Ich bin davon überzeugt, dass alle öffentlichen Beschaffungsstellen bei der Vergabe von Aufträgen gewillt sind, auf ökologische und soziale Kriterien bei der Materialbeschaffung zu achten. Zum Aufstellen von Forderungen gegenüber Lieferanten kann man sich natürlich jetzt mit dem Argument hinstellen, dass die öffentliche Hand als Großkunde eine Menge bewegen könnte und dadurch jedes einzelne Stück unter Berücksichtigung der IAO-Kriterien nur unwesentlich teurer werden würde. Hierbei ist jedoch im Umkehrschluss zu bedenken, dass ein zentralisierter Einkauf - so wichtig dieser für die öffentliche Haushalte sein mag - die Gefahr in sich birgt, durch Masseneinkäufe derartig hergestellter Produkte - wie im Antrag angedeutet und wie wir sie nicht haben wollen - in Umlauf und Gebrauch zu bringen. Viele kleine und Kleinstbetriebe haben dadurch nicht mehr die Möglichkeit, ihre sauberen Produkte an den Mann, die Frau oder die Verwaltung zu bringen.
Ich persönlich verstehe diese Debatte insbesondere vor dem Hintergrund, dass Politik das Augenmerk auf eine inhaltliche und sachlich ausgewogene Information der Öffentlichkeit richtet und somit für die Problemlage sensibilisiert.
Durch das mit gewohnter deutscher Gründlichkeit stark reglementierte Vergaberecht gehen die Einkäufer in den meisten Fällen davon aus, dass ihnen gar nichts anderes übrig bleibt als das billigste Angebot auszuwählen. Die seit 1998 geltende VOB geht aber nicht zwingend davon aus, das der billigste oder günstigste, sondern der wirtschaftlichste Anbieter den Zuschlag erhalten kann. Denn die gemäß VOB ausgeschriebenen Leistungserbringungen unterliegen in der Angebotsprüfung nach § 23 unter anderem der wirtschaftlichen Prüfung. In diesem Paragraf ist unter anderem die Frage der Arbeitsdauer, der Einsatz von Arbeitskräften, die Bezugsquelle von Stoffen und Bauteilen und so weiter geregelt - also unter anderem auch die Beachtung von sozialen Aspekten.
Solche Aspekte gelten als vergabeferne Kriterien, schließlich lässt sich der Vorteil von anständigen Arbeitsbedingungen nicht am Produkt selbst nachweisen. Die soziale Dimension in einem Produkt ist weitaus schwieriger zu erfassen als die ökonomische und ökologische Dimension. Beim sozialen Kriterium ist darauf zu achten, dass ein ausbeu
tungsarmer Prozess durchlaufen wird. Eine Kontrolle ist bei den meisten Einzelherstellungsprozessen jedoch nicht direkt durchführbar, sodass der Einkäufer auf die Informationen und Aussagen des Lieferanten angewiesen ist.
Dies kann zum einen durch ein Spiegeln an anerkannten ethischen und moralischen Wertevorstellungen geschehen. Zu bedenken bleibt, dass häufig die Durchsetzbarkeit von Mindestsozialstandards fraglich bleibt und dass es bei der internationalen Beschaffung oft schwierig ist, die Herstellungsbedingungen zu kontrollieren.
Wer überprüft diese Vorgänge und Zusammenhänge in einer Zeit, in der wir alle immer wieder Bürokratieabbau anmahnen und einfordern, um Geld einzusparen, welches wir dann an anderer Stelle genau in dem Bereich wieder einsetzen, den Sie eben angesprochen haben, Herr Kollege.
Ich möchte dann auch ein Beispiel aus meinem Wahlkreis anführen: Die Perspektive Meldorf gibt Menschen mit Behinderung die Möglichkeit der preisorientierten beruflichen Eingliederung. Namhafte Unternehmen der Metropolregion Hamburg sehen in der Perspektive Meldorf und den dort beschäftigten Menschen einen verlässlichen Partner in der Ausübung von Dienstleistungen für entsprechende Arbeitsgänge. Hier steht die soziale Komponente der Unternehmer gegenüber benachteiligten Menschen im Vordergrund und sollte besonderer Beachtung zuteil werden. Mein besonderer Dank geht an die handelnden Personen im Umfeld der Perspektive Meldorf und an die beteiligten Firmen.
