Ich habe mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, dass auch CDU und SPD deutlich sagen: Dieser Gesetzesvorschlag aus dem Haus Kubicki ist nichts. - Deshalb werden wir Ihren Antrag auch ablehnen.
Wir danken dem Herrn Abgeordneten Klaus Müller. Das Wort für den SSW erteile ich Herrn Abgeordneten Lars Harms.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir hören es immer wieder: Entbürokratisierung und schnellere Genehmigungsverfahren sollen dazu führen, dass Arbeitsplätze geschaffen werden können. Wir alle können einen solchen Satz natürlich unterschreiben. Aber wie sieht die Wirklichkeit aus? Andere Länder sind auch nicht schneller im Genehmigungsverfahren, als wir es sind. Es mag hier und da im Ausland einmal ein Projekt geben, das schneller realisiert wird. Aber dann gibt es auch wieder Investoren im Ausland, die die gleichen Klagen anführen, wie man das hierzulande tut. Als Wirtschaftsausschuss haben wir das in den Niederlanden gerade so kennen lernen können.
Wir leben in einer Zeit, in der viele Fragestellungen komplexer sind, als wir es uns vielleicht wünschen. Vieles gibt es zu berücksichtigen. Deshalb ziehen sich die Verfahren für große und kleine Investitionen oft in die Länge. Genau das haben wir auch in Lübeck erlebt. Es gibt nun zwei Wege, das Verfahren unter solchen Bedingungen zu verkürzen. Entweder setzt man sich mit den Kritikern an einen Tisch und versucht, nach Lösungen und nach Kompensation zu suchen, oder man versucht, ein wenig zu tricksen in der Hoffnung, dass man Erfolg hat.
Immer wieder hat es Streit zwischen den Anliegern, den Naturschutzverbänden und denjenigen gegeben, die die Erweiterung des Flughafens umzusetzen hatten. Dabei ging es nicht ausschließlich um eine komplette Ablehnung der Maßnahme, sondern in den Auseinandersetzungen mit den Naturschutzverbänden insbesondere um eine angemessene Berücksichtigung von Naturschutzinteressen. Am Anfang wäre sicherlich noch ein Kompromiss möglich gewesen.
Aber man hatte immer den Eindruck, dass das Verfahren durchgezogen werden soll, ohne die Naturschutzinteressen angemessen zu berücksichtigen. Das ist immer wieder ein Kardinalfehler, den wir machen. In anderen Ländern setzt man da auf etwas mehr Gesprächskultur anstelle von aufwendigen formellen Verfahren, die die eine oder andere Seite durchpeitschen will. Ich bin mir heute noch sicher, dass wir, wenn wir ein Konsensverfahren gesucht hätten, den Ausbau des Flughafens auch schneller vorantreiben hätten können, ohne dass die Natur darunter zu leiden gehabt hätte.
Aber schon Wirtschaftsminister Rohwer setzte auf die „Durchmarsch“-Karte und setzte durch, dass aus der möglichen Schutzgebietsfläche rund um das Verlängerungsgebiet die benötigten Flächen messerscharf genau herausgeschnitten wurden und eine naturschutzfachliche Begründung hierfür trotzdem nicht ersichtlich war.
Das musste schief gehen und ging dann ja auch schief. Diese Vorgehensweise, die menschlich durchaus zu verstehen ist - schließlich wollen wir, dass der Flughafen ausgebaut wird und dort Arbeitsplätze geschaffen werden -, entsprang dem Gedanken, ja eigentlich etwas Gutes tun zu wollen. Aber Gutes tun und Gutes wollen sind manchmal zwei völlig verschiedene Sachen. In unserem Beispiel ging das voll daneben. Wer naturschutzfachliche Belange beiseite schiebt und meint, innerhalb Europas eine Sonderregelung für Schleswig-Holstein aufstellen zu können, verkennt die Tatsachen und die Rechtslage.
