Trotz gemeinsamer Nutzung des Rettungshubschraubers, grenzüberschreitender Geburtshilfe und Krebstherapie - jetzt bin ich wieder im deutsch-dänischen Grenzland - haben wir hier noch kein Rahmenabkommen. Ohne Rahmenabkommen und entsprechende Finanzierungsgrundlagen bleiben viele Vorhaben auf dem Status eines Projekts stehen. So ist die gemeinsame Krankenpflegeausbildung - ein Projekt der Diakonieanstalt in Flensburg mit der Schule in Sonderburg - bereits lange ausgelaufen.
Dabei zeigen sich gerade in diesem Bereich hoffnungsvolle Ansätze, die neben der Gesundheitsförderung die Wirtschaftskraft der Region stärken, weil Arbeitskräfte in der Region gehalten werden können. Wir brauchen also ein deutsch-dänisches Rahmenabkommen, um es einmal ganz konkret zu sagen. Der SSW fordert, dass zunächst alle bilateralen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, bevor man die EU zum Zuge kommen lässt.
Das angeführte Beispiel des deutsch-französischen Rahmenabkommens zeigt, dass die einzelnen Mitgliedstaaten durchaus in der Lage sind, grenzüberschreitende Probleme in eigener Souveränität zu lösen. Das ist schließlich auch der Grundgedanke der EU-Politik: Das, was man auf einer unteren Ebene selbst regeln kann, soll man auch tun. Einmischung oder Bevormundung von oben verbietet der Subsidiaritätsgedanke. Ich denke, das ist im Sinne des Antrages und von daher werden wir diesen Antrag auch zustimmen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema Gesundheit und der Schutz vor Krankheiten gewinnt in Europa vor dem Hintergrund zunehmend offener Grenzen und freizügigen Personenverkehrs ohne Zweifel an Bedeutung. Es gibt gute Gründe, neue Strategien und Wege zu suchen. Es sind die grenzüberschreitenden Gesundheitsrisiken, es sind die engmaschigen Transportwege Europas und deren Verknüpfung mit allen Weltgegenden, es sind die Auswirkungen des demografischen Wandels auf die Gesundheitssysteme und die noch vorhandenen Ungleichheiten, die uns auch in einem gemeinsamen Europa fordern sollten.
Das Weißbuch der EU „Gemeinsam für die Gesundheit: Ein strategischer Ansatz der EU von 2008 bis 2018“ ist eine gute Grundlage für diese Diskussion. Es ist aber keinesfalls ein Einfallstor für neue Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten. Die nationale Ebene bleibt weiter in der Verantwortung.
Ein soziales Europa ist ohne eine leistungsfähige Gesundheitsversorgung für alle nicht denkbar. Diese Gesundheitsversorgung sollte unter den Mitgliedstaaten und den EU-Gremien abgestimmt werden, aber eben unter Wahrung der nationalen Verantwortlichkeiten.
Nach dem Gemeinschaftsvertrag sind die Zuständigkeiten der EU im Bereich Gesundheit begrenzt. Gesundheitspolitik wurde und wird deshalb vielfach über andere Politikbereiche mittelbar betrieben. Daher bliebe es zunächst der Rechtssprechung des EuGH überlassen, Standards für die grenzüberschreitenden Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen durch EU-Bürgerinnen und EU-Bürger auf der Basis der Grundfreiheiten zu definieren. Diese Entwicklung war dann auch Anlass für ein gewachsenes Interesse an der Formulierung einer Art Gesundheitspolitik auf EU-Ebene. Man kann der EU nachsehen, dass sie dieses auch versucht.
Mit sehr vielfältigen Aktivitäten ist es in der EU in den letzten Jahren durchaus gelungen, das Thema Gesundheit zu einem europäischen Thema zu machen. Wir haben immer wieder davon gehört. Viele Friktionen - gerade auch bei der grenzüberschreitenden Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen - wurden identifiziert. Das ist positiv, weil diese Probleme im Interesse der Bürgerinnen und Bürger diesseits und jenseits der Grenze gelöst werden müssen.
Wie es bei Europa leider so ist, ist mit diesem Prozess auch die Zahl der Gremien und informellen Abstimmungsrunden gewachsen. Die Abstraktheit der Europapolitik ist hier schon Thema gewesen. Mit der Anwendung der sogenannten Offenen Methode der Koordinierung auch auf den Gesundheitsbereich hat die EU eine sehr aktive Rolle angestrebt. Diese aktive Rolle - das will ich gar nicht verschweigen - wird von den deutschen Bundesländern durchaus kritisch bewertet. Wenn auch die EU-Dienstleistungsrichtlinie nicht unmittelbar etwas mit diesem Weißbuch zu tun hat, so ist doch diese EU-Dienstleistungsrichtlinie ein Beleg dafür, dass wir gut daran tun, kritisch darauf zu achten,
was auf EU-Ebene geschieht, und keine Einmischung zuzulassen. Deswegen war es gut, dass es letztlich die Mitgliedstaaten waren, die die Anwendbarkeit der EU-Dienstleistungsrichtlinie auf den Gesundheitsbereich zurückgewiesen haben.
