vorzuschlagen. Wir stellen unsere Vorschläge deshalb hier zur Diskussion. Wir finden, dass diese Vorschläge zusammen mit den Vorschlägen der FDP eine runde Sache sind.
Ein letzter Satz! Die Koalition fordert, dass wir vom Ministerium mehr Informationen bekommen und uns ein Bericht vorgelegt wird. Informationen machen nicht dümmer. Das ist sicher richtig. Wir müssen uns allerdings darüber klar werden, dass wir in Bälde eine Richtungsentscheidung treffen müssen, denn die nächsten Entscheidungen für die Eltern stehen ab 1. August an und die Schulen müssen sich entsprechend vorbereiten.
Für die FDP-Fraktion, die den zweiten Antrag eingebracht hat, erhält nun der Herr Abgeordnete Dr. Ekkehard Klug das Wort. Die zehn Minuten Redezeit sind ein Richtwert; sie müssen nicht ausgeschöpft werden.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sie müssen nicht ausgeschöpft werden, aber sie können ausgeschöpft werden. Und das Thema ist schon etwas umfangreicher.
Meine Damen und Herren, in den „Kieler Nachrichten“ vom 13. Februar - das ist noch nicht lange her - wurde der SPD-Vorsitzende Kurt Beck - frei nach Arnold Schwarzenegger „I’ll be back“ - mit der Bemerkung zitiert, aus SPD-Sicht sei eine verkürzte Gymnasialzeit allenfalls im Rahmen der Ganztagsschule möglich. Das Interessante war: Am gleichen Tag stand direkt daneben in den „Kieler Nachrichten“ ein Interview mit der schleswig-holsteinischen Bildungsministerin. Frau Erdsiek-Rave gab darin bekannt, dass mehr als die Hälfte der schleswig-holsteinischen Gymnasien gar keine offenen Ganztagsschulen sind. Fakt ist: Bei der Mehrzahl der betroffenen Schulen, bei der Mehrzahl der betroffenen Gymnasien in Schleswig-Holstein fehlen allein schon die für einen Ganztagsbetrieb erforderlichen Räume und das Angebot für ein Mittagessen, also auch die dazu notwendige Mensa und Cafeteria. Soweit zu der Stimmigkeit zwischen den Aussagen von Kurt Beck zu diesem Thema und der Realität in Schleswig-Holstein.
Dabei ist doch klar: 34 Wochenstunden, die im G8-Modell in vielen Jahrgängen die Regel sein werden, erfordern an mehreren Wochentagen den
Übergang zur Ganztagsschule. Mit der personellen und sächlichen Ausstattung einer klassischen Halbtagsschule ist das G8-Modell schlicht und einfach nicht zu machen.
Man braucht dazu ein stimmiges Ganztagskonzept, das auch Pausen, also Erholungszeiten und einen Mittagstisch einschließt.
In Rheinland-Pfalz rechnet man pro Ganztagsschule im Schnitt mit einem personellen Mehrbedarf von drei Lehrerstellen. Schleswig-Holstein fördert offene Ganztagsschulen mit 35 ct pro Schüler und Angebotsstunde, maximal 30.000 € pro Schule im Jahr. Das ist vergleichsweise sehr viel weniger als in Rheinland-Pfalz, aber selbst diese bescheidene Förderung verweigert das Land bislang den Gymnasien. Während Grundschulen, Regionalschulen und Gemeinschaftsschulen diese Mittel erhalten, sollen die Gymnasien als einzige Schulart unter den allgemeinbildenden Schulen des neuen Schulsystems nach den geltenden Richtlinien von dieser Unterstützung als offene Ganztagsschulen ausgenommen bleiben. Diese einseitige Benachteiligung der Schulart Gymnasium wollen wir durch unseren Antrag beenden. Es war sicherlich vor etlichen Jahren, als der Einstieg in die Förderung offener Ganztagsangebote begann, richtig, diese Förderung zunächst auf Schularten zu beschränken, die einen besonderen Bedarf hatten, wie etwa die Hauptschule. Aber mittlerweile ist diese von mir eben beschriebene einseitige Benachteiligung der Gymnasien, erst recht nicht im Zeichen der Einführung des Turbo-Abiturs, schlicht und einfach nicht mehr zu rechtfertigen.
