Protokoll der Sitzung vom 31.01.2008

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Gegenteil ist aber leider der Fall.

Schon im Dezember, als wir das Thema, wie es mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern weitergeht, zum ersten Mal mit großer Dringlichkeit auf die Tagesordnung gesetzt haben, war ein solcher Aufruhr, weil seitens der Klinikleitung nach dem Auslaufen des Beschäftigungspaktes als einzige Antwort auf anstehende Tarifverhandlungen die Forderung nach bis zu 30 % Lohnsenkung in die Öffentlichkeit kommuniziert wurde. Dem sind Sie nicht entgegengetreten, Herr Minister. Das finde ich unglaublich.

In der Dezember-Tagung des Landtages haben Sie angekündigt, dass im Januar wichtige Entscheidungen fallen. Die einzig wichtige Entscheidung, die jetzt gefallen ist - sie ist durchaus wichtig, aber es

ist nicht die einzig wichtige Entscheidung, die zu treffen ist -, ist die Frage des Verwaltungssitzes. Ansonsten tauchen Sie ab, was das gesamte Thema Uni-Klinikum angeht, und die Nachrichten haben seither nicht gestoppt.

Der Standort ist jetzt festgelegt. Das ist sicher sinnvoll. Noch unklar ist, wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter umziehen sollen. Meine Fraktion findet nicht, dass man jetzt teure Verwaltungsgebäude bauen muss, sondern dass man eine vernünftige Kommunikationsstruktur in diesem Klinikum schaffen muss, dass man auch unterhalb der Vorstandsebene arbeitsfähige Gremien und arbeitsfähige Entscheidungsstrukturen braucht. Genau daran hapert es.

Denn Sie setzen die Axt genau da an, wo das Pfund des Uni-Klinikums liegt: Das sind seine hoch qualifizierten und motivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wenn Sie genau an dieser Stelle mit der Axt ansetzen, zerstören Sie das Klinikum von innen heraus. Da nützt auch die Festlegung eines Verwaltungssitzes nichts mehr.

Im Vorgriff auf die gesetzliche Änderung haben Sie die Ausschreibung der kaufmännischen Vorstandsposition in einem zweiköpfigen Vorstand vorgenommen. Sie haben gerade bestätigt, dass Sie die Stelle auch so besetzen wollen. Nun kann man sagen, das sei eine Lappalie, wie das der Kollege Weber in der Dezember-Tagung gemacht hat. Aber es ist ein fatales Signal.

Denn gleichzeitig wurde durch Satzungsänderung im Aufsichtsrat im Dezember allen Pflegedirektorinnen und Pflegedirektoren das Leitungsrecht entzogen. Ein ungeheuerlicher Vorgang! Diese Menschen sind für 250 bis 400 Beschäftigte in Führungsverantwortung. Nun sind sie - wie vor der Klinikfusion - wieder der Ärzteschaft unterstellt. Das ist ein Schlag ins Gesicht für modernes Management. Die Klinikhierarchie des letzten und vorletzten Jahrhunderts mit den Ärzten als Halbgöttern in Weiß ist wieder eingeführt worden. Das ist ein wirklich fatales Signal für die hoch qualifizierten Leute, die im Pflegemanagement tätig sind, für die Pflege insgesamt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Es ist auch ein fatales Signal für die gesamte Ausund Fortbildungsstruktur, die neu geordnet wurde und die damit auch wieder in der Luft hängt.

Herr Austermann, ich kann überhaupt nicht verstehen, dass Sie das völlig ignorieren und auch nicht

(Vizepräsidentin Ingrid Franzen)

darauf eingehen, was jetzt aus dem Markterkundungsverfahren der KPMG wird. Für wesentliche Bereiche - das war in der Öffentlichkeit zu entnehmen; Sie haben hier im Dezember geleugnet, dass es so etwas gibt - ist ein Markterkundungsverfahren erfolgt, ohne Qualitätsstandards. Im Gegenteil, was in der Öffentlichkeit bisher an Dokumenten vorliegt, zeigt, dass das Markterkundungsverfahren eigentlich nur darauf abzielt, wer es am billigsten macht,

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

ohne dass irgendwie festgestellt wurde, was eigentlich genau gemacht werden soll. Dabei wurden nicht nur die Servicebereiche wie Reinigung oder Küche umfasst, sondern es ging bis in die Labore, in die Physiotherapie, in die Pflege hinein. So kann man ein UK S-H nicht führen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

In dem Zusammenhang ist davon die Rede, dass 700 bis 1.000 Arbeitsplätze weggespart werden sollen. Wir wissen, dass man sehr genau hingucken muss, welche Funktionen am UK S-H notwendig sind. Wir sind nicht generell gegen Ausgründungen in neue Rechtsformen. Wogegen wir aber sind, ist, dass diese Ausgründungen ausschließlich dazu benutzt werden, Menschen, die sowieso an der unteren Skala der Lohnhierarchie stehen, in eine Lage zu versetzen, dass sie unter Mindestlohn arbeiten müssen

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

und dass wir sie demnächst bei öffentlichen Institutionen in Kiel und Lübeck finden, weil sie ihre Wohnung nicht mehr bezahlen können, Wohngeld oder Unterkunftshilfe beantragen müssen. Das ist doch die Realität, vor der viele Menschen Angst haben.

