Protokoll der Sitzung vom 12.09.2007

Ich möchte auf einige Zahlen eingehen, um Ihnen die Bedeutung integrierter Meerespolitik noch einmal darzustellen. In den 1.200 europäischen Seehäfen werden jedes Jahr etwa 3,5 Milliarden t Fracht umgeschlagen und 350 Millionen Passagiere abgefertigt. Die europäischen Meere sind das beliebteste Ferienziel in Europa. Unter den europäischen Feriengästen entscheiden sich 63 % für einen Urlaub am Meer.

(Jürgen Feddersen [CDU]: Sehr gut!)

Fast 90 % der Außenhandelsgüter und über 40 % der Binnenhandelsgüter der Europäischen Union werden auf dem Seeweg befördert. Der Anteil der Aquakultur an der Gesamtfischereiproduktion der Europäischen Union entspricht circa 19 %.

Auch Schleswig-Holstein hat eine bedeutende Meerespolitik. Circa 45.000 Beschäftigte in 1.400 Unternehmen für den maritimen Sektor mit einem jährlichen Umsatz von 5,5 Milliarden € sind hier in Schleswig-Holstein beheimatet. Das sind beeindruckende Zahlen und Entwicklungen. Das sind aber auch Herausforderungen, die regionalen, nationalen und internationalen Teilpolitiken der Meerespolitik zu beenden und diese in einem integrativen Ansatz zu verwirklichen. Die Bereiche Wissenschaft, Forschung, Wirtschaft, Umwelt, Tourismus, Verkehr, Schifffahrt, Regionalpolitik, Fischerei und Industrie müssen vernetzt werden. Rücksichtsloses Ausnutzen der maritimen Vielfalt durch Überfischungen, Überdüngung der Meere, unkontrollierte Entsorgung von Abfällen auf dem Meer und unverantwortliche Nutzung der Küstenregionen müssen wie vieles andere auch - der Vergangenheit angehören.

(Beifall bei CDU, SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Unsere Meere brauchen Zukunft, und zwar auch für die Menschen. Dafür sind wir alle verantwortlich. Der Bericht der Landesregierung stellt überzeugend dar, was eine integrierte Meerespolitik ist, wie die einzelnen Teilbereiche national und international vernetzt werden müssen, wie sie schon heute vernetzt worden sind und welche bedeutende Rolle unser Land Schleswig-Holstein bei dieser integrierten Meerespolitik spielt. Für diesen umfassenden Be

richt, der inhaltsreich und zukunftsorientiert ist und der Herausforderungen definiert, danke ich Ihnen und allen Ihren Mitarbeitern, Herr Minister.

(Beifall bei CDU und SPD)

Nicht jeder Kollege und nicht jede Kollegin in diesem Hohen Haus muss den Bericht gelesen haben. Für jeden Fachbereich, in dem parlamentarische Arbeit geleistet wird, sind aber maritime Inhalte angesprochen, die von uns umzusetzen sind. Das sind die Bereiche Wirtschaft und Verkehr, Tourismus, Wissenschaft und Forschung, Technologie, Medizin, Umwelt und Sicherheit, rechtliche Koordinierungen, Bildung und vieles mehr. Der Bericht zeigt eines ganz deutlich: Unser Land Schleswig-Holstein war und ist ein Vorreiter in der nationalen und internationalen maritimen Politik. Ich möchte behaupten, dass es ohne unser Land - beginnend mit der Initiative „Zukunft Meer“ der vorigen Landesregierung - zumindest zu einem so frühen Zeitpunkt noch kein Grünbuch der Europäischen Meerespolitik gegeben hätte. Vielleicht gäbe es auch noch keinen eigenen Kommissar für den Zuständigkeitsbereich Meerespolitik.

Auf der Konferenz des Ostsseeraums in Kiel im September vorigen Jahres war ein entscheidendes Ergebnis in der Kieler Erklärung der ausdrücklich betonte integrative Ansatz der Meerespolitik, verbunden mit dem Bekenntnis aller nationalen und internationalen Teilnehmer, den Ostseeraum bis zum Jahr 2015 zur maritimen Modellregion zu entwickeln. Dieses Bekenntnis auf unserer Kieler Konferenz wurde im Juni dieses Jahres von der Großen Koalition in Berlin übernommen, nämlich mit der Forderung, die Ostsee bis zum Jahr 2015 zum saubersten und sichersten Meer in Europa zu machen. Auch auf der Ostsseeparlamentarierkonferenz im August wurde diese Resolution mit diesem Inhalt verabschiedet.

