Protokoll der Sitzung vom 10.12.2008

Deshalb muss jetzt nach Bankenschirm und Zuschüssen auch etwas für die Bürgerinnen und Bürger getan werden. Wir müssen sinnvoll in die Zukunft investieren - bei Bildung und Umwelt und auch bei Verkehrsinvestitionen. Wir müssen aber auch die Kaufkraft der Gering- und Normalverdiener schnell stärken. Ich bin weder für Strohfeuereffekte, noch halte ich etwas von der Kakophonie der „Lasst tausend Vorschläge auf die Bürger herabregnen“-Philosophie.

Vielleicht hätten wir uns diesen Haushalt mit anderen Mehrheiten nicht getraut. Groß ist die Phalanx derer, die Einsparungen fordern und immer dann, wenn es konkret wird, sich aufregen oder sich in die Büsche schlagen. Der eine oder andere redet dazu wahrscheinlich heute noch.

(Beifall des Abgeordneten Claus Ehlers [CDU])

Das gilt auch und gerade dann, wenn wir die Personalausgaben beziehungsweise die Stellenzahlen erhöhen. Wir zeigen aber mit dem Nachschlag in dem Gesamthaushalt ganz deutlich: Für das, was wir wollen, brauchen wir in bestimmten Bereichen auch deutlich mehr Personal, und wir brauchen in anderen Bereichen zumindest einen konstante Entwicklung. Anderswo gibt es dann Einsparmöglichkeiten.

Wenn wir keine Strukturen ändern, ergeben sich auch keine nennenswerten personellen Einsparmöglichkeiten. Deswegen ist es sehr bedauerlich, dass wir in dieser Legislaturperiode keine vernünftige Verwaltungsstruktur- und Kreisgebietsreform durchsetzen konnten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

An dieser Stelle akzeptiere ich den öffentlichen Tadel, auch wenn die Vaterschaft weniger in sozialdemokratischen Reihen zu suchen ist. Wer ein gutes Beispiel für eine Reform sehen will, der schaue sich die Justizreform des Kollegen Uwe Döring an,

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Die ist ja noch nicht da, sondern noch auf dem Weg!)

oder der schaue sich an, was wir im Ämterbereich gemacht haben. Im Übrigen möchte ich zu bedenken geben, dass wir die Folgen von Personalabbau und Gestaltungskraftverlust gegen potenzielle Einsparungen abwägen mussten. Nicht jede Fusion ist gut, nur weil sie kurzfristig Geld bringt. Ich meine allerdings nicht die Fusion des UK S-H, auch wenn noch so oft das Gegenteil behauptet wird. Ohne die

Fusion des UK S-H wären die Defizite viel höher ausgefallen als die, mit denen wir leider zu kämpfen haben.

(Beifall des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

Wir bekennen uns übrigens zur Verantwortung für dieses Universitätsklinikum, das der größte Arbeitgeber in unserem Land ist, wo hervorragende Arbeit geleistet wird und das unsere Unterstützung verdient und nicht ständig neue Vorschläge zur Zerschlagung und Privatisierung.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Diese Regierungskoalition hat sich auf einen Haushalt geeinigt, der zeigt, dass wir die folgenden Jahre aktiv gestalten wollen und zu unserer Verantwortung für Schleswig-Holstein stehen. Dazu gehören selbstbewusste Regierungsfraktionen, und deswegen haben wir die Vorschläge der Regierung in Teilen doch sehr deutlich geändert. Ich muss Ihnen ehrlich sagen, dass ich die Kritik daran sehr merkwürdig finde. Das Parlament ist der Haushaltsgesetzgeber - niemand sonst. Ich empfehle all denjenigen einen Blick in die Landesverfassung, die Überschriften produzieren, dass es unerhört sei, dass das Parlament Veränderungen vornimmt. Wer soll es denn sonst machen? Ich sage das auch nicht nur in Richtung Regierung, sondern ich sage das auch in Richtung derjenigen, die von außen über uns in einer Form reden, von der man sagen muss, dass man durchaus Kritik an einzelnen Maßnahmen üben kann. Aber die Verantwortung für das, was geschieht, ist besser in den Händen demokratisch gewählter Politikerinnen und Politiker aufgehoben als in den Händen derjenigen, die uns die ganzen Jahre Ratschläge gegeben und uns in den Schlamassel hineingeführt haben, den wir momentan überall auf der Welt erleben, auch in Deutschland. Ein bisschen mehr Selbstbewusstsein und Stolz auf demokratische Institutionen wünsche ich mir manchmal in allen Reihen,

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Karsten Jasper [CDU], Frank Sauter [CDU] und Dr. Johann Wadephul [CDU])

unabhängig vom Meinungsstreit, den es sicherlich geben kann.

