Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bungalowsiedlung des renommierten Architekten Richard Neutra in Quickborn ist unter Denkmalschutz gestellt worden, weil die Siedlung eine besondere historische, städtebauliche und architektonische Bedeutung hat. Es steht jedem frei, zu einer anderen persönlichen Auffassung zu gelangen. Allerdings darf nicht, wie mit diesem FDP-Antrag geschehen, der Eindruck erweckt werden, der Landtag habe die Möglichkeit, die denkmalrechtliche Unterschutzstellung der Neutra-Siedlung zu korrigieren.
Die Eintragung der Bungalowsiedlung in die Denkmalliste ist ein Verwaltungsakt, der auf dem geltenden Denkmalschutzrecht begründet ist. Die betroffenen Eigentümer haben die Möglichkeit, diesen Verwaltungsakt mit einem Widerspruch oder einer Klage vor dem Verwaltungsgericht anzugreifen. Unterlassen die Eigentümer diese Anfechtung, wird die Feststellung der Denkmaleigenschaft bestandskräftig. Es ist nicht Aufgabe des Parlaments, die Entscheidungen einer Landesbehörde zu korrigieren.
Wem die Auswirkungen eines vom Landtag beschlossenen Gesetzes nicht gefallen, der muss das Gesetz ändern. Gesetzgebung ist die wichtigste und vornehmste Aufgabe des Landtags. Diese Aufgabe auszuführen ist allerdings die alleinige Aufgabe der Landesregierung. Der FDP-Antrag ist Populismus gegenüber den Betroffenen.
Es ist eine Zumutung, von jedem einzelnen Abgeordneten zu verlangen, er oder sie möge hier und heute eine fachliche Beurteilung der besonderen Bedeutung beziehungsweise Nichtbedeutung der Neutra-Siedlung in Quickborn als Kulturdenkmal abgeben. Für die fachliche Bewertung ist ausschließlich das Landesamt für Denkmalpflege verantwortlich und zuständig. Alles andere wäre eine
Durchbrechung der Gewaltenteilung, die vom Antragsteller offenbar nicht ernst genommen wird. Wenn es eine populistische Modeerscheinung wird, dass der Verlauf von Verwaltungsverfahren mithilfe von Entschließungsanträgen begleitet, korrigiert und verändert werden soll, dann leidet die Parlamentskultur dieses Hohen Hauses.
Mit Rechtssicherheit für den Bürger hat das nicht viel zu tun. Der FDP-Antrag brüskiert im Übrigen auch die ehrenamtlich tätigen Mitglieder des Denkmalrats. Aus der Antwort der Landesregierung Drucksache 16/377 - auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Hildebrand geht hervor, dass sich der Denkmalrat intensiv mit der Neutra-Siedlung beschäftigt hat. Am 25. August 2005 hat sich der Denkmalrat über die denkmalrechtlich relevanten Vorgänge informiert. Während dieser Sitzung hat sich der Denkmalrat der Auffassung des Landesamtes für Denkmalpflege angeschlossen, dass es sich bei der Gruppe von 67 Häusern der Siedlung Marienhöhe einschließlich der dazugehörigen Gartenflächen um ein Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung handelt.
Dass Sie, Kollege Hildebrand, zusätzlich zum Widerspruchsverfahren im Hinblick auf das Votum des Petitionsausschusses diesen Vorgang kritisieren, halte ich für einen unglaublichen Vorgang. Nur die Abgeordneten des Petitionsausschusses kennen die Beschlusslage der Neutra-Siedlung. Allen anderen Abgeordneten ist der Inhalt nicht bekannt, auch nicht der Inhalt der Petition. Auf welcher Grundlage sollen die Kollegen eigentlich entscheiden? Die erfolgreiche und vertrauensvolle Zusammenarbeit des Ausschusses mit der Verwaltung, der Regierung und den Petenten wird gefährdet, wenn Petitionsverfahren zum Gegenstand populistischer Entschließungsanträge werden.
Den Betroffenen ist mit Anbiederung nicht geholfen, notwendig ist eine sachgerechte Aufklärung über die Auswirkungen auf die Eigentumsrechte der Hausbesitzer, wie es auch erfolgt ist.
Eine denkmalrechtliche Unterschutzstellung bedeutet nicht, dass Veränderungen an den einzelnen Wohngebäuden nicht mehr möglich sind. Die zuständige Denkmalschutzbehörde hat sich lediglich ein Mitspracherecht bei Veränderungen gesichert, wie es das Gesetz in solchen Fällen vorsieht.
