Protokoll der Sitzung vom 27.10.2009

Ich möchte Sie als Jüngere daher auffordern: Bringen Sie Ihre Ideen und Gedanken in die Arbeit des Landtags und in die Arbeit der Ausschüsse ein. Seien Sie mutig, und beherzigen Sie eines: Sogar im Schleswig-Holsteinischen Landtag wird nur mit Wasser gekocht.

(Vereinzelter Beifall)

Ich habe 1992 im Alter von 29 Jahren eine meiner ersten Reden hier im Parlament gehalten. Nie vergessen habe ich den folgenden Zwischenruf: „Sie Grünschnabel, Sie.“

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wer war das?)

- Der Betreffende ist noch im Haus!

(Heiterkeit)

(Dr. Christian von Boetticher [CDU]: So vie- le können das nicht sein!)

- Lieber Herr Kubicki, ich habe da einen Protokollausschnitt.

(Heiterkeit)

Der Ruf brachte mich damals ein wenig aus dem Gleichgewicht. Von daher mein Rat an die Jüngeren: Lassen Sie sich durch so etwas überhaupt nicht beeindrucken.

(Anhaltender Beifall)

Mein Ziel als Landtagspräsident ist es, die Kontakte zu Ihnen, den jüngeren Landtagsmitgliedern, zu bündeln und regelmäßige und fraktionsübergreifende Gespräche zu suchen, ohne dass ich dabei die etwas reiferen Jahrgänge in diesem Haus, zu denen ich mich auch zähle, vernachlässigen oder gar ausgrenzen will. Nein, das ist nicht meine Absicht. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass wir als generationen- und interessenübergreifender Landtag politisch noch leistungsfähiger im Sinne des Gesamtwohls des Landes handeln können.

Für dieses Gesamtwohl müssen wir in SchleswigHolstein auch den Ausgleich und die Versöhnung von Ökonomie und Ökologie noch weiter voranbringen. Die globalen Krisen - die Klimakrise, die Wirtschaftskrise und die Ernährungskrise - dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Kurzfristiger wirtschaftlicher Erfolg, erzielt durch Raubbau an unserem Planeten, macht uns alle in absehbarer Zukunft arm. Natürlich können wir in SchleswigHolstein die existenziellen Krisen dieser Welt nicht allein lösen. Aber wir können manche Lösungen aufzeigen. Denn als Land der erneuerbaren Energien, bei der Gebäudesanierung, die Handwerk und Mittelstand stützt und nützt, und als ein Land, das schon um seiner Wettbewerbsfähigkeit willen Natur und Tourismus verbinden muss, können wir beweisen, dass Ökonomie und Ökologie zusammengehören.

(Beifall bei CDU, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW sowie vereinzelt bei SPD und der LINKEN)

Hier will ich aber auch die Stichworte Energiegewinnung aus Bioproduktion und Landschaftsbild noch einmal nennen. Wir besitzen nur die eine Natur, die eine Landschaft, die unser Land so liebensund lebenswert macht. Wir werden in absehbarer Zeit daher sorgfältig überdenken, welchen Energien - auch regenerativen Energien - wir den Vorzug einräumen sollten, um nachhaltige Folgeschäden aus dieser Energieerzeugung zu vermeiden.

(Präsident Torsten Geerdts)

Deshalb wünsche ich mir grundsätzlich, dass der Landtag ein Ideenforum für eine umfassende ökonomische und ökologische Diskussion sein wird. Es geht hier nicht um Gegensätze von Stadt und Land, von Wirtschaft, Landwirtschaft und Umweltschützern. Wir stehen alle auf derselben Seite. Denn wir alle hier in diesem Plenum haben unseren Teil der Erde nur in eine zeitweilige Obhut übernommen. Es liegt an uns, unsere Heimat in einem bestmöglichen Zustand an die nachfolgenden Generationen weiterzureichen.

Mit diesem Auftrag für die nächstfolgenden Generationen will ich auch betonen, dass das Thema Kinder- und Jugendschutz in Schleswig-Holstein für mich als Landtagspräsident weiterhin ganz oben auf der Agenda stehen wird.

