Protokoll der Sitzung vom 11.09.2008

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke Herrn Minister Dr. Marnette. - Da Sie ein bisschen mehr Zeit verwendet haben, werden wir bei den Redezeiten der Fraktionen entsprechend großzügiger sein.

Für die CDU-Fraktion darf ich den Herrn Abgeordneten Johannes Callsen aufrufen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit Jahresanfang 2005 ist die Zahl der Arbeitslosen in Schleswig-Holstein deutlich gesunken, die Zahl neuer sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze ist seitdem im Land um über 50.000 gestiegen. Die positive Wirtschaftsentwicklung in Schleswig-Holstein bringt den Menschen also neue Perspektiven. An dieser Stelle ist besonders erfreulich und positiv, dass hiervon auch die jungen Menschen in unserem Land profitieren.

(Beifall bei der CDU)

Stagnierte die Zahl der neu eingetragenen Ausbildungsverträge 2005 noch bei rund 18.600, ging sie Jahr für Jahr auf rund 22.600 im September vergangenen Jahres deutlich nach oben. Die bisher für 2008 vorliegenden Zahlen lassen erwarten und hoffen, dass Schleswig-Holstein erneut einen Spitzenplatz bei der Ausbildung belegt.

(Minister Dr. Werner Marnette)

Maßgeblichen Anteil hieran haben natürlich die Unternehmen, die mit ihrem hohen Ausbildungsengagement Verantwortung für die Schulabgänger dokumentieren. Die Wirtschaftspolitik der Landesregierung flankiert dieses Engagement durch gezielte Förderung und die Schaffung wirtschaftsfreundlicher Rahmenbedingungen.

Der soeben von Wirtschaftminister Dr. Werner Marnette gegebene Bericht ist zwar - wie er selbst gesagt hat - „nur“ eine Bestandsaufnahme zum Zeitpunkt August, er unterstreicht aber durchaus diese positive Entwicklung. So ist es erfreulich, dass - wie erwähnt - Schleswig-Holstein derzeit in der Relation der Ausbildungsstellen zu den Bewerbern bundesweit den fünften Platz einnimmt. Ebenfalls stellt sich das Verhältnis der aktuell unbesetzten Ausbildungsstellen zu den nicht vermittelten Bewerbern sehr gut dar.

Ich bin daher optimistisch, dass wir auch in diesem Jahr wieder allen ausbildungsfähigen und -willigen Jugendlichen ein Angebot für einen Ausbildungsplatz oder für eine Qualifizierungsmaßnahme machen können.

Die demografische Entwicklung und der Fachkräftemangel sorgen für eine weitgehende Entspannung auf dem Ausbildungsmarkt. Statt einer Ausbildungslücke auf der Angebotsseite werden wir es künftig mit zu wenig qualifizierten Bewerbern zu tun haben. Diese Entwicklung ist bereits in der Kredit- und Versicherungswirtschaft, bei den steuer- und wirtschaftsberatenden Berufen sowie in der Hotel-, Gaststätten- und Lebensmittelbranche zu spüren. Die Schulabgänger werden deutlich mehr wählen können, welchen Ausbildungsplatz sie annehmen wollen. Sie müssen aber auch flexibler sein. Der Wettbewerb um die Schulabgänger wird sich verschärfen, da die Unternehmen stärker versuchen werden, ihren Fachkräftebedarf durch eigene Ausbildung zu decken.

Ich kann nur sagen: Das ist richtig und klug. Die Statistik liefert einen Hinweis auf diese Entwicklung: Während per Ende August die Zahl der bei den Agenturen für Arbeit gemeldeten Ausbildungsstellen um 5,3 % angestiegen ist, beläuft sich der Anstieg bei den neuen Ausbildungsverträgen auf 1,3 %. Das heißt, die Betriebe haben Ausbildungsund Fachkräftebedarf, finden aber offenbar nicht immer geeignete Bewerber. Wir müssen daher dafür Sorge tragen, dass alle Schulabgänger ausreichend qualifiziert sind, um eine Ausbildung erfolgreich aufnehmen und abschließen zu können. Mit der Reform des Schulgesetzes und den Investitionen in die Bildung, über die wir gestern während

der Haushaltsdebatte gesprochen haben, hat die Landesregierung hierfür weitere Akzente gesetzt.