Ein teilweiser Übergang zum Nachmittagsbetrieb, das heißt, dass man sich dann auf zwei oder drei Wochentage beschränkt, ist ein guter Weg, um den Schülern dann auch außerschulische Aktivitäten, Freizeitaktivitäten an den verbleibenden Wochentagen Nachmittags noch möglich zu machen. Es muss nicht jeder Nachmittag im Laufe einer Woche verplant werden.
Natürlich sind diese Ganztagskonzepte nicht der einzige Weg, um G8 praktikabel zu machen. Logischerweise setzt die Verkürzung der gymnasialen Schulzeit auch eine Neuordnung der Lehrpläne voraus. Aber auch in dieser Hinsicht ist die Vorberei
tung des Konzeptes G8 in Schleswig-Holstein bisher ausgesprochen unbefriedigend. Man hat die Schulen eben nicht rechtzeitig auf die Anpassung der Lehrpläne vorbereitet.
Entscheidend für das Turbo-Abiturs und den Erfolg dieser G8-Konzeption ist die Bereitstellung ausreichender Personalmittel. Im Juni 2004 hat der Landesrechnungshof in einem Sonderbericht folgendes festgestellt: „Eine Verkürzung der Schulzeit bis zum Abitur auf 12 Jahre würde den Lehrerbedarf in der achtjährigen Einführungszeit sukzessive um 300 Stellen erhöhen, ab dem 9. Jahr nach Einführung würden circa 70 Stellen weniger als derzeit benötigt.“ 300 Stellen Mehrbedarf, sukzessive sich aufbauend in der Einführungsphase!
Wie sieht es da in Schleswig-Holstein aus? Die Gymnasien erhalten jetzt nicht einmal einen hinreichenden personellen Ausgleich für den massiven Anstieg ihrer Schülerzahlen. Die fünften Jahrgänge sind seit mehreren Jahren Jahr für Jahr jeweils um 10 % größer als der vorhergehende Jahrgang. Nun kommt noch hinzu, dass Unterrichtskapazität durch das Auslaufen der sogenannten Vorgriffsstunde wegfällt. Die Lehrer haben ja in Schleswig-Holstein seit Ende der 90er-Jahre jahrelang Mehrarbeit geleistet. Das endet für die einzelnen Schularten gestaffelt seit einigen Jahren. Die Gymnasien sind vom nächsten Schuljahr an mitbetroffen. Das heißt, just zu dem Zeitpunkt, an dem der Übergang zum G8-Modell mit einem personellen Mehrbedarf beginnt, fällt Unterrichtskapazität in dieser Schulart im Umfang von 85 Lehrerstellen weg. Das gleiche kommt dann noch einmal im folgenden Schuljahr 2009/2010 hinzu, wenn die sogenannte Rückgewähr der Vorgriffsstunde einsetzt. Das kostet quer über alle Schularten 420 Stellen an Unterrichtskapazität. Im Bereich des Gymnasiums sind es mindestens 85 Stellen. Das hängt auch von der Zahl der Betroffenen ab. Das heißt, gerade in den beiden Einführungsjahren nach Übergang zu G8 fallen quasi Unterrichtsstunden im Gegenwert von zusammen 170 Stellen weg. Dafür gibt es erkennbar keinen hinreichenden Ausgleich.
In diesem Zusammenhang noch eine Anmerkung zu dem Antrag der GRÜNEN! Dort wird unter Punkt 2 gefordert, zusätzliche Lehrerstunden, die die Gymnasien für das G8-Konzept erhalten sollen, müssten, wie in anderen Schularten, für individuelle Fördermaßnahmen eingesetzt werden. Das ist aber de facto nicht möglich, weil diese Stunden ja für die nach dem G8-Modell vorgezogenen Fächer benötigt werden.
Ich will das an einem Beispiel deutlich machen. Wenn beispielsweise die zweite Fremdsprache bereits im 6. Schuljahr statt wie bisher im G9 Modell im 7. Schuljahr beginnt, dann werden die Extrastunden logischerweise für diesen Fachunterricht benötigt und stehen nicht für Förderstunden zur Verfügung. Andernfalls könnte man die Schüler der Gymnasien ja nicht in der zweiten Fremdsprache unterrichten. Das ist sicherlich nicht sinnvoll, denn dann würden sie kein Abitur an dieser Schule machen können.