Es sei mir an dieser Stelle auch noch einmal ausdrücklich erlaubt, diese Debatte dazu zu nutzen, um auf die Handwerksbetriebe zu verweisen, die mit ehrlicher Handarbeit dem heutigen Lebensmotto „Geiz ist geil“ entgegenwirken, um dem zwischenzeitlich verblassten Gütesiegel „Made in Germany“ wieder ein neues Image zu verleihen - und das unter Berücksichtigung der IAO-Kriterien mit Schaffung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen.
Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf zur Modernisierung des Vergaberechts unter Einbeziehung der relevanten Kriterien beschlossen und beabsichtigt, noch in dieser Legislaturperiode die Umsetzung zu realisieren. Die CDU-Fraktion wird alle Instanzen unseres Landes dahin gehend unterstützen, um für dieses Thema zu sensibilisieren, damit eine verantwortungsvolle öffentliche menschen
würdigen Beschaffung unter humanen Gesichtspunkten und Bedingungen durchgeführt werden kann. Ich beantrage die Überweisung an den Finanzausschuss.
Ich danke Herrn Abgeordneten Magnussen und erteile für die SPD-Fraktion Herrn Abgeordneten Thomas Rother das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine verantwortungsvolle öffentliche Beschaffung - wie sie die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordert - ist aus unserer Sicht eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Die Berücksichtigung sozialer und ökologischer Standards ist keine bürokratische Aufblähung des Vergabewesens mit sogenannten vergabefremden Sachverhalten. In einer global organisierten Wirtschaft haben Qualitätsstandards eine besondere Bedeutung, um einen fehlgeleiteten Wettbewerb zu vermeiden.
Schon jetzt haben wir in der Beschaffungsordnung des Landes die Fragen der Frauenförderung und der umweltgerechten Beschaffung geregelt. Über das Tariftreuegesetz haben wir in einigen Bereichen bereits so etwas wie eine Mindestlohnregelung erreichen können, und ich hoffe, dass viel von dieser Regelung auch nach dem EuGH-Urteil erhalten bleibt. - Ein Teil des vorliegenden Antrages ist also schon erledigt, Karl-Martin Hentschel.
Aber es ist in der Tat ein Versäumnis, dass die Vermeidung des Erwerbs von Produkten aus ausbeuterischer Kinderarbeit noch nicht überall in das öffentliche Beschaffungswesen Eingang gefunden hat. Denn wenn auch eine Vielzahl von Staaten die Kinderarbeit im Sinne der ILO-Konvention Nummer 182 verboten hat, so wird dieses Verbot offenkundig vieler Orts missachtet, und Kinder werden zur Produktion international gehandelter Waren eingesetzt. Und es ist natürlich auch nicht auszuschließen, dass auch hiesige Behörden Produkte beschaffen, in die diese ausbeuterische Kinderarbeit eingeflossen ist.
Als Großverbraucher verfügt die öffentliche Verwaltung über ein Stück Marktmacht, um zu Überwindung der Kinderarbeit beizutragen, und damit auch über den eigenen Bereich hinaus eine Vor
bildfunktion einzunehmen. Es werden - solche Summen werden genannt - rund 300 Milliarden €, das sind rund 15 % des Bruttoinlandprodukts, als Ausgabesumme für Waren und Dienstleistungen genannt. Ich denke, wir sind uns darin einig - der Kollege Magnussen hat das ja auch gut dargestellt -, dass die Bekämpfung ausbeuterischer Kinderarbeit eine humane Notwendigkeit und gleichzeitig ein wirksamer Beitrag besserer Strukturen und verbesserter Wirtschaftsgrundlagen in den betroffenen Ländern ist.
Im Antrag der Grünen ist darauf hingewiesen worden, dass in anderen Bundesländern - meist einvernehmlich - ähnliche Regelungen getroffen worden sind. Das ist gut so und sollte auch den Bund an seine Verantwortung in dieser Frage daran erinnern, nicht nur Ankündigungen zu machen.
Genauso richtig ist der Hinweis in Bezug auf die Kommunen. Viele von ihnen haben das auch schon umgesetzt. Auf der Homepage der Kampagne „aktiv-gegen-Kinderarbeit“ ist das nachzulesen, und auch Städte und Gemeinden mit einstmals absoluter CDU-Mehrheit sind dabei. Allerdings weiß ich aus meiner Hansestadt Lübeck, die auch diesem Bündnis angeschlossen ist, dass die schöne Granitpflasterung für die Obertrave nicht in Deutschland, sondern in Indien beschafft worden ist, weil Granit dort nur halb so teuer ist.