Auf der anderen Seite der Hierarchie gibt es die hoch qualifizierten Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, die zum großen Teil wie auch im Management auf allen Hierarchieebenen und in allen Arbeitsbereichen inzwischen befristete Verträge haben. Das ist inzwischen der übliche Standard, auch an anderen Kliniken.

Herr Austermann, wenn Sie nun sagen, eine Wiederbesetzungssperre werde in den Fällen, in denen die Gesundheitsversorgung in Gefahr ist, natürlich ausgesetzt, dann hat der neue Kaufmännische Leiter als Erstes so einen Stapel von Papieren zu sichten,

weil natürlich fast jede Stelle unter der Maßgabe, dass sie sehr viele befristete Stellen haben, unter dieses Verdikt fällt. Das ist eine hilflose Strategie, eine Strategie, die mehr Arbeit an der Verwaltungsspitze verursacht, als dass sie Arbeit vermeidet und Verwaltungsvorgänge strafft.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Es ist das hilfloseste Instrument, das man immer hat, wenn man nichts anderes im Kopf hat als plumpe Sparmaßnahmen ohne Ziel, ohne Strategie.

Sie haben auf diese Weise die Chefärzte der Kliniken, die Ihnen bisher noch relativ ruhig gefolgt sind, weil sie Ihnen für Ihr Engagement in der Exzellenzinitiative dankbar sind, ebenfalls gegen sich aufgebracht, einmal wegen der Wiederbesetzungssperre, aber auch wegen der vielen ungelösten Fragen, die sich mit dem Medizinausschuss stellen.

Der Medizinausschuss - wir haben dieses Gremium immer abgelehnt - hat sich bisher als völlig handlungsunfähig erwiesen. Man sagt, Sie hätten die Gelder bisher weiterhin verteilt, weil sonst überhaupt keine Verteilung möglich gewesen wäre. Wer da im Einzelnen Schuld hat, ob nun die Lübecker oder die Kieler die Stureren sind, will ich gar nicht entscheiden.

Sie hätten bei den Stellen einschreiten müssen, die wir uns im wissenschaftlichen und Chefbereich ansehen, wer was macht, wie man Doppelstrukturen vermeiden kann, wie man vermeiden kann, dass ein Wettlauf entsteht, wer in der Orthopädie, in der Chirurgie oder auf welchem Gebiet auch immer die Nase vorn hat, Gelder beantragt, neue Stellen schafft und das Land auf diese Weise in die schwierige Lage führt, dem ruinösen Wettbewerb immer wieder mit Kostennachschiebungen hinterherlaufen zu müssen. Diesen Prozess wollten wir stoppen. Dazu sollte der Medizinausschuss dienen.

Nun ist das aber nicht passiert. Nach wie vor sind Stellen besetzt worden und das kostet das Land sehr viel Geld. Wir - das hat Rot-Grün getan, das haben Sie fortgeführt - haben gleichzeitig den Landeszuschuss an das Uni-Klinikum drastisch gesenkt. Die Krankenkassen sagen zu Recht, das UK S-H ist vor allem deswegen in Probleme gekommen, weil der Landeszuschuss gesenkt wurde. Ja, wir haben ihn gesenkt unter der Maßgabe, dass die entsprechenden Steuerungsentscheidungen im Hinblick auf Abteilungen, Institute im Klinikum und in der Universität getroffen werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Angelika Birk)

Wenn die notwendigen Entscheidungen nicht getroffen werden, Stellen im obersten Chefbereich munter weiter besetzt sind mit allem, was an Assistentenstellen und so weiter dazugehört, und gleichzeitig der Zuschuss ans Klinikum reduziert wird, entsteht natürlich zusätzlich zu dem DRG-Problem, das wir haben, das im ganzen Haus hier anerkannt wird und weswegen wir Ministerin Trauernicht in ihren Bemühungen auf Bundesebene unterstützen, ein Problem, das - und das ist besonders zynisch diejenigen ausbaden müssen, die am untersten Ende der Lohnhierarchie stehen. So kann es nicht gehen. Da ist Ihre Führungsverantwortung gefragt, Herr Minister Austermann.