„Selbstverständlich sind auch dem Denkmalschutz die typischen Probleme der 60er-Jahre-Häuser bekannt, zum Beispiel die fehlende Wärmedämmung oder undichte Dächer. Deshalb stellt sich die Denkmalpflege erforderlichen Anforderungen auch nicht in den Weg.“
Daher gehe ich davon aus, dass die Verhältnismäßigkeit zwischen Denkmalschutz und notwendiger baulicher Substanzerhaltung beziehungsweise Substanzverbesserung gewahrt wird.
Ich fasse zusammen: Der Antrag ist ein populistischer Kniefall vor einigen Betroffenen und wird aus verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Gründen von der SPD-Fraktion abgelehnt.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Thomas Hölck und erteile für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Frau Abgeordneten Angelika Birk das Wort.
„Man stelle den Menschen in Verbindung mit der Natur. Dort hat er sich entwickelt, und dort fühlt er sich zu Hause.“
Dieses Zitat findet man, wenn man unter dem Stichwort Richard-Josef Neutra googelt. Dieses Zitat charakterisiert seine architektonische Philosophie - es stammt von ihm selbst.
Genau unter diesem Motto sollte die Auseinandersetzung um die Erhaltung der Neutra-Siedlung in Quickborn geführt werden. Meine Fraktion teilt die Bemerkung der Vorredner, dass es uns als Parlament nicht ansteht, die Einzelentscheidungen einer Denkmalschutzbehörde hier fachlich infrage zu stellen. Allerdings möchte ich etwas zu dem Hintergrund dieser Auseinandersetzung beitragen. Ich finde, es ist schon interessant zu wissen, dass der Architekt Neutra eine gartenorientierte Architektur verfolgte, die sich an den Linien und Materialien der Bauhaustradition orientierte. Vieles von dem, was wir heute dort sehen, erinnert sehr stark daran. Von diesem Architekten gibt es eben nur zwei Wohnsiedlungen in Deutschland, eine davon in Schleswig-Holstein. Die Hauptschaffensperiode liegt in den USA. Umso mehr müssen wir mit die
sem Erbe sorgsam umgehen; denn der Hintergrund einer Emigration in den 20er-Jahren bedeutet für uns, denke ich, eine besondere Verantwortung.
Der Denkmalschutz darf also nicht aufgehoben werden. Wir finden es richtig, dass man hier an die einzelnen Gebäude denkt und nicht nur allgemein Denkmalschutz ausspricht.
Nun ist die Philosophie „Wenig Steine - viel Licht und Luft“, an der sich Herr Neutra orientierte, mit den großen Fensterflächen, den flachen Dächern aus heutiger Sicht durchaus nicht mehr zeitgemäß. Wir wissen, dass solche Gebäude nicht in jede Klimazone passen.
Wie die Gebäude und auch die Grundstücksgestaltung mit heutigen Energie- und Umweltstandards in Einklang gebracht werden können, ist für uns eine ernst zu nehmende Frage, die man nicht einfach mit dem Denkmalschutz wegwischen kann.
Ich denke, an dieser Stelle ist, wie ich auch den Ausführungen meiner Vorrednern entnehmen konnte, eine Verständigung erforderlich. Klimaschutz und Denkmalschutz sind zwei autonome Ziele und es stellt eine Herausforderung dar, sie in Einklang miteinander zu bringen.
Ich komme aus Lübeck. Dort hat man mit diesen schwierigen Themen Erfahrung. Das Thema des Denkmalschutzes beschäftigt die Bürgerschaft und die Gremien, gerade weil sich dort ein sehr aktives Denkmalschutzamt befindet, aber häufig war es meine Fraktion vor Ort, die manches alte Gebäude vor der Zerstörung bewahrt hat. Gleichzeitig engagieren sich die Grünen auch für Klimaschutz, und wir haben kein Verständnis dafür, wenn man generell sagt, in der Lübecker Altstadt dürfe es wegen des Denkmalschutzes keine einzige Solardach-Anlage geben.
Glücklicherweise hat sich in der Zwischenzeit ein Sinneswandel gezeigt, sodass auch in der Altstadt Lübecks, allerdings in Abstimmung mit dem Denkmalschutz, Solaranlangen möglich sind. Früher war das gar nicht möglich. Hier muss man natürlich auch Pragmatismus walten lassen.
Insofern finde ich es richtig, dass sich Leute wehren, die feststellen, sie sind gar nicht mehr in der Lage, etwas an ihrem Haus zu verändern. Aber so ist es eben nicht ausschließlich. Es ist nicht so, dass sie gar nichts verändern können. Man muss hier zu
einer gemeinsamen Überzeugung kommen, welches der richtige Kompromiss ist, damit der Grundcharakter der Häuser und der Siedlung erhalten bleibt.
