Protokoll der Sitzung vom 13.12.2007

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das beruhigt, Kollege!)

Wir Sozialdemokraten haben uns auch sehr ernsthaft mit der Entwicklung der Lotteriesteuern und der Konzessionsabgaben für den Landeshaushalt befasst. Ja, wir erwarten angesichts der neuen Rahmenbedingungen des Glücksspielstaatsvertrages mit weniger Werbung auch weniger Einnahmen für den Landeshaushalt. Das muss hier deutlich gesagt werden. Aber wir haben im Finanzausschuss auch über die Alternativen diskutiert. Die können im Worst Case bedeuten, dass Malta und Gibraltar bei einem Steuersatz von 0,2 bis 0,3 % über mehr Lotteriesteuern verfügen, aber unser Finanzminister relativ wenig, wenn nicht gar nichts in die Kasse bekommt.

Mit der Zustimmung zu diesem Staatsvertrag sichern wir - das ist uns wichtig - eine verlässliche Grundlage für die Förderung des Gemeinwohls und des Sports in diesem Lande. Mit Ihrer heutigen Zustimmung zum Lotteriestaatsvertrag, meine Damen und Herren, und dem entsprechenden Ausführungsgesetz ist, Kollege Sauter, die SPD bekannterweise in guter Gesellschaft. Ich nenne hier unseren Ministerpräsident Carstensen und den Innenminister Dr. Stegner. Auch bundesweit sind alle Ministerpräsidenten und alle Staatskanzleien der Auffassung, dass es derzeit zu diesem Staatsvertrag im Glücksspiel keine Alternative gibt; aus unterschiedlichen Gründen, da haben Sie völlig recht. Deswegen will ich hinzufügen, Kollege Kubicki, und auch an die Adresse der Grünen -

Herr Kollege Neugebauer, achten Sie bitte auf die Zeit.

Ich komme zum Schluss. - Weil ich die Erwartung habe, dass wir auch noch die Zustimmung von FDP und Grünen bekommen, will ich darauf hinweisen, dass in einigen Bundesländern sogar Abgeordnete von FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN diesem Glücksspielstaatsvertrag zugestimmt haben. So schlecht können unsere Argumente also nicht sein. Deshalb stimmen wir zu und stimmen bitte auch Sie zu!

(Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion der FDP erteile ich das Wort dem Herrn Oppositionsführer, dem Fraktionsvorsitzenden und Abgeordneten Wolfgang Kubicki.

(Günter Neugebauer)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Freunde von den Sozialdemokraten! Einen solchen Tiefpunkt an rechtskultureller Debatte habe ich bisher noch nicht erlebt.

(Beifall bei der FDP)

Kollege Neugebauer, dass Sie Europa- und Verfassungsrechtsfragen nun mittels Volksabstimmung entscheiden lassen wollen, finde ich ziemlich bedenklich. Ich kann Ihnen sagen, 70 % der Menschen wollen die Todesstrafe. Wollen jetzt auch die Sozialdemokraten die Todesstrafe? Das ist eine Argumentation, die wirklich unglaublich ist.

Die Fraktionen von CDU und SPD und die Abgeordneten des SSW wollen heute dem verfassungsund europarechtswidrigen Ausführungsgesetz zum Glücksspielstaatsvertrag zustimmen. Dies ist nicht nur die Auffassung der FDP, das ist die Auffassung der CDU jedenfalls bis noch vor drei Wochen gewesen.

(Beifall bei der FDP)

Es gibt eine eindeutige, apodiktische Erklärung des Kollegen Wadephul im Namen der Fraktion, dieser Glücksspielstaatsvertrag und das Ausführungsgesetz seien - „seien“ war seine Formulierung, er ist übrigens Jurist - europarechts- und verfassungswidrig. So soll ein staatliches Lottomonopol aufgebaut und erhalten werden, um die staatlichen Lotteriegesellschaften vier Jahre lang vor privatem Wettbewerb zu schützten. Um die Pfründe dieser Quasibehörden zu erhalten, opfern die Befürworter des Vertrages bereitwillig Zehntausende von Arbeitsplätzen bei privaten Spielvermittlern. Die Anhänger des Staatslottos schieben eine fadenscheinige Begründung vor: Sie wollen die Menschen vor der Lottosucht schützen, vor einer möglichen Sucht, die bisher in Deutschland kein Problem darstellt, wie wir auch aus Sachverständigengutachten beim Bundesverfassungsgericht gelernt haben. Damit fehlt der einzige verfassungsrechtlich zulässige Grund für ein staatliches Lottomonopol.

Denn die Befürworter des Staatsvertrages bleiben ja ihrer Auffassung treu, dass von Lotterien mit nicht mehr als zwei Gewinnausspielungen pro Woche regelmäßig keine besonderen Suchtanreize ausgehen. So steht es in § 25 Abs. 6 Nr. 3 des Staatsvertrages. Offen bleibt, warum dies nach 2008 anders werden soll, wo doch Jackpots verboten und Hauptgewinne auf 1 Million € begrenzt werden.

