Protokoll der Sitzung vom 11.07.2007

Wer der Ausschussempfehlung folgen und dem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen! - Enthaltungen? Keine. Ich stelle fest, dass der Gesetzentwurf in der Fassung der Drucksache 16/1490 einstimmig beschlossen wurde. Damit ist die Verfassungsänderung angenommen. Auch das Präsidium freut sich über diesen einstimmigen Beschluss.

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur tariflichen Entlohnung bei öffentlichen Aufträgen (Ta- riftreuegesetz)

Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/115

b) Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur tariflichen Entlohnung bei öffentlichen Aufträgen (Ta- riftreuegesetz)

Gesetzentwurf der Abgeordneten des SSW Drucksache 16/604

Bericht und Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses Drucksache 16/1488

Ich erteile dem Berichterstatter des Wirtschaftsausschusses, Herrn Abgeordneten Hans-Jörn Arp, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Mit der Drucksache 16/1488 liegt Ihnen der Bericht und die Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses zu den Gesetzentwürfen zur Änderung des Gesetzes zur tariflichen Entlohnung bei öffentlichen Aufträgen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/115 und mit gleichlautender Überschrift der der Abgeordneten des SSW Drucksache 16/604 vor. Beide Gesetzentwürfe wurden dem Wirtschaftsausschuss federführend und dem Innen- und Rechtsausschuss mitberatend überwiesen, die Vorlage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN am 16. Juni 2005 und der Entwurf der Abgeordneten des SSW am 22. März 2006.

Die Ausschüsse haben sich in mehreren Sitzungen, der Wirtschaftsausschuss auch im Wege einer schriftlichen Anhörung zur Drucksache 16/604, mit den Gesetzentwürfen befasst und am 27. Juni 2007 beziehungsweise am 4. Juli 2007 ihren Beschlussvorschlag zu dieser zweiten Lesung der Gesetzentwürfe formuliert.

(Minister Dr. Ralf Stegner)

Im Einvernehmen mit dem beteiligten Innen- und Rechtsausschuss empfiehlt der federführende Wirtschaftsausschuss dem Landtag mit den Stimmen von CDU, SPD und FDP gegen die Stimmen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, den Gesetzentwurf 16/115 abzulehnen, und mit den Stimmen von CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Enthaltung der FDP, dem Gesetzentwurf Drucksache 16/604 in der Fassung der rechten Spalte der Gegenüberstellung in Drucksache 16/1488 anzunehmen.

Ich bitte das Plenum um Annahme dieser Beschlussempfehlung und füge persönlich hinzu: Was lange währt, wird endlich gut.

(Beifall bei FDP und SSW)

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Gibt es Wortmeldungen zum Bericht? - Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne damit die Aussprache und erteile für die CDU-Fraktion dem Herrn Abgeordneten Johannes Callsen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Tariftreueregelungen werden in den einzelnen Bundesländern sowie in der Wirtschaft durchaus unterschiedlich bewertet. Während einige Bundesländer Tariftreuegesetze haben und auch einzelne betroffene Wirtschaftsbranchen dafür sind, hat erst kürzlich ein Gutachten in Nordrhein-Westfalen auch die Kehrseite solcher vergabefremder Kriterien deutlich gemacht. Neben ordnungspolitischen Bedenken und einem Mehr an Bürokratie können auch die Kosten für öffentliche Aufträge ansteigen. Dabei sollte doch eigentlich das Kriterium „Wirtschaftlichkeit“ für die staatlichen Auftraggeber im Vordergrund stehen.

Vor diesem Hintergrund ist auch die lange aktuelle Diskussion um das Tariftreuegesetz in SchleswigHolstein zu sehen. Ausgangspunkt war bekanntermaßen die Ausschreibung des Busverkehrs im Kreis Stormarn, bei dem zunächst ein Unternehmen aus Mecklenburg-Vorpommern mit einem günstigeren Lohntarif als in Schleswig-Holstein den Zuschlag erhielt. Schnell war daher von Dumpinglöhnen die Rede, obwohl auch der Gehaltstarif aus Mecklenburg-Vorpommern von Gewerkschaften und Arbeitgebern ausgehandelt worden war und sich der mecklenburgische Busunternehmer damit tariftreu verhalten hat. Dies zeigt, zu welchen Ver

werfungen im Wettbewerb Tariftreueregelungen führen können.

Wir haben uns daher als CDU-Landtagsfraktion sehr ausführlich und grundsätzlich mit dieser Thematik beschäftigt und im Ergebnis trotz mancher Bedenken einer Erweiterung des Tariftreuegesetzes um den Bus-ÖPNV zugestimmt. Dabei haben wir insbesondere die Wettbewerbssituation von rund 150 überwiegend mittelständischen Busunternehmen in Schleswig-Holstein und etwa 5.000 Busfahrerinnen und Busfahrern berücksichtigt. Neben den Kreisen als Aufgabenträger des Bus-ÖPNV hatten sich auch die Verbände der mittelständischen Busunternehmen und die Gewerkschaften für Tariftreueregelungen ausgesprochen und hierfür nachvollziehbare Argumente vorgetragen, ebenso wie die Verbände aus der Bau- und der Abfallwirtschaft. Diese Hinweise aus der umfangreichen Anhörung des Wirtschaftsausschusses haben wir zu einem großen Teil in unsere Entscheidungsfindung aufgenommen und in unseren Änderungsantrag zum Tariftreuegesetz eingearbeitet.