Ein besonderes Augenmerk muss auf die Qualifikation der Altbewerber gelegt werden, denn auch diese verdienen es - wenn sie im letzten Jahr nicht zum Zuge gekommen sind -, jetzt durch ergänzende und flankierende Qualifizierungsmaßnahmen eine weitere Chance für eine sinnvolle Ausbildung zu bekommen. Mit den Maßnahmen aus dem Zukunftsprogramm Arbeit stehen uns hierfür Instrumente zur Verfügung, die geeignet sind, die Altbewerber für einen Neustart auf dem Ausbildungsmarkt erfolgreich zu qualifizieren. Der vorliegende Bericht führt dazu eine Vielzahl von Möglichkeiten auf.

Daneben gibt es im Übrigen höchst anerkennenswerte regionale Initiativen wie die Ausbildungscoaches zum Beispiel am Berufsbildungszentrum in Schleswig, das ich nicht nur deshalb erwähne, weil es im Wahlkreis von Holger Astrup und mir liegt. Dort werden intensiv noch unversorgte Ausbildungsbewerber beraten und unterstützt; dort wird ihnen geholfen. Auch in Nordfriesland gibt es vergleichbare Initiativen.

Sicherlich kann in diesem Zusammenhang auch der neu eingeführte Ausbildungsbonus - er wurde schon angesprochen - Impulse für den Ausbildungsmarkt geben. Allerdings - darauf muss man achten - ist die Gefahr von Mitnahmeeffekten durchaus vorhanden.

(Beifall bei CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es muss absolut sichergestellt werden, dass die geförderten Ausbildungsplätze auch wirklich zusätzlich eingerichtet werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich gehe davon aus, dass wir auch in diesem Jahr ein erfolgreiches Ausbildungsjahr haben werden, denn Ausbildung ist eine Investition in die Zukunft der Jugendlichen, der Gesellschaft und der Unternehmen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke Herrn Abgeordneten Callsen. - Für die SPD-Fraktion hat nun Frau Abgeordnete Anette Langner das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich danke dem Minister und seinen

(Johannes Callsen)

Mitarbeitern für den vorliegenden Bericht, der nach meiner Einschätzung ein sehr differenziertes Bild über die Ausbildungsplatzsituation in SchleswigHolstein gibt. Bei einer zunehmenden Zahl an Bewerbern aus den Vorjahren und aus berufsvorbereitenden Maßnahmen ist die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen auch bei leicht rückläufigen Schulabgängerzahlen in diesem Jahr nach wie vor sehr hoch. Auch wenn die Relation zwischen gemeldeten Bewerbern und gemeldeten Ausbildungsstellen in Schleswig-Holstein im Bundesvergleich gut ist - das ist sicherlich ein Erfolg des Bündnisses für Ausbildung; ich will mich hier dem Dank des Ministers an alle Akteure anschließen, die dazu beigetragen haben -, gibt es nach wie vor zu viele Jugendliche, die keinen Ausbildungsplatz haben. Wir stehen also nach wie vor in der Verantwortung, alles dafür zu tun, um jungen Menschen in Schleswig-Holstein einen guten Start ins Berufsleben zu ermöglichen.

Bei einem zunehmenden Bedarf an Fachkräften gibt es, glaube ich, keinen Zweifel daran, dass die Wirtschaft, also Unternehmen und Betriebes in erster Linie in der Verpflichtung sind, auszubilden und für ihren Fachkräftenachwuchs selbst zu sorgen. Das haben sie in der Vergangenheit getan, und das werden sie auch in der Zukunft tun. Trotzdem betrachte ich die Entwicklung bei den neu abgeschlossenen Ausbildungsverhältnissen seit 2006 mit etwas Sorge. Im Jahre 2006 hatten wir noch einen Zuwachs von 6,9 %, im Jahre 2007 sogar einen Zuwachs von 7,5 %. Für 2008 ist nur noch ein Plus von 1,3 % zu registrieren, wobei das zugegebenermaßen der Stand vom August ist. Ich denke, es müsste noch ein bisschen mehr an positiver Entwicklung da sein, um wirklich optimistisch in die Zukunft blicken zu können.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Wenn ich positiv unterstelle, dass die von den Kammern und Verbänden immer wieder betonte Ausbildungsbereitschaft der Betriebe nach wie vor gut ist, könnte eine Begründung für den Rückgang sein, dass Betriebe Ausbildungsstellen anbieten, dafür aber keine geeigneten Bewerberinnen und Bewerber finden. Bedenkenswert sind dabei allerdings die im Bericht genannten Zahlen über die Qualifikationsstruktur der bislang unversorgten Jugendlichen. Offensichtlich haben wir mitnichten ausschließlich ein Hauptschulabgängerproblem. Immerhin 51 % der Jugendlichen ohne Ausbildungsplatz haben einen Realschulabschluss oder sogar die Fachhochschul- oder Hochschulreife.