Wir sollten uns diejenigen merken und gelegentlich zitieren, die ganz schnell als freche Ratgeber auftreten werden, wenn sich die ersten Wolken verzogen haben, die den Staat immer beschimpft haben, die jetzt fordern, er solle helfen, und - wenn das Gewitter vorbei ist - die alte Schimpfkanonade fortsetzen

(Dr. Ralf Stegner)

- die sollten wir uns merken und gelegentlich mal zitieren.

Was die Föderalismuskommission angeht: Natürlich haben wir es mit einer Situation zu tun, in der man nicht ohne Weiteres die Schuldenbremse ziehen kann, auch wenn wir das in den ganzen nächsten Jahren nicht einhalten können. Ich finde es wichtig, dass wir eine Föderalismusreform bekommen. Aber ein Land wie Schleswig-Holstein wird der Föderalismusreform nur zustimmen können, wenn die strukturellen Defizite, die wir haben, in der Weise aufgegriffen werden, dass wir nicht weiterhin mehrere 100 Millionen € weniger für Lehrer und Polizei haben. Das wird den Lebensstandard in diesem Land drastisch senken, weil wir die Altschulden mit diesen strukturellen Defiziten gar nicht bewältigen können. Eigenen Anstrengungen müssen schon sein, und ich habe eben ein Beispiel genannt, wo wir uns mehr Anstrengung leisten könnten. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass die Mehrheit dieses Hauses zustimmt, wenn am Ende die Existenzfähigkeit des Landes SchleswigHolstein auf dem Spiel steht. Das werden wir nicht tun können, und das werden wir auch nicht tun.

Das kündige ich jedenfalls für die Sozialdemokratie hier an: Wir wollen uns anstrengen, wir wollen fairen Föderalismus und fairen Wettbewerb. Was wir nicht wollen, ist, dass der eine in einer Bleiweste läuft und der andere in einem Sportdress. Das geht nicht. Das hat mit fairem Föderalismus nichts zu tun.

(Beifall bei der SPD)

Anders als andere sehe ich auch nicht die Möglichkeit, in den Kernbereichen, für die das Land zuständig ist, zu sparen. Bei Bildung und bei innerer Sicherheit brauchen wir nicht weniger, sondern wir brauchen eher mehr. Das schließt Veränderungen und Qualitätskontrollen an der einen oder anderen Stelle durchaus ein. Aber jeder weiß: Wir sägen am Ast unserer Zukunft, wenn wir für Bildung weniger statt mehr als das tun, was unbedingt sein muss. Deswegen kann es hier keine Einschnitte geben, im Gegenteil - und das zeigt dieser Haushalt sehr deutlich.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben auch dort nachgebessert, wo uns die Betroffenen überzeugend darlegen konnten, dass eine Erhöhung der Mittel für die Existenzsicherung von Vereinen und Verbänden, Initiativen und Projekten notwendig ist. Dazu gehörten solche Projekte wie das Freilichtmuseum Molfsee, aber auch das Freiwillige Ökologische Jahr, der Zusammenschluss

ökologischer Initiativen, die Frauenberatungsstellen oder - ich sage das hier, auch wenn es ein kleiner Posten ist - die sehr progressive Academia Baltica, die wir Gott sei Dank auch noch haben, und nicht nur den anderen Verein, den wir leider auch noch haben.

Wir sind stolz auf unsere zivilgesellschaftlichen Strukturen. Sie sind notwendig für ein lebenswertes, attraktives Umfeld, und sie leisten wertvolle Beiträge für unsere Gesellschaft.

