Protokoll der Sitzung vom 28.02.2008

Die von der Regierung vorgelegten Thesen zur hochschulpolitischen Strategie sagen nichts über die zu entwickelnden Forschungsschwerpunkte der Zukunft, die Profile der einzelnen Hochschulen und die Ausbalancierung der unterschiedlichen Aufgaben. - Dazu keine Aussage. Es wird lediglich technokratisch, auf einem hohen Abstraktionsniveau, die Philosophie des Ministeriums dargestellt. Für die konkrete Steuerung ist das keine Hilfestellung. Deshalb fordern wir einen Hochschulplan.

Wir fordern aber auch viel für die Lehre. Die Lehre muss neben der Forschung als gleichwertige Aufgabe begriffen, dringend qualitativ verbessert und vor allen Dingen ausfinanziert werden. In Zusammenhang mit den hohen Abbrecherquoten und den langen Studienzeiten in vielen Studiengängen ist die Entwicklung der Lehre eine vordringliche Aufgabe. Das kann man nicht allein mit dem Zusammendrän

gen der Studienordnung in Bachelor und Master bewältigen. Viele Studierende beschweren sich darüber, dass nicht die Lehre reformiert wurde - wie wir das eigentlich mit Bachelor und Master angestrebt haben -, sondern dass einfach nur mehr Stoff in kürzerer Zeit gebracht wird.

In den Regierungsthesen zur hochschulpolitischen Strategie kommt die Lehre praktisch gar nicht vor. Das ist bedauerlich, denn sie hat einen systematischen Stellenwert für den Erfolg einer Hochschule. Nicht allein die Forschung, auch die Lehre trägt zum Erfolg der Hochschule bei.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und des Abgeordneten Jürgen Weber [SPD])

Hochschuldidaktik ist bisher aber nur eine Randerscheinung und vor allem spielt die Lehre für die Profilierung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kaum eine Rolle. Genau das muss sich grundlegend ändern.

Wir wollen deshalb, dass hier Evaluation stattfindet und dass die Evaluation auch Auswirkungen auf die interne Mittelverteilung in der Hochschule hat, sehr viel mehr, als das bisher geschieht.

Die Hochschulen sind aber auch als wissenschaftliche und anwendungsorientierte Institutionen - denn das sind sie natürlich auch -, Weiterbildungsinstitutionen und haben sich auch hierbei in den sich herausbildenden Qualitätsclustern der Weiterbildung zu profilieren.

Ganz wesentlich: Die Kapazitätsverordnungen bei den zulassungsbeschränkten Studiengängen soweit wir sie vom Land her beeinflussen können, Herr Minister - sollten verändert werden, sie sollten in Zielvereinbarungen ausgehandelt werden. Die jetzige Kapazitätsverordnung, sofern sie von Landesseite formuliert ist, ist nicht zielführend. So, wie sie bisher gestrickt ist, bedeutet das, dass wir bei jeder Verbesserung in der Lehre mehr Studierende aufnehmen müssen. In dem Studium der Betriebswirtschaft gibt es inzwischen Vorstellungen, dass ausschließlich in Vorlesungen mit mehreren hundert Menschen gelernt werden soll. Einen solchen Qualitätsverlust können wir so nicht hinnehmen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben eine weitere Entbürokratisierungsmaßnahme vorgeschlagen, die nachträgliche Genehmigung von schon akkreditierten Studiengängen. Für die Akkreditierung hat das Ministerium erst einmal grünes Licht gegeben. Wir wollen aber die dann noch einmal nachträglich erforderliche Ge

nehmigung abschaffen. Es ist nicht einzusehen, dass das Ministerium zweimal kontrolliert, vor der Akkreditierung einmal und hinterher noch einmal. Das gefährdet zum Teil den Studienbeginn oder das Ende des Studiums, weil das so lange dauert.

Für uns ist ganz wesentlich, dass die Studierbarkeit des Studiums sichergestellt ist. Ich sagte gerade schon etwas über überladene Curricula.

(Unruhe)

Ich bitte um ein bisschen mehr Ruhe.