An dieser Stelle möchte ich noch Folgendes ins Feld führen. Natürlich haben auch manche den Verkauf ihres Grundstücks im Sinne und hätten gern die Genehmigung für einen Abriss und einen völligen Neubau. Genau das ist eben nicht möglich, liebe Kolleginnen und Kollegen. Insoweit ist klar, dass der Denkmalschutz, der vielleicht im Augenblick als eine Kapitalbegrenzungsstrategie erscheint, on the long run einen Wertzuwachs bedeutet. Denn es ist nun einmal etwas Besonderes, in dieser Siedlung ein Haus zu haben.
Ich appelliere deswegen an die Denkmalschützer und an die Klimaschützer, sich auch weiterhin vor Ort zusammenzusetzen, um dem Avantgarde-Anspruch dieses Architekten gerecht zu werden. Dies ist von meiner Seite durchaus auch ein Appell an die zuständige Denkmalschutzbehörde. Denn man muss, gerade wenn man einen modernen Denkmalschutz betreibt, nicht nur in die Geschichte schauen, sondern sich auch fragen, welche Bedeutung ein architektonisches Ensemble und ein Architekt transportieren.
Insoweit finde ich es sehr interessant, sich auch mit den späteren Gebäuden von Herrn Neutra auseinanderzusetzen. Man sieht, dass bei ihm eine Weiterentwicklung, durchaus auch im ökologischen Sinne, erfolgt ist. Insofern hoffe ich, dass man vor Ort zu einer konstruktiven Lösung kommt. Aber diese kann nicht darin bestehen, dass man die bisherigen gesetzlichen Bestimmungen aufhebt. Vielmehr muss man sich an diesen orientieren und auf dieser Basis eine klimaschutzwürdige Lösung finden.
Ich danke der Frau Abgeordneten Angelika Birk und erteile für die SSW der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei allem Verständnis denke ich nicht, dass dieses Thema eigentlich ein Thema für den Landtag ist. Dennoch einige Bemerkungen, die sich dieser Problemstellung ein wenig übergeordnet nähern.
Jedes Jahr steigt die Zahl begeisterter Besucher beim Tag des offenen Denkmals, in einem Denkmal wohnen möchten allerdings die Wenigsten. Zu groß sind die Vorbehalte gegen unkomfortable
Wohnverhältnisse und angeblich gängelnde Denkmalvorschriften. Die Denkmalschutzverantwortlichen haben es trotz einer werbenden Öffentlichkeitsarbeit in den letzten Jahren nicht vermocht, diese Vorurteile auszuräumen. Denkmalschutz gilt als Investitionsverhinderung und als lebensfernes Spinnertum.
Genau diese Vorurteile begegnen uns auch bei einigen Eigentümern der Bungalows in der sogenannten Neutra-Siedlung in Quickborn. Der Landeskonservator argumentiert mit der Einzigartigkeit des homogenen Ensembles, das in dieser Form nirgendwo sonst zu finden sei. Die Eigentümer fürchten dagegen um ihre Autonomie und nicht zuletzt wirtschaftliche Einbußen, wenn ihr prinzipiell unveränderbares Häuschen unverkäuflich wird. Angestachelt durch einige Presseveröffentlichungen hat sich die Auseinandersetzung so aufgeschaukelt, dass eine einvernehmliche Lösung kaum noch denkbar ist.
Der vorliegende Antrag geht diesem Abwägungsprozess zwischen öffentlichem Interesse an der Bewahrung eines Stadtdenkmals und den Eigentümerinteressen aus dem Weg, indem er die besondere Bedeutung der Neutra-Siedlung schlichtweg negiert. Gebäude, die weder einzigartig noch baulich bedeutungsvoll sind, müssen auch nicht unter Denkmalschutz gestellt werden, lautet der Tenor des Antrags. Inzwischen ist die Neutra-Siedlung zu einem Symbol geworden, soll es zumindest nach den Kritikern der Denkmalschutzpolitik werden. Eine wunderbare Gelegenheit, einer vermeintlich bevormundenden Politik eins auszuwischen.
Aber, Liebe Kolleginnen und Kollegen, so einfach ist es dann doch nicht, auch jetzt nicht, wo sich der Petitionsausschuss mit der Angelegenheit befasst hat, wobei ich in Klammern hinzufügen möchte: Das Votum des Petitionsausschusses ist ja nur den Ausschussmitgliedern bekannt. Darüber hinaus kennen auch die wenigsten Kollegen, so wage ich zu behaupten, die Neutra-Siedlung aus eigener Anschauung. Das heißt: Eine Parteinahme für die eine oder andere Seite verbietet sich daher ausdrücklich.
Der Konflikt lässt sich mittels des Antrags keineswegs beenden. Auch bei dessen Annahme wird der Denkmalschutz auf seiner Position verharren. Durch den Antragsteller wird also weiter Öl ins Feuer gegossen.