Es fehlt im Antrag allerdings ein Hinweis auf die Ansprache der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie der Unternehmen im Lande. Wir sollten daher in einer Ausschussberatung eine umfassendere und präzisere Formulierung für eine Beschlussfassung entwickeln. Denn sofern wir auch die Forderung der Grünen nach der Einhaltung der Kernarbeitsnormen aufgreifen wollten, ginge es neben Kinderarbeit und Mindestalter für Beschäftigung auch um die Abschaffung und Beseitigung von Zwangsarbeit, das Recht zur Bildung von Organisationen, also die Vereinigungsfreiheit, die kollektive Lohnfindung, die gleiche Entlohnung für Männer und Frauen sowie die Nichtdiskriminierung am Arbeitsplatz. Und da wird es, liebe Kolleginnen und Kollegen, schon schwieriger, ein System zur Einhaltung dieser Standards zu entwickeln. An dieser Stelle stimmt der Verweis der Grünen auf die Beschlüsse der Landesparlamente nicht ganz. Denn diese haben sich zumeist auf das Thema Kinderarbeit beschränkt.
Die Bundesregierung hatte schon 2003 - damals noch in anderer Konstellation - in einem Aktionsund Maßnahmenprogramm hierzu formuliert: „Stärkere Nutzung des Beschaffungsvolumens der
öffentlichen Hand für die Durchsetzung von Kernarbeitsnormen“. Sie hat dies in alter und neuer politischer Konstellation noch nicht verwirklicht.
Nachdem die EU bereits 2004 grünes Licht für soziale und ökologische Kriterien im Vergaberecht gegeben hat, ist die Diskussion hierum noch nicht am Ende. Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen müsste im § 97 diesbezüglich geändert werden. Ein entsprechender Gesetzentwurf des Bundeskabinetts war für dieses Frühjahr angekündigt - bei dieser Ankündigung ist es bislang geblieben.
In Frankreich, den Niederlanden oder Österreich sind diese Vorgaben schon umgesetzt. Es ist also möglich. Insofern ist es kein ordnungspolitischer Sündenfall, so etwas zu machen.
Selbst das staatsinterventionistischer Umtriebe nun gänzlich unverdächtige Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut kommt in einer Studie für den Hamburger Senat aus dem vergangenen Jahr zu dem Ergebnis, dass die Beschaffungsrichtlinien die soziale Verantwortung des Staates behindern. Es hat ganz konkrete Vorschläge gemacht, wie es umgesetzt werden kann. Karl-Martin Hentschel hat schon darauf hingewiesen.
Es sind also im Ausschussverfahren die rechtlichen Grundlagen zu überprüfen und die Auswahl eines Standards zu empfehlen. Es macht natürlich Sinn, die Beschlüsse der anderen Länder und das Gesetzesvorhaben des Bundes hierbei einzubeziehen. Erst dann können wir letztlich eine qualifizierte Entscheidung treffen.
Ich danke Herrn Abgeordneten Thomas Rother und erteile nun für die FDP-Fraktion Herrn Abgeordneten Kubicki das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der von den Grünen vorgelegte Antrag ist uns nicht unbekannt. Er ist wesensgleich mit dem Antrag der FDP-Ratsfraktion in Kiel zu den Änderungen der Vergaberichtlinien der Stadt. Da Ihre Fraktion, Herr Hentschel, in der Ratsfraktion nicht auf die Idee gekommen ist, haben wir Verständnis dafür, dass Sie
es nun im Landtag nachholen wollen. Die FDPRatsfraktion hat es mit ihrem Antrag erreicht, dass künftig in der Landeshauptstadt Kiel keine Produkte mehr beschafft werden dürfen, bei deren Herstellung gegen die sogenannten Kernarbeitsnormen der International Labour Organization verstoßen wurde.
Kollege Rother hat daraufhin gewiesen: Die ILO hat sich seinerzeit mit der Überzeugung gegründet, dass soziale Gerechtigkeit eine wesentliche Voraussetzung für einen dauerhaften Weltfrieden ist, dass wirtschaftliches Wachstum wesentlich ist, aber nicht ausreicht, um Gerechtigkeit, sozialen Fortschritt und die Beseitigung von Armut zu gewährleisten und dass die ILO dafür sorgen muss, dass sich im Rahmen einer globalen Strategie für wirtschaftliche und soziale Entwicklung die Wirtschafts- und Sozialpolitiken gegenseitig verstärken, damit eine breit angelegte dauerhafte Entwicklung geschaffen wird.
