Wir hatten vor zwei Monaten die Landeselternbeiräte zu einem Gespräch in der Fraktion. Kein Wort von Überforderung unserer Kinder und Überfrachtung der Lerninhalte ist gefallen. Bisher wurde vielmehr vor allem in der niemals enden wollenden PISA-Diskussion von den Eltern beklagt, dass die Kinder zu wenig Unterricht bekämen und zu langsam lernten. Jetzt ist es plötzlich zu viel Unterricht und zu schnell.
Für die CDU ist die Entrümpelung oder Straffung von Lerninhalten, wie auch immer Sie es bezeichnen mögen, kein geeignetes Mittel. Unsere Schüler lernen kein Gerümpel, das man entsorgen müsste. Entsprechend können keineswegs Abstriche bei den wirklich wichtigen Lerninhalten vorgenommen werden. Bereits erfahrene G8-Schüler beklagen deshalb auch nicht die Stofffülle, sondern die Organisation derselben an der Schule. Das Wesen von G8 liegt doch in der Steigerung der Leistungsanforderungen. Es gilt, den gleichen Stoff in kürzerer Zeit - allerdings bei gleichbleibender Stundenzahl wie bei G9 - zu bewältigen. Kürzen wir die Lerninhalte parallel zur Verkürzung der Schulzeit, erreichen wir genau das Gegenteil von dem, was wir eigentlich beabsichtigen: einen Qualitätsabbau, ein sogenanntes „Abitur Light“, das den hohen Qualitätssprüchen nicht genügt. Genau das will die CDU nicht.
Die ebenfalls geforderte Verkürzung der Gesamtstundenzahl, die derzeit bundesweit bei 265 Stunden liegt, darf genau aus dem gleichen Grunde nicht infrage gestellt werden, wobei ich auch davon ausgehe, dass diese Maßnahme bundesweit gar nicht durchsetzbar sein wird.
Unterricht über die sechste Stunde hinaus wird nicht zu umgehen sein, wenn die Schulzeit verkürzt und die bisherige Gesamtstundenzahl unverändert bleiben soll. Der von der FDP aufgeworfenen Forderung nach Ausweitung der Ganztagsangebote für Gymnasien werden wir deshalb folgen. Das Land und die Kommunen müssen gemeinsame Anstrengungen unternehmen, um Ganztagsangebote zu gewährleisten. Das bedeutet, dass auch das Angebot warmer Mahlzeiten für Schülerinnen und Schüler gegeben sein sollte.
Meine Damen und Herren, abschließend gilt mein besonderer Dank den Lehrkräften an den Gymnasien unseres Landes, die zurzeit mit den Vorbereitungen zur Verkürzung der Schulzeit und der Profiloberstufe in Schleswig-Holstein befasst sind. Ohne
Sie sind die anstehenden Reformen nicht zu leisten. Also noch einmal einherzliches Dankeschön an Sie.
Die CDU wird Sie unterstützen, damit die Umsetzung von G8 auch an Schleswig-Holsteins Gymnasien reibungslos stattfinden kann. Dazu zählt für uns auch eine adäquate Lehrerversorgung an den überquellenden Gymnasien. Dieses Thema wird von uns bei den Beratungen des Doppelhaushaltes noch thematisiert werden.
Für die CDU-Fraktion beantrage ich die Antragsüberweisung der Drucksache 16/1874, Förderung von Ganztagsschulen an Gymnasien, an den Bildungsausschuss zur weiteren Beratung. Weiterhin beantrage ich die Ablehnung des Antrages Drucksache 16/1852, Stoffpläne entrümpeln, individuelle Förderung stärken, und bitte um Ihre Zustimmung zum Änderungsantrag von CDU und SPD.
