Protokoll der Sitzung vom 21.11.2007

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Organtransplantationen gehören seit etwa zwei Jahrzehnten zum therapeutischen Standard. Viele Patientinnen und Patienten verdanken der Transplantationsmedizin ihr Leben oder eine entscheidende Verbesserung ihrer Lebensqualität. Dennoch sterben Jahr für Jahr Patienten, die durch eine Organtransplantation vermutlich hätten gerettet werden können, für die aber nicht rechtzeitig ein Organ zur Verfügung stand.

Organmangel ist ein chronisches Problem der Transplantationsmedizin in allen Ländern. In Deutschland ist das Problem aber besonders ausgeprägt.

Seit nunmehr fast zwei Jahren debattieren wir deshalb über das von uns, der FDP-Landtagsfraktion, durch Heiner Garg, vorgelegte Ausführungsgesetz zum Transplantationsgesetz, um die Stellung der Transplantationsbeauftragten in Schleswig-Holstein durch eine gesetzliche Regelung zu stärken, in der Hoffnung, dass diese durch ihre Vermittlungsarbeit den Organmangel ein wenig abmildern können.

Das vor knapp zehn Jahren in Kraft getretene Transplantationsgesetz erhob den Anspruch, die Bereitschaft zur Organspende zu erhöhen und vor allem für eine „gerechte“ und nachvollziehbare Verteilung der gespendeten Organe zu sorgen.

Umso schwerer wiegt deshalb der kürzlich erhobene Vorwurf, dass bestimmte Patientengruppen in Deutschland gegenüber anderen bevorzugt würden. Wir müssen aber vorsichtig mit dem Vorwurf sein, dass womöglich Kassenpatienten anders als Privatpatienten behandelt werden. Gerade, wenn es darum geht, aus den vorhandenen Zahlen die richtigen Schlüsse zu ziehen, ist Vorsicht geboten.

Allerdings warne ich vor einer Doppelmoral, wenn jetzt Vorwürfe gegenüber dem Universitätsklinikum überprüft werden sollen. Immerhin war es erklärtes Ziel der Politik der Landesregierung, gezielt ausländische Selbstzahler zu umwerben.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist so!)

Das gilt nicht nur im Rahmen von Patientenbrücken mit den skandinavischen Nachbarn - Stichwort Norwegen, vor einigen Jahren -, sondern auch für

(Jutta Schümann)

den Bereich der Organtransplantation. Zuletzt hat Frau Gesundheitsministerin Trauernicht auf der ARAB HEALTH in Dubai um eben diese Selbstzahler außerhalb des Eurotransplant-Bereiches geworben.

(Ministerin Dr. Gitta Trauernicht: Das ist falsch! - Wolfgang Kubicki [FDP]: Natür- lich, das haben wir schriftlich!)

- Frau Ministerin, ich zitiere aus der Presseinformation Ihres Ministeriums: „Gesundheitsmesse ARAB HEALTH in Dubai war für schleswig-holsteinische Unternehmen sehr wichtig.“ Ich glaube, Sie sind vor Ort gewesen. In der Pressemitteilung vom 2. Februar 2007 lautet ein Satz:

„So wurde zum Beispiel eine Projektskizze zur Transplantation vom UK S-H für das Gesundheitsministerium Dubais vereinbart.“

(Ministerin Dr. Gitta Trauernicht: Dort in Dubai!)

- Ja, aber Sie verweisen in Ihrer Pressemitteilung darauf, dass das dort auf der Gesundheitsmesse in Dubai vereinbart worden sei. Dazu kann ich nur sagen: Wer einerseits so agiert, sollte andererseits nicht später „Haltet den Dieb!“ rufen. Das passt nicht so ganz zusammen.

(Beifall bei der FDP)

Nach welchen Kriterien sollen Spenderorgane gerecht verteilt werden, wenn die Nachfrage nach Organen das Angebot stets deutlich übersteigt? Gelingt dem derzeit geltenden Transplantationsgesetz diese Gratwanderung? - Sie gelingt nicht so, wie das eigentlich sein sollte. Das liegt aber nicht am Versichertenstatus, sondern an der derzeitigen Rechtslage. Das Gesetz selbst enthält nur die vage Vorgabe, dass Entscheidungen ,,insbesondere nach Erfolgsaussicht und Dringlichkeit" zu treffen sind. Wer aber soll und vor allem wer darf diese Kriterien festlegen und wer wacht dann über deren Einhaltung? Gegen wen, gegen was und wo soll zum Beispiel ein nicht in die Warteliste aufgenommener oder ein übergangener Patient einen Anspruch durchsetzen können?

Das Transplantationsgesetz gibt hierauf keine Antwort und blendet dieses zentrale Problem schlicht aus, indem es die Festschreibung elementarer Entscheidungskriterien an Dritte überträgt. Nur so konnte es beispielsweise passieren, dass das zumindest nachvollziehbare Entscheidungskriterium der Wartezeit durch Beschluss der Bundesärztekammer seit Dezember des vergangenen Jahres wegfiel.