Insbesondere muss sich das Studium auch an junge Menschen richten können, die selbst schon Kinder haben. Das heißt, es ist zu überlegen, wie ein Teilzeitstudium - das ja auf unser Drängen hin ins Hochschulgesetz aufgenommen wurde - tatsächlich auch umgesetzt werden kann. Die meisten Hochschulen haben hier überhaupt nicht geplant und lassen die jungen Leute hängen. Das gilt auch für diejenigen, die in zunehmend größerer Zahl aus der Berufstätigkeit heraus noch einmal ein Studium ergreifen wollen. Außer dem klassischen Fernstudium wird hier zu wenig geboten. Es wird auch nicht berücksichtigt, wie viele Studierende, um überhaupt studieren zu können, nebenher schon berufstätig sein müssen. Hier muss man umdenken. Mit den Hochschulen ist darüber zu verhandeln, wie man Schritt für Schritt zu gangbaren neuen Modellen kommen kann.

Das heißt natürlich auch, dass das Thema Kinder an der Hochschule eine Rolle spielen muss. Da geht es um Kinderbetreuung. Ich freue mich, dass zunehmend mehr Hochschulen sagen, sie seien eine familienfreundliche Hochschule. Das muss sich aber auch bis in die Studienorganisation auswirken.

Auch hier ist die Evaluierung das A und O. Sofern die Aussagen der Studierenden nicht Auswirkungen auf das Geld haben, ist die Arbeit nicht getan.

Wir kommen damit zur Flexibilisierung bei der Bezahlung der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern. Wir halten nichts davon, ausschließlich Lecturer in großem Maße einzustellen. Wir möchten vielmehr, dass alle Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer ein höheres Lehrdeputat bekommen als jetzt. Sofern sie aktiv forschen, können sie dann dieses Lehrdeputat deutlich reduzieren. Es gibt viele Leute, die haben ihren Professorentitel noch nach dem alten C4-Muster, aber geforscht ha

(Angelika Birk)

ben sie schon lange nicht mehr. Trotzdem haben sie eine geringere Lehrverpflichtung als Fachhochschullehrende, die nebenbei sogar noch forschen. Hier müssen wir zu einer modernen Flexibilisierung kommen, die sich an der realen Arbeitsbelastung derjenigen ausrichtet, die tätig sind.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dabei muss aber auch berücksichtigt werden, dass manche neben der Hochschule auch noch als Betriebsgründer tätig sind.

Ganz wesentlich für uns ist die Präsenz von Frauen in Forschung und Lehre. Hier ist Schleswig-Holstein im Bundesvergleich nach wie vor Schlusslicht.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört, hört!)

Ein Bonus- und Anreizsystem ist nun vom Wissenschaftsrat am 13. Juli 2007 verabschiedet worden. Dieses gilt es, intensiv zu nutzen, und zwar so zu nutzen, Herr Minister, dass hinterher tatsächlich mehr Geld für die Gleichstellung zur Verfügung steht. Hier darf nicht einfach das Bundesgeld genommen, dafür das Landesgeld gestrichen und das, was inhaltlich mit dem System verbunden ist, nur nachlässig verfolgt werden. Das ist äußerst nachdrücklich zu verfolgen. Hier werden wir sehr wachsam sein.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ein wesentliches Element ist die Lehrerbildung. Hierzu haben wir einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht. Ich möchte ihn an dieser Stelle nur in Erinnerung rufen und sagen, für eine zukunftsfähige Lehrerbildung brauchen wir statt der schulartbezogenen eine schulstufenbezogene Ausbildung und mehr Schulforschung, mehr Unterrichtsforschung. Theorie und Praxis müssen im Lehramtsstudium von Anfang an verzahnt werden. Die Praxismodule müssen integriert werden. Wir halten es für möglich, dass das auch in einem polyvalenten BachelorStudium realisierbar ist. Dazu braucht aber die Flensburger Hochschule deutliche Unterstützung. An dieser Stelle möchte ich sagen, das, was sich als Ergebnis meiner Kleinen Anfrage zur Uni in Flensburg ergeben hat, zeigt, wie viel wir hier noch zu tun haben. Wir möchten in den Zielvereinbarungen sehen, dass hier tatsächlich etwas bewegt wird. Das Ministerium hat selber gesagt, dass diese Universität unterfinanziert ist.