(Beifall der Abgeordneten Holger Astrup [SPD], Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Anke Spoorendonk [SSW])
Das hätte in vielfacher Hinsicht mehr Risiken als Chancen bedeutet, sowohl für die gesundheitliche Versorgung der Menschen als auch für die Arbeitssituation der in diesem Bereich Beschäftigten.
Das vorliegende Weißbuch gibt dennoch Anlass dazu, sich mit den vielfältigen gesundheitspolitischen Aktivitäten der EU auseinanderzusetzen. Möglicherweise gibt es gute Gründe sie zusammenzufassen und inhaltlich besser zu bündeln, in jedem Fall aber besser aufeinander abzustimmen. Dies ist zu begrüßen. Der Abstimmungsbedarf, das wachsende Interesse der Menschen in Europa an der Berücksichtigung gesundheitspolitischer Themen ist unabweisbar. Deswegen finde ich es auch richtig, den Dialog mit der EU zu suchen.
Schleswig-Holstein jedenfalls ist für eine aktivere Beteiligung an der Entwicklung gut gerüstet. Wir können bereits auf vielfältige Aktivitäten zurückblicken, über die auch im Landtag wiederholt diskutiert wurde. Das Weißbuch ist uns also ein Anreiz, den Gesundheitsstandort Schleswig-Holstein als wichtigen Partner im Norden Europas weiter zu profilieren. Der vorliegende Antrag gibt hierfür wichtige Impulse.
Die im Antrag formulierten Anregungen knüpfen an einen Teil der im Weißbuch benannten strategischen Themenschwerpunkte an und das ist gut so. Alle Themen spielen nämlich schon jetzt für Schleswig-Holstein und die Gesundheitspolitik eine zentrale Schlüsselrolle.
Lassen Sie mich angesichts der Zeit nur einen Punkt hervorheben: Im Rahmen der Gesundheitsinitiative fordert die Landesregierung grenzüberschreitende telemedizinische Verbundstrukturen. Hier entstehen beispielhafte Versorgungsstrukturen rund um das Krankenhaus unter Einbindung des niedergelassenen Bereiches. Auch der gemeinsame Rettungshubschrauber mit Standort in Niebüll hat für die Versorgung der Menschen in SchleswigHolstein und Dänemark segensreiche Verbesserungen gebracht. Ich denke, dies zu stärken entspricht der Intention des vorliegenden Antrags. In diesem Sinne wollen wir als Landesregierung dort auch tätig werden.
Ich danke der Frau Ministerin und erteile für einen Wortbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung Herrn Abgeordneten Rolf Fischer das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will es ganz kurz machen: Ich möchte nur den Beitrag von Frau Birk noch einmal aufnehmen und darauf hinweisen, dass wir hier gut unterscheiden müssen. Wir reden bei der Subsidiaritätskontrolle über einen Zeitraum, der jetzt bei acht Wochen liegt. Das heißt, wir als Parlament - das ist zu kritisieren, weil es ist zu kurz - haben nur acht Wochen Zeit zur Beratung. Wenn wir als Parlament in irgendeiner Form noch Einfluss nehmen wollen, wenigstens mit einer Stellungnahme im Parlament oder im Ausschuss, dann müssen wir uns an diese acht Wochen halten. Das hat der Europaausschuss getan. In diesem Zusammenhang glaube ich deshalb, dass der Begriff „nicht seriöses Verhandeln“ insofern nicht ganz passend ist. Wir haben sogar versucht, dass sehr schnell zu machen. Dass Koordinationsprobleme und Probleme terminlicher Art dazwischen kommen können, ist immer klar. Aber generell werden wir - das ist für die kleinen Fraktion vielleicht auch schwieriger - nicht mehr als acht Wochen Zeit haben, um diese Dinge zu besprechen. Das ist die eine Seite.
Das Weißbuch, das heute Thema ist, ist das Instrument, das wir haben. Man kann dafür oder dagegen sein, man kann sagen, dass das zuviel oder zuwenig Europa ist. Aber wir werden kein anderes Instrument bekommen und die Wahrscheinlichkeit ist gering, dass wir die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Gesundheitswesen ganz allein im deutschdänischen Grenzland praktizieren und nicht schauen, was in anderen Grenzregionen nötig und möglich ist und was es dort gibt - ein Beispiel haben wir gehört. Das heißt, wir haben längst den Schritt dahin getan, dass wir grenzüberschreitend europäisch arbeiten. Das werden wir nicht mehr zurückdrehen können, weil Sie den Menschen nicht erklären können, warum sie auf der einen Seite im Wirtschaftbereich, im Umweltbereich oder sonst wo zu recht immer europaweit argumentieren müssen, aber ausgerechnet in diesem Bereich nicht. Das wird nicht gehen und darauf stellen wir uns mit diesem Antrag ein.
