Protokoll der Sitzung vom 18.07.2008

(Beifall bei der CDU)

Schulen, die schlüssige pädagogische Konzepte erarbeitet haben, die von ihren Ideen überzeugt sind und die diese jetzt umsetzen möchten. Ich frage Sie, Frau Birk und Herr Hentschel: Warum billigen Sie diesen Schulen nicht das Recht und die Möglichkeit zu, ihre pädagogischen Konzepte mit Leben zu füllen, genau wie wir es bei den Gemeinschaftsschulen tun?

(Karl-Martin Hentschel)

(Beifall bei der CDU - Zuruf des Abgeordne- ten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

Geben Sie den neuen Regionalschulen Raum und Zeit, ihre Schulen umzustrukturieren! Unterlassen Sie Ihre Anfeindungen, die besonders unfair sind, da sie erfolgen, bevor die Regionalschulen überhaupt ihre Arbeit aufgenommen haben! Hier wird von Ihnen eine Schulart systematisch demontiert. Sie reden die Regionalschule bewusst schlecht, weil sie nicht in Ihr begrenztes ideologisches Bildungsfenster passt.

(Beifall bei der CDU)

Frau Birk, ich weiß gar nicht, warum Sie nicht reden, Sie haben doch den Antrag gestellt. Es überrascht mich, Frau Birk, dass Sie in Ihrem für mich sehr schwer ernst zu nehmenden Antrag nicht auch gleich die Abschaffung des Gymnasiums fordern. Dann hätten Sie doch das eigentliche Ziel Ihrer ideologischen Vorstellungen, was unser Schulsystem angeht, erreicht.

Ich weiß sehr wohl, dass Sie mit der geforderten Egalisierung von Gemeinschaftsschule und Gymnasium auf allen Ebenen genau diesen Weg beschreiten wollen. Es wäre jedoch ehrlicher gewesen, wenn Sie hier gleich mit offenem Visier gekämpft hätten. Und ich sage Ihnen auch, warum Sie das, was Sie im Falle einer Regierungsbeteiligung rigoros durchgezogen hätten, heute nicht konsequent fordern: die Abschaffung der Gymnasien. Das Gymnasium ist nämlich die Schulart, der die Eltern in unserem Lande die höchste Akzeptanz entgegenbringen - fast 11.000 Schülerinnen und Schüler. Hier hätten Sie den Elternwillen mit Füßen treten müssen, was Sie natürlich auch tun würden, wenn Sie die Möglichkeit zur Regierungsbeteiligung hätten oder vielleicht irgendwann einmal haben werden. Gott bewahre uns davor, kann ich da nur sagen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, auch wenn die Kollegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN es nicht wahr haben wollen: Das Modell der Regionalschule ist bereits in neun Bundesländern beheimatet und wird seit Jahren mit Erfolg praktiziert. Unter den Parteien vor Ort in den anderen Bundesländern ist das Regionalschulmodell unstrittig, weil es gut funktioniert. In Schleswig-Holstein darf dies offensichtlich nicht der Fall sein, weil eine Lübecker Abgeordnete - oder die Grünen insgesamt -, die auch möglicherweise noch von der lokalen Presse dabei unterstützt wird, festlegt, dass die bewährten Strukturen der

Regionalschule in unserem Land scheitern müssen. Wie Sie zu dieser Einschätzung gelangen, Frau Kollegin, ist mir schleierhaft.

(Zuruf von der SPD: Das nennt man Einge- bung!)

Meine Damen und Herren, die Regionalschule startet mit 35 Schulen in zehn von 14 kreisfreien Städten und Kreisen. Das kann man belächeln und kleinreden, man kann aber auch positiv bewerten, dass es auf Anhieb 35 Schulen sind, vor allem vor dem Hintergrund, dass Regionalschulen ab dem Schuljahr 2010/2011 flächendeckend als Regelschulen entstehen werden. Warum sollten sich also Schulen schon jetzt mit pädagogischen Konzepten, Anträgen und dergleichen herumplagen? Ich sage Ihnen, warum: weil sie von der Zukunft dieser Schulform überzeugt sind. Und dafür haben sie unser aller Unterstützung verdient.

(Beifall bei der CDU)

Insgesamt werden im nächsten Jahrgang 2.210 Schülerinnen und Schüler die neuen Regionalschulen besuchen. Das sind etwa so viele Kinder wie die, die ihre Schulkarriere an der Gesamtschule fortsetzen werden. Und diese blickt immerhin auf eine jahrzehntelange Tradition in Schleswig-Holstein zurück. Hier hat es von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN seltsamerweise nie einen derart diskriminierenden Antrag auf Abschaffung gegeben. Das ist etwas merkwürdig.