Dass auch bei der Pendlerpauschale im Landeshaushalt so kräftig nachgebessert werden musste, hat uns mehr überrascht als das gestrige Urteil aus Karlsruhe, das hatten wir nämlich erwartet. Es ist konsequent und wirkt wohl auch tatsächlich als Konjunkturspritze. Allerdings muss ich sagen, dass ich so manche Siegesmeldung an dieser Stelle auch ein bisschen übertrieben finde. Ich habe natürlich gehört, dass im Finanzministerium Vorsorge getroffen worden sei, nicht ganz in dem Sinne, wie sich das in den Zahlen wiederfindet. Wir freuen uns, dass wir unseren Koalitionspartner davon überzeugen konnten, dass wir nicht die Nettoneuverschuldung erhöhen, sondern dass wir eine globale Minderausgabe in den Haushalt einsetzen. Wir wollen im Rahmen der Verfassung bleiben. Das ist unser fester Wille, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von FDP)

Wir haben erhebliche zusätzliche Investitionen in Bildung beschlossen. Wir werden die von uns angestoßenen Schulreformen nur dann verankern und bewältigen können, wenn wir auch die Friktionen, die in der Übergangszeit entstehen, mit ausreichendem Personal auffangen. - Mögen Sie nur scherzen. Solange Sie keine Verantwortung haben, ist es gut für dieses Land! - Die Einführung von G 8 kostet Kraft. Es ist wichtig und richtig, den gymnasialen Bereich mit 100 weiteren Lehrerstellen auszustatten. Es gibt eine äußerst erfreuliche, unerwartet hohe Nachfrage für ein längeres gemeinsames Lernen. Deswegen haben wir auch diesen Bereich noch einmal mit 50 Stellen verstärkt.

Bildung - so wissen wir alle - ist nach einer starken Familie das Beste, was wir unseren Kindern mitgeben können. Wenn wir hier investieren, legen wir eine Grundlage, die, je besser sie uns gelingt, desto besser vor Arbeitslosigkeit, vor Desintegration, vor Frustration schützt. Das ist vernünftig, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

(Dr. Ralf Stegner)

Deshalb haben wir auch im Bereich der Leseförderung noch einmal investiert, wie uns die PISA-Ergebnisse ja nahelegen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, für uns Sozialdemokraten ist ganz besonders folgender Gedanke wichtig: Bei der Bildung sollte es keinen Ort mehr geben, wo der Geldbeutel der Eltern eine Rolle spielt. Leider ist es noch so. Das ist ein Armutszeugnis für unsere reiche Gesellschaft. Wir arbeiten daran, dies abzubauen. Deshalb haben wir die Gemeinschaftsschule eingeführt. Deswegen setzen wir auf weitgehende Kostenfreiheit. Mit uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wird es keine Beschränkung der Lernmittelfreiheit, keine unsozialen Schülerbeförderungskosten und schon gar keine Studiengebühren geben!

(Beifall bei der SPD)

Wer weiß, dass Qualifikation und Spitzenforschung die Zukunft unseres Landes sind, der müsste mit Blindheit geschlagen sein, wenn er zusätzliche Bildungsbarrieren errichtet. Wir haben vielmehr den ersten Schritt in die kostenfreie Kinderbetreuung eingeläutet. Die weiteren werden folgen. Ich weiß, das war ein großer Schritt für die Union, und ich möchte mich hierfür ausdrücklich bedanken. Wir werden für drei kostenfreie Kita-Jahre sorgen. Ich sage das noch einmal mit Blick auf Ihre ständigen Zwischenrufe, was die Steuerentlastung angeht: Die Entlastung von den Kindergartenbeiträgen bringt ganz normalen Familien viel mehr als jede denkbare Steuerreform, gibt es in Schleswig-Holstein doch die höchsten Beiträge in der Bundesrepublik. Deswegen werden wir dies umsetzen. Die Frage war noch nie, ob wir uns das leisten können, sondern die Frage ist nur, wie lange wir uns hohe Elternbeiträge noch leisten dürfen. So ist die Frage richtig gestellt.