Die Politik, die sich Einflussmöglichkeiten nahm und damit Verantwortung delegierte, echauffiert sich heute darüber, dass im Einzelfall Patienten aus dem Nicht-Eurotransplantraum sich auch in Schleswig-Holstein zu einer Lebendspende anmelden, dann aber aus medizinischen Gründen über Eurotransplant ein Organ eines hirntoten Spenders erhalten, eine Organspende, auf die möglicherweise ein Patient aus dem Eurotransplantraum schon mehrere Jahre gewartet hat. Der jetzt erfolgte Aufschrei der politisch Verantwortlichen ist nur dann glaubhaft, wenn er zu Konsequenzen führt, die die bestehenden Mängel des derzeitigen Gesetzes beseitigen. Im Ergebnisbericht erwarte ich deshalb Antworten, welche Änderungen im Transplantationsrecht vorgenommen werden müssen. Dazu gehört für mich auch eine vorurteilsfreie Diskussion über die Einführung einer Widerspruchslösung oder die Festschreibung der Richtlinien im Rahmen einer Bundesverordnung, für die die Bundesärztekammer fachliche Vorschläge unterbreitet.

(Beifall bei der FDP)

Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug und erteile für den SSW Herrn Abgeordneten Lars Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Laut einer Studie des Bundesgesundheitsministeriums bekommen Privatversicherte 60 % mehr Nieren-, 101 % mehr Lungen- und 127 % mehr Herztransplantationen, als ihnen zahlenmäßig zustehen würden. Ich denke, dass ich nicht zu hoch greife, wenn ich die Befunde für so grundlegend halte wie vor einigen Jahren die Ergebnisse der PISA-Studie im Schulwesen. Ich will auch erklären, warum: Jahrelang hat man sich in Deutschland in der falschen Sicherheit gewogen, dass die schulischen Chancen unabhängig von sozialer Herkunft, Wohnort und finanzieller Möglichkeiten der Eltern seien. PISA hat dann gezeigt, dass das Gegenteil der Fall ist. In kaum einem anderen Industrieland entscheidet der soziale Status stärker über das schulische Abschneiden als in Deutschland. Jetzt kommt sozusagen der PISA-Schock fürs Gesundheitswesen, wo sich Patienten und Beitragszahler darauf verlassen, dass angesichts hoher finanzieller Belastungen von Beschäftigten und Arbeitgebern zumindest ein gerechter Zugang zu Gesundheitsleistungen garantiert ist. Nun zeigt sich allerdings, dass im Gesundheitswesen offenbar nicht nach der

(Dr. Ekkehard Klug)

Schwere des Falles und seiner Dringlichkeit entschieden wird. Nicht der Kranke erhält die beste Versorgung, der am kränksten ist, sondern derjenige, dessen Privatversicherung die höchsten Honorare zahlt.

Es steht zu befürchten - genaue Analysen stehen allerdings noch aus -, dass trotz eines strengen Regelwerkes bei der Zuteilung der äußerst knappen Organe nicht ausschließlich nach medizinischen Kriterien, sondern auch nach dem Geldbeutel verteilt wird. Das muss vor allem diejenigen verunsichern, die im guten Glauben der Organentnahme zugestimmt haben, dass dieses Organ eben nicht verschachert wird. Wir haben gehört, dass die Spendenzahlen zurückgegangen sind. Es ist kaum wieder gutzumachen, wenn sich die Bevorzugung von Privatpatienten bei der Zuteilung erhärten sollte.

Das Bundesgesundheitsministerium, das die Statistik nach den Kieler Vorfällen herausgegeben hat, dementiert in diesem Punkt nachdrücklich. Es ginge überhaupt nicht um den Geldbeutel des Patienten, schließlich fänden sich unter den Privatversicherten ja auch Beamte und Soldaten. Diese Personengruppe würde bekanntermaßen nicht über die höchsten Einkommen verfügen. Man will uns glauben machen, dass man sich mehr Gesundheit nicht kaufen könne. Richtig ist an dieser ministeriellen Faktenhuberei lediglich, dass es nicht auf den Geldbeutel des Patienten, wohl aber auf seinen Versicherungsstatus ankommt. Es geht nicht um die Frage, ob es sich um einen Beamten oder um einen Großverdiener handelt, sondern um die jahrelang geduldete Privilegierung bestimmter Patientengruppen durch die Zweiteilung des Gesundheitswesens. Eine Privatversicherungsgesellschaft bezahlt dem Arzt oder dem Krankenhaus für die gleiche Leistung mehr als eine gesetzliche Kasse. Da ist es kaum eine Überraschung, dass die durchschnittlich weit gesünderen Privatpatienten an teuren Verfahren überdurchschnittlich partizipieren.

