Viertens. In der Oberstufe wachsen die Klassenstärken bis an den Klassenteiler 29 heran. Bei einer Veranstaltung mit Vertretern Neumünsteraner Gymnasien ist mir gesagt worden, sie müssen in den Profilen der Oberstufe im Schnitt 27 bis 28 Schüler unterbringen, um eine Planstellenzuweisung generieren zu können, die überhaupt die 34 Wochen Unterricht in der Oberstufe ermöglichen.
Das ist Fakt, eine deutliche Verschlechterung der Arbeits- und Lernbedingungen in der gymnasialen Oberstufe, ganz abgesehen davon, dass viele Schulen - das wissen Sie alle - wegen der kleinen Kursräume, die dort bestehen, die man für das Kurssystem eingerichtet hatte, gar nicht die räumlichen Voraussetzungen für diese großen Klassen mitbringen.
Fünftens. Die Schulen erhalten nicht die Lehrerstellen, die sie in Anbetracht ihrer Schülerzahlen und angesichts des Mehrbedarfs durch G8 eigentlich benötigen.
Dazu noch eine Anmerkung. Laut Antwort der Ministerin auf meine Kleine Anfrage, Drucksache 16/1907 - sie war bei der vorherigen bildungspolitischen Debatte schon Gegenstand der Diskussion sollen den Gymnasien für das kommende Schuljahr 4.592 Stellen zugeteilt werden. Das wären 121 mehr als im jetzigen Schuljahr. Nachzulesen in der der Antwort auf meine Kleine Anfrage.
Am 25. April gab die Ministerin in einer Pressemitteilung bekannt, die Gymnasien würden 173 zusätzliche Stellen bekommen. Die Differenz zu der Antwort auf meine Anfrage sind 52. Interessant zu wissen, aus welcher Schatulle diese 52 Stellen, die der Pressemitteilung zu entnehmen sind, extra obendrauf, herkommen sollen.
Wie auch immer, angesichts der massiv gestiegenen Schülerzahl bleiben die Zuweisungen hinter dem Bedarf zurück, denn die Gymnasien haben wegen des Auslaufens der Vorgriffsstunde im nächsten Schuljahr faktisch einen Verlust im Umfang von 85 Stellen. Das muss man einrechnen. Der Rechnungshof hat schon 2004 in seinem Sonderbericht festgestellt:
„Eine Verkürzung der Schulzeit bis zum Abitur auf 12 Jahre würde den Lehrerbedarf in der achtjährigen Einführungszeit sukzessive um maximal 300 Stellen erhöhen …“
Sukzessive erhöhen, also Jahr um Jahr aufwachsend. Diesen Mehrbedarf muss man einrechnen. Er ist darauf zurückzuführen, dass man in den Schuljahren mehr Unterricht als früher in den G9-Jahrgängen erteilt. Der Wegfall eines Schuljahres führt zu mehr Unterricht pro Schuljahr. Das generiert bei der Einführung dieser Reform einen Mehrbedarf.
Beispiel ist das Vorziehen der zweiten Fremdsprache. Wenn die zweite Fremdsprache schon in der 6. Klasse erteilt wird, ist der Bedarf an entsprechenden Fachlehrern für die Fremdsprachen früher da. Da gleichzeitig der letzte G9-Jahrgang, der im
7. Schuljahr beginnt, im übernächsten Schuljahr mit der zweiten Fremdsprache dran ist, haben wir das Problem einer Doppelung des Bedarfs im Bereich der zweiten Fremdsprache. Interessant zu wissen ist, wie das in die Personalbedarfsberechnungen und die Einstellungen von Lehrkräften eingerechnet ist. Aus den Schulen hört man, dass es im übernächsten Schuljahr schon schwierig werden wird, den Französischunterricht, also die sonst am meisten gewählte Fremdsprache, für diesen Doppeljahrgang anbieten zu können, der mit der zweiten Fremdsprache beginnt. In den Mangelfächern Latein und Spanisch sieht es ganz düster aus. In der Attraktivität und Bandbreite des Fremdsprachenangebots an den Schulen wird es im übernächsten Schuljahr enorme Probleme geben.