Ich danke Frau Abgeordneter Susanne Herold und erteile für die SPD-Fraktion dem Herrn Abgeordneten Dr. Henning Höppner das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht eine kleine Bemerkung vorweg: In der Regel wird dieses Hohe Haus von Besuchergruppen besucht. Vormittags sind dies oft Schülerinnen und Schüler, also Jugendgruppen. Nachmittags kommen in der Regel Erwachsene aus dem politischen Bereich oder aus Vereinen. Ich bin gestern von Schülerinnen und Schülern angesprochen worden. Diese kamen von einem Gymnasium aus Neumünster. Ich habe sie gefragt, wie sie G8 politisch sähen. Ich habe ihnen gesagt, dass wir morgen Abend darüber diskutieren. Vielleicht könnte man im Ältestenrat einmal darüber nachdenken, die Schulthemen, über die wir diskutieren, nicht irgendwann auf den späten Nachmittag zu legen, wenn niemand mehr zuhört und wenn auch die Presse nicht mehr da ist.
Ich glaube, dies wäre auch mit Blick auf die Angemessenheit und auf die Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit sinnvoll. Wir sollten uns einmal darüber unterhalten, ob wir dies nicht erreichen könnten. Morgen geht es wieder um Krippenplätze. Das ist für Zehntklässler ein ganz interessantes Thema. Es geht um Rundfunkstaatsvertragsänderungsanträ
ge, um Schwarzarbeit und um Spielbanken. Darüber sollten wir einmal nachdenken. Dies war nur eine Vorbemerkung.
Der achtjährige Bildungsgang an den Gymnasien beginnt in Schleswig-Holstein im August. Es geht also erst um die Einführung dieses Bildungsgangs. Er wird auch noch nicht den großen Stundenumfang haben. Diesen wird er wahrscheinlich erst mit der siebten Klasse im Jahr 2010 erreichen. Trotzdem gibt es zahlreiche Aufgeregtheiten und ein großes Medienecho. Das erinnert mich ein bisschen an die Themen, die wir in der Vergangenheit behandelt haben.
Ein Beispiel ist die Einführung der Verlässlichen Grundschule. Auch da wurde gesagt: Das geht nicht, das funktioniert nicht. Heute ist dies kein Thema mehr. Ich denke auch an das IZBW-Programm. Auch hier sagten alle: Nein, das ist nicht gut. Auch das wurde wunderbar angenommen und es wird funktionieren. Das ist auch ein bisschen überraschend, denn in der Vergangenheit gab es immer wieder Kritik daran, dass junge Deutsche im internationalen Vergleich mit einer Schulzeit von 13 Jahren an den Gymnasien eigentlich viel zu spät in die Hochschulen und auf den Arbeitsmarkt kommen. Es ist von Benachteiligung und von einer Verschwendung von Lebenszeit die Rede gewesen. Die immer zum Nachteil von Schülerinnen und Schülern gewesen ist. Dies gilt gerade mit Blick auf einen globalisierten Arbeitsmarkt.
Frau Kollegin Birk, als wir vor gut einem Jahr das Schulgesetz beschlossen haben, nachdem wir anderthalb Jahre darüber diskutiert haben, hat dieser Punkt eigentlich keine Rolle gespielt. Wir wussten damals, dass es losgeht. Die Entscheidungen sind damals gefallen. Wir müssen nicht erneut darüber reden. Wir wissen, dass das Gymnasium die einzige Schulart ist, die in ihrer Struktur erhalten bleibt. An diesem Punkt steht diese Schulform natürlich vor besonderen Herausforderungen. Das Unterrichtsvolumen, das bisher in neun Jahren vermittelt wurde, muss jetzt in acht Jahren vermittelt werden. Das ist natürlich nicht einfach.
Es ist schwierig, mit dieser Aussage einer Entrümpelung der Lehrpläne zu operieren. Ich mag dies gar nicht aussprechen. Das würde ja bedeuten, dass wir bisher in den neun Jahren Überflüssiges gelehrt haben, was man nicht lernen musste. Man mag darüber reden, was entbehrlich ist. Vielfach entsteht im Rahmen der aktuellen Diskussion in der Öffentlichkeit der Eindruck, dass man zwar die gymnasiale Schulzeit um ein Jahr verkürzt, dass aber die Belastung der Schülerinnen und Schüler auf dem heuti
gen Niveau gehalten werden soll. Das ist eine pure Illusion. Das funktioniert nicht, denn das würde bedeuten, dass wir auf ein Achtel der gesamten Unterrichtsmenge des Stoffes, der am Gymnasium unterrichtet wird, verzichten würden. Auch nach umfangreichen Diskussionen, in denen es darum geht, die Unterrichtsmenge von 265 Jahreswochenstunden auf 258 zu verkürzen, ist keine Lösung in Sicht. Diese Verkürzung würde sich in der Woche maximal durch eine Verkürzung des Unterrichts um 38 Minuten darstellen. Ich denke, das alles ist also eine Illusion.