Diesem Fehler wollten Sie, Herr Wirtschaftsminister Austermann, am liebsten noch eins draufsetzen. Das Verfahren sollte nun, nachdem wir eine neue Regierung haben, endlich beschleunigt werden. Sie werden in diesem Zusammenhang im Juni, vor dem Urteil, mit dem Satz zitiert:
„In diesem Punkt vertritt die neue Landesregierung eine andere Auffassung als die, die vor der Landtagswahl galt.“
Gut gebrüllt, Herr Minister, aber Rot-Grün war schon zu voreilig und die EU-Regelungen sind immer noch dieselben wie vor der Landtagswahl. Das wurde ja nun auch durch das OVG-Urteil bestätigt. Dort wird gesagt, dass der Planfeststellungsbeschluss vom Januar „offenkundig gravierende Mängel“ hatte. Und das ist nur die rot-grüne Version dieses „Durchmarsch“Planfeststellungsverfahrens. Mir graut vor dem Gedanken, dass eine schwarze Regierung das versucht hätte. Das wäre noch mehr daneben gegangen.
Man kann das Verfahren nicht beschleunigen, ohne alle Einwendungen ernsthaft und ehrlich zu berücksichtigen. Das Gericht hat gesagt, dass die Argumente der Kläger so schwerwiegend sind, dass die Klage auch in der Hauptsache Erfolg haben könnte. Das ist so ziemlich die Höchststrafe in einem solchen Verfahren. Und die Landesregierung rudert nun zurück und strebt ein neues Planfeststellungsverfahren an. Damit hat die bisherige Vorgehensweise dazu geführt, dass die Schaffung von Hunderten von Arbeitsplätzen um mindestens 32 Monate, also knapp drei Jahre, verschoben wurde. So lange hat nämlich das bisherige, jetzt gescheiterte Planfeststellungsverfahren gedauert.
Es ist an der Zeit, sich mit den Naturschutzverbänden an einen Tisch zu setzen und endlich eine Lösung zu finden, die für alle tragbar ist. Der Einstieg in ein gänzlich neues Planfeststellungsverfahren ist dabei der richtige Weg. Das Ganze kann aber nur dann Erfolg haben, wenn die Landesregierung auf Konsens und nicht auf Konfrontation setzt und dabei akzeptiert, dass man europäisches Recht nicht so einfach außer Kraft setzen kann.
Was Sie, liebe Kollegen von der FDP - „Kolleginnen“ kann man ja nicht mehr sagen -, uns vorgelegt haben, ist allerdings so gnadenlos verkehrt, wie eine Initiative nur sein kann. Was aufgrund der besonderen Situation in Ostdeutschland nach über 40 Jahren DDR sinnvoll ist und in der Tat der Angleichung der Lebensverhältnisse in ganz Deutschland dient, ist bezogen auf Lübeck nun wirklich überzogen. Es gibt bei uns definitiv nicht die gleichen Probleme, die es damals in Ostdeutschland gab und die durch die deutsche Teilung bedingt waren.
Mit der Begründung, die Sie hier in § 1 des Gesetzes angeben, könnte man für jede Investitionsmaßnahme in Schleswig-Holstein außerhalb des Hamburger Randes ein extra Gesetz erlassen, das sämtliche Planungsvorschriften und Beteiligungsverfahren der Bürgerinnen und Bürger ausschließt. Denn wirtschaftliche Randlagen und hohe Arbeitslosenzahlen finden wir nicht nur auf Lübeck beschränkt. Eine Vielzahl von einzelnen Gesetzen für einzelne Projekte wäre natürlich völlig unsinnig - genauso wie Ihre jetzige Gesetzesinitiative. Wenn wir es wirklich so durchziehen würden, wie Sie es sich im Fall von Lübeck vorstellen und wie es dann ja überall gehandhabt werden müsste, damit alle die gleichen Chancen hätten, müssten wir eine Vielzahl von eigenen Gesetzen erlassen. Das wäre dann sozusagen Ihr Beitrag zum Abbau von Verwaltungsvorschriften und von Bürokratie.