Die zweite Fremdsprache ist übrigens ein gutes Beispiel für die Probleme, die sich außerdem noch mit der Einführung des verkürzten Gymnasiums verbinden. Im Schuljahr 2009/2010, also von heute aus gesehen im übernächsten Schuljahr, werden zwei Schülerjahrgänge in den Gymnasien gleichzeitig mit der zweiten Fremdsprache beginnen. Das ist der erste G8-Zug, der dann im sechsten Schuljahr ist, und das ist der letzte G9-Zug, der dann im siebten Schuljahr sein wird. Das heißt, de facto haben die Schulen, was die Einplanung von Unterrichtsstunden für die zweite Fremdsprache angeht, einen etwa doppelt so hohen Bedarf im übernächsten Schuljahr zu decken, als das im Normalfall für einen neubeginnenden Schülerjahrgang der Fall ist. Das wird im Unterrichtsangebot in den Schulen im Lande nach dem , was man heute schon hört, riesige Schwierigkeiten bereiten. Es wird schon problematisch werden, für Französisch als zweite Fremdsprache dieses Unterrichtsangebot so zu sichern, wie es sein müsste. Für die Mangelfächer Latein oder Spanisch beispielsweise oder auch andere Sprachangebote - über Dänisch haben wir über in einer früheren Plenartagung diskutiert - wird es dann ganz eng, und zwar einfach deshalb, weil es die dafür benötigten Fachlehrer vielfach nicht gibt.
Es stellt sich die Frage, Frau Ministerin, inwieweit Ihr Haus die Schulen auf diese Herausforderung, die in zwei Jahren nach Einführung des G8-Modells auf die Schulen zukommt, vorbereitet hat, wie Sie dazu beitragen wollen, die Schulen aus dieser Klemme herauszuführen.
Diese Kritik geht natürlich auch an die Adresse der CDU. Wir wissen alle, dass es die Union gewesen ist, die im Schulgesetz G8 und Profiloberstufe untergebracht hat. Ich finde, wenn jemand solche Reformen für das Gymnasium initiiert, dann muss er sich auch fragen lassen: Wie hat er denn dazu beigetragen, dass die Unterrichtsversorgung, die Ausstattung der Schulen bei Einführung auch ausreichend die Rahmenbedingungen für diese Reformen gewährleistet?
Das gilt gleichermaßen für G8 wie für die Profiloberstufe, wo viele Schulen - das wissen Sie auch mit dem Klassenteiler 29 vor riesige Probleme gestellt werden, weil sich zum einen die Unterrichtsbedingungen im Vergleich zum bisherigen Kurssystem bei so großen Klassen deutlich verschlechtern, und dann kommen noch die Raumprobleme in sehr vielen Schulen hinzu. Die alten Kursräume sind schlicht und ergreifend auf die künftigen Klassengrößen überhaupt nicht ausgerichtet.
Wir werden also über viele Fragen, die sich mit G8 verbinden, sicherlich noch im Ausschuss diskutieren müssen.
Mein Eindruck ist, dass diese Reform in SchleswigHolstein vermutlich so vermurkst wird, wie das in Hessen und in Bayern in den letzten Jahren auch schon der Fall gewesen ist. Sie wissen sehr wohl, dass das die Stimmung bei der letzten Landtagswahl in Hessen nicht unbeeinträchtigt gelassen hat.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Sie können Ihren Keller entrümpeln, aber nicht unsere Lehrpläne oder - wie Sie es formulieren - Stoffpläne. Aus Ihrem Antrag wird leider nicht deutlich, was Sie denn nun im eigentlichen Sinne entrümpeln wollen. Wollen Sie unsere Lehrpläne auf reine Stoffverteilungspläne reduzieren? - sprich: auf reine Wissensvermittlung? Vielleicht bessern Sie da noch einmal fachlich nach.
Gymnasien sind die Leistungsträger in unserem Bildungssystem. An ihrer Qualität richtet sich das gesamte Niveau unserer Schulen aus. Erklärtes Ziel der CDU ist es, unsere Gymnasien zu stärken und die Qualität des Abiturs zu verbessern. Dafür treten wir ein. Schon in der vergangenen Legislaturperiode haben wir uns für die Schulzeitverkürzung
an Gymnasien eingesetzt. Hinzu kommen für uns die Forderungen nach einer breiteren Grundlagenbildung durch die Profiloberstufe sowie die Einführung des Zentralabiturs. Dieses haben wir mit unserem Koalitionspartner nunmehr auch im neuen Schulgesetz festgeschrieben und das ist auch gut so. Diesen Weg werden wir gehen. An Sie, Herr Dr. Klug: Wir machen Schulpolitik für unsere Schüler und nicht für Wahlergebnisse, wie man das in Hessen gemacht hat.