Ich fasse zusammen: Die Landesregierung lässt die Gymnasien bei der Umsetzung der G8-Reform im Stich. Sie gewährleistet an den Schulen nicht jene Rahmenbedingungen, durch die eine solche Reform überhaupt angemessen durchgeführt werden kann.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Dr. Klug und erteile das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Frau Abgeordneten Angelika Birk.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie erinnern sich: Heute Morgen ging es um „nur“ 50 Stellen an den Regional- und Gemeinschaftsschulen, die wir eingefordert haben. Herr Dr. Klug hat darauf hingewiesen, dass die Stellen bei den Gymnasien nach verschiedenen Veröffentlichungen der Ministerin von 127 auf 173 angestiegen sind. Er hat an anderer Stelle auch darauf hingewiesen, wie sehr diese Stellen auf dem Papier durch Umschichtungen, die Vorgriffsstunde und andere Dinge in der Realität wieder aufgefressen werden.
Insofern wundert es uns nicht, dass die Elternvertretungen der Gymnasien fordern: „Mehr Lehrer für unsere Kinder! Bildung ist die Zukunft!“ Wir möchten den Vorwurf der Einseitigkeit nicht auf uns sitzenlassen. Natürlich hören wir auch zu, wenn Eltern von Gymnasiasten mit uns reden.
Sie haben es uns vorgerechnet. In den letzten 13 Jahren sind die Schülerzahlen an den Gymnasien in Schleswig-Holstein, die man sehr gut nachrechnen kann, in der Sekundarstufe I um 41 % und in
der Sekundarstufe II um 42 % gestiegen. Die Zahl der Lehrerplanstellen an den Gymnasien ist im Gegensatz dazu aber nur um 9 % gestiegen. Letzteres ist das Ergebnis einer rot-grünen Koalition, die dem Schüleraufwuchs und den entsprechenden Forderungen nur zum Teil nachkommen konnte, obwohl ein beträchtlicher Anteil der Forderungen umgesetzt wurde. Das haben wir auch nie verborgen. Aktuell hat sich das Verhältnis der Vollzeitlehrerstellen an Gymnasien seit dem letzten Schuljahr von 18,3 auf 18,8 Schüler verschlechtert.
Es gibt hierzu besonders krasse Beispiele, die ich Ihnen aus Zeitgründen ersparen möchte. Es lohnt sich aber, sie nachzulesen. In der BismarckschuleElmshorn ist es beispielsweise so, dass von 70 Planstellen 27 nicht besetzt sind. Hierzu gibt es weitere Beispiele. Das sind krasse Unwuchten. Als ein weiteres Beispiel ist das Gymnasium am Mühlenberg in Ostholstein zu nennen. Hier sind seit Jahren Wanderklassen die Regel. Das ist ein Defizit der Schulträger. Auf diese Situation trifft nun das achtjährige Gymnasium. Das muss man sich klarmachen.
Ich möchte aber auch deutlich an unsere Debatte von heute Morgen anknüpfen und sagen: Die Situation an den Gymnasien ist in Bezug auf das Lehrer-Schüler-Zahlen-Verhältnis weit besser als an den Real-, Haupt-, Regional- und Gemeinschaftsschulen. Das muss man sich klarmachen. Auch wenn die Klagen berechtigt sind, so stehen wir dazu, dass die gymnasiale Oberstufe größere Lerngruppen hat. Wir haben immer gesagt, dass es nicht sein könne, dass für die älteren Schüler in einer vergleichsweise privilegierten Situation sehr viel mehr Geld ausgegeben wird als für die jüngeren Kinder. Dazu stehen wir.
Wir stehen im Gegensatz dazu natürlich nicht dazu, dass diese Jugendlichen zum Beispiel keinen Sitzplatz in ihrem Klassenraum finden. Wir stehen auch nicht dazu, dass die Profiloberstufe die Wahl der Fächer deutlich einschränkt. Das haben wir an verschiedenen Stellen deutlich gemacht. Faktisch haben wir an vielen Schulen nur zwei Profile.