Dass das für die Sondersituation der deutschen Wiedervereinigung durchaus Sinn macht und auch als Sonderregelung vor europäischem Recht bestehen kann, macht ansonsten keinen Sinn. Ich bin mir sicher, dass ein solches Gesetz keinen Bestand hätte. Die gesetzlichen Regelungen auf EU-Ebene, auf nationaler Ebene und auf Landesebene sehen ja gerade eine breite Palette von Beteiligungsrechten vor. Das ist politisch gewollt. Deshalb kann man sicher sein, dass eine Umgehung von Rechtsetzungen nicht möglich sein wird. Auch nicht, wenn man das Ganze selbst als Gesetz verkleidet.
Aber auch inhaltlich entspricht der Gesetzesantrag nicht klassischer liberaler Politik. In der reinen Lehre, die anscheinend immer mehr von Ihnen verlassen wird, steht der liberale Gedanke unter anderem für gleichberechtigte Teilnahme der Bürgerinnen und Bürger an der Entwicklung ihres Lebensumfeldes und an den Beschlüssen hierzu. Und der SSW steht selbstverständlich zu diesen Grundprinzipien der Liberalität.
Liberal sein bedeutet nicht nur wirtschaftsliberal sein, sondern auch die vielschichtigen Interessen aller Menschen zu berücksichtigen.
Was Sie hier vorschlagen, ist, dass Sie zugunsten eines Projektes - das wir zugegebenermaßen inhaltlich auch unterstützen - die Beteiligungsrechte von Bürgerinnen und Bürgern und von Verbänden außer Kraft setzen wollen. Das ist eine Vorgehensweise, die für uns in keinster Weise akzeptabel ist.
Wir jedenfalls stehen für eine offene Politik, die die Bürgerinnen und Bürger einbeziehen will. Wir sind bereit, mit den Bürgerinnen und Bürgern zu sprechen, zu diskutieren und auch um die Sache zu streiten. Wir wollen kein Gesetz, das die Rechte der Bürgerinnen und Bürger zeitweise außer Kraft setzt. Ein Gesetz, wie Sie es vorschlagen, führt dazu, dass die Unsicherheit steigt und nicht fällt. Dieses Gesetz würde mit Recht sofort beklagt werden und wir würden wieder vor einem Baustopp stehen und wüssten wieder nicht, wann und wie es weitergeht. Monate und Jahre würden vergehen, ohne dass etwas passiert.
Der Effekt Ihres Gesetzentwurfs wäre genau der gleiche wie der der von mir vorhin schon beschriebenen „Durchzieh“-Taktik. Mit Ihrem Vorschlag behindern Sie den Ausbau des Flughafens Lübeck-Blankensee, anstatt gemeinsam mit allen zu versuchen, ein vernünftiges Verfahren umzusetzen. Wir bleiben dabei: Ein neues Planfeststellungsverfahren, so wie es die Landesregierung jetzt vorhat, macht Sinn, damit wir keine Zeit verlieren. Gleichzeitig muss insbesondere mit den Naturschutzverbänden verhandelt werden, um eine Kompromiss- und Kompensationslösung zu finden.
Der Flughafen Lübeck-Blankensee hat eine Nische gefunden, die Zukunftschancen bietet. Diese Zukunftschancen gilt es zu nutzen. Auch wir als SSW sind für den Ausbau des Flughafens. Damit er so schnell wie möglich ausgebaut werden kann, müssen wir ein sauberes und transparentes Verfahren durchführen, das eine ehrliche Beteiligung der Betroffenen ermöglicht. Hierbei werden wir die Landesregierung gern unterstützen.
Wir danken dem Herrn Abgeordneten Lars Harms. In der verbleibenden Redezeit für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Austermann das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Abgeordnete Müller hat eben die Unwahrheit gesagt. Er hat gesagt, ich hätte in der letzten Wirtschaftsausschusssitzung die Abschaffung der Verbandsklage gefordert. Das ist unzutreffend.
