(Dr. Heiner Garg [FDP]: Man muss die zwölf Minuten nicht ausschöpfen, nur um irgendet- was zu erzählen!)
Dort steht - erstens -: Eine Eisenbahnverbindung Fehmarnbelt ist ein TEN-Projekt, nicht aber eine Straßenverbindung. - Das möge bitte jeder nachlesen. Das heißt, förderfähig ist nur der Eisenbahnanteil, nicht aber der Straßenanteil. Normalerweise beläuft sich diese Förderfähigkeit auf maximal 10 %. Im Regelfall lag der Wert in der Vergangenheit weit darunter und nur in wirklich übergeordneten Fällen kann es bis zu 20 % geben. Das muss dann aber sehr genau begründet werden und zu diesen Fällen zählt die Fehmarnbelt-Querung meiner Meinung nach nicht.
Realistisch ist, dass wir vielleicht 5 % der Schienenanbindung bezahlt bekommen, und das macht beim Gesamtprojekt 2 bis 3 % aus. Dann wird Deutschland seine 800 Millionen € nicht schultern können. Dann würde sich uns die Frage stellen, ob wir das Projekt sausen ließen - dann hätte die EU Schuld - oder ob wir es trotzdem machen würden; dann hätte Herr Hentschel recht. Dann geht es nämlich auf Kosten von anderen Projekten, die wir hier in Schleswig-Holstein geplant haben. Beide Lösungen wären für unser Land katastrophal.
Eine Regierungserklärung sollte Fragen beantworten und Transparenz schaffen. Diese Transparenz haben wir in diesem Hohen Haus nicht bekommen. Wir haben nicht erfahren, wie diese 60 Millionen € des Landes Schleswig-Holstein finanziert werden sollen. Es wurde nur gesagt: Liebe Abgeordnete, wenn ihr zustimmt, dann zahlen wir 60 Millionen €.
- Wo sollen diese denn herkommen? Sollen wir neue Schulden machen - das wäre eine Alternative oder soll in anderen Ressorts eingespart werden? Und wenn ja, in welchen Ressorts?
Diese Fragen müssen uns beantwortet werden, bevor wir zu einem solchen Großprojekt mit einer solch großen Beteiligung seitens des Landes Schleswig-Holstein Ja oder Nein sagen können. Eine Antwort der Landesregierung ist bisher aber Fehlanzeige.
Wie wird man ohne die EU-Förderung die Summe von 800 Millionen € durch den Bund aufbringen können? - Auch dazu haben wir keine Antwort erhalten. Man hat zwar viel mit Berlin gesprochen,
Werden Projekte verschoben oder möglicherweise komplett gestrichen? - Auch dazu haben wir nichts vom Ministerpräsidenten oder vom Wirtschaftsminister gehört.
Wie werden die Arbeitsplätze der Beschäftigten bei Scandlines abgesichert? Welche Routen sollen neu geschaffen werden? Wie soll all das vonstatten gehen? - Nichts haben wir dazu gehört.
Wie soll in anderen Häfen und bei anderen Linien dafür gesorgt werden, dass die Beschäftigten dort ihre Arbeitsplätze behalten? Wie sollen die Linien abgesichert werden? - Nichts haben wir dazu gehört.
Wir haben auch nichts dazu gehört, wie die Verluste im Tourismus nicht nur auf Fehmarn, sondern auch hier in Kiel und in Lübeck abgefedert werden sollen. Wir haben nichts dazu gehört. Man hat sich nur auf diese Baumaßnahme fokussiert. Diese will man durchdrücken. Man will aber nicht nach rechts oder links gucken. Auch der Ministerpräsident hat eben vernehmen lassen, dass auch er nicht nach rechts oder links gucken will. Er will vielleicht einmal auf die Insel fahren und dort einen netten Schnack halten, aber konkrete Lösungen
will er nicht mit ins Gepäck nehmen. Er ist schade für Fehmarn und deswegen können wir nur hoffen, dass zumindest die EU diesem Spuk ein Ende setzt.
(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Karl-Martin Hentschel [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Guter Beitrag!)
Die Redezeit der FDP beträgt acht Minuten. Ich erteile dem Oppositionsführer, Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte um die Fehmarnbelt-Querung erreicht mittlerweile eine Tiefe, hinsichtlich derer ich sagen kann, dass wir das Flachwasser verlassen haben.
- Herr Kollege Schröder, das einzig Richtige an der Rede des Kollegen Hentschel war die Feststellung, dass Sie aus Pinneberg kommen.
Ich bin so etwas von fasziniert. Denn der Wirtschaftsminister des Landes hat sich hier hingestellt und alle Zahlen und Debattenanmerkungen des Kollegen Hentschel widerlegt, aber der Kollege Hentschel begann seine Rede mit den Worten, dass er sich voll und ganz bestätigt fühle.
Das ist - ich weiß es gar nicht genau - entweder dem Beginn der Sommerpause geschuldet oder dem Klimawandel oder wem auch immer. Jedenfalls ist es etwas, was ich so parlamentarisch noch nicht erlebt habe.
Wir haben an sich einen Grund zur Freude. Man kann ja viel Kritik an der Sache üben, Herr Kollege Hentschel, aber dass sich die FDP, die seit 15 oder 20 Jahren genauso wie die Union die feste Fehmarnbelt-Querung in ihrem Programm hat, nicht deshalb hier hinstellt und sagt, das sei alles des Teufels, weil sie in der Opposition sitzt, muss Ihnen eigentlich einleuchten. Wir nehmen unsere Programme nach wie vor ernst.