Natürlich gibt es bei den anstehenden geballten Reformen im Schulbereich eine große Verunsicherung auf Elternseite, von Lehrern, aber auch von Kommunen. Aber das betrifft alle anstehenden beziehungsweise bereits angelaufenen Neuerungen. Auch bei der Etablierung der Gemeinschaftsschule ist noch reichlich Sand im Getriebe. So konnte die Gemeinschaftsschule ihrem Anspruch, eine Schule für alle sein zu wollen, bisher nicht gerecht werden. Es ist ihr, nunmehr im zweiten Jahr des Bestehens, erneut nicht gelungen, ausreichend gymnasial empfohlene Kinder zu gewinnen. Der Prozentsatz von 3,9 % gymnasial empfohlener Kinder an 48 neuen Schulen, das zwangsfusionierte Fehmarner Gymnasium eingeschlossen, macht deutlich, dass dieser integrierende Ansatz aller Schularten klar verfehlt wurde.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

Ob Sie meinen, das sei Unfug oder nicht - wir werden das in der Zukunft sehen.

(Sylvia Eisenberg)

(Herlich Marie Todsen-Reese [CDU]: Die Zahlen sprechen für sich!)

Es wird zukünftig keine gymnasiale Bildung - und wenn dann nur gering -, geschweige denn eine gymnasiale Oberstufe an den neuen Gemeinschaftsschulen aufgebaut werden können.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist schlichtweg unwahr!)

Diese Entwicklung ist natürlich sorgsam zu beobachten.

Was die Oberstufe betrifft, möchte ich noch einmal deutlich hervorheben, dass Schülerinnen und Schüler auch mit dem Besuch der Regionalschule das Abitur nach neun Jahren ablegen können - und zwar entweder an einem allgemeinbildenden Gymnasium ihrer Wahl oder auch an den bewährten Beruflichen Gymnasien.

Diese Beruflichen Gymnasien werden übrigens von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auch um ihre Zukunft gebracht, wenn das Abitur, wie von Ihnen angedacht, nur an den Gymnasien und Gemeinschaftsschulen absolviert werden soll. Für die Beruflichen Gymnasien, die heute von über 35 % aller Schüler nach der Realschule besucht werden, bleibt nicht mehr so viel übrig.

Auch über die von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erneut angepriesenen Sekundarstufenlehrer möchte ich nicht schon wieder reflektieren müssen. Vielleicht nur als Denkanstoß für Sie, Frau Birk und Herr Hentschel - ich habe hier immer noch Frau Birk stehen -: Wir leben in Schleswig-Holstein nicht auf einer Insel. Bundesweit bemüht man sich zurzeit um einheitliche Ausbildungsstrukturen bei der Lehrerbildung. Im Rahmen des BolognaProzesses erfolgt die Umstellung auf Bachelorund Masterstudiengänge. In den einzelnen Bundesländern sind diese unterschiedlich weit vorangeschritten. Allen gemein ist jedoch - bisher jedenfalls - eine Ausbildung ausgerichtet an den bestehenden Schularten.

Meine Damen und Herren! Schleswig-Holstein ist gerade auf einem guten Weg, sein bildungspolitisches Inseldasein abzuschütteln. Arbeiten wir als politisch Verantwortliche, also gemeinsam, für die neuen Rahmenbedingungen, die wir mit dem Schulgesetz gerade erst seit 2007 geschaffen haben.

Für die CDU-Fraktion bitte ich um Ablehnung des Antrags.

(Anhaltender Beifall bei der CDU)

Ich danke der Frau Abgeordneten Sylvia Eisenberg. - Für die SPD-Fraktion erhält nun Herr Abgeordneter Dr. Henning Höppner das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Schulgesetz haben wir im Januar des Jahres 2007 vor 18 Monaten - verabschiedet. Wenn ich mich recht erinnere, haben wir in jeder Plenarsitzung danach einen Antrag zur Änderung des Schulgesetzes gehabt.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP]: Aber nicht von uns!)

- Auch von Ihnen. Wenn man einen solchen Antrag schreibt - ich nehme an, das geht an die Adresse der Grünen -, so muss man feststellen: Zurzeit besteht eine große Verunsicherung bei den Eltern, Lehrerinnen und Lehrern sowie bei den Kommunen bezüglich der Weiterentwicklung der Regionalschulen. Da kann ich nur sagen: Wer ständig Gesetzentwürfe einbringt und alles wieder auf den Prüfstand stellen möchte, der verunsichert in der Tat die Eltern.

(Beifall bei SPD und CDU)

Das ist etwas, was wir uns nicht leisten sollten. Ich glaube, dass wir durchaus in der Lage waren, auch dieses Schulgesetz nach draußen zu kommunizieren. Die intensive Diskussion, die draußen, vor Ort bei den Schulträgern, aber insbesondere bei den Eltern stattgefunden hat, ist ein Aspekt, der sagt, dass dieses Schulgesetz ein gutes Schulgesetz ist.

Das Schulsystem steht ja auch noch nicht fertig da. Wer hat denn vor, dass im Jahre 2010/2011 alle Schulen beginnen sollten, den Veränderungsprozess aufzunehmen? Dass es viele schon weit vorher getan haben, ist natürlich eine schöne Sache. Das begrüßen wir natürlich.