(Beifall bei der SPD)

Unsere breit aufgestellte Hochschullandschaft ist elementar für die Zukunftsaussichten unseres Landes. Deswegen haben wir die Mittel für die Fachhochschulen in Wedel und an der Westküste, für die Musikhochschule in Lübeck und auch für die Volkshochschulen verstärkt und weitere Mittel und Stellen für die Universität bereitgestellt. Hier sollten wir übrigens die nächsten zwei Jahre nutzen, über Sinn und Unsinn von Stellenplänen und Stellenobergrenzen nachzudenken, wo es in Wirklichkeit um Budgets geht. Meine sehr verehrten Damen und Herren, da müssen wir als Parlament ein bisschen mutiger sein und nicht an Altem festhalten.

(Beifall bei der SPD)

Ich glaube, dass wir gerade im Bildungsbereich merken, dass wir nicht nur Beton brauchen, so notwendig Umbauten und Erweiterungen auch sein mögen, sondern vor allen Dingen Menschen aus Fleisch und Blut, die mit Engagement, mit Herzblut, mit Kompetenz, mit Sympathie unseren Kindern Wissen und vor allen Dingen Wissensdurst vermitteln.

Der Präsident des Landesrechnungshofs hat eine wichtige Funktion und muss auch der Regierung auf die Finger sehen. Es wäre aber schön, wenn der Rechnungshof häufiger über die Frage, was denn wirklich Investitionen in die Zukunft sind oder nicht, nachdenken würde und nicht immer so über das Parlament reden würde, wie Herr Reich-Ranitzky über das Fernsehen,

(Heiterkeit)

sondern dass wir ab und zu einfach über solche Fragen miteinander ins Gespräch kommen. Natürlich müssen wir sparen, aber wir wollen bei Bildung investieren, und wir müssen bei Bildung investieren.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mir liegt aber auch daran, dass wir die Grundvoraussetzungen für das Lernen nicht nur ermöglichen, sondern auch noch ohne Stigmatisierung ermöglichen. Insofern ist es ein erster Schritt in die richtige Richtung, die Stiftungsmittel für das Projekt „Kein Kind ohne warme Mahlzeit“ um 600.000 € zu erhöhen. Wir wollen hier langfristig weg von den karitativen Ansätzen, wir wollen hin zu einer strukturellen, das heißt einer generell kostenfreien Leistung; denn es ist eine Schande, wenn Kinder in unserem Land keine warme Mahlzeit bekommen.

(Beifall bei der SPD)

Bei alledem ist klar: Lieber ein gerechtes Steuersystem, um auf den extremen Unterschied des verteilten Reichtums zu unserer Gesellschaft zu reagieren und die Lasten auf die starken Schultern zu legen, als durch einkommensabhängige Leistungen, die theoretisch zwar sinnvoll sind, praktisch aber stigmatisieren und oft ausgeschlagen werden, die Ausgrenzung immer weiter zu vertiefen. Die Folgekosten, die wir für das bezahlen, was wir an der Stelle falsch machen, sind um ein Vielfaches höher. Das begreift jeder, der sich einmal die Zusammenhänge anguckt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben in diesem Jahr das 20-jährige Jubiläum der In

(Dr. Ralf Stegner)

stitution Minderheitenbeauftragte gefeiert, die Björn Engholm eingerichtet hatte. Wir haben uns alle zum minderheitspolitischen Auftrag bekannt, den wir haben. Deswegen war es uns ein großes Anliegen, unser Versprechen einzulösen und mit diesem Doppelhaushalt dafür zu sorgen, dass die dänische Schülerbeförderung ein Stück sicherer und vom Land gefördert wird. Dabei geht es keineswegs darum, dass die Eltern, deren Kinder eine dänische Schule besuchen, mehr Geld bekommen, sondern darum, über einen Landeszuschuss den freiwilligen Kreiszuschuss zu stabilisieren und über entsprechend gesetzte Anreize ein Stück abzusichern. Es geht nicht um Bevorzugung, sondern um praktische Gleichstellung. Keineswegs geht es um Rückzug der Kreise aus ihrer minderheitenpolitischen Verpflichtung, meine Damen und Herren, es geht hier um Minderheitenpolitik und nicht nur um Bildungspolitik,