An dieser Stelle möchte ich besonders auf eine Tatsache aufmerksam machen: Die Kontingentstundentafel und der Epochenunterricht, die wir sehr begrüßen, sorgen in der Sekundarstufe I angesichts des faktischen Lehrermangels in den Mangelfächern dafür, dass viele Fächer überhaupt nicht mehr unterrichtet werden.
Vielleicht ist Ihnen der Bericht des Rechnungshofs gegenwärtig. Dieser hat deutlich gemacht, dass Fächer wie Musik, Physik und Technik und anderes an manchen Schulen überhaupt nicht unterrichtet werden. Dadurch kommt es natürlich an den Oberstufen auch nicht zu einer entsprechenden Profilbildung. Selbst dort, wo diese Fächer gepflegt wurden, gibt es oft keine ausreichende Anzahl von beispielsweise 29 musikinteressierten Schülerinnen und Schülern. Hier muss man also Kompromisse eingehen, damit es nicht dazu kommt, dass wir überhaupt keine musischen und ästhetischen Fächer mehr an den Schulen und in den Oberstufen unterrichten. Gleiches gilt für die Naturwissenschaften.
Es hat von den Schulen sehr pragmatische Vorschläge dahin gehend gegeben, wie man mit einer sehr kleinen Aufstockung erreichen kann, die geschlossenen Lerngruppen - es gibt an der Oberstufe ja jetzt wieder Klassen - zu teilen, indem man innerhalb einer Klasse zwei Profile anbietet, um auch selten gewählten Profilen eine Chance zu geben. Frau Ministerin, ich bitte Sie, sich diesen pragmatischen Vorschlägen zügig zu nähern, damit wir im nächsten Jahr kein Aussterben der Profile vor uns sehen, die an den Schulen bereits vorhanden waren.
Wir sagen auch hier: Der Übergang kostet erst einmal mehr Geld. Dies sagen wir vor dem Hintergrund, dass wir wissen, dass die Gymnasien im Vergleich zu anderen Schulen privilegiert sind. Wir sehen es aber nicht, dass Sie deswegen keine Sorgen hätten und dass man sich deshalb nicht kümmern müsste.
Ihr Bericht zu G8 liefert sehr viel interessantes Material aus anderen Bundesländern. Zu unserem Bundesland sind allerdings viele Fragen offen geblieben.
Ich danke der Frau Abgeordneten. - Für den SSW im Landtag erteile ich Frau Abgeordneter Anke Spoorendonk das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Bericht stellt in komprimierter Form die Überlegungen der Landesregierung zur Ausgestaltung des neuen achtjährigen Gymnasiums vor. Ich finde den Bericht gut, weil er nicht einseitig ist. Er macht deutlich, wo es Risiken und
Erstens. Aus den Erfahrungen der Klaus-GrothSchule in Neumünster, die in einem Modellversuch vollständig auf G8-Jahrgänge umgestaltet wurde, geht hervor, was aus anderen Projekten und Modellversuchen bekannt ist, nämlich dass die Motivation entscheidend ist. Den Schülerinnen und Schülern wird somit bestätigt, dass sie leistungsfähiger und aktiver waren als erwartet. Aus übergeordneter Sicht betrachtet bedeutet dies, dass für das Gelingen von G8 mehr Eigenverantwortung der Schülerinnen und Schüler für den Lernfortschritt erforderlich ist. Dies geht auch aus dem Bericht hervor. Daran ist aus Sicht des SSW erst einmal nichts auszusetzen, denn das sollte eigentlich ein wesentliches Ziel pädagogischer Arbeit insgesamt sein. Dafür müssen dann aber auch die Rahmenbedingungen stimmen, insbesondere dann, wenn das achtjährige Gymnasium zur Regel wird. Ich denke, auch im Rahmen der Ausschussberatungen sollte es um diese Rahmenbedingungen gehen.