Kommen wir zu einer weiteren Frage, die ganz wesentlich ist, unser Medizinstudium. Wir haben hier

gefordert und die Erichsen-Kommission darin unterstützt, dass die Doppelstrukturen zwischen den Medizinischen Fakultäten in Kiel und in Lübeck abgeschafft werden, dass man sich konzentriert und festlegt, was mehr in Lübeck und mehr in Kiel gemacht werden soll. Die Landesregierung hat wiederholt Aufträge bekommen. Wir möchten wissen, was daraus geworden ist. Wir befürchten nämlich, dass wir als Land einfach nur den Zuschuss finanziert haben, die Doppelstrukturen aber weiterlaufen. Das ist natürlich kontraproduktiv.

Als ein Beispiel möchten wir die Versorgungs- und Pflegeforschung sowie einen Lehrstuhl für Allgemeinmedizin in Lübeck etablieren. Das sind zukunftsfähige neue Wege. Befristete Stiftungsprofessuren reichen dafür allerdings nur wenige Jahre. Dieses Thema ist fest in der Fakultät in Forschung und Lehre verankert. Ich freue, dass die Medizinische Fakultät sich hierfür stark macht.

Es gebe noch weitere Elemente zu nennen, dazu reicht die Zeit nicht. Sie sehen, wir haben uns umfassend Gedanken über die Zukunft der Hochschulen im Land gemacht. Wir bitten um eine ausführliche Auseinandersetzung. Das haben unsere Hochschulen verdient.

Wir möchten mit dem Bericht nicht bis in Ewigkeit warten. Wir möchten, dass heute ein Impuls gegeben wird, dass das Ministerium in wenigen Monaten sowohl über die Vergangenheit als auch über die zukünftige Entwicklung berichtet.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die Fraktion der CDU hat das Geburtstagskind, der Kollege Niclas Herbst, das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was wir hier vorliegen haben, ist der Versuch der Grünen eines klärenden hochschulpolitischen Rundumschlages. Dabei wird eine Konfliktlinie ganz deutlich, das ist die Konfliktlinie zwischen der Frage des politischen Gestaltungswillens bei uns auf der einen und der Hochschulautonomie auf der anderen Seite. Da sage ich ganz grundsätzlich für meine Fraktion: Im Zweifel stehen wir immer für die Hochschulautonomie.

(Beifall bei der CDU - Zuruf der Abgeordne- ten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

(Angelika Birk)

- Wir sind hier nicht auf einer Demo. Ich möchte gern anfangen, weil ich ja Geburtstag habe, und erst einmal aufzählen, wo ich durchaus Anknüpfungspunkte sehe, und die Punkte nennen, über die man vielleicht reden kann. Der eine oder andere Punkt wird von Ihnen ja auch zu Recht aufgegriffen.

Zunächst einmal gebe ich Ihnen recht, Lehre als strategische Aufgabe der Hochschulen zu beschreiben. Es gibt dort auch Defizite; das ist unstreitig.

Sie haben die Evaluation angesprochen. Die ist im Hochschulgesetz geregelt, sie fällt zunächst in den Bereich der Hochschulen. Das heißt aber nicht, dass wir aus dem politischen Raum das Ganze diskutieren und Anstöße geben können.

Auch zur Hochschuldidaktik geben Sie in der Begründung Ihres Antrages durchaus eine richtige Beschreibung. Dass es dort zukünftig eine starke Gewichtung gibt, ist gut. Es gibt erste Punkte dafür, die Sie nicht genannt haben, zum Beispiel Studierendenbefragungen, Evaluation übers Internet. All das kann uns Schritt für Schritt voranbringen.