Ich weiß nicht, ob ich sieben Minuten Redezeit habe. Es blinkt hier schon sehr verdächtig.

Nein, Herr Kollege, Sie haben keine sieben Minuten.

Ich verweise darauf, dass ich eine etwas umfangreichere Pressemitteilung abgegeben habe. Dort können Sie gern noch etwas nachlesen. Ich komme zum Schluss. - Schade!

(Heiterkeit)

(Manfred Ritzek)

Minister Döring hat darauf hingewiesen, wir werden das Grünbuch der Europäischen Meerespolitik bald als Blaubuch vorliegen haben. Es wird vom 27. bis zum 29. November 2007 in Brüssel eine Großveranstaltung mit dem Titel „Forum Blauer Planet“ geben. Auch hier wird unser Europaminister konkrete regionale Meerespolitik vortragen. Wir sind aufgefordert, in unseren Bereichen die schleswig-holsteinische und die europäische integrierte Meerespolitik mitzugestalten. Schleswig-Holstein ist ein Erfolgsmodell der integrierten Meerespolitik. Unser Land muss führend bleiben!

(Beifall bei CDU und SPD)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Frau Abgeordneter Anette Langner das Wort.

Vielen Dank! Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst danke ich Herrn Minister Döring und allen beteiligten Ministerien für den Bericht der Landesregierung. Ich danke natürlich auch für das große Engagement des Ministers in Sachen Meerespolitik während der vergangenen Monate. In dem vorliegenden Bericht wird insbesondere deutlich, dass wir auf der Zielgeraden unserer gemeinsamen Bemühungen zur Schaffung eines Handlungskonzeptes für eine integrative Meerespolitik in Europa und für SchleswigHolstein sind. Ich danke natürlich auch dem Kollegen Ritzek für die Zusammenfassung des Berichts. Für alle diejenigen, die ihn noch nicht gelesen haben, sage ich, er ist in vielen Bereichen richtungweisend und sehr lesenswert. Ich glaube, wir sind alle gespannt auf Ihre Pressemitteilung, die zeigt, worüber Sie hier nicht berichtet haben.

(Heiterkeit)

Schleswig-Holstein ist den Ansatz einer integrativen Meerespolitik früh gegangen und hat in der Landesinitiative „Zukunft Meer“ Aktivitäten gebündelt und Akteure zu einer gemeinsamen Strategie zusammengebunden.

Während des gesamten Entwicklungsprozesses einer europäischen Meerespolitik sind sowohl die Aktivitäten der Landesregierung als auch die Aktivitäten von Politik und Parlament darauf ausgerichtet gewesen, bei der Gestaltung einer zukünftigen Meerespolitik möglichst rechtzeitig und zielgerichtet schleswig-holsteinische Interessen einzubringen, um die Entwicklung des maritimen Standorts Schleswig-Holstein zu unterstützen. Ich finde, dies

ist auch durch das Engagement des Ministers in ganz besonderer Weise gelungen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Sowohl das Europäische Parlament, das mit dem Europaabgeordneten Willy Piecyk einen Schleswig-Holsteiner als Berichterstatter für das Grünbuch Meerespolitik benannt hat, als auch die Ostseeparlamentarierkonferenz, das Parlamentsforum Südliche Ostsee und nicht zuletzt wir im Landtag Schleswig-Holstein haben und hatten den integrativen Ansatz einer europäischen Meerespolitik ganz oben auf der Agenda.

Der Bericht zeigt deutlich, dass Schleswig-Holstein in vielen Bereichen initiativ Positionen zum Grünbuch entwickelt hat und die besonderen Interessenlagen der norddeutschen Länder eingebracht hat. Der integrative Ansatz einer europäischen Meerespolitik wird ausdrücklich unterstützt. Darüber hinaus wird die Entwicklung des Ostseeraums zur maritimen Modellregion bis 2015 gefordert. Forderungen wie zum Beispiel die Wissensgrundlage zu verbreitern, die Meeresstrategierichtlinie zu konkretisieren, die Schiffssicherheit zu erhöhen, die Infrastruktur für ein wachsendes Seeverkehrsaufkommen zu schaffen sowie europäische Finanzierungsinstrumente anzupassen, finden sich in der Folge in allen Stellungnahmen auf nationaler und europäischer Ebene wieder.