Dem in dem Bericht angesprochenen Widerspruch von angebotenen Ausbildungsstellen und Wünschen der Bewerber muss man dringend mit besseren Beratungsangeboten und neuen Formen der Berufsorientierung begegnen.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Gerade für den ländlichen Raum spielt das Problem der Mobilität eine große Rolle. Dem muss die Berufsberatung mit Lösungsangeboten Rechnung tragen.

Die von Betrieben und Unternehmen immer wieder beklagte Ausbildungsunfähigkeit von Schulabgängern ist ein weiteres Problemfeld, bei dem wir ebenfalls in der Verantwortung stehen. Wir haben auch schon viele Maßnahmen ergriffen, um etwas zur Lösung dieses Problems zu tun. Die Botschaft an die jungen Menschen in unserem Lande kann natürlich nicht lauten: Wir können euch nicht gebrauchen, weil ihr unsere Anforderungen nicht erfüllt. Die Botschaft muss im Gegenteil lauten: Jeder junge Mensch in diesem Land ist wertvoll und wird dringend gebraucht, damit wir auch in Zukunft ausreichend qualifizierte Arbeitskräfte haben.

(Beifall bei SPD, CDU und SSW)

Deshalb begrüße ich außerordentlich die in dem Bericht aufgeführten und hier auch schon beispielhaft genannten vielfältigen Maßnahmen und Förderprogramme der Landesregierung, die das Ziel haben, Jugendliche besser auf die Anforderungen einer Ausbildung vorzubereiten und den Übergang von der Schule zur Arbeitswelt zu erleichtern. Da die Landesprogramme oftmals leider aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein können und der Bedarf immer größer ist, als es die Möglichkeiten sind, wäre es meiner Ansicht nach wünschenswert, mit der Bundesagentur für Arbeit und den ARGEn über eine stärkere Beteiligung an präventiven Projekten ins Gespräch zu kommen. Auf der Bundesebene hat das der Bundesarbeitsminister auf der Agenda. Das ist von Lothar Späth in einem Beitrag im „Handelsblatt“ gerade kritisiert worden. Man muss ja aber nicht immer gut finden, was Lothar Späth sagt.

Auch das Instrument des Ausbildungsbonus - darin gebe ich dem Minister recht - kann sicherlich eine Chance darstellen. Ich teile aber die Skepsis des Kollegen Callsen: Wir müssen auf jeden Fall dafür sorgen, dass der Ausbildungsbonus nicht zu Mitnahmeeffekten führt, denn davon hätten wir, wie ich glaube, alle nichts.

(Anette Langner)

Der Bericht gibt noch vieles her, worüber es sich lohnt, ausführlich zu diskutieren. Deshalb beantrage ich die Überweisung an den Wirtschaftsausschuss. Für die Nachvermittlungsaktion gilt es jetzt, im Bündnis für Ausbildung noch einmal alle Kräfte zu bündeln, damit wir noch möglichst vielen bisher unversorgten Jugendlichen ein Angebot machen können.

(Beifall bei SPD, CDU und SSW)

Ich danke der Frau Abgeordneten Langner. - Für die FDP-Fraktion hat Herr Abgeordneter Dr. Heiner Garg das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Im Jahr 2006 stieg die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge bundesweit um 4,7 %, im Jahre 2007 um 8,6 % und in diesem Jahr registrierten allein die Industrie- und Handelskammern bis Ende Juni 2008 gegenüber Juni 2007 einen weiteren Zuwachs um 7,1 %. Der konjunkturelle Aufschwung der vergangenen drei Jahre schlägt sich also auch auf dem Ausbildungsmarkt positiv nieder. Schleswig-Holstein lag im Jahr 2007 mit einem Anstieg bei den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen um 7,7 % zwar deutlich unter dem Durchschnitt; allerdings ist dies trotzdem der höchste Anstieg seit 1992. Der Trend für 2008 zeigt in dieselbe Richtung. Dafür ist an allererster Stelle den vielen Unternehmen und insbesondere den vielen Mittelständlern zu danken. Sie erfüllen damit eine bemerkenswerte soziale Aufgabe in unserer Gesellschaft.