Lassen Sie mich für heute bei der Verkürzung von 9 auf 8 Schuljahre am Gymnasium bleiben, die dann endlich auch in Schleswig-Holstein - als FastSchlusslicht im Bundesvergleich - flächendeckend eingeführt wird.
Wie kommt es, dass es die leistungsstarken Nationen der Welt schaffen, ihre Kinder die Schulen mit 17 und die Hochschulen mit 24 Jahren abschließen zu lassen? Zufällig sind es gerade die Länder, die auf dem Weltmarkt der Bildung am attraktivsten sind. Deutschlands Hochschulabsolventen hingegen gehören zu den Ältesten weltweit. Das ist ein Nachteil im Wettbewerb, der neben Reformen der Hochschulen auch durch eine kürzere Schulzeit gemindert werden soll und fortan auch in SchleswigHolstein gemindert werden wird.
Wir sagen: Ein schnelleres Erreichen der allgemeinen Hochschulreife ist für die persönliche und berufliche Zukunft unser Schülerinnen und Schüler wichtig. Wenn sie zukünftig ihr Studium und ihre Ausbildung früher beginnen können, verbessern sich ihre Startchancen, denn der Arbeitsmarkt wird immer internationaler und für diesen Wettbewerb gilt es, unsere Schülerinnen und Schüler fit zu machen.
Eines steht dabei für mich fest: Vor dem 8-jährigen Gymnasium braucht niemand Angst zu haben. Es ist kein Turbo-Angebot für eine Elite. Alle Schüler, die für das Gymnasium geeignet sind, werden dort auch künftig ihr Abitur machen - eben nur in kürzerer Zeit.
Es war übrigens die ehemalige schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis, die in ihrer Regierungserklärung im Jahre 2000 sagte, dass überlange Schul- und Ausbildungszeiten für unsere Kinder hinderlich seien.
Im folgenden Schuljahr wurde daraufhin das Abitur nach 12 Jahren an schleswig-holsteinischen Gymnasien als Modellversuch eingeführt - ich
muss sagen, sehr zum Leidwesen der CDU nur als Modellversuch. Hätte sich die SPD schon damals konsequent an die Umsetzung von G8 gemacht, würden im nächsten Jahr die ersten Abiturienten das Gymnasium nach 8 Jahren verlassen.
Die Debatte zur anstehenden Einführung der Schulzeitverkürzung wird spätestens nach dem Temperamentsausbruch des TV-Moderators Beckmann sehr emotionsgeladen geführt: „Mein Sohn muss jeden Tag ein Wahnsinns-Lernprogramm absolvieren, da bleibt kaum Zeit für eigene Interessen“.
Ich sage ganz klar und deutlich: Bildung an sich ist ein eigenes Interesse unserer Kinder. Schule ist keine lästige Pflicht auf dem Weg zum Abitur, sozusagen als Eintrittskarte in das akademische Drittel unserer Gesellschaft. Schule und damit Bildung gehört zur Erziehung eines mündig denkenden Bürgers dazu. Das muss ein Eigeninteresse jedes Einzelnen von uns sein.
Lassen Sie mich auf die zurzeit geführte Debatte zurückkommen. Die CDU hat gemeinsam mit ihrem Koalitionspartner einen Antrag eingebracht, um zu einer Versachlichung der G8-Debatte beizutragen. An 14 Gymnasien im Land gibt es seit Jahren G8-Jahrgänge. Wir möchten von der Landesregierung wissen, welche Erfahrungen hier gemacht wurden und ob es zu übermäßigen Belastungen an den jeweiligen Schulen gekommen ist. Ich denke, die Ergebnisse werden uns in der weiteren Auseinandersetzung sehr hilfreich sein. Das soll jedoch nicht heißen, dass wir die Befürchtungen und Ängste, die vielfach auf Eltern-, aber auch auf Lehrerund Schülerseite zur Schulzeitverkürzung formuliert werden, nicht ernst nehmen.
Wir sagen aber auch deutlich, dass das G8 - noch bevor es in Schleswig-Holstein flächendeckend gestartet ist - nicht als Sündenbock für alle schulischen Probleme missbraucht werden darf.