Zweitens. Die Auswertung des Modellversuchs an der Klaus-Groth-Schule gibt bereits einen ersten Hinweis darauf, dass die lernschwächeren Schüler bei G8 nach dem Unterricht besonders gefördert werden müssen. Im Bericht heißt es dazu:
„Nicht ausgeschlossen wurde die Möglichkeit, dass es schwieriger sei, schwächere Schülerinnen und Schüler zu integrieren.“
Wenn wir nicht wollen, dass der kurze Weg zum Abitur nur den Kindern aus besseren Familien offensteht und dass alle anderen Schüler an die beruflichen Schulen verwiesen werden, um das Abitur zu machen, dann müssen wir ernsthafte Anstrengungen unternehmen, damit professionelle Angebote am Nachmittag zur Verfügung stehen.
Das soll heißen: Wenn die offene Ganztagsschule ausschließlich auf der Kooperation von Vereinen basiert und sich auf das Ehrenamt der Eltern stützt, dann wird sie nicht den Anforderungen gerecht, die an sie gestellt werden. Das gilt auch, wenn es um Ganztagsangebote an Gymnasien geht. Hier gibt es das zusätzliche Problem, dass wir an den Gymnasien noch keine ausreichenden Ganztagsangebote haben.
Drittens. Der Bericht enthält eine gründliche Übersicht über die Möglichkeiten, die mit den neuen Kontingentstunden gegeben sind. Dass mit den
Kontingentstunden für die einzelnen Schulen ein größerer Gestaltungsspielraum geschaffen werden könnte, sieht auch der SSW. Fest steht aber auch, dass die Kontingentstunden ihre Handhabbarkeit erst noch beweisen müssen. Die GEW hat in Baden-Württemberg die dortigen Kontingentstunden sehr kritisch gesehen, weil diese Stundentafeln nur abhängig von pädagogischen Überlegungen eingesetzt werden sollten. Stattdessen würden sie oft als Manövriermasse benutzt. Ohne konkrete Leitlinien sind der Beliebigkeit und der Intransparenz im schulischen Bildungssystem Tür und Tor geöffnet. Das sagt die GEW in Baden-Württemberg.
Ich würde auch gern sehen, wie sich die Kontingentstunden in Schleswig-Holstein weiterentwickeln. Ich möchte an dieser Stelle nicht verhehlen, dass die Kontingentstunden zwar die Autonomie der einzelnen Schulen stärken, aber ohne fachliches Korsett nicht die geforderten Ziele umsetzen können.
Auf die Vorgaben der Kultusministerkonferenz werde ich in meinem Beitrag nicht weiter eingehen. Interessant fand ich aber die Feststellung, dass in allen Bundesländern das Abitur weiterhin nach neun Jahren möglich sein wird. Hier in SchleswigHolstein gilt dies bekanntlich für Gemeinschaftsschulen und für das Abitur an beruflichen Schulen. Es gibt also weiterhin einen strukturellen Spielraum. Für den SSW heißt dies im Umkehrschluss, dass wir mit unserem Ziel am Ball bleiben, eine Schulreform aus einem Guss zu bekommen. Wir streben eine Schulreform an, die zum einen auch das Gymnasium einbezieht und zum anderen die Gemeinschaftsschule als Fundament hat.
Zum Schluss noch eine kleine Bemerkung: Die Qualität der Bildungsgänge wird nicht durch zentrale Prüfungen gesichert, wie es im Bericht steht, sondern durch eine gute inhaltliche und pädagogische Konzeption. Die Prüfungsergebnisse zeigen dann an, ob die Konzepte bei den Schülern angekommen sind. Ich finde, wir sollten aufpassen, dass wir dies nicht umgekehrt betrachten. Das sage ich auch vor dem Hintergrund der Diskussionen über die zentralen Prüfungen an den Hauptschulen.
Ich danke der Frau Abgeordneten. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.
Es ist beantragt worden, den Bericht der Landesregierung Drucksacke 16/1948 an den Bildungsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? Enthaltungen? - Das ist so beschlossen.
Bevor ich Tagesordnungspunkt 7 aufrufe, gebe ich dem Plenum bekannt, dass die Fraktionen sich darauf geeinigt haben, Tagesordnungspunkt 21 vorzuziehen, weil wir gut in der Zeit liegen.
Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Schleswig-Holsteinischen Abgeordnetengesetzes
Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU, SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten des SSW Drucksache 16/2074 (neu)