Beifall bei der FDP)

Denn die Merkmale strukturschwach und strukturstark sind doch relative Kriterien, sie sind als Verhältnis zu einem Durchschnitt definiert. Strukturpolitisch sinnvoll hingegen ist der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur. Der Ministerpräsident trifft ins Schwarze, wenn er sagt, Schleswig-Holstein könne sich als Drehscheibe des Ostseehandels keine Kapazitätsengpässe leisten und das Land wolle deshalb die Häfen in Kiel und Lübeck ausbauen.

Genau hier wird der Unterschied zwischen dem Zukunftsprogramm Schleswig-Holstein und einem zukunftsträchtigen strukturpolitischen Programm deutlich, das dem Land neue Perspektiven böte. Ein Erfolg versprechendes Programm würde die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Schleswig-Holstein mit öffentlichen Projekten steigern; hingegen ist das Zukunftsprogramm Schleswig-Holstein dieser Regierung größtenteils darauf gerichtet, Schleswig-Holstein im Wettbewerb der Regionen zu stärken, indem Beamte des Landes entsprechend der Signale der goldenen Zügel in den Händen von Beamten in Brüssel und Berlin darüber entscheiden wollen, welche privatwirtschaftlichen Investitionsprojekte die Wettbewerbsfähigkeit privater Unternehmen auf privatwirtschaftlichen Märkten fördern sollen.

Genau das ist in den Zukunftsprogrammen Wirtschaft, Ländliche Räume und Fischerei der Schwerpunkt.

Herr Minister Austermann, ich habe Ihnen schon bei der Subventionierung der Fluglinie Kiel-München gesagt, dass der ständige Versuch des Staates, mit öffentlichen Mitteln gegen wirtschaftliche Daten anrennen zu wollen, zum Scheitern verurteilt ist. Das Ergebnis sehen wir.