Ich finde auch Ihren Punkt mit forschungsabhängigen Workloads - wir müssen im Ausschuss diskutieren, was das ist; das können wir hier nicht vertiefen - bei den Lehrverpflichtungen bedenkenswert. Dann müssen wir uns einmal die Lehrverpflichtungsverordnung anschauen. Auch das liegt zunächst einmal in der Verantwortung der Hochschule. Sie laufen da offene Türen ein, wenn wir uns die entsprechenden Verordnungen einmal anschauen.

Auch über den Inhalt der Lehrerausbildung kann man sicherlich diskutieren. Die Forderung von mehr Praxis ist leicht aufgestellt, aber schwierig umzusetzen, insbesondere wenn man die Regelstudienzeit einhalten will.

Über den Punkt kann man ebenso diskutieren wie über das Thema Teilzeitstudium, Studium mit Kindern. Da ist mir persönlich Ihr Antrag allerdings ein bisschen zu dünn. Ich will die Debatte von eben nicht aufgreifen; es ist sicherlich richtig, dass eine Fraktion kein Ministerium ist, auch eine kleine Fraktion nicht, dass man nicht alles im Detail klären kann. Aber einfach nur zu sagen, es sollten Maßnahmen ergriffen werden, um das zu verbessern, reicht mir nicht aus, zumal wir diese Debatte schon im Rahmen der Novellierung des Hochschulgesetzes geführt haben. Da könnten wir im Ausschuss deutlicher in die Tiefe gehen, als es Ihr Antrag macht.

Das Gleiche gilt für das Thema Gleichstellung, Frauenanteil. Hier stellen wir uns natürlich die Frage, ob ein Plan, wie Sie ihn sich vorstellen, das richtige Instrument ist oder ob es da bessere Instrumente gibt. Ich will daran erinnern, dass der Frauenanteil im Anreizbudget seit vorletztem Jahr ein Parameter ist. Sie haben das Anreizbudget insgesamt sehr kritisch begleitet. Hier sehe ich die besseren Wege, um den Frauenanteil tatsächlich zu erhöhen und dem in der Hochschulpolitik ein Gewicht zu geben.

Kritisch anmerken möchte ich, dass gerade der zweite Teil Ihres Antrages ein bisschen zu einem Gemischtwarenladen gerät. Man hat den Eindruck, alles, was mit Hochschule zu tun hat, sollte dort mit rein, zum Beispiel das Thema Pflegeforschung, das Ihnen am Herzen liegt, über das wir aber schon diskutiert haben, oder das Thema Stufenlehrerausbildung, über das wir an anderer Stelle auch schon diskutiert haben. Da wäre weniger wahrscheinlich mehr gewesen.

Es gibt einige weitere interessante Punkte - da freue ich mich wirklich auf die Ausschussberatung -, die wir vertiefen müssen. Sie haben das Thema Kapazitätsverordnung genannt. Das ist deshalb ein interessanter Punkt, weil sie heute im Grunde genau das Gegenteil von dem gefordert haben, was die Grünen auf Bundesebene und in anderen Bundesländern fordern. Darüber kann man sicherlich reden.

Sie haben das Thema Lecturer genannt. Kein Mensch will Lecturer im ganz breiten Rahmen einführen. Das war immerhin ein positiver Anklang. Ich will daran erinnern, dass wir mit dem Hochschulgesetz die Möglichkeit geschaffen haben, dies im Rahmen der Lehrverpflichtung in SchleswigHolstein durchzusetzen. Insofern sind wir auch da möglicherweise gar nicht so weit auseinander.

Im Kern fordern Sie die Aufstellung eines Landeshochschulentwicklungsplanes. Die Sachlage ist ja eindeutig: Die Verhandlungen über die Zielvereinbarungen laufen. Das Instrument der Zielvereinbarungen haben wir ganz bewusst im Hochschulgesetz verankert. Es ist im Übrigen im Gesetz auch geregelt, dass der Landtag über die Eckwerte durch das Ministerium informiert wird.

Dann geht es letztendlich um die Kernfrage: Was ist der bessere Weg? Ich habe mir von den Kollegen, die länger dabei sind, sagen lassen, dass die Plandebatte nicht ganz neu ist. Ich glaube, dass das Instrument, das wir im Hochschulgesetz verankert