auch wenn Vereinbarungen zwischen den Parteien, insbesondere in den Koalitionen zwischen SPD und CDU auf Bundes- und Landesebene, ein direktes Handeln zurzeit nicht gestatten.
Auch in Schleswig-Holstein haben CDU und SPD einen Koalitionsvertrag geschlossen. Darin heißt es sinngemäß: Wir werden in Sachen Kernenergieausstieg nicht die Initiative ergreifen. Daran wird sich diese Regierung halten. Ich gehöre ihr seit wenigen Tagen an und kenne den Koalitionsvertrag. Ich werde auch entsprechend dieses Koalitionsvertrages mein Geschäft betreiben.
Es ist aber auch meine Aufgabe, angesichts der dramatischen Veränderungen auf dem Energiesektor eine Antwort auf die Versorgungslücke zu suchen. Das bezieht auch den Bau neuer, moderner Kohlekraftwerke ein,
wie sie in Deutschland betrieben werden. Diese Kohlekraftwerke tragen bereits heute in erheblichem Umfang zur CO2-Vermeidung bei, und zwar insbesondere dann, wenn sie nicht nur der Stromerzeugung, sondern auch der Wärmeauskoppelung dienen. Dann erzielen sie Wärmewirkungsgrade, die fast an 60 % herankommen.
Daher muss dafür gesorgt werden, dass unser Standard auch zum Mindeststandard bei den Neubauten in Schwellenländern erklärt wird.
Die Politik - und ich gehöre jetzt ja dazu - ist daher dringend gefordert, ein zukunftsfähiges, auf Wettbewerbsfähigkeit, aber auch auf Versorgungssicherheit ausgerichtetes nationales Energiekonzept zu vereinbaren. Dabei müssen wir auf den unstreitig notwendigen Klimaschutz, die bevorstehende Rohstoffverknappung und die dramatischen Preisentwicklungen Antworten finden.
Ich glaube, wir brauchen schon ein anderes Diskussionsklima, denn wir reden hier über eine zentrale Frage des 21. Jahrhunderts.
(Vereinzelter Beifall bei der CDU und Bei- fall des Abgeordneten Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe noch einige Redner auf der Rednerliste. Die Aktuelle Stunde ist mit dem nächsten Wortbeitrag beendet. Das heißt, alle weiteren Redner können Kurzbeiträge von drei Minuten halten. - Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Ralf Stegner, fünf Minuten. Im Folgenden sind es jeweils drei Minuten.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister Marnette, ich beglückwünsche Sie zu Ihrer Jungfernrede hier im Parlament. Ich glaube, erhebliche Teile Ihrer Rede
haben gezeigt, dass Sie sich mit der Thematik nicht nur intensiv auseinandersetzen. Sie hatten auch nachdenkliche Passagen in Ihrer Rede, die ich ausdrücklich unterstütze. Ich bedanke mich für Ihr klares Bekenntnis zu der Vereinbarung im Koalitionsvertrag. Dass, was Sie zum Thema Förderung und Ausbau der erneuerbaren Energien in SchleswigHolstein gesagt haben, findet ausdrücklich die Unterstützung der SPD-Fraktion. Der Meinung sind wir auch, da ist noch viel Luft.
Wir teilen auch ausdrücklich Ihre Bemerkung zum Wettbewerb. Wer Politik für große Konzerne macht, der macht Politik für Konzerngewinne und gegen Verbraucherinteressen. Ich glaube, wir brauchen erheblich mehr Wettbewerb und erheblich mehr dezentrale Lösungen, dann kann es nur billiger werden.
Als jemand, der aus der Wirtschaft kommt, wissen Sie natürlich ganz genau, dass Angebot und Nachfrage eine Menge mit dem Preis, der dabei herauskommt, zu tun haben. Sonnenenergie haben wir bis zum Ende unserer Tage. Auch der Wind wird uns nicht ausgehen, Uran aber wohl. Kohle, Gas und Öl auch. Das heißt, jeder Mensch weis, dass die Preise für erneuerbare Energien günstiger werden und alles andere teurer. Dazu braucht man überhaupt nicht viel zu wissen.
Herr Kollege Ritzek, vor diesem Hintergrund fand ich Ihren Beitrag außerordentlich enttäuschend. Es ist ein bisschen schade, dass die CDU-Fraktion die Gelegenheit versäumt hat, hier dieses Thema ein bisschen intensiver zu diskutieren - so sage ich es einmal -, als Sie das getan haben.
Sie haben auch die SPD-Fraktion - ich glaube, auch weite Teile dieses Hauses - auf Ihrer Seite, wenn wir sehr ernsthaft über eine Energiewende reden, die dazu führt, dass sowohl Versorgungssicherheit als auch bezahlbare Preise - ich meine da insbesondere die Menschen, die mit ihren Familien mit einem geringen Einkommen zurechtkommen müssen -, als auch eine nachhaltige und für die Zukunftsgeneration taugliche Lösung entwickelt wird. Das ist alles vernünftig und richtig.
Es ist doch kurios, wenn man Betrachtungen anstellt, die übersehen, dass wir beim Thema Endlagerung nicht nur keinen Schritt weitergekommen
sind - da haben sie recht mit Ihrer Kritik -, sondern sich sogar im Gegenteil da, wo wir ein bisschen etwas machen, schon nach 20 Jahren zeigt, dass das nicht funktioniert. Das ist doch geradezu bestürzend, dass wir das am Industriestandort Deutschland festzustellen haben.