Das Netz der Widersprüche wird noch dichter, wenn wir berücksichtigen, dass die Landesregie

rung das Suchtpotenzial vor allem durch die Aussicht auf hohe Jackpot-Gewinne und tägliche Ausspielungen begründet, so in ihrer Antwort auf eine Frage des Kollegen Stritzl. Im Umkehrschluss müsste dann aber gelten, dass das Suchtpotenzial unmerklich ist, wenn Jackpots verboten, Hauptgewinne gedeckelt und die Ausspielungen auf zweimal pro Woche beschränkt würden. Dies ließe sich auch ohne staatliches Lottomonopol durchsetzen. Damit ist das staatliche Lottomonopol verfassungswidrig, weil es erheblich mildere Mittel gibt, um die mögliche Gefahr der Lottosucht wirkungsvoll zu begrenzen.

(Beifall bei der FDP)

Im Staatsvertrag wird auch das Glücksspiel im Internet verboten. Die Landesregierung begründet dies mit der Durchsetzung des Staatsmonopols. Da das Staatsmonopol verfassungswidrig ist, ist das Internetverbot ebenfalls rechtswidrig.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, deutlichere Hinweise der EU-Kommission genau zu diesem Punkt als die, die es gegeben hat, Kollege Neugebauer, kann es nicht geben. Sie werden erleben, dass die Europäische Kommission nach sehr kurzer Zeit das Verfahren einleiten wird.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Internetverbot verstößt auch gegen die Verfassung, weil es unzulässig in die Berufsfreiheit eingreift. Der Wissenschaftliche Dienst des Landtages hat dies überzeugend herausgearbeitet. Kollege Neugebauer, ich habe mir berichten lasen, dass die in der letzten Sitzung des Finanzausschusses von Ihnen teilweise unterbundene Konfrontation zwischen unserem Wissenschaftlichen Dienst und dem Innenministerium gezeigt hat, wo die Kompetenz sitzt.

Wir haben schon Hinweise darauf, dass dieser verfassungswidrige Eingriff in die Berufsfreiheit die Genehmigungsverfahren für die Übergangsfrist beim Internetspiel vorverlagert. Ich verweise auf eine Entscheidung der Bezirksregierung Oberpfalz. Es besteht die Gefahr, dass die Übergangsfrist zu einer reinen Alibiveranstaltung verkommt.

Darüber hinaus widerspricht das Verbot des Internetspiels europäischem Recht, wie die Europäische Kommission mehrfach und sehr deutlich ausgeführt hat.

Es setzt dem Fass allerdings die Krone auf, dass die Landesregierung die unsinnigen, verfassungswidrigen und europarechtswidrigen Regeln des Glücks

spielstaatsvertrages hier in Schleswig-Holstein sogar in Kraft setzen will, wenn der Staatsvertrag im Rest der Republik nicht zustande käme oder vorzeitig beendet würde. Welchem Zweck soll es dienen, unsere Unternehmen zu benachteiligen, dadurch zu vertreiben und so Wertschöpfung und Arbeitsplätze in Schleswig- Holstein zu zerstören, wenn sich der Rest der Republik diesen Unsinn erspart? Wir beantragen deshalb, den Gesetzentwurf so zu ändern, dass diese Weitergeltung des Vertrages als Landesgesetz entfällt.

Ich bin mir sicher, dass der Glücksspielstaatsvertrag keinen Bestand haben wird. Und ich bin mir sicher, dass dies in den Staatskanzleien der Bundesländer genauso beurteilt wird. Das Perfide daran ist, dass das Scheitern des Vertrages bereits eingepreist wurde, deshalb soll er ja nur vier Jahre lang gelten. Dann werden das Bundesverfassungsgericht oder der Europäische Gerichtshof in der Hauptsache gegen den Vertrag entschieden haben.

Das Problem ist nur, dass bis dahin ein blühender Wirtschaftszweig und mehrere zehntausend Arbeitsplätze in Deutschland vernichtet wurden - und alles nur, weil die staatlichen Lottogesellschaften sich vor dem Wettbewerb drücken wollen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, ich fand die Rede des Kollegen Sauter angesichts der Lage, in der er sich befindet, bemerkenswert.

(Beifall bei der FDP sowie vereinzelt bei CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Trotzdem - sage ich - ist es eine Schande für demokratisch gewählte Abgeordnete, gegen ihre eigene Überzeugung rechtswidrigen Verfahren zuzustimmen.

(Beifall bei der FDP)

Was um alles in der Welt wollen wir Willkürstaaten anlässlich ihres Gesetzgebungsverfahrens noch vorwerfen, wenn wir uns in entsprechender Weise verhalten? Es gilt der Grundsatz: Macht bricht nicht Recht. Ich bin der Kollegin Heinold für den Zwischenruf dankbar: Dankenswerterweise werden das Gerichte im Zweifel entscheiden.

(Beifall bei der FDP)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Frau Abgeordneter Monika Heinold das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit Monaten beraten alle Bundesländer über den Staatsvertrag zum Glücksspielwesen und über die entsprechenden Ausführungsgesetze. Im Laufe der Beratung konnten wir eine leichte Ahnung davon bekommen, wie echte Lobbyarbeit im Bundestag wohl aussehen mag.