Das bedeutet für die Gymnasien selbstverständlich, dass ein Teil des Unterrichts an den Nachmittagen stattfinden muss. Liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Bildungsausschuss, wie das funktioniert, haben wir uns ja einmal in Sachsen angehört. Sachsen macht das schon lange. Das bedeutet in der Regel, dass man montags halbtags unterrichtet. Dienstags, mittwochs und donnerstags geht der Unterricht in den Nachmittag hinein und freitags versucht man, ebenfalls nur einen halben Tag zu unterrichten. Das ist eine denkbare Lösung, mit der andere Bundesländer ebenfalls Erfahrung haben. Diese zeigen, dass dies geht.
Nach einer Übersicht gibt es in Schleswig-Holstein bereits 47 von 99 Gymnasien, die als offene Ganztagsschulen geführt werden. Das ist auf die anderen Schularten bezogen ein relativ hoher Anteil. Ich denke, auch der Anteil der Investitionen, die aus dem IZBW-Programm in die Gymnasien geflossen ist, ist im Verhältnis zu den anderen Schularten relativ hoch. Der Antrag von Herrn Dr. Klug stellt hier auch die Frage nach den Betriebskostenzuschüssen. Ich habe heute noch einmal mit Gymnasialschulleitern telefoniert. Im Gegensatz zu anderen Schulen geht es bei den Gymnasien nicht um Betriebskostenzuschüsse für Unterrichtsangebote oder unterrichtsähnliche Angebote. Den Gymnasien geht es im Wesentlichen um Betriebskostenzuschüsse, die den Bereich Beköstigung betreffen. Um mehr geht es eigentlich nicht. Die Schulleiter sagen, den Rest können sie durch Unterricht oder durch Arbeitsgemeinschaften, die es sowieso an den Schulen gibt, auffüllen. Ich denke, dies muss man auch sehen. Die Betriebskostenzuschüsse werden sich also sicherlich reduzieren.
Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass es viele Gymnasien gibt, die schon lange Beköstigungsmöglichkeiten haben, ohne dass sie als offene Ganztagsschulen geführt werden. Das trifft zum Beispiel auf die vier Gymnasien des Kreises Plön zu. Es wäre sicherlich wünschenswert, die Gymnasien zukünf
tig gleichrangig einzubeziehen, aber wir haben nun einmal aufgrund der Finanznot des Landes die Entscheidung getroffen, insbesondere Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf, also insbesondere Schülerinnen und Schüler, die zu einem Hauptschulabschluss geführt werden sollen, mit den Mitteln aus dem Ganztagsprogramm zu fördern. Ich sage noch einmal, wir als Sozialdemokraten wollen natürlich nicht die Gymnasien gegen die anderen Schularten ausspielen.
Wir wissen, dass unsere Gymnasien eine sehr erfolgreiche Arbeit leisten. Das wissen wir auch aufgrund der guten Resultate im PISA-Ländervergleich. Wir nehmen mit Respekt zur Kenntnis, dass der Philologenverband, der das neue Schulgesetz zwar deutlich und klar kritisiert, sich gleichzeitig aber einer Mitarbeit unter den Rahmenbedingungen dieses Gesetzes nicht verweigert. Ich möchte noch einmal sagen, dass wir das durchaus anerkennen.
Noch einmal: Wir wollen das, was die Grünen hier dargestellt haben, nämlich so ein paralleles Nebeneinander von G8 und G9 in den Gemeinschaftsschulen nicht. Die Vertreter der Gymnasien haben uns immer klar gemacht, dass es für die Gymnasien eine einheitliche Leistungscharakteristik geben muss, also nicht einen Weg, der sowohl neun als auch acht Jahre zulässt. Ich glaube auch, dass wir das nicht organisieren können. Das kann auch für die Gemeinschaftsschulen kein Weg sein.