(Beifall bei SPD und SSW)

Besonders zu begrüßen ist, dass die Europäische Kommission plant, Anfang Oktober 2007 einen konkreten Aktionsplan vorzulegen. Die Auswertung wird auch in Schleswig-Holstein entscheidend für weiteres politisches Handeln sein. Der Herr Minister hat es deutlich gemacht, wir haben im europäischen Vergleich einen Vorsprung, den es jetzt zu nutzen gilt. Bemerkenswert finde ich besonders, dass das Europäische Parlament zur Umsetzung des Aktionsplans die in vielen Stellungnahmen formulierte Forderung nach einem Küstenfonds aufzugreifen scheint und die Einrichtung einer neuen Haushaltslinie plant. Mit den voraussichtlich zur Verfügung gestellten Mitteln könnten die Mitgliedstaaten kurzfristig in die Lage versetzt werden, ihre bestehenden und geplanten Anstrengungen gezielt auszubauen beziehungsweise zu initiieren.

Worauf muss es uns nun bei der weiteren Ausgestaltung der Europäischen Meerespolitik in Schleswig-Holstein ankommen? Im vorgelegten Bericht finden sich hierzu bereits zahlreiche viel versprechende Ansätze. Aus regionaler Sicht hervorzuheben ist ohne Zweifel der Ansatz, den Ostseeraum bis 2015 zu einer maritimen Modellregion

(Manfred Ritzek)

auszubauen und die Ostsee zu einem der saubersten und sichersten Meere zu machen. Ein Handlungsfeld könnte dabei die Förderung von Clean-Shipund Clean-Port-Projekten sein, wie sie kürzlich auch von der Ostseeparlamentarierkonferenz gefordert wurden. In diesem Zusammenhang begrüße ich die Ankündigung der Bundesregierung, sich im Europäischen Rat für die Steuerbefreiung von Landstromverbindungen in Häfen einzusetzen und damit die Gleichstellung mit ebenfalls steuerbefreitem Schiffsdiesel herzustellen. Der Minister hatte schon darauf hingewiesen.

(Beifall bei SPD und SSW)

Ein weiteres Handlungsfeld liegt mit Sicherheit im Bereich der Logistik. Hier sind in ganz besonderem Maß widerstreitende Zielsetzungen berührt, die im Sinne einer integrativen Politik zu berücksichtigen sind: Hafenausbau und Hinterlandanbindungen bei einer maßvollen Abwägung von Umweltrisiken und Arbeitsmarktund Ausbildungspotenziale bei gleichzeitiger Sicherstellung von sozialen Standards und von Beschäftigungsstandards. Die Konfliktlinien, die sich dabei ergeben, haben die Diskussionen um Port Package II mehr als deutlich gemacht.

Wir können hier natürlich nur auf wenige Aspekte des umfangreichen und - wie ich finde - sehr guten Berichts eingehen. Deshalb beantrage ich die Überweisung des Berichts zur weiteren Beratung federführend an den Europaausschuss und mitberatend an den Wirtschaftsausschuss.

(Beifall bei SPD und SSW)

Ich danke Frau Abgeordneter Langner. - Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Für Schleswig-Holstein als Land zwischen Nord- und Ostsee hat die Meerespolitik, die Nutzung der Ressourcen, die durch das Meer bereitgestellt werden, aber natürlich auch der Schutz der Meere eine herausragende Bedeutung. Was für Schleswig-Holstein regional gilt, gilt insgesamt auch für eine europäische Meerespolitik. Die Küsten der Europäischen Union reichen heute von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer. Wir haben auf der Ostseeparlamentarierkonferenz erlebt, dass auch von der Parlamentspräsidentin aus Georgien ein Grußwort der

Kollegen der Küstenanrainer der Schwarzmeergebiete gesprochen wurde.