Wie unglücklich Sie allein den Kommunikationsprozess in der Frage des Verwaltungsstandortes im Vorfeld geführt haben! Zum einen durch Abtauchen, zum anderen offensichtlich dadurch, dass Sie sich mit Ihrem Staatssekretär nicht richtig abgestimmt haben. Es sind jedenfalls aus Ihrem Haus verschiedene Hoffnungssignale an beide Städte gesandt worden. Wenn Sie das schon nicht schaffen, wie wollen Sie dann erst die sehr viel größere strukturelle Aufgabe lösen, sowohl was die Finanzierung seitens der Landesregierung als auch was die Frage der DRGs als auch vor allem was die Frage angeht, wer an welchem Standort zu welchen wissenschaftlichen Fragen arbeitet.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Dieses Problem müssen Sie lösen. Davor können Sie sich nicht länger drücken. Hierfür brauchen Sie gute Signale, hierfür brauchen Sie vor allem eine Abstimmung mit Herrn Schleifer.

Damit komme ich zum letzten Minuspunkt. Die Atmosphäre, die eingetreten ist, seit der Sanierer da ist, geht weit über das hinaus, was ein Sanierer immer an Ängsten und Befürchtungen auslöst. Es wird von einem feudalen Auftreten berichtet, es wird darüber berichtet, dass Mitarbeiter in hohen Stellungen ohne jegliche Ausschreibung durch Herrn Schleifer in das Unternehmen geschleust wurden und dort schon, bevor Sie ihn offiziell in seine Funktion, die er jetzt inne hat, installiert haben, Entscheidungen mit Personalrelevanz, mit Finanzrelevanz getroffen haben, dass die Personalräte in keiner Weise mehr so beteiligt werden, wie es das Mitbestimmungsgesetz vorsieht, und dass auch die beiden verwaisten Dienstwagen - das ist nur ein kleines Signal, das aber viel aussagt - der nicht mehr anwesenden Vorstandsmitglieder nun auf den unteren Hierarchieebenen von den neuen leitenden

Herren für die vielen Fahrten, die notwendig sind, gebraucht werden.

Es ist nur ein kleines Signal. Es geht nicht darum, dass ich Leuten sagen möchte, dass sie mit der Straßenbahn oder dem Zug fahren sollen, wenn sie wichtige Aufgaben zu erledigen haben. Der Punkt ist vielmehr: Dies macht deutlich, dass hier ein neuer Stil eingekehrt ist. Offensichtlich sind schleichend, und zwar ohne dass rechtliche Verfahren eingehalten wurden, neue Herren aus dem Umfeld der Dammklinik in das UK S-H eingeführt worden. Dies löst große Befürchtungen dahin gehend aus, wie Sie es mit der Frage der Privatisierung halten. Hierzu haben Sie auffällig geschwiegen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich danke der Frau Abgeordneten Angelika Birk. Für die CDU im Landtag hat nun der Herr Abgeordnete Niclas Herbst das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben eben gehört, dass der Minister die insgesamt 20 Fragen, die Sie gestellt haben, nicht in Gänze beantwortet habe. Ich frage mich in diesem Zusammenhang, was Sie für ein Parlamentsverständnis haben. Hier werden 20 Fragen gestellt, der Minister bekommt zehn Minuten, und dann müssen die anderen Kollegen darauf antworten. Ich finde, wir als Parlament sollten uns für ein solches Verfahren zu schade sein. Im Übrigen muss ich feststellen, dass Sie auf keine einzige der von Ihnen gestellten Fragen eine Antwort gegeben haben.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das sollte ja der Minister tun! - Weitere Zurufe von BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

- Also, ich finde schon, dass man auch auf die eigenen Fragen Antworten haben muss. Sie wissen immer, was nicht geht. Sie wissen immer, was alles falsch ist. Aber Ihre eigene Konzeption beschränkt sich im Wesentlichen darauf, dass Sie in jeder Landtagstagung einen Berichtsantrag stellen. Ich finde, das ist auch für eine Oppositionspartei zu wenig.

(Dr. Johann Wadephul [CDU]: Armutszeug- nis!)

(Angelika Birk)

Man sollte auch auf eigene Fragen eine Antwort geben können. Schließlich sind es politische und konzeptionelle Fragen.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie waren bei den Gesprächen mit den Direktoren auch dabei!)

Es ist ja nicht so, dass ich daraus resultierend einen großen Erkenntnisgewinn erwarten würde, aber manchmal verändert es die eigene Position, wenn man sich vorstellt, dass man selber Verantwortung trägt.

(Zuruf des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Der erste Schritt, den wir machen können, um mehr Ruhe - das haben Sie ja gefordert - ins Universitätsklinikum zu bringen, ist, dass wir einfach einmal einander zuhören und die Argumente austauschen. Sie haben mich aber die ersten zwei Minuten unentwegt unterbrochen.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fang mal an! Wir sind jetzt ru- hig!)