An der Stelle muss ich Ihnen auch sagen, Herr Marnette, an einem Punkt habe ich Sie nicht ganz verstanden, denn auch das wissen Sie als Mann der Wirtschaft: Wer betriebswirtschaftliche Rechungen anstellt und dabei die Kosten der Endlagerung und die volle Risikovorsorge nicht einbezieht, macht eine Rechnung auf, die nicht in Ordnung ist und nicht stimmt, sondern die eine Milchmädchenrechnung ist.
Ich teile auch Ihre Einschätzung, dass wir selbstverständlich dafür sorgen müssen, unseren Industriestandort weiterzuentwickeln. Wir bekennen uns auch zum Energiestandort Brunsbüttel. Ich füge aber für alle Kritiker hinzu und sage auch in meiner eigenen Partei in dem Ortsverein dort: Diese Zusage zum Energiestandort Brunsbüttel ist nicht ohne Konditionen. Sie war glasklar daran geknüpft, dass wir aus der Atomenergie herausgehen, und zwar so schnell wie möglich,
und dass wir dann im norddeutschen Kontext gucken, was wir an Kapazitäten brauchen. Klimaschutz ist wichtig, das heißt, dass wir nicht einfach auf fossile Energien setzen können. Auch die Kohleenergie ist eine Übergangstechnologie. Auch da muss es darum gehen, etwas dafür zu tun, dass wir die Klimafolgen insgesamt im Griff behalten.
An einem Punkt - Herr Marnette, das wird Sie nicht wundern - sind wir völlig auseinander. Das ist die Frage der Atomenergie. Atomenergie ist nicht vertretbar. Eine Technik, bei der der Mensch keine Fehler machen darf, ist katastrophal. Hier zu erzählen, das seien nur die Schrottreaktoren in der Ukraine, aber bei deutscher Technik könne nichts passie
ren: Allein das Bild, das Krümmel und die Betreiber dort geboten haben, war beschämend für den Industriestandort Deutschland und für solche Aussagen. Atomenergie muss so schnell wie möglich beendet werden. Ich finde es außerordentlich respektabel, dass die FDP-Fraktion in diesem Landtag eine Meinung vertritt, die im Gegensatz zu ihrer Bundespartei steht. Es spricht übrigens nicht gegen die FDP, sondern für die Vernunft, dass man sich solchen Dingen aussetzt. Ich werfe Ihnen auch nicht vor, dass die Steinburger Union, die Junge Union oder alle, die sich ehrlich äußern, sie wollen den Neubau von Atomkraftwerken, noch ein bisschen im Gegensatz zu denjenigen stehen, die auf der Bundesebene momentan noch etwas anderes sagen.
Insofern finde ich, jeder darf darüber nachdenken und klüger werden, wenn wir gemeinsam über diese Fragen reden, dann werden wir unserer Verantwortung auch gerecht. Ich würde gerne noch einen letzten Gedanken anstellen. Stellen Sie sich einmal vor, dass wir in Forsmark oder weiß der Kuckuck wo sonst wir einen Störfall haben - was Gott verhüten möge -, wo es ernste Konsequenzen gibt. Was glauben Sie, was von der Debatte übrig bleibt, die hier manche zum Thema Atomenergie führen. Darüber sollten Sie einmal nachdenken.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nicht dass jetzt falsche Mutmaßungen angestellt werden: Das, was der Herr Kollege Dr. Garg vorgetragen hat, ist ständige Rechtsprechung der FDP Schleswig-Holstein
- ja, ständige Beschlusslage, Herr Kollege Wadephul; und deshalb ist es auch ständige Rechtsprechung der FDP in Schleswig-Holstein -, seitdem wir über das Thema diskutieren. Denn wir haben bereits Mitte der 70er-Jahre einmal erklärt, dass die Kerntechnologie eine Übergangstechnologie mit einer Laufzeit von maximal 30 Jahren ist. Wenn man sich das ausrechnet, sind die 30 Jahre schlicht und ergreifend um. Ich finde es bemerkenswert, dass
ausgerechnet der Kollege Dr. Wadephul kritische Anmerkungen dazu macht, dass eine Landespartei andere Auffassungen vertritt als der Bundesvorsitzende. Wir sind keine Kaderpartei, und wir wollen das auch nicht werden.
Für uns besteht der demokratische Prozess darin, dass man über Sachthemen diskutiert und auch zu neuen Erkenntnissen kommt. Das war im Innenund Rechtsbereich auch so. Da hat sich mal eine große Mehrheit meiner Bundespartei für den großen Lauschangriff eingesetzt. Und wenn Sie heute die gleichen Personen fragen, dann können die sich daran nicht mehr erinnern. Die waren alle immer dagegen. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist das auch gar kein Wunder.
Herr Kollege Wadephul, Herr Minister Marnette, mir ist nicht ganz klar, wohin die Union eigentlich will und was die Diskussion eigentlich soll. Ich lese heute mit großem Erstaunen: „Die CDU verzichtet auf den Bau neuer Atommeiler. Die CDU lehnt einen Neubau von Atomkraftwerken in Deutschland ab. Das Parteipräsidium verständigte sich gestern auf eine klare Absage und verzichtete damit auf eine Maximalforderung im neu entfachten Parteienstreit über die Zukunft der Kernenergie.“ Herr Töpfer - immerhin noch CDU-Mitglied, wie ich gehört habe, jedenfalls früher Umweltminister - erklärt im „Spiegel“, dass es eine Vorreiterrolle Deutschlands beim Atomausstieg geben müsse.
„Jetzt gilt es zu beweisen, dass eine prosperierende Volkswirtschaft eine Energieversorgung ohne Kernenergie aufbauen kann.“