(Zuruf)

- Keineswegs, Herr Kollege. - Europäische Meerespolitik ist für die EU insgesamt, für viele Teilregionen Europas wichtig, aber für die Ostsee-Anrainerstaaten in ganz besonderer Weise. Vor diesem Hintergrund hat eine gemeinsam aufeinander abgestimmte Meerespolitik innerhalb der EU, aber auch mit den angrenzenden Nicht-EU-Staaten, eine besondere Bedeutung auch für unser Land. Wir Liberale begrüßen es, dass sich die EU-Mitgliedstaaten auf den Weg gemacht haben, eine gemeinsame oder integrative europäische Meerespolitik zu entwickeln. Dabei sind die potenziellen Betätigungsfelder vielfältig und lesen sich wie ein Querschnitt aus allen Ressorts und politischen Aufgabenfeldern. So versucht die integrative Meerespolitik beispielsweise die Themenfelder Offshore-Technik, Gashydrate und mineralische Ressourcen, Schiffssicherheit, Schiffbau, Planungsfragen, Umweltfragen, aber auch die verkehrliche Anbindung des Küstenraumes an andere Wirtschaftsräume im Hinterland unter einen gemeinsamen Hut zu bringen. Diese Beispiele, die für einen noch weitaus größeren Katalog an Maßnahmen stehen, umzusetzen, ist ehrgeizig, aber der Bedeutung der Thematik angemessen.

Meine Damen und Herren, gerade Schleswig-Holstein wird von einer solchen Vernetzung profitieren. Wir sind im Schiffbau Hightech-Standort. Im Bereich der Offshore-Technik hat das Land einiges zu bieten. Für den Tourismus, aber auch für die Fischerei muss das Land ein besonders großes Interesse an einem guten ökologischen Zustand der Nord- und Ostsee haben.

(Beifall des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Meine Damen und Herren, auf der Ende August in Berlin durchgeführten 16. Ostseeparlamentarierkonferenz hat Bundesumweltminister Gabriel, vielleicht auch ein bisschen aus taktischen Gründen mit Blick auf die nächsten Treffen des HELCOM-Ministerrates im Herbst, erklärt - ich gebe das jetzt sinngemäß wieder -, das sei quasi die letzte Chance für eine gemeinsame Umweltpolitik im Ostseeraum. Wie gesagt, ich werte das auch als eine politische Äußerung mit dem Ziel, einen gewissen Druck auszuüben, möchte aber hinzufügen: Vielleicht ist es mit Blick auf die politischen Verhältnisse in Polen, die Wahlkampfsituation dort, momentan doch etwas ratsamer, zu sagen, wir warten einmal ab, wie sich die Verhältnisse dort politisch entwickeln, wie

(Anette Langner)

die nächste Regierung aussieht. Es ist wohl nicht zu erwarten, dass die derzeitige Regierung, zumal in der derzeitigen Wahlkampfsituation, nachgeben wird, wo sie sich bisher bockbeinig angestellt hat. Das vielleicht noch als kurze Anmerkung dazu.

Wenn es dann im nächsten Frühjahr im Bereich von HELCOM eine vernünftige Einigung gibt, dann ist das zeitlich auch okay, dann muss man nicht den November als zeitliche Deadline angeben. Aber wie gesagt, die Äußerungen von Herrn Gabriel habe ich auch als politisches Signal mit dem Ziel verstanden, Druck auszuüben.

(Zuruf des Abgeordneten Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Das können wir mal gesondert diskutieren; darauf will ich jetzt nicht eingehen, Kollege Matthiessen.

Zum Umweltschutz gehört natürlich ganz zentral auch das Thema Sicherheit des Seeverkehrs. Nach dem „Pallas“-Unfall von 1998 hat man gerade in Schleswig-Holstein gelernt, welche ökologischen Probleme sich da ergeben können. Es ist nach wie vor vieles nicht befriedigend gelöst. Die Lotsenpflicht etwa im Bereich der Kadetrinne, die wir einfordern, muss unbedingt noch kommen, weil sonst das Risiko wirklich erheblicher Umweltbeeinträchtigungen durch Schiffsunglücke einfach unerträglich wird.

Stichwort Forschung: Ich möchte noch kurz anmerken, dass das für unser Land, das im Bereich der Meeresforschung praktisch internationalen Rang auch mit unserem Leibniz-Institut für Meereswissenschaften hat -

(Rolf Fischer [SPD]: Nun loben Sie mal den Bericht!)