Die ILO hat in acht verschiedenen Vereinbarungen Maßstäbe gesetzt, die sich mit der Vereinigungsfreiheit und dem Recht auf Kollektivverhandlungen, der Beseitigung der Zwangsarbeit, der Abschaffung der Kinderarbeit und dem Verbot der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf auseinandersetzen.
So hat die ILO in ihrer Konferenz im Jahre 1999 die Konvention 182 zur ausbeuterischen Kinderarbeit verabschiedet und festgestellt, dass die wirksame Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit unverzügliche und umfassende Maßnahmen erfordert. Hierbei ist die Bedeutung der unentgeltlichen Grundbildung und die Notwendigkeit zu berücksichtigen. Die betreffenden Kinder sind aus jeder Arbeit dieser Art herauszuholen und ihre Rehabilitation und soziale Eingliederung unter gleichzeitigem Eingehen auf die Bedürfnisse ihrer Familien sind vorzusehen.
Natürlich gehört auch dazu, dass sich der Absatz von Produkten, die bei ihrer Herstellung gegen diese Prinzipien verstoßen, nicht lohnen darf, wenn man bei der Bekämpfung von ausbeuterischer Kinderarbeit Erfolg haben möchte. Insofern wird es in der Intention auch keinen wesentlichen inhaltlichen Widerspruch seitens meiner Fraktion geben, Kollege Hentschel. Das steht fest.
Man wird zwar nicht auf einen Schlag erreichen, dass es künftig keine Kinderarbeit in Teilen der Dritten Welt geben wird. Dazu ist die Armut dort zu groß und auch die Arbeit von Kindern für das Überleben der gesamten Familie essenziell. Aber
wir müssen zumindest erreichen, dass diese Kinder unter Bedingungen arbeiten, die es ihnen ermöglichen, eine Schulbildung wahrzunehmen und auch ausreichend Frei- und Erholungszeit zu haben. Einen Zwang zur Arbeit darf es ohnehin nicht geben.
Zu den anderen Punkten des Antrags möchte ich nur Folgendes sagen: Die Grünen fordern, ökologische Standards und Standards des fairen Handels ebenso bei der öffentlichen Beschaffung zu berücksichtigen. Welche Standards dies aber sein sollen, darüber sagt der Antrag nichts aus. Sie müssen, Herr Kollege Hentschel, aber schon genau sagen, was Sie wollen, wenn wir hier eine fundierte Debatte führen wollen. Aber das ist ja nichts Untypisches für Anträge der Grünen in den letzten Jahren. Sie wissen zwar ungefähr, was sie wollen, aber sie haben keinen blassen Schimmer, wie dies praktisch umgesetzt werden soll.
Auch dieser Antrag macht wieder deutlich: Wenn es um die handwerkliche Qualität der Formulierung von Anträgen geht, dann haben wir von Ihnen relativ wenig zu erwarten, und da bieten andere Fraktionen - darunter auch die Kieler Ratsfraktion der FDP - wesentlich mehr. Während unsere Kieler Ratsfraktion konkrete Änderungsanträge zu den bestehenden Vergaberichtlichtlinien der Stadt gestellt hat, fordern die Grünen im Landtag, dass die Landesregierung geeignete Maßnahmen ergreift und sicherstellt, dass die im Antrag aufgeführten Forderungen erfüllt werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir nehmen das Angebot gern an. Wir sollten uns im Ausschuss von Ihnen erläutern lassen, welche konkreten Änderungen Sie in der Landesbeschaffungsordnung vornehmen wollen oder welche konkreten Änderungen auf Bundesebene vorgenommen werden sollen. Wir wollen dann an den gemeinsamen Formulierungen mitwirken. Wir sind zu diesen Beratungen äußerst gern bereit.
Ich danke dem Herrn Fraktionsvorsitzenden der FDP und erteile für den SSW Frau Abgeordneter Spoorendonk das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße, dass wir diesen Antrag im Ausschuss noch weiter beraten können. Ich hoffe auch, dass
wir dann zu einer gemeinsamen Beschlussfassung kommen. Denn richtig ist, dass das, was im Antrag angesprochen wird, praktisch eine Auswirkung der Globalisierung ist. Also, wenn wir Wettbewerbsverzerrungen durch die Globalisierung verhindern und letztendlich unserer Wirtschaft helfen wollen, dann müssen wir uns mit der Einführung von Standards befassen.