Protokoll der Sitzung vom 12.10.2007

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die heutige Sitzung und begrüße Sie alle sehr herzlich. Ich darf Ihnen mitteilen, dass die Abgeordneten Monika Schwalm, Frank Sauter, Sandra Redmann, Ulrike Rodust und Dr. Heiner Garg sowie Ministerpräsident Peter Harry Carstensen erkrankt sind. - Gute Besserung von dieser Stelle an die Erkrankten!

(Beifall)

Beurlaubt sind Abgeordneter Lothar Hay, Ministerin Dr. Trauernicht, Minister Dietrich Austermann der jetzt noch bei uns ist - sowie Innenminister Dr. Stegner und Finanzminister Rainer Wiegard. Diese Liste ist sehr lang.

Ich begrüße mit Ihnen auf der Besuchertribüne Schülerinnen und Schüler der Bertolt-Brecht-Realschule aus Büdelsdorf - herzlich willkommen! - sowie Mitglieder der Fortbildungsakademie der Wirtschaft. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 12 auf:

Perspektiven für den Mittelstand in SchleswigHolstein

Große Anfrage der CDU Drucksache 16/1316

Antwort der Landesregierung Drucksache 16/1621

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Zur Beantwortung der Großen Anfrage erteile ich dem Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr, Herrn Dietrich Austermann, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass wir über dieses erfreuliche Thema gleich am Freitagmorgen miteinander sprechen können: die Perspektiven für den Mittelstand. Ich danke zunächst für die Anfrage. Ich glaube, dass man feststellen kann, dass es so eine umfassende Darstellung der wirtschaftlichen Situation - dieses wichtigen Teils unserer Wirtschaft - bisher nicht gegeben hat. Deswegen möchte ich mich zunächst bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedanken. Da schließe ich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den anderen Häusern ein, insbesondere

aus dem Finanzministerium, aus dem Innenministerium und aus dem Arbeitsministerium. Ich denke, sie haben eine gute Arbeit für das geleistet, was vorgelegt worden ist.

(Beifall)

Aus den 80 Antworten auf die 80 Fragen ergibt sich ein sehr gesundes und dynamisches Bild unseres Wirtschaftsstandortes. Daraus wird wieder einmal deutlich, dass Wirtschaftspolitik in Schleswig-Holstein faktisch Mittelstandspolitik ist. Es sind zwar immer wieder die großen Unternehmen - ich brauche nur das Thema Motorola anzusprechen -, die die Schlagzeilen bestimmen, aber man konnte auch positive Nachrichten in den letzten Monaten vernehmen: Caterpillar, REpower, Ethicon oder Dräger. Die Zahlen gehen deutlich nach oben.

Tatsächlich dominieren auch die kleinen und mittleren Unternehmen den Alltag unserer Wirtschaft. 99,7 % der Unternehmen gehören zum Mittelstand, 77 % der Arbeitnehmer sind dort beschäftigt und 54,3 % des Gesamtumsatzes werden in kleinen und mittleren Unternehmen erarbeitet. Damit ist Schleswig-Holstein deutlich mittelständischer strukturiert als andere Bundesländer. Das bringt Probleme mit sich, das hat aber auch viele Vorteile. Ich glaube, dass die Vorteile überwiegen.

(Beifall des Abgeordneten Detlef Matthies- sen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wenn man sich auf die reine Betrachtung des wirtschaftlichen Wachstums beschränkt, wird man unter Umständen in der Summe zu einem falschen Ergebnis kommen und sich dann wundern, warum unser Wachstum nicht so stark ist wie gelegentlich in anderen Bundesländern. Wenn Sie sich allerdings die Realität der Betriebe ansehen und die Entwicklung des Arbeitsmarktes, dann ergibt sich ein völlig anderes Bild.

Unsere Wirtschaftsstruktur ist nämlich nicht wie in anderen Bundesländern - so abhängig von den großen Schwankungen auf den Weltmärkten und Schleswig-Holsteins Mittelstand hat Stärken vorzuweisen, die keinen Vergleich zu scheuen brauchen. Ich denke, wir haben neue Weichenstellungen vorgenommen und damit auch die Entwicklung positiv beeinflusst. Wir sind besonders gut bei der Finanzierung von kleinen und mittleren Unternehmen. Mit der Investitionsbank, der Bürgschaftsbank und der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft haben wir in Schleswig-Holstein ein Instrumentarium, um das uns manche anderen Bundesländer beneiden. Wir haben neue Programme dafür aufgelegt und alte Programme, die nicht so wir

kungsvoll waren, beendet. Insbesondere kann man sagen, die Förderung greift.

Das Gleiche gilt für die Aus- und Weiterbildung. Wir hatten noch nie so viele Schulabgänger wie in diesem Jahr. 33.000 junge Leute haben die Schule verlassen. Wir haben einen 15-Jahres-Rekord an Lehrstellen, die wir gestern mit Herrn Goecke von der Arbeitsagentur präsentieren konnten. Ich denke, das ist erfreulich.