Es ist beantragt worden, über den Antrag in der Sache abzustimmen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? Enthaltungen? - Damit ist der Antrag Drucksache 16/1881 mit den Stimmen der Fraktionen von CDU und SPD sowie der Abgeordneten des SSW bei Enthaltung der Fraktionen von FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so angenommen worden.
Für den Bericht erteile ich der Ministerin für Soziales, Gesundheit, Familie und Senioren, Frau Dr. Gitta Trauernicht, das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Kernkraftwerke Brunsbüttel und Krümmel stehen seit den Störfällen vom 28. Juni letzten Jahres still. Die Landesregierung ist um einen Bericht darüber gebeten worden, welche Auswirkungen dies auf den Landeshaushalt hat. Die zentrale Aussage des Ihnen vorliegenden Berichts lautet: Im Jahr 2007 hat es keine Einnahmeausfälle gegeben. Der Stillstand von Kernkraftwerken führt auch in den Folgejahren nicht zu Einnahmeverlusten, sondern lediglich zu einer Einnahmeverschiebung.
Die Logik liegt auf der Hand, denn das Atomgesetz weist den einzelnen Kernkraftwerken Reststrommengen zu, keine Restlaufzeiten. Strommengen, die im Jahr 2007 oder im Jahr 2008 nicht produziert worden sind, können demzufolge im Jahr 2009 oder später produziert werden. Im Prinzip hatte die Landesregierung dies bereits im November vergangenen Jahres erläutert, nämlich in der Antwort auf eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Magnussen, die bereits die Bezeichnung Einnahmeausfälle durch die Abschaltung der Kernkraftwerke Brunsbüttel und Krümmel getragen hatte.
Das heißt für den Landeshaushalt, dass die Einnahmen aus der Oberflächenwasserabgabe lediglich später als ursprünglich erwartet anfallen. Allgemein gilt Entsprechendes für Steuern wie die Körperschaftsteuer oder die Gewerbesteuer, also für Steuern, die sich an der Gewinnerzielung von Unternehmen orientieren. Von Einnahmeausfällen kann also nicht die Rede sein, zumal - das möchte ich hinzufügen - im Jahr 2007 die Einnahmen aus der Oberflächenwasserabgabe um 5,1 Millionen € höher waren, als mit dem verabschiedeten Haushaltsplan prognostiziert wurde. Insofern sind Kommentare zum letztjährigen Bruttoinlandsprodukt schon erstaunlich, in denen auch der Stillstand der Kernkraftwerke dafür verantwortlich gemacht wurde, dass Schleswig-Holstein im Jahr 2007 beim Wirtschaftswachstum die geringste Steigerungsrate aller Bundesländer erreichte.
- Aber nicht wegen der Kernkraftwerke und ihres Stillstandes mit Blick auf die Oberflächenwasserabgabe.
- Es ging um die Oberflächenwasserabgabe. Sie können versichert sein, dass ich bei diesem Thema hier absolut Oberwasser habe.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich habe das Parlament und die Öffentlichkeit in den letzten Monaten kontinuierlich über die Entwicklung bei den Kernkraftwerken auf dem Laufenden gehalten. Nach wie vor ist für beide Kernkraftwerke die Störfallaufarbeitung in einer ganzen Reihe von Einzelpunkten noch nicht abgeschlossen. Außerdem stehen fehlerhafte Dübelverbindungen sowie Risse in Armaturen und Steuerleitungen dem Wiederanfahren entgegen. Das sieht auch Vattenfall nicht anders, wie öffentliche Verlautbarungen belegen. Ich gehe fest davon aus, dass der Grundsatz Sicherheit vor Wirtschaftlichkeit in diesem Haus nach wie vor von allen unterstützt wird.
Was kann also dahinter stecken, wenn jemand in dieser Situation dennoch die Frage aufwirft, ob der Landeshaushalt unter dem Stillstand der Reaktoren zu leiden hat?
Man mag das ja kaum zu Ende denken, aber ist dies eventuell der unausgesprochene Appell, die Atomaufsichtsbehörde möge es mit ihren Sicherheitsüberprüfungen doch nicht so ganz genau nehmen, damit möglichst schnell wieder Strom produziert wird und damit möglichst schnell wieder Geld in die Kassen kommt?
So eine Denkweise will ich wirklich niemandem hier unterstellen. Für mich ist es aber selbstverständlich, das Prinzip Sicherheit vor Wirtschaftlichkeit nicht nur öffentlich zu verkünden, sondern dieses Prinzip auch konsequent in der Praxis anzuwenden.