(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat er nicht gesagt! - Weite- re Zurufe von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vielmehr hat sich Herr Senator Halbedel zu dem Thema geäußert, nachdem in Nordrhein-Westfalen eine entsprechende Initiative auf den Weg gebracht worden war. Auf die Frage des Abgeordneten Müller an mich im Ausschuss habe ich gesagt, ich würde den Teufel tun, mich zu dieser Frage zu äußern, habe allerdings darauf hingewiesen, es gebe manch einen, der den Hebel des Naturschutzes nutze, um private Interessen durchzusetzen.
Ich muss leider sagen, Herr Müller: Nach dem Redebeitrag, den Sie heute abgeliefert haben, sehe ich das
Gleiche auf Ihrer Seite, dass man nämlich gewissermaßen eine klammheimliche Freude empfindet, wenn bestimmte Dinge nicht laufen.
Nach der Sitzung des Wirtschaftsausschusses wurde kolportiert, ich hätte gefordert, die Verbandsklage abzuschaffen. Das wurde dann zu den Klägern getragen nach dem Motto: Sie tun so, als wollten sie verhandeln; in Wirklichkeit wollen sie aber gar nicht verhandeln. Ich erlaube mir die Frage, wer denn eigentlich dazu beiträgt, dass hier und da Misstrauen gefördert und Sand ins Getriebe gestreut wird.
Es ging dann um die Frage, wer eigentlich die Verhandlungslinie der Landesregierung verrät beziehungsweise nicht verraten hat. Ich sage dazu ganz klar eines: Wenn wir Gespräche führen und mit wem wir auch Gespräche führen, tun wir das so, dass ein Klima des Vertrauens entstehen kann. Wenn von mir gesagt worden ist, wir bewegten uns in eine bestimmte Richtung, so ist das auch geschehen, um den Klägern deutlich zu machen: Wir lassen uns auf faire Gespräche ein. Bei dieser Angelegenheit geht es nicht darum zu pokern, irgendjemanden vorzuführen und sich hinterher diebisch zu freuen, dass uns die Umweltschützer auf den Leim gegangen sind. Ich denke, Sie sollten uns in der Art und Weise, wie wir das betreiben, wirklich ernst nehmen. Wir versuchen, dazu beizutragen, dass ein Problem gelöst wird, im Interesse der Arbeitsplätze, im Interesse der Menschen, nicht nur in Lübeck.
Mir liegen bisher vier Wortmeldungen für einen Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 unserer Geschäftsordnung vor. Zunächst erteile ich Herrn Abgeordneten Bernd Schröder das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte in meinem Redebeitrag gesagt, ich wolle keine Schuldzuweisungen betreiben, solange dies andere nicht täten. Da es andere gemacht haben, sage ich jetzt noch etwas dazu.
Herr Müller, Sie haben in Ihrem Redebeitrag die Katze aus dem Sack gelassen. Sie haben hier gesagt, Sie hätten größte Bedenken, dass für Lübeck-Blankensee bei einem Ausbau jemals auch die Wirtschaftlichkeit zugrunde gelegt oder bewiesen werden könnte, dass Lübeck wahrscheinlich keine Zukunft habe und dass ein Bürgermeister Saxe in zehn bis fünfzehn Jahren unter Umständen erkennen müsse,
Wer sich so benimmt, wer jede Chance unterlässt, Arbeitsplätze zu schaffen oder zu sichern, wer dies nicht einmal ansatzweise tut, wer - da geht mir langsam der Blutdruck hoch - Kiel-Holtenau am liebsten zum Flughafen für Modellflugzeuge ausbauen wollte, wer sich nicht der Verantwortung stellt und hier sagt, der Ausbau von Lübeck-Blankensee sei nicht zukunftsgerichtet, der hat ein Stück der politischen Verantwortung verloren, der er sich stellen sollte. Das ist nicht in Ordnung.