(Beifall bei CDU, SPD und SSW)

Auch das ist ein Ergebnis, das wir den kleinen und mittleren Unternehmen zu danken haben. Es steht fest: Je größer der Betrieb, desto geringer ist die Zahl der Ausbildungsplätze. Leider ist das so und oftmals beklagen die Mittelständler bei Betriebsbesuchen, dass die Großen ihnen die ausgebildeten Fachkräfte abwerben.

Eine weitere Stärke unseres Landes Schleswig-Holstein ist das Instrumentarium zur Unterstützung der Unternehmen bei Auslandsaktivitäten. Wir haben auch dies umgestellt. Das WTSH-Büro in China ist so gut, dass uns sogar die Bayern darum beneiden.

Ich denke, auf diese Erfolge können wir mit Fug und Recht stolz sein und darauf aufbauen.

Wir dürfen uns darauf aber nicht ausruhen. Ich möchte fünf Handlungsfelder ansprechen, in denen ich glaube, dass sich der Mittelstand in SchleswigHolstein weiterentwickeln muss und über die es uns gelingen muss, die Wachstums- und Innovationskräfte des Mittelstandes zu stärken.

Erstens. Wir setzen auch in Zukunft weiter massiv auf Aus- und Weiterbildung. Das Thema Weiterbildung und demografische Entwicklung spielt nachher noch eine gesonderte Rolle, sodass ich mich hier relativ kurz fassen kann. Die Standorte mit den qualifiziertesten Arbeitskräften werden in Zukunft eine besondere Chance haben. Das Land oder die Betriebe, die besonders viele qualifizierte Arbeitskräfte haben, werden die Nase vorn haben. Dort wird investiert, dort wird neues Wachstum entstehen.

Ich denke, dass wir auch unser erfolgreiches Ausbildungssystem und die für alle Seiten gewinnbringende Kooperation von Politik, Verwaltung, Kammern und Unternehmen intensiv fortsetzen werden, die überbetriebliche Ausbildung verbessern und dafür sorgen, dass junge Menschen in Schleswig-Holstein erstklassige Entwicklungschancen haben, sei es durch eine Ausbildung oder durch ein Studium.

Ich möchte hier eine Anmerkung machen, die die Frage betrifft, wie wir nicht nur mit den Schulab

(Minister Dietrich Austermann)

gängern, sondern auch mit den älteren Bewerbern umgehen. Wenn Sie sich die Statistik ansehen, werden Sie feststellen, dass 75 % der Ausbildungsplätze mit jungen Leuten besetzt sind, die die allgemeinbildenden Schulen gerade verlassen haben. 25 % kommen aus dem Bereich derer, die weitergebildet, weitergeschult, für das Berufsleben vorbreitet wurden oder die Altbewerber sind. Wenn man feststellt, dass die Zahl der Lehrstellen gestiegen ist, aber die Zahlen an anderen Stellen gesunken sind, dann ist klar, dass auch in diesem Jahr die Entwicklung sich deutlich zugunsten der Altbewerber fortgesetzt hat. Wir lassen niemanden am Rande stehen oder sitzen, der bereit ist, eine Ausbildung zu machen. Dafür werden wir auch in Zukunft unsere Kraft einsetzen.

Ich möchte auch darauf hinweisen, dass wir ein besonderes Programm „Weiterbildung für Beschäftigte“ im KMU aufgelegt haben. Hier haben wir Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds eingesetzt. Hier werden Kosten für Seminare bezahlt. Wir zahlen praktisch 100 % der Weiterbildung von Mitarbeitern in kleinen und mittleren Unternehmen, wenn sich der Betrieb verpflichtet, die Mitarbeiter nach der Weiterbildung weiterzubeschäftigen, was im eigenen Interesse liegt. Ich glaube, dies ist ein besonders wirkungsvolles Programm.

Das zweite Handlungsfeld, das ich sehe, ist der Ausbau des Technologietransfers. Wir müssen einiges tun, um den Technologietransfer von den Hochschulen in die Wirtschaft und von der Wirtschaft in die Hochschulen zu verbessern. Das gilt speziell bei einem mittelständisch strukturierten Land, denn kleine und mittlere Unternehmen haben keine Forschungslabors, haben keine wissenschaftlichen Einrichtungen. Deswegen müssen wir Ihnen durch die Zusammenarbeit mit den Hochschulen und Kooperation zwischen Wirtschaft und Wissenschaft helfen. Da gibt es neue Entwicklungen.

Ich habe bereits angekündigt, dass wir ein Technologietransfergesetz vorbereiten, das bestimmte Dinge künftig anders strukturiert, um die Möglichkeit zu einem Eingangsportal für die Wirtschaft und ein Eingangsportal für die Wissenschaft zu schaffen und damit sicherzustellen, dass die Betriebe optimal an technologische Entwicklungen gelangen und die Zusammenarbeit noch besser funktioniert.