(Beifall bei der SPD)

Was die Situation in den Schulen angeht: Wir haben an allen genehmigten Regionalschulen und an allen genehmigten und schon existierenden Gemeinschaftsschulen noch die Situation, dass gemeinsamer Unterricht erteilt wird. Wir sind im Grunde über die Orientierungsstufe noch gar nicht hinaus. Es ist noch an keiner einzigen Realschule oder Gemeinschaftsschule bisher der Unterricht im Sinne der Differenzierung erteilt worden. Auch das muss man sehr deutlich sehen.

(Sylvia Eisenberg)

Wir freuen uns als Sozialdemokraten natürlich darüber, dass die von uns in die Diskussion eingebrachte Schulform der Gemeinschaftsschule flächendeckend so gut angenommen wird, stärker, als wir selbst erwartet hätten.

(Beifall bei der SPD)

Das Ergebnis der Kommunalwahlen wird auch dazu beitragen, dass die bisherigen gallischen Dörfer, wenn wir sie einmal so nennen wollen - die Landeshauptstadt Kiel und die Hansestadt Lübeck -, ihre Verweigerungshaltung gegenüber der neuen Schulart aufgeben werden, denn diese Haltung ist von den Wählerinnen und Wählern nicht belohnt worden.

Wir haben in Schleswig-Holstein - auch zusätzlich beziehungsweise neu - eine Mindestgrößenverordnung eingeführt. Dies ist auch deswegen besonders wichtig, weil wir an einer Vielzahl von sehr kleinen Schulen doch sehr üppig mit den Personalressourcen umgehen. Ich glaube, dass auch dies ein wichtiger Schritt ist, die Schulentwicklung in Schleswig-Holstein positiv zu steuern.

Was die Strukturen angeht, bedeutet das natürlich, dass wir nicht an jedem Standort Gymnasien oder Gemeinschaftsschulen nebeneinander anbieten können. Das ist eine Erkenntnis, mit der wir leben müssen. Sie bezieht sich ja insbesondere auf den Aspekt des Wahlrechts der Eltern, den Sie in Ihrem Antrag anführen. Auch in einem Zwei-SäulenModell kann man nicht sozusagen den Eltern die Wahlfreiheit geben, sondern die Wahl ist immer auch verbunden mit Wegen, weil natürlich an einem Standort, wie ich eben sagte, nicht eine Gemeinschaftsschule und ein Gymnasium gemeinsam vorhanden sein müssen.

Unser Schulgesetz garantiert, dass Eltern, deren Kind mindestens eine Realschulempfehlung hat, nach der Grundschule entscheiden können, ob sie ihrem Kind den kürzeren, vielleicht sehr viel anstrengenderen Weg über acht Jahre zum Abitur zumuten wollen oder ob sie sich für den neunjährigen Weg über die Gemeinschaftsschulen entscheiden. Über die Regionalschulen wird dieser Weg auch möglich sein sowie über die Fachgymnasien und die Beruflichen Gymnasien.

Das neue Schulgesetz stellt für unsere Schülerinnen und Schüler, für unsere Lehrerinnen und Lehrer, aber auch für die Eltern und die Schulträger in manchen Punkten eine große Herausforderung dar. Deswegen lehnen wir es ab, zu diesem Zeitpunkt die jetzigen Grundstrukturen der weiterführenden Schulen in Schleswig-Holstein neu zu definieren.

Wir stehen zu diesem Schulgesetz, das wir gemeinsam mit unserem Koalitionspartner erarbeitet haben und das wir auch, wie ich vorhin schon sagte, draußen sehr gut vermitteln können.

In Schleswig-Holstein können Schulträger zukünftig eine Entscheidung treffen, welche Form der weiterführenden Schule sie neben dem Gymnasium vorhalten wollen. In der Vergangenheit sind je nach Stellung der Orte im System der zentralen Orte die weiterführenden Schulen mehr oder minder zugeordnet worden - Hauptschulen in die Trägerschaft der Gemeinden, Realschulen in die Trägerschaft der zentralen Orte. Die Wahlfreiheit der Schulträger zwischen Regionalschulen und Gemeinschaftsschule halten wir in der SPD für eine deutliche Stärkung des Selbstverwaltungsrechts, das unseren Gemeinden ja verfassungsmäßig zusteht. So haben viele Schulträger im Hinblick auf die Hebung der Standortqualität ihrer Gemeinden eine Entscheidung zugunsten der Gemeinschaftsschule getroffen. Das sind, wenn wir in den Landesteil Schleswig oder in den südlichen Landesteil, nach Lauenburg, schauen, immerhin Schulträger und Gemeinden gewesen, die nicht sozialdemokratisch geführt worden sind. Das muss man an dieser Stelle auch sagen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Es gibt ja kaum noch welche!)

Auch in den kommunalen Kreisen der CDU hat die Gemeinschaftsschule eine hohe Akzeptanz, vielleicht eine manchmal höhere als die Regionalschule.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)