Zugleich zeigt sich, dass die Wirtschaft so stark ist wie lange nicht mehr und dass sie auf den eigenen Nachwuchs setzt, um die Zukunft der Betriebe zu sichern. Gerade vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung ist zu sagen, dass die Ausbildung das beste und nachhaltigste Instrument zur Unternehmenssicherung ist. Die ausbildungswilligen Unternehmen in Schleswig-Holstein bekommen jedoch immer mehr Schwierigkeiten, denn die Anzahl der Ausbildungsplätze, die unbesetzt bleiben müssen, steigt seit Jahren an. Das ist für mich kein Indikator, der Freude auslöst, sondern ein Indikator, darüber nachzudenken, wenn man den Unternehmensstandort wirklich langfristig sichern will.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Waren im Jahr 2004 noch 504 Stellen unbesetzt, so waren es im Jahr 2007 bereits 785. Das entspricht einer Steigerung von über 50 %. Besonders auffallend ist, dass in den nicht handwerklichen Ausbildungsberufen bei Weitem nicht genügend Bewerber gefunden werden. Dramatisch ist diese Tendenz bei den Bankfachleuten, den Versicherungsfachleuten, den Verkäufern im Nahrungsmittelgewerbe und den Restaurantfachleuten. Die Betriebe haben, gemessen an der Zahl der Bewerber, einen doppelt bis dreimal so hohen Bedarf an Auszubildenden. Immer mehr Betrieben gelingt es mittlerweile nicht mehr, geeignete Auszubildende zu finden. Einzelne zweifeln sogar schon daran, überhaupt neue Lehrlinge einstellen zu können. Die Begründung ist bei den Unternehmen fast immer die gleiche: Es werden nicht ausreichend qualifizierte Bewerber gefunden, die die gestellten Anforderungen erfüllen. Die schulischen Leistungen der Jugendlichen insbesondere an den Haupt- und Realschulen seien zum Teil dramatisch schlecht. Wir haben hier ein ganz gravierendes Problem. Dass die Politik dieses Problem in den letzten 20 Jahren nicht beseitigen konnte, ist schlicht ein Skandal, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Eine gute Schulbildung ist der wichtigste Schlüssel zur Schaffung neuer Ausbildungsplätze. Ich sage hier ganz deutlich: Bei all den kontroversen Diskussionen in der Vergangenheit über dieses neue Schulgesetz, ich wünsche im Sinne der jungen Menschen bei der Umsetzung dieses neuen Schulgesetzes fern jeder dogmatischen und ideologischen Debatte viel Erfolg, damit wir uns in den nächsten Jahren hoffentlich über genau diese Probleme, die jedes Unternehmen angibt,

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Johann Wade- phul [CDU])

in dieser Form, Herr Kollege Wadephul, vielleicht nicht mehr unterhalten müssen.

(Beifall bei der FDP)

Frau Ministerin Erdsiek-Rave, ich bitte Sie wirklich herzlich, auf Einwände oder auch Appelle von der GEW zu reagieren oder dazu Stellung zu nehmen. In „Erziehung und Wissenschaft in Schleswig-Holstein“ muss ich lesen: „Abgeschrieben und vernachlässigt, Hauptschüler nicht mehr auf der Rechnung.“

Wenn wir uns ernsthaft Sorgen machen müssen, dass die nächsten vier Hauptschuljahresabgänge

(Anette Langner)

genau mit dem selben Problem zu kämpfen haben, dass sie keine ausreichende schulische Ausbildung bekommen, um den Erfordernissen der Unternehmen tatsächlich gerecht zu werden, dann schieben wir dieses Problem die nächsten vier Jahre vor uns her. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das kann es doch nicht ernsthaft sein!