Der dritte Bereich ist die Fortsetzung unserer Außenwirtschaftsoffensive. Sie war bisher erfolgreich. Bei der Bilanz des Jahres 2007 werden wir aber, was die Außenwirtschaftszahlen betrifft, keine so positive Resonanz bekommen. Allein ein Betrieb in Flensburg, der Mitarbeiter abbaut und dessen Umsatz drastisch eingebrochen ist, verhagelt uns

die gesamte Bilanz. Deswegen sollten Sie sich dadurch nicht irritieren lassen.

Wenn Sie nach der Realität der Betriebe fragen, werden Sie feststellen: Jeden Tag werden in Schleswig-Holstein von den Unternehmen 50 Mitarbeiter eingestellt. Dabei handelt es sich um die kleinen und mittleren Betriebe. Orientieren Sie die Beantwortung der Frage nach dem Wachstum bitte an der Zahl der Beschäftigten und an deren Entwicklung sowie an der Arbeitslosenquote, weniger an offiziellen Statistiken. Manchmal sollte man auch weniger auf die Bewertung durch die Verbände geben. Gelegentlich sagen die Verbände, die Wirtschaft glaube nicht mehr an die Politik.

(Holger Astrup [SPD]: Wen meinen Sie da- mit?)

Der Kollege Schröder ist noch nicht da. Er sollte das, was ich gesagt habe, nicht als rufschädigend ansehen. Ich war am Montag zumindest zeitweise dabei, als eine Klausurtagung der Wirtschaftspolitiker der Koalitionsfraktionen stattfand. Es war ein sehr harmonisches Treffen.

(Beifall bei der CDU - Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein seltenes Ereignis!)

- Ja, gut. Aber Sie bemühen sich doch, nach außen den Eindruck zu erwecken, als wenn diese Leute, wenn sie nebeneinandersitzen, aufeinander einschlagen. In der Realität ist es ein ganz anderes Bild.

(Beifall bei der CDU)

Ich glaube, aus dieser Zusammenarbeit ergeben sich viele Entscheidungen, die für unsere Wirtschaft positiv wirken und auch schon bisher gewirkt haben. Wir haben bis auf wenige - manchmal zentrale - Punkte eine grobe Meinungsübereinstimmung in den wichtigen Fragen zu verzeichnen. Dazu gehört auch, dass wir sagen: Wir tun das Beste für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes gemeinsam.

Der dritte Bereich ist also die Außenwirtschaftsoffensive. Sie läuft hervorragend und fördert die Außenwirtschaftsbeziehungen der kleinen und mittleren Unternehmen.

Der vierte Bereich heißt: Stärken stärken. Das betrifft die Förderung von Unternehmen. Manch einer sagt ja, es sehe so aus, als ob die Großen wesentlich stärker gefördert würden. Wir haben die Mittelstandsförderung in den letzten Jahren vervierfacht. Das mag zum Teil daran gelegen haben, dass in den Jahren 2000 bis 2004 die Unternehmen weniger

(Minister Dietrich Austermann)

Hilfen abgefragt haben, weil ihre wirtschaftliche Lage schlechter war. Faktum ist jedenfalls, dass wir die Investitionshilfen vervierfacht haben. Von der Gesamtheit der Förderung durch Zuschüsse, Darlehen, Bürgschaften und Beteiligungen in Höhe von 1,5 Milliarden € sind 1,3 Milliarden € an kleine und mittlere Unternehmen gegangen. Das macht deutlich, dass wir einen ganz eindeutigen Schwerpunkt bei den kleinen und mittleren Unternehmen setzen.

Der vierte und letzte Bereich ist die Infrastruktur. Zu den Maßnahmen, die wir natürlich besonders brauchen, um die wirtschaftliche Situation im Land zu verbessern, gehört die Förderung der Infrastruktur. Ich brauche die einzelnen Projekte, weil sie an anderer Stelle immer wieder gesondert diskutiert werden, heute nicht zu erwähnen. Für mich ist es aber ein wichtiges Thema. Ein Land mit hervorragenden Verbindungen kann auch eine hervorragende Wirtschaftspolitik machen und da können die Unternehmen auch hervorragend wirtschaften.

Ich denke, die Beantwortung der Großen Anfrage hat deutlich gemacht, dass sich unser Bundesland im Aufschwung befindet und wir in einer Situation sind, die im Vergleich mit anderen Bundesländern gut ist. In Bezug auf die Arbeitslosigkeit haben wir inzwischen Platz fünf erreicht; vor ein paar Jahren war das noch anders. Wir haben einen Zuwachs bei der Beschäftigung zu verzeichnen. Interessanterweise gibt es einen Rückgang der Arbeitslosigkeit, und zwar bei Langzeitarbeitslosen, auch und in besonders starkem Maße bei über 50-Jährigen.

Dies ist eine Antwort auch auf die Frage, an welcher Stelle Reformen richtig waren oder eventuell korrigiert werden müssen.

(Beifall bei CDU und Abgeordneten der SPD)

Dieses Land befindet sich jedenfalls im Aufschwung. Ich danke den Fraktionen, die diese Politik unterstützen, für die Arbeit, die sie dafür geleistet haben.