Leichtgetan hat sich kein Bundesland mit dem von allen Ministerpräsidenten unterzeichneten Staatsvertrag - und auch in Schleswig-Holstein hatten wir lange Zeit eine etwas unübersichtliche Lage. Noch im Dezember 2006 hatte sich unser Ministerpräsident gegen die Unterzeichnung des neuen Staatsvertrages gewandt, dann gab er Mitte dieses Jahres klein bei und unterschrieb den Staatsvertrag. Seine eigene CDU-Fraktion hatte er aber bis zuletzt nicht hinter sich. Auch die Rede heute hat das hier noch einmal gezeigt.

So reisten Abgeordnete der CDU-Fraktion sogar nach Berlin, um andere Länder für ihre Idee eines liberalisierten Sportwettenmarktes zu mobilisieren, und sprachen anschließend sogar, Herr Arp, von einer landes- und parteiübergreifenden Unterstützung. Was, Kollege Arp, ist daraus geworden? Die Unterstützung ist ausgeblieben, alle Bundesländer so das Finanzministerium - werden wohl noch in diesem Jahr dem Staatsvertrag zustimmen.

Das Unbehagen der CDU-Fraktion wurde erneut im letzten Finanzausschuss deutlich - dort stimmten Abgeordnete der CDU gegen ihre eigene Überzeugung, das haben sie deutlich gesagt und das werden sie auch heute tun.

Warum ist das so? - Ganz einfach, wenn SchleswigHolstein aus dem Staatsvertrag aussteigt, droht die Ausschließung aus dem Lottoblock. Die SPD hat es sich da etwas einfacher gemacht. Von Anfang an war sie ein glühender Verfechter des Staatsvertrages, zollte dem Ministerpräsidenten Respekt und Unterstützung - bedingungslos, ohne weiter nachzufragen. Rechtliche Bedenken, drohende Klageverfahren? - Egal, Hauptsache Staatsmonopol und keine Liberalisierung, Augen zu und durch. So geht es auch nicht.

(Beifall bei der FDP - Günter Neugebauer [SPD]: Unerhört! Ich bin erschüttert!)

Die Liberalen hingegen - ganz anders - waren von Anfang an auf Liberalisierungskurs, haben auf der anderen Seite aber auch nicht ernsthaft darüber diskutiert - jedenfalls aus meiner Sicht -, ob es nicht doch möglich ist - wie von uns vorgeschlagen -,

(Wolfgang Kubicki)

zwar das Staatsmonopol zu erhalten, aber den Vertrieb zu liberalisieren.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das Lottomono- pol erhalten, die Sportwetten liberalisieren!)

Also parteipolitisch alles klar geregelt? - Pustekuchen. In Nordrhein-Westfalen beispielsweise hat die schwarz-gelbe Landesregierung dem Staatsvertrag zugestimmt, die FDP stramm auf Staatsmonopol-Kurs und die rot-grüne Opposition im Düsseldorfer Landtag hat den Staatsvertrag abgelehnt. Herr Neugebauer, so gut - um es mit Ihren Worten zu sagen - können Ihre Argumente also doch nicht sein.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Lachen und Beifall bei der FDP - Zurufe von der SPD)

- Rot-Grün, das habe ich ja gesagt.

Meine Fraktion hat bereits im September 2006 einen Landtagsantrag gestellt, der aus zwei Teilen bestand - ich habe das eben erwähnt - : Erhalt des staatlichen Glücksspielmonopols und Liberalisierung des Vertriebs. Damit wären - und deshalb unser Antrag - auch die erheblichen Bedenken des Kartellamtes ausgeräumt, das den im Staatsvertrag stark eingeschränkten Vertrieb als nicht rechtskonform einstuft - so das Kartellamt. Das muss man doch einmal zur Kenntnis nehmen! Gewerbliche Spielevermittler werden insbesondere durch das Glücksspielverbot im Internet in ihrer Berufsausübung stark beschränkt.

Weitere Bedenken haben wir, weil der Staatsvertrag Glücksspielformen mit sehr hohem Suchtpotenzial das ist erwähnt wurden -, Automaten und Pferdewetten, nicht berücksichtigt. Es gibt weitere rechtliche Fragen, die es zweifelhaft machen, ob der Glücksspielstaatsvertrag verfassungs- und europarechtlichen Prüfungen standhält.

Erste Schätzungen zeigen auch die drohenden finanziellen Verluste auf. Allein für 2008 prognostiziert die Landesregierung ein Minus in Höhe von 17,9 Millionen € aus Konzessionsabgaben und Lotteriesteuern. Gerade für die Erfüllung kultureller, sozialer, sportlicher und sonstiger gemeinnütziger Aufgaben wäre es bitter, wenn der Staatsvertrag zur Folge hätte, dass die Einnahmen nicht gesichert sind, sondern jährlich weiter einbrechen, Herr Neugebauer. Auch dies muss man hier in der Deutlichkeit sagen.