Dafür sprach auch, dass Hamburg für den BusÖPNV Tariftreueregelungen verabschiedet hat und wir mit Blick auf den länderübergreifenden BusVerkehr im Hamburger Umland gleiche Voraussetzungen schaffen.

Der Forderung des SSW, den sogenannten repräsentativen Tarifvertrag zugrunde zu legen, konnten wir an dieser Stelle allerdings nicht zustimmen. Dies hätte bedeutet, dass der Staat sich als Schiedsrichter über bessere oder schlechtere Tarifverträge aufspielt. Dies kann nicht Sinn der Tarifautonomie sein, wenn wir diese ernst nehmen wollen. Es hätte auch bedeutet, dass mit großem Bürokratieaufwand hätte durchgezählt werden müssen, welcher Tarifvertrag für die meisten Busfahrer in einer bestimmten Ausschreibungsregion gilt.

Eine Ausweitung des Tariftreuegesetzes auf sämtliche Dienstleistungen schien uns ebenso unangebracht wie die auf die Forschungsschiffe in dem Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, zumal sich für diese die Rechtslage ein wenig anders darstellt. Auch hierüber haben wir im Plenum schon einmal diskutiert.

Die Ausweitung auf den Bus-ÖPNV trägt der besonderen Situation in dieser Branche Rechnung, weil es hier nicht nur um die Sicherung von Arbeitsplätzen geht, sondern auch um Arbeitsplätze, für die ein hohes Maß an Verantwortung zur Gewährleistung der Verkehrssicherheit notwendig ist. Das neue Tariftreuegesetz gibt den Aufgabenträgern jetzt die Möglichkeit, Aufträge im Bus-ÖPNV

(Hans-Jörn Arp)

zukünftig nur noch an Unternehmen zu vergeben, die den Arbeitnehmern mindestens einen am Ort der Leistungserbringung für das jeweilige Gewerbe geltenden Lohn- und Gehaltstarif zahlen, also keine branchenfremde Tarife.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Diese Möglichkeit hatte gerade der Landkreistag gefordert und damit deutlich gemacht, dass die Kreise als Aufgabenträger des Bus-ÖPNV Tariftreueregelungen wünschen.

Die Frage der Konnexität dürfte sich daher nicht stellen. Wir haben in unserem Gesetzentwurf auch unter diesem Gesichtspunkt klargestellt, dass den Aufgabenträgern hiermit eine Rechtsgrundlage gegeben wird, auf der sie freiwillig das Tariftreuegesetz für auf ihre Ausschreibung anwendbar erklären können.

Die Laufzeit des Tariftreuegesetzes wollen wir bis zum 31. Dezember 2010 verlängern, um dann eine Evaluation vornehmen zu können und um auf bundespolitische Entwicklungen im Bereich der Dienstleistungsrichtlinie und des Entsendegesetzes reagieren zu können. Bis dahin dürfte auch klar sein, wie die Europäische Union Tariftreueregelungen insgesamt bewertet. Die EU-Kommission hatte bekanntlich Ende 2004 gegenüber der rot-grünen Bundesregierung rechtliche Bedenken geäußert. Auch der Europäische Gerichtshof wird sich hiermit noch befassen, weil Tariftreueregelungen möglicherweise grenzüberschreitende Dienstleistungen behindern.

Die von mir bereits erwähnte Studie aus NordrheinWestfalen kommt unter anderem zu dem Ergebnis, dass Tariftreuegesetze bei öffentlichen Aufträgen für zusätzliche Bürokratie sorgen. Wenn dies so ist, so sollte es unser Ziel sein, an anderer Stelle im engen Zusammenhang mit der öffentlichen Auftragsvergabe - zu Bürokratieentlastungen zu kommen. Wir haben uns daher mit unserem Koalitionspartner darauf verständigt, durch höhere Wertgrenzen und durch Beschäftigtenzahlen in der Landesbeschaffungsordnung bürokratische Verpflichtungen bei öffentlichen Ausschreibungen angemessen abzubauen.

Konkret bedeutet dies, dass zukünftig erst ab einem Auftragsvolumen von 100.000 € - beziehungsweise ab 51 Mitarbeitern - die Erstellung eines betrieblichen Frauenförderplanes notwendig sein wird. Hierdurch werden gerade kleinere Bau- und Lieferaufträge entlastet. Kleine und mittelständische Betriebe, die einen Auftrag vom Land Schleswig-Holstein haben wollen, haben weniger bürokratische Auflagen zu erfüllen.