(Beifall)

Wir besitzen ein bundesweit als vorbildlich anerkanntes Kinderschutzgesetz, auf das wir zu Recht stolz sein können. Aber dabei allein darf es nicht bleiben. Dem Schleswig-Holsteinischen Landtag stünde es gut zu Gesicht, als Impulsgeber dieses Thema weiter intensiv zu begleiten. Auch diese Zahlen will ich eingangs noch einmal in Erinnerung rufen: 1,7 Millionen Minderjährige leben in Deutschland von Hartz IV. In unserer Landeshauptstadt Kiel leben 30,4 % aller Kinder unter 15 Jahren in Hartz IV-Familien. Ihre Aufstiegschancen sind gering, ihre Eltern haben keine Jobs, und die Hoffnungslosigkeit überträgt sich auf die Kinder. Jedes zwölfte Kind verlässt die Schule ohne Abschluss. Ein Lebensweg ist vorgezeichnet, der allzu oft in einen chancenlosen Kreislauf mündet.

Wichtig, ja für unser Land existenziell ist eine ökonomisch wie psychologisch kluge Politik. Deutschland kann es sich nicht leisten, dass viele Kinder von heute die materiell und geistig Armen von morgen sind. Für unser aller Wohlstand und für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft brauchen wir jeden Menschen, und das unter Förderung und Forderung all seiner Stärken.

Damit will ich einen weiteren mir persönlich sehr wichtigen politischen Baustein ansprechen, für den ich auch als Landtagspräsident einstehen will, nämlich eine moderne Integrationspolitik. Es ist nicht erst seit den hitzig diskutierten Äußerungen des Bundesbankvorstandes Thilo Sarrazin höchste Zeit, dass wir uns als Gesellschaft Gedanken machen, wie wir die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund forcieren und fördern können. Auch im Landtag müssen wir uns mit diesem Thema befassen. Unsere Aufgabe ist es, diesen Menschen

Chancen zu ermöglichen: Dazu gehören auch Angebote beim Erlernen der Sprache, Initiativen in der Bildung und Ausbildung sowie die Förderung der verstärkten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.

Dies darf jedoch keine Einbahnstraße sein. Denn umgekehrt ist es auch an der Zeit, dass sich viele Migranten Gedanken darüber machen, wie sie sich selbst noch stärker in unsere Gesellschaft einbringen können. Ich lebe in Neumünster, ich weiß also um die damit verbundenen fast unüberwindlich erscheinenden Aufgaben. Aber nach meiner festen Überzeugung bieten gerade der Landtag und unser Landeshaus eine geeignete Kommunikationsplattform, um in einen Meinungsaustausch einzutreten. Klar ist auf jeden Fall: Wir müssen uns dieser Aufgabe schon im gesamtgesellschaftlichen und in unserem nationalen Interesse stellen.

(Beifall im ganzen Haus)

Bei diesen und anderen Fragen ist es für mich nahezu zwingend, dass wir als Landtag die Kontakte und die Bindungen zu den beiden großen Kirchen und den anderen Religionsgemeinschaften festigen und intensivieren müssen. Die religiöse Klammer verbindet und vereint die Menschen in SchleswigHolstein viel mehr, als wir Politiker manchmal zu glauben gewillt sind. Ich jedenfalls will den Dialog zwischen der Politik und den Religionen gern befördern.

Gestatten Sie mir ein Wort zum deutsch-dänischfriesischen Miteinander: Diese „traditionelle“ Minderheitenpolitik in unserem Land ist gut aufgestellt. Als Landtagspräsident werde ich die von meinem Amtsvorgänger bisher verfolgte Linie kontinuierlich und vertrauensvoll weiter verfolgen. Der Umgang mit den Minderheiten in Schleswig-Holstein besitzt europaweit Vorbild- und Modellcharakter. Wir alle wollen, dass das so bleibt.

Aber ich will auch ganz gezielt die Aktivitäten in der entgegengesetzten Richtung nennen. Die Kooperation Schleswig-Holsteins mit Hamburg hat noch nicht ihr Optimum erreicht. Wir können gemeinsam noch mehr bewirken. Ich freue mich, dass die Kontakte zwischen dem Landtag und der Hamburgischen Bürgerschaft und speziell zu Ihnen, Herr Bürgerschaftspräsident Röder, ausgezeichnet sind.