Wir haben uns vor der Verabschiedung der Programme darüber Gedanken gemacht und wechseln unsere Meinung nicht so oft wie ein Hemd. Ich will das an einem Beispiel dokumentieren: Ich habe 1992 im Rahmen des Landtagswahlkampfs mit Grünen in Segeberg eine Podiumsdiskussion zur Frage geführt, was mit der Verkehrsinfrastruktur in Schleswig-Holstein passieren muss. Bereits damals - das steht in unserem Programm von 1992 - sagten wir, dass wir angesichts der Verkehrsentwicklung einen sechsspurigen Ausbau der A 7 von Hamburg bis nach Bordesholm brauchen. Da haben GrünenVertreter erklärt, die Behauptung, es gebe auf der A 7 Stau, sei eine Schimäre. Diese sei von Betonköpfen in die Welt gesetzt worden, um ihre verkehrspolitischen Überlegungen zum Ziel zu führen. Damals habe ich allen empfohlen, doch einmal auf der Autobahn zu fahren. Ich mache das nämlich gelegentlich und ich stand schon damals im Stau.
Herr Kollege Hentschel, Sie müssen auch als Grüner einmal die Frage beantworten, was mit dem für die nächsten Jahre und Jahrzehnte prognostizierten Verkehrsaufkommen passieren soll! Wir machen Verkehrspolitik doch nicht von heute auf morgen,
sondern für einen Zeitraum von 20 Jahren. Was also soll bei einem Anwachsen des Personenverkehrs um 40 bis 50 % und des Güterverkehrs um 100 % im Ostseeraum geschehen? Wie wollen Sie diese Verkehre abwickeln? Auch für diese Wachstumsraten brauchen wir die Querverbindung; das muss doch jedem einleuchten.
Ich habe Verständnis für all jene, die von Baumaßnahmen betroffen sind. Wer möchte schon gern Buddelei in seinem Vorgarten? - Ich auch nicht. Jedoch muss unser Denkansatz weit über den eigenen Vorgarten hinausgehen. Es geht nicht an, dass wir Debatten führen wie, Vorteile davon hätten nur Schweden und Hamburg, und deshalb müssten wir als Schleswig-Holsteiner dagegen sein. Das ist doch kleinkariert, Herr Kollege Hentschel!
Stellen Sie sich einmal vor, alle anderen um uns herum führten solche Debatten! Wir hätten gar keine Chance mehr, Schleswig-Holstein in seiner Randlage zu entwickeln, wenn womöglich gesagt würde: Davon hat nur Schleswig-Holstein etwas Gutes! Beispielsweise: Von der Bahnstrecke Hamburg-Lübeck haben überwiegend die SchleswigHolsteiner etwas! Vom Ausbau der A 7 haben nur die Schleswig-Holsteiner etwas. - Warum sollten wir etwas dafür tun, dass die Nordrhein-Westfalen ihr Sommerhäuschen in Dänemark schneller erreichen können, Frau Kollegin Spoorendonk? - Wir sagen verantwortungsbewusst, dass wir im gesamtstaatlichen, auch im gesamteuropäischen Interesse, im Interesse des Zusammenwachsens der Regionen in Europa etwas tun wollen, wovon die Menschen auch außerhalb Schleswig-Holsteins etwas haben.
Ich habe lange überlegt, ob ich mich zu diesem Thema zu Wort melde, weil es wenig Kompetenzbereiche gibt, von denen ich glaube, dass der Kollege Hentschel darin besser ist als ich. Im Bereich Wirtschaft ist er es mit Sicherheit nicht. Er gibt immer nur das Geld fremder Leute aus und nicht das eigene und hat in der Vergangenheit auch schon häufig bei Entscheidungen - beispielsweise bei der über den Verkauf der LEG - seine Hand zu Beiträgen gehoben, die die Schleswig-Holsteiner Steuerzahler sehr viel Geld gekostet haben, und zwar mehr, als wir möglicherweise in den Bau dieser Brücke investieren müssen.
Ich habe mich also gefragt, ob ich mich zur Frage des Vogelflugs melden sollte, und mir dann gesagt: Das musst du machen; denn ich habe festgestellt, Kollege Hentschel versteht auch nichts von Vögeln.
Herr Kollege Hentschel, jemand, der für OffshoreParks eintritt, in denen Vögel geschreddert werden, wenn sie in die Nähe von Windkraftanlagen geraten, und erklärt, die armen Viecher fliegen womöglich gegen ein Brückenbauwerk, der dokumentiert nur, dass er auch davon wirklich keine Ahnung hat. Nennen Sie, Kollege Hentschel, mir doch einmal Vögel, die nachts fliegen!
Seevögel! Wir haben nicht von Landvögeln gesprochen. Auch Eulen - Kollege Ehlers weiß das auch verfügen über herausragende Sinnesorgane. Die tagaktiven Vögel nutzen als bestes Sinnesorgan ihre Augen.
- Die haben etwas Besseres; sie orten per Schallwellen und so weiter; das wissen Sie. Man kann feststellen, Eulen können auch nachts Bauwerke identifizieren.
Wenn das nicht der Fall wäre, würden sie regelmäßig gegen unser Gebäude hier fliegen. Was sie nicht sehen können, sind Glasscheiben. Es gibt auch viele Menschen, die Glasscheiben nicht sehen können. Aber ich habe nicht gehört, dass Glasscheiben beim Brückenbauwerk der Fehmarnbelt-Querung geplant wären. Mit dem Argument zu kommen, wir dürften die Fehmarnbelt-Querung nicht bauen, weil Vögel gegen die Brückenpfeiler oder Streben fliegen könnten, ist so etwas von absurd, dass ich sage: Sie haben sich damit endgültig als ernst zu nehmender Gesprächspartner verabschiedet.