Für die CDU ist dies ein konkreter Beitrag zum Bürokratieabbau in Schleswig-Holstein. Wir sind davon überzeugt, dass gerade die kleinen und mittleren Betriebe von sich aus ein hohes Maß an Frauenförderung in ihren Unternehmen betreiben. Das zeigt auch meine Erfahrung im Wahlkreis. Dies hat nicht zuletzt der Wettbewerb „Familienfreundlicher Betrieb“ des Wirtschaftsministeriums mit einer Vielzahl von guten Beispielen gezeigt. Der Kompromiss ist beiden Fraktionen nicht leicht gefallen. Ich bin aber der Überzeugung, dass wir als Regierungskoalition für Schleswig-Holstein ein klares Signal der Handlungsfähigkeit gesetzt haben.

(Beifall bei der CDU - Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ein Si- gnal müssten Sie öfter setzen!)

- Das tun wir doch. Herr Kollege, der vorangegangene Tagesordnungspunkt war doch ähnlich. Ich danke in diesem Zusammenhang meinem geschätzten Kollegen Bernd Schröder ausdrücklich für die vielen konstruktiven und guten Gespräche, die zu diesem Ergebnis geführt haben.

(Beifall der Abgeordneten Jürgen Feddersen [CDU] und Hans-Jörn Arp [CDU] - Zuruf von der SPD)

Liebe Kollegen vom SSW, das sind keine Sandkastenspiele. Das sind verantwortungsvolle Kompromisse, die in der Demokratie möglich sein müssen. Wir als CDU haben uns hierbei deutlich bewegt und wir sind bereit, im Interesse der mittelständischen Unternehmen und der dort Beschäftigen über ideologische Grenzen hinweg Lösungen zu finden. Damit stärken wir die Wettbewerbssituation unserer Wirtschaft und bauen gleichzeitig ein Stück Bürokratie ab. Das erwarten die Menschen in SchleswigHolstein von uns. Sie erwarten die Stärkung unserer Wirtschaft und die Sicherung von Arbeitsplätzen. Deswegen ist dies heute eine gute Entscheidung.

(Beifall bei CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich danke dem Kollegen Johannes Callsen. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, begrüßen Sie mit mir auf der Tribüne eine Schülergruppe der Grundschule Delve mit begleitenden Lehrkräften und gratulieren Sie mit mir. Ihnen ist heute das niederdeutsche Siegel verliehen worden.

(Beifall)

Hebbt ji sehn? Uns Ministerpräsident is ok da. Do steiht he.

(Johannes Callsen)

Für die SPD-Fraktion erhält Herr Abgeordneter Bernd Schröder das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da von dieser Stelle aus normalerweise nur Ministerinnen und Ministern gedankt wird, ist es sehr erfrischend, wenn das auch einmal unter Kollegen möglich ist. Man sieht ja, welcher Neid hier zum Teil herrschte. Da gibt es völlig neue Männerfreundschaften.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Auf so etwas wartet Herr Neugebauer schon seit 30 Jahren!)

- Er wartet schon etwas länger darauf. Ich kann diesen Dank von dieser Stelle aus durchaus zurückgeben. Ich glaube, jeder in diesem Haus weiß, dass es innerhalb der Koalitionsfraktionen sehr unterschiedliche Auffassungen zum Tariftreuegesetz gegeben hat und dass das Ganze mehrfach an der Grenze zum Scheitern gewesen ist. Für die SPDFraktion erkläre ich auch, dass wir uns mit diesem Koppelungsgeschäft eindeutig sehr schwer getan haben. Wir haben aber mit dem Ergebnis, das auch der Kollege Johannes Callsen dargestellt hat, 50.000 bis 60.000 Arbeitnehmern in dem genannten Bereich in Schleswig-Holstein und neu auch den Angestellten des Bus-ÖPNV bis Ende 2010 eine gesicherte Einkommensgarantie gegeben und sie für diesen Zeitraum vor Lohndumping geschützt. Ich glaube, das ist so einen Einsatz wert. Das ist auch ein wichtiger Beitrag für die Menschen in unserem Land.

(Beifall bei SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir haben im März 2003 das Tariftreuegesetz gegen den Widerstand von CDU und FDP beschlossen. Ich erinnere daran. Es wurde uns prophezeit, dass die ohnehin schon marginale Bautätigkeit in Schleswig-Holstein durch Vergaberechtsstreitigkeiten ganz zum Erliegen kommen und dass das Gesetz katastrophale Folgen für die schleswig-holsteinischen Unternehmen haben werde. Kollege Kubicki verstieg sich sogar zu der Behauptung, dass die die Regierung tragenden Fraktionen wissentlich ein Gesetz beschließen, das höchstwahrscheinlich verfassungswidrig sei. Der Schleswig-Holsteinische Landtag beginge legislatives Unrecht, was in letzter Konsequenz dazu führen würde, dass auf das Land Schleswig-Holstein Schadensersatzforderungen zukommen würden.

Der damalige Wirtschaftsminister Bernd Rohwer hatte dazu ausgeführt, was ich aus dem damaligen Protokoll zitiere: