Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es ist beantragt worden, den Bericht Drucksache 16/2132 dem Europaausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! Enthaltungen? - Damit ist einstimmig so beschlossen worden.
Meine Damen und Herren, ich weiß zwar nicht, ob es die Aufmerksamkeit erhöht, aber vielleicht wächst die Präsenz im Saal etwas, wenn ich jetzt Tagesordnungspunkt 6 aufrufe:
Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes über die Wohnraumförderung in Schleswig-Holstein (Schleswig-Holsteinisches Wohnraumförde- rungsgesetz SHWoFG)
Die Fraktionen schlagen vor, diesen Tagesordnungspunkt ohne Aussprache dem Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen und dann in der zweiten Lesung darüber zu diskutieren. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist einstimmig so beschlossen worden, und die vereinbarte Endzeit rückt wieder etwas näher.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist offenbar nicht der Fall. Dann lasse ich darüber abstimmen, ob in dieser Tagung ein mündlicher Bericht erfolgen soll. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.
Dann erhält der Minister für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, Herr Dr. Christian von Boetticher, das Wort. Herr Minister, bitte.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Worüber reden wir im Augenblick, wenn wir die Schlagzeilen in der Zeitung lesen und wenn wir auch die Debatten in der Kommunalpolitik vor Ort mitverfolgen? Wir reden über eine epidemiologische Vorstudie, und mein Eindruck ist, wenn man die Studie einmal gesehen hat und ihren Umfang zur Kenntnis nimmt, dass offenbar nur wenige sie gelesen haben, aber viele über sie reden und noch mehr Konsequenzen aus einer Studie fordern, die sie wirklich nie gelesen haben.
Worum ging es in dieser Studie? Es ging um zwei Untersuchungsbereiche, nämlich einmal um Tumorerkrankungen bei der Bevölkerung in der Umgebung der Deponie und zum anderen um Tumorerkrankungen der Belegschaft. Was sagt die Studie aus? Sie sagt aus, dass bei der Bevölkerung keine konsistente statistisch signifikante Erhöhung der Krebsinzidenz und/oder Mortalität im Nahbereich der Deponie festgestellt wurde. Sie sagt zu den Beschäftigten aus, dass bei ihnen ein moderat erhöhtes Krebsrisiko vorhanden ist. Betroffen sind dabei Mitarbeiter, die bereits vor der Wiedervereinigung dort tätig gewesen sind.
Wenn man also aus dieser Studie etwas zum Gefährdungspotenzial für den Menschen ableiten will, dann belegt diese Studie zunächst einmal nur eines. Sie belegt, dass sich der real existierende Sozialismus gegen die Umwelt und gegen seine Bürgerinnen und Bürger im wieder - auch noch in den 80erJahren - in unverantwortlicher Weise versündigt hat, meine Damen und Herren.
Wenn ich die Beschreibung in der Zeitung lese, welche Entwicklungen ein Mitarbeiter dort noch in den 80er-Jahren gesehen hat und welche Tatsachen er beschreibt, dann ist das wirklich grauenerregend und man muss heute den wiederkehrenden Nachfolgern der alten SED manchmal vielleicht vor Augen halten, was damals auch in ihrer Verantwortung geschehen ist.
Es ist allerdings keinerlei - das wird eindeutig gesagt - Ansatz dafür sichtbar, dass es eine Gesundheitsbeeinträchtigung der Bevölkerung im Nahbereich der Deponie gibt. Inwieweit das auch für weitere Beschäftigte gilt, die später eingestellt worden sind, kann die Studie ausdrücklich nicht sagen. Darum ist angekündigt, dass nach dieser Vorstudie weitere Studien erstellt werden sollen. Wir begrüßen das ausdrücklich. Ich möchte mich hier aber und das sage ich auch noch einmal ganz deutlich in Bezug auf die aktuellen Debatten auch vor Ort ausdrücklich vor alle meine Vorgänger stellen, die hier seit 1990 im Amt gewesen sind, denn das Thema stand immer auf der Tagesordnung.
Dieses Thema war eines, das immer - von Herrn Heidemann bis Herrn Müller - mit Sorgfalt behandelt worden ist. Deshalb haben wir uns nicht allein auf die Auswertung des Geologischen Landesamts in Mecklenburg-Vorpommern aus dem Jahr 1996 verlassen. Dies hat nämlich festgestellt, dass es eine wirksame Abdichtung gibt und dass im Untergrund
Im Jahr 2000 haben unter Herrn Müller umfangreiche Untersuchungen durch das LANU stattgefunden. Das Untersuchungsprogramm zur Untertraverinne belegt, dass im Bereich der Trave eine unterirdische geologische Struktur verläuft, die eine wirksame Barriere für Grundwasserströme aus den angrenzenden Wasserleitern Mecklenburg-Vorpommerns bildet.
Wir sind deshalb sehr sicher, dass es hier keine Verunreinigungen gibt. Im Übrigen wird regelmäßig an allen Ecken der Deponie gemessen. Die Messungen werden zunächst einmal von Mecklenburg-Vorpommern selber vorgenommen. Es gibt weder Wissensdefizite noch keine kontinuierliche Überwachung. Wichtig ist darüber hinaus, dass diese Überwachungsergebnisse mitgeteilt und veröffentlicht werden. Der Prozess der Überwachung verläuft also transparent.
Meine Vorgänger und insbesondere Herr Müller haben sich dafür eingesetzt, dass im Jahr 2002 ein Beirat zu Umweltfragen ins Leben gerufen wurde. In diesem Beirat sind Vertreter aus MecklenburgVorpommern, Schleswig-Holstein, Bürgerinitiativen aus Lübeck, Selmsdorf, Kreisbehörden und Deponiebetreiber vertreten. Alle erforderlichen Unterlagen sind von den beteiligten Behörden zeitnah vorgelegt worden, und deshalb gibt es im Moment überhaupt keinen Grund, daran zu zweifeln, dass der betriebene Abschnitt der Deponie Ihlenberg nicht nach Recht und Gesetz und entsprechend dem Stand der Technik verfüllt wird. Darum gibt es weder die Notwendigkeit noch die rechtliche Möglichkeit, Abfalltransporte aus Schleswig-Holstein in diesem Bereich zu stoppen. Nach einer Auswertung von Begleitscheinen, die im Rahmen des abfallrechtlichen Nachweisverfahrens für gefährliche Abfälle zu führen sind, wurden in den letzten anderthalb Jahren circa 48.000 Tonnen Sonderabfälle aus Schleswig-Holstein auf der Deponie Ihlenberg abgelagert. Das waren kontaminierte mineralische Abfälle. Entsprechend den rechtlichen Nachweisregelungen hat diese Entsorgungsvorgänge nicht Schleswig-Holstein, sondern das für die Deponie Ihlenberg zuständige Bundesland MecklenburgVorpommern genehmigt.
Ich sage es noch einmal: Die Studie bietet vieles. Sie bietet auch eine Grundlage, um die Nachfrage zu stellen, wie es heute mit Mitarbeitern aussieht, die in den letzten anderthalb Jahrzehnten in der Deponie gearbeitet haben. Dafür ist eine Studie angekündigt. Diese werden wir uns angucken.
Die Studie gibt allerdings keinen Anlass, um Panik in der Öffentlichkeit hervorzurufen. Sie gibt vielmehr für den Nahbereich der Deponie Grund zur Entwarnung. Ich finde, man sollte diese Studie sorgfältig analysieren, bevor man sich in der Öffentlichkeit medienwirksam dazu äußert.
Für die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich der Frau Abgeordneten Angelika Birk das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Vorstudie der Universität Greifswald über die gesundheitliche Gefährdung der Menschen durch die Mülldeponie Schönberg hat eine erschreckende Häufung von krebserkrankten Arbeitern zutage gefördert. Sie hat vor allen Dingen einen symbolischen Wert. Denn alle Deponiebetreiber - ob nun die Exponenten der ehemaligen DDR, die späteren Privatbetreiber wie die Hilmer-Gruppe oder jetzt die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern - haben immer gesagt, dass die Deponie nicht gesundheitsgefährdend ist.
Nun liegt zum ersten Mal schwarz auf weiß eine Aussage über die Mitarbeiter, die dort tätig waren, vor. Man muss allerdings eine Einschränkung vornehmen: Es wurden nur diejenigen untersucht, die von 1983 bis 2004 dort tätig waren.
Die kritischsten Dinge sind allerdings in den Anfängen ab 1979 passiert. Es wurden beispielsweise nicht die Lastwagenfahrer und Lokführer untersucht, die sich jetzt durch die Veröffentlichung ermutigt sehen, ihr Schweigen zu brechen und in den Medien Auskunft über die Konditionen der Deponiebelieferung zu DDR-Zeiten zu geben. Sie sind zwar schwer krank, sagen aber selber, dass sie nicht wissen, worauf ihre Krankheit beruht. Wenn man allerdings berücksichtigt, was diese Menschen erlebt haben, dann kann man sich schon denken, dass die Bedingungen auf der Deponie ein Indiz für die Krankheit sein können.
Die Situation ist also so, dass nur eine Teilpopulation derer, die mit schweren Giften zu tun hatten, untersucht worden ist. Trotzdem vernehmen wir eine beunruhigende Anhäufung von Krebserkrankungen und Todesfällen.
Vielleicht erinnern wir uns nicht mehr alle daran, aber uns muss klar sein, dass europaweit eine der
gefährlichsten Giftmülldeponien gleich hinter der Grenze von Lübeck auf einer durchlässigen Kiesgrube liegt und dass sie illegal den gefährlichsten Dreck aus Europa, aber auch aus Nachbarbundesländern aufgenommen hat. Es wurde damals häufig versucht, die westdeutschen Standards zu umgehen, indem man beispielsweise nur auf osteuropäischem sozialistischen Territorium diese Güter transportiert hat. Diesbezüglich ist der Bericht in den „Lübecker Nachrichten“ aus den letzten Tagen sehr lesenswert. Ich empfehle Ihnen, sich die Geschichte auf Wikipedia anzuschauen. Sie brauchen nur „Ihlenberg“ als Stichwort einzugeben.
Dort finden Sie einen sehr kritischen Abriss über die Geschichte dieser Deponie und in vielen Punkten wird auch kritisch auf frühere Landesregierungen von Schleswig-Holstein verwiesen.
Das Grund- und Trinkwasser einer ganzen Region in Mecklenburg-Vorpommern und in der Lübecker Region ist gefährdet. Ich kenne die Theorie und ich kenne auch die Aussagen über diese sogenannte Barriere, wonach unterhalb der Trave wasserabweisendes Gestein existieren soll. Ja, es gibt diese Barriere, aber niemand weiß genau, wie lang sie ist und es gibt eine ganze Reihe von Hinweisen darauf, dass auch diese Barriere nicht hundertprozentig dicht ist. Das wäre auch sehr ungewöhnlich. Schließlich haben wir auch keine völlig dichte Barriere von der Ostsee bis nach Bayern.
Von daher halten wir es nicht für eine übertriebene Panikmache, sondern für sehr sinnvoll, dass sowohl der Umweltdezernent zu Lübeck, Herr Geißler, als auch der Landrat, Herr Sager, als auch der Bürgermeister gefordert haben, entschieden zu handeln. Die Hansestadt hat sich gestern in der Bürgerschaft sehr ausführlich mit dem Thema befasst, was ich begrüße.
Die Hansestadt Lübeck, deren Trinkwassereinzugsgebiet unmittelbar berührt ist, ist nur zu ermutigen, ihre Rechte auch mit juristischen Schritten sichtbar geltend zu machen. Hierbei sollte das Land Schleswig-Holstein die Stadt unterstützen. Dies ist der einzige Hebel, um die Grundwasser- und Oberflächengefährdung auszuschließen. Es sind alle Daten über die Brunnen zu veröffentlichen.
(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Minister Dr. Christian von Boetticher: Sind doch veröffentlicht!)
Eines möchte ich kritisch anmerken: Die Hansestadt Lübeck hat die Daten der Brunnen, die wegen ungenießbaren Wassers geschlossen werden mussten - wir beziehen inzwischen unser Wasser in Lübeck aus der Hamburger Region -, nicht veröffentlicht und auch die Beiratsmitglieder, Herr Minister, sind nicht Ihrer Meinung, dass alles veröffentlicht worden ist.
Die Daten zu den Brunnen wurden mehrfach angemahnt. Die CD, die dann irgendwann einmal geliefert wurde, war unbrauchbar. Auch Fachleute aus der Bürgerinitiative - diese verfügen über genug Erfahrung, um diese Daten auswerten zu können sind der Meinung, dass die CD nicht alle Daten enthält. Insofern kann man verstehen, warum manches Beiratsmitglied das Gremium frustriert verlassen hat.
Also, es muss seitens des Landes MecklenburgVorpommern eine lückenlose Offenlegung durchgesetzt werden. Darüber hinaus muss die Verursacherfrage geklärt werden. Die Kosten der Behandlung der Menschen, die erkrankt sind, sowie die Kosten für eine völlige Sanierung dieser Deponie müssen den Verursachern auferlegt werden. Deshalb ist es aus unserer Sicht ein Fall für die Staatsanwaltschaft, die aktuellen Veröffentlichungen zum Anlass zu nehmen, um die Verbrechen in den Gründerjahren zu verfolgen.
Anhand der Stasi-Akten kann man nachvollziehen, wie kriminell vorgegangen worden ist. Nach meiner Kenntnis ist das bisher von den Staatsanwaltschaften nicht verfolgt worden.
Es gibt also gute Gründe, um zu sagen, dass diese Deponie erst einmal nicht weiter beliefert werden soll, bevor nicht alles geklärt ist. Obwohl für die heutigen Belieferungen die TASi-Richtlinien und