Ich sage ausdrücklich: Wir bieten den Eltern, die der Auffassung sind, das G8 für ihr Kind zu viel ist, genügend Alternativen an. Zum einen gibt es die Gemeinschaftsschule, die den neunjährigen Weg bis zum Abitur anbietet. Auch die Regionalschule, die den Weg in die gymnasiale Oberstufe öffnet, ist eine Alternative. Deshalb denke ich, dass die Alternativen, die Sie hier angedeutet haben, nicht notwendig sind und wir sie nicht realisieren müssen.
Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Henning Höppner und erteile für den SSW Frau Abgeordneter Anke Spoorendonk das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann die Verunsicherung vieler Eltern nachvollziehen, die ihren Kindern unverhältnismäßigen
Druck in der Schule ersparen wollen. Die Bildungsministerin hat die Bedenken schon aufgegriffen und bereits in mehreren Interviews deutlich gemacht, dass sie keineswegs die Gefahr sieht, dass die Lehrpläne überfrachtet sind. Schließlich hätten die Modellprojekte zum Abitur nach 12 Jahren gezeigt, dass Lehrer und auch Eltern durchaus zufrieden seien. - Dagegen ist nichts einzuwenden.
Nur weil die Überlastung der Schüler und ein möglicher Unterricht am Sonnabend eine wichtige Rolle sowohl im Hamburger Senatswahlkampf als auch im Landtagswahlkampf Niedersachen gespielt haben, muss das nicht zwangsläufig bedeuten, dass wir in Schleswig-Holstein Probleme mit einer überhöhten Stoffkonzentration haben. Dennoch sind viele Eltern besorgt über Neunstundentage für 14-Jährige, die kaum noch Zeit für Freizeit und Hobbys haben.
Doch die Bildungspolitik bewegt sich bereits seit Jahren zielgerichtet auf das Abitur nach 12 Jahren hin. Ich erinnere mich an eine hitzige Debatte um einen CDU-Antrag aus dem Jahr 2001, mit dem die CDU auf Biegen und Brechen das Abitur nach 12 Jahren im ganzen Land einführen wollte. Ich gab schon damals zu bedenken - und wiederhole das heute -, dass der SSW kein Vorhaben unterstützt, das keine echte Reform des Gymnasiums zur Folge hat und lediglich die Schulzeit verkürzen möchte.
Das neue Schulgesetz möchte uns glauben machen, dass die verkürzte Schulzeit mit einer grundsätzlichen Reform der Oberstufe einhergeht. So ganz kann das nicht stimmen, ansonsten wäre die Beliebtheit des Abiturs an den Beruflichen Schulen nicht zu erklären. Das so genannte Turbo-Abitur verstärkt ganz eindeutig die soziale Differenzierung. Schwache Schüler werden aus den Gymnasien verdrängt. Schüler und Eltern weichen aber auch ganz aktiv auf die ihnen besser erscheinende Schulform aus. Man kann natürlich sagen: Es ist gut so, dass wir diese verschiedenen Angebote haben, aber ich denke, so einfach können wir uns das nicht machen.
Zu dem Antrag der FDP nur eine ganz kurze Bemerkung, wir werden das im Ausschuss weiter diskutieren. Die Erweiterung des Ganztagsangebotes
an den Gymnasien weist aus unserer Sicht in die richtige Richtung. Voraussetzung ist allerdings, dass das Ganztagsangebot dann auch qualifizierte Unterstützung der Schülerinnen und Schüler beinhaltet. Ich wiederhole, was ich auch schon ein paar Mal gesagt habe: Es kann nicht angehen, dass die Ganztagsschule nur über Ehrenamtlichkeit läuft. Sie muss hauptamtlich untermauert werden.
Der SSW ist auch wirklich der Auffassung, dass es nicht angehen kann, dass wir hier die offene und dort die gebundene Ganztagsschule haben. Wir müssen die Ressourcen bündeln. Das kann nur über ein Ganztagsangebot mit qualifizierter Unterstützung laufen.