Diese Privilegierung wird anhalten, solange die Gesundheitspolitik unterschiedliche Honorarhöhen für ein und dieselbe Leistung toleriert und sogar das hat man beim Pflegekompromiss der Berliner Regierung erst vor wenigen Monaten gesehen weiterhin massiv unterstützt. Unterschiedliche Honorarhöhen müssen weg, sie sind der eigentlich Kern des Übels. Es liegt einfach in der menschlichen Natur, Leistungen zu bevorzugen, für die man mehr Geld bekommt. Wenn also der Kassenpatient für eine Blutdruckmessung oder eben für eine Transplantation weniger Geld bringt, dann wird er

gegenüber dem Privatpatienten das Nachsehen haben.

All das, über das in den letzten Jahren Konsens bestand, nämlich Diagnosegruppen, Fallpauschalen, Budgets zur Kostenbegrenzung, wird durch die unterschiedlichen Honorarsätze hinterrücks torpediert. Es ist durchaus zu befürchten, dass die überdurchschnittliche Partizipation an Transplantationen nur einer von mehreren ungleichen Zugängen innerhalb des deutschen Gesundheitswesens ist. Das Gerechtigkeitsproblem gilt wahrscheinlich auch für Krebstherapien, Präventionsprogramme und Neugeborenenversorgung, um nur einige zu nennen. Darum müssen die Honorarunterschiede endlich beendet und ein einheitliches Gesundheitssystem etabliert werden. Erst wenn das vereinheitlicht ist, kann man mit gesetzlichen Regelungen, mit Eurotransplant, entsprechend in das System eingreifen. So lange wir zwei unterschiedliche Systeme mit unterschiedlicher Entlohnung haben, solange wird sich dieses System so verhalten, wie es sich jetzt verhalten hat.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke Herrn Abgeordneten Lars Harms. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, ich schließe damit die Beratung. Ich stelle zunächst fest, dass der Berichtsantrag in Absatz 1 der Drucksache 16/1696 durch die Berichterstattung der Landesregierung seine Erledigung gefunden hat.

Ich lasse jetzt über Absatz 2 des Antrages Drucksache 16/1669 abstimmen, mit dem ein schriftlicher Bericht der Landesregierung zur 30. Tagung erbeten wird.

Es ist beantragt, den Absatz 2 des Antrages 16/1696 dem Sozialausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. Die Gegenprobe! - Das ist so beschlossen.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Der Bericht ist jetzt nicht beschlos- sen? Hat irgendjemand die Ausschussüber- weisung beantragt? - Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Abstimmung in der Sache ist bean- tragt! - Weitere Zurufe)

- Entschuldigung. Der Berichtsantrag in Absatz 2 wird jetzt noch einmal zur Abstimmung gestellt. Wo er dann behandelt wird, überlassen wir dem Sozialausschuss.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Abstimmung in der Sache!)

(Lars Harms)

- Lieber Kollege Klug, es wird jetzt abgestimmt, ob der im zweiten Absatz geforderte Bericht gegeben werden soll.

(Zurufe: Genau! Richtig!)

Also, ich bitte um das Handzeichen, wer dem Absatz 2 des Antrages Drucksache 16/1969 zustimmen will. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist das so beschlossen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 26 und 31 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Menschenwürde über den Tod hinaus

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/1697 (neu)

b) Sozialbestattungen gemäß SGB XII

Antrag der Fraktionen von CDU und SPD Drucksache 16/1711

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende Fraktion Frau Abgeordneter Angelika Birk das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenigstens für die eigene Bestattung sparen zu dürfen, ist für manche Menschen schon ein Privileg, das sie nicht erhalten. Menschen, die aufgrund ihrer Bedürftigkeit Grundeinkommen im Alter oder wegen Erwerbsunfähigkeit Hilfe erhalten oder Pflege oder in manchen Fällen Eingliederungshilfe, dürfen nur 2.600 € auf dem Sparbuch behalten und Erwerbsunfähige unter 60 Jahren dürfen dort nur 1.600 € stehen haben. Das ist natürlich nicht viel Geld, wenn man daran denkt, dass eine Beerdigung mit Grabpflege bei 4.000 oder 4.500 € liegt. Für den Betrag, den die Landesregierung mit 3.000 € bemisst, bekommt man nicht viel, ich habe ein bisschen herumgefragt. Das gilt jedenfalls in den Städten, ich weiß nicht, ob es anderswo günstiger ist.

„Das reicht nicht einmal für eine anständige Beerdigung.“ Dieser Stoßseufzer von vielen alten Menschen ist durchaus berechtigt. Man kann vielleicht fragen, ob die Leute keine anderen Sorgen haben.

Durch meine Gespräche mit älteren Menschen und auch durch die Berichte der Bürgerbeauftragten, die uns dieses Thema mehrfach zur Behandlung ans Herz gelegt hat, weiß ich, dass das alte Menschen umtreibt. Es treibt sie um, wenn sie nicht wissen, wo sie begraben sein werden, wie sie begraben sein werden und insbesondere treibt es sie um, wenn sie nicht sehr begüterte Verwandte mit diesem Thema behelligen müssen. Sie wollen nämlich auf keinen Fall, dass die dann für die Kosten aufkommen müssen.