Wir brauchen diese gute und enge Nachbarschaft zu Hamburg, wollen wir die Strukturen in SchleswigHolstein nachhaltig und zukunftstauglich gestalten. ,,Nachhaltigkeit" und ,,Zukunftstauglichkeit" allein sind zwei Begriffe, die mit Reformen und mit politischem Leben erfüllt werden müssen. Nur so las

(Präsident Torsten Geerdts)

sen sich konkrete und gute Ergebnisse für unser Land erzielen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Menschen in Schleswig-Holstein haben uns mit ihrer Wahlentscheidung ein großes Maß an Vertrauen geschenkt und uns allen zugleich einen Auftrag erteilt. Den sollten wir mit unserer gemeinsamen Arbeit im Landtag in dieser 17. Wahlperiode bestmöglich erfüllen - zum Wohle Schleswig-Holsteins. Lassen Sie uns unserer Verantwortung gerecht werden. Die Bürgerinnen und Bürger haben eine hohe Erwartungshaltung. Wir alle gemeinsam werden sie nicht enttäuschen.

(Anhaltender Beifall im ganzen Haus)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 3 auf:

Verpflichtung der Abgeordneten

Die Vereidigung der Abgeordneten in der konstituierenden Sitzung des Landtags erfolgt in der Weise, dass Sie mir die Eidesformel nachsprechen. Ich bitte Sie, anschließend einzeln zur Bekräftigung der Verpflichtung durch Handschlag nach vorn zu kommen. Ich bitte Sie jetzt, sich von Ihren Plätzen zu erheben. Ich verlese die Eidesformel, und Sie sprechen mir bitte nach.

(Die Anwesenden erheben sich - Die Abge- ordneten werden nach folgender Eidesformel vereidigt: Ich schwöre, meine Pflichten als Abgeordnete/Abgeordneter gewissenhaft zu erfüllen, Verfassung und Gesetze zu wahren und dem Lande unbestechlich und ohne Ei- gennutz zu dienen, so wahr mir Gott helfe.)

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie jetzt, einzeln nach vorn zu kommen, damit ich die Verpflichtung vornehmen kann. Die Ordnung im Hause sagt mir, wir beginnen mit der größten Fraktion und arbeiten uns dann schrittweise durch. Ich weiß, es sind keine Durchgänge mehr vorhanden, daher bitte ich, das irgendwie zu organisieren.

(Die Abgeordneten werden von Präsident Torsten Geerdts durch Handschlag verpflich- tet)

Sehr geehrte Damen und Herren, ich gratuliere Ihnen allen an dieser Stelle noch einmal zur Wahl. Sie dürfen Platz nehmen. Wir gehen jetzt an die Arbeit.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:

Beschlussfassung über die Landtagsgeschäftsordnung

Antrag der Fraktion von SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW Drucksache 17/7

Bevor wir zur Abstimmung über den Antrag zur Änderung der Geschäftsordnung, Drucksache 17/7, kommen, möchte ich auf Folgendes hinweisen:

Gemäß § 43 Abs. 1 Landeswahlgesetz obliegt die Wahlprüfung einem hierfür bestellten Ausschuss des Landtags. Ich schlage Ihnen vor, wie bisher den Innen- und Rechtsausschuss als Wahlprüfungsausschuss zu bestellen. Wer zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! Stimmenthaltungen? - Einstimmig so beschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag zur Änderung der Geschäftsordnung, Drucksache 17/7. Liegen dazu Wortmeldungen vor?

(Heinz-Werner Jezewski [DIE LINKE]: Ich bitte um Einzelabstimmung zu 1 a) !)

- Sie bitten um Einzelabstimmung. Das machen wir dann so. Es ist Einzelabstimmung beantragt worden. Ich lasse daher über die Nummer 1 a) des Antrags Drucksache 17/7 abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, dass die Nummer 1 a) des Antrags Drucksache 17/7 mit den Stimmen von CDU, FDP, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE bei Enthaltung der Fraktion der SPD angenommen worden ist.

Ich lasse über die weiteren Bestimmungen der Drucksache 17/7 abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! Stimmenthaltungen? - Damit sind die übrigen Bestimmungen des Antrags Drucksache 17/7 einstimmig angenommen worden. Damit ist der Antrag Drucksache 17/7 insgesamt angenommen.

Ich lasse über die Fortgeltung der bisherigen Geschäftsordnung einschließlich der Geheimschutzordnung in der soeben durch die Annahme der Drucksache 17/7 geänderten Fassung insgesamt abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - So beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 5 auf: