Protokoll der Sitzung vom 17.03.2010

Herr Kollege Schulze, der damalige Innenminister Hay, der Nachfolger von Dr. Stegner im Amt des Innenministers, hat auch die Begrenzung beim Wohnbau angeregt, und zwar regte er an, diese von 8 und 13 % auf 10 und 15 % zu erhöhen. Also hat auch die SPD schon gemerkt, dass es hier Handlungsbedarf gibt.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Dr. Christian von Boetticher [CDU])

Sie haben auch einen Änderungsantrag vorgelegt, der eine weitere Fortschreibung vorsieht. Insofern möchte die SPD ebenfalls einige Änderungen erreichen.

(Dr. Christian von Boetticher [CDU]: SPD gegen Stegner!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Sie haben nach wie vor nicht verstanden, dass sich bei den Regelungen zum Einzelhandel aus unserer Sicht so gut wie nichts ändern soll. Sie haben nicht verstanden, dass die Ansiedlung von Gewerbe und die Ansiedlung von Einzelhandel unterschiedliche Sachen sind. Dieser Eindruck hat sich für mich zumindest durch den Redebeitrag der Frau Kollegin Poersch ergeben. Auch wir stehen zum Kongruenzgebot. Das ist bundesgesetzlich vorgeschrieben und hat sich bewährt. Unsere Eckpunkte zum Landesentwicklungsplan werden nicht dazu führen, dass überall im Land Designer-Outlet-Center entstehen, wie sie jetzt in Neumünster geplant sind. Wir wollen beim Einzelhandel lediglich eine Abweichungsmöglichkeit in begründeten Einzelfällen, also eine Härtefalllösung, die beispielsweise in kleinen Gemeinden angewendet werden könnte, wo die geltenden Quadratmetervorgaben der Praxis nicht gerecht werden.

Wie gesagt, man sollte die Ansiedlung von Gewerbeflächen nicht mit der Ansiedlung von Einzelhandel verwechseln beziehungsweise gleichsetzen. Das sind zwei unterschiedliche Dinge im Landesentwicklungsplan. Wir sind mit den Quadratmetervorgaben, die im LEP stehen und die wir in unserem Antrag auch nicht anrühren, nach wie vor restriktiver als andere Bundesländer. Das wäre Ihnen be

(Christopher Vogt)

kannt, wenn Sie sich auch einmal mit den Regelungen anderer Bundesländer befasst hätten. In NRW hat man sich beispielsweise auf die bundesgesetzlichen Vorgaben beschränkt.

Ich habe ernsthaft überlegt, ob ich auf die Kritikpunkte der Grünen eingehen sollte. Herr Dr. Habeck, Ihre Rede war von viel Klamauk und von wenig Sachkenntnis geprägt. Das war sehr interessant, wir haben uns sehr gefreut.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Dr. Christian von Boetticher [CDU])

Ich hatte die Rede schon vorher gelesen, deshalb war es nicht mehr ganz so lustig. Das war ein doller Beitrag.

(Zurufe)

- Korrekturen nicht, aber ich glaube, es waren auch einige Rechtschreibfehler darin. Aber gut, das ist egal. Herr Dr. Habeck, wenn Sie der Meinung sind, unsere Eckpunkte würden die Aufgabe von Planung bedeuten, dann kann ich Ihnen nicht abnehmen, dass Sie sich ernsthaft mit dem Thema beschäftigt haben. Sie werfen uns völlig unkonkrete Absichtserklärungen vor und bringen dann einen Änderungsantrag ein, der vor abstrakten Allgemeinplätzen nur so strotzt.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Dr. Christian von Boetticher [CDU])

Viele Ihrer Punkte sind entweder bereits erfüllt oder gar nicht Aufgabe der Landesplanung. Das scheint Ihnen relativ egal zu sein. Sie stellen auch Änderungsanträge, in denen Sachen stehen, die explizit nicht Aufgabe der Landesplanung sind. Innenstadtkonzepte und andere Dinge gehören aus unserer Sicht nicht in den Landesentwicklungsplan.

(Zurufe)

- Das mag sein. Was mich bei einigen Reaktionen aber wirklich erstaunt hat, ist die Sichtweise einiger hier im Hause auf unsere kommunalen Vertreterinnen und Vertreter. Darum geht es bei dieser Diskussion eigentlich. Wir sind der Meinung, dass unsere kommunalen Vertreterinnen und Vertreter auch bei Planungsangelegenheiten verantwortungsvoll vorgehen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Wir haben heute gerade einen Pressebericht gelesen, in dem stand, dass die Kommunen in Schleswig-Holstein die niedrigste Pro-Kopf-Verschuldung haben. Allein an dieser Tatsache sieht man,

wie verantwortungsvoll kommunale Vertreterinnen und Vertreter mit ihren Aufgaben umgehen und wie wenig verantwortungsvoll einige hier im Land mit ihren Aufgaben umgehen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Das Wort hat der Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE, Heinz-Werner Jezewski.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Vogt, wenn Sie so viel von den kommunalen Vertretern und deren Kompetenz halten, dann sollten Sie vielleicht einmal die Stellungnahme des Städtetags Schleswig-Holstein zu diesem Antrag einsehen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit Erlaubnis beginne ich meine Ausführung hier mit zwei Zitaten. Das erste Zitat lautet:

„Eine Begrenzung des Wohnungsneubaus würde die Handlungsfähigkeit vieler Kommunen in den ländlichen Räumen in unverhältnismäßiger Weise einschränken. Die wohnbauliche Entwicklung soll prozentual nicht begrenzt werden.“

Das zweite Zitat sagt so ziemlich das Gegenteil von dem ersten aus. Es lautet:

„Beim Zentralörtlichen System übernehmen Zentrale Orte verschiedener Abstufung und Stadtrandkerne die Aufgabe, für die Bevölkerung in allen Regionen des Landes gleichwertig Wohnraum, Arbeitsplätze und Einrichtungen der Daseinsvorsorge bereitzustellen. In den Orten, die nicht zu diesen Schwerpunkten gehören, wird die weitere Siedlungsentwicklung beschränkt.“

Das erste Zitat stammt aus dem Antrag, den wir hier diskutieren, und zwar aus der Feder der Fraktionen von CDU und FDP. Das zweite Zitat stammt von der Ministerin für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume. Vielleicht kann mir jemand die Frage beantworten, wem ich hier Recht geben soll? - Das Zitat der Ministerin ist nicht einfach so dahergesagt, sondern es wurde im Nachhaltigkeitsbericht der Landesregierung aufgeschrieben, den wir in dieser Tagung auch noch behandeln werden.

(Christopher Vogt)

Ich frage mich also, ob es von den Fraktionen, die die Landesregierung tragen, zu viel verlangt wäre, wenn man sie bittet, doch vor der Einbringung von Anträgen zuerst einmal die Meinung der Regierung zu den Themen zu eruieren. Ich könnte jetzt weitere Zitate bringen, die in eine ähnliche oder gar in die gleiche Richtung gehen -

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Christian von Boetticher [CDU])

- Lieber Herr von Boetticher, Sie möchten doch von uns, dass wir den Nachhaltigkeitsbericht dieser Landesregierung wohlwollend zur Kenntnis nehmen, oder wollen wir uns gemeinsam auf die Stühle stellen und sagen: Das ist etwas, was wir gar nicht wollen? - Ich könnte weitere Zitate bringen, die in eine ähnliche oder in die gleiche Richtung gehen, aber ich erspare mir das und gehe lieber konkret auf einige Schwachpunkte des Antrags ein.

In einem grundsätzlichen Punkt sind wir uns wohl alle einig. Ich zitiere wieder aus dem vorliegenden Antrag:

„Der Landesentwicklungsplan soll Rahmenbedingungen setzen.“

Auch der darauf folgende Punkt sollte wenig umstritten sein.

„Er soll weniger Vorgaben enthalten, sondern mehr Entscheidungen vor Ort und in der regionalen Planung zum Ziel haben. Er soll die Bedürfnisse der Menschen vor Ort beachten.“

Das alles dürfte wenig umstritten sein. Ich unterstelle den Antragstellern also erst einmal, dass sie das wollen, was die meisten in diesem Hause auch wollen. Meine Kritik richtet sich nicht gegen die Intention des Antrags, sondern gegen deren konkrete Umsetzung. Ich beschränke mich dabei auf einige Punkte:

Wohnungsbauentwicklung ist kommunale Verantwortung, sagen Sie in Ihrem Antrag, und ich gebe Ihnen dabei Recht, aber sie sollten auch wissen, dass Wohnungsbauentwicklungsplanung Landessache ist. Die wohnbauliche Entwicklung nicht prozentual zu beschränken, heißt so, wie Sie es planen, nichts anderes, als eine dumme - weil absolut unnötige - Konkurrenzsituation zwischen großen und kleinen Gemeinden, zwischen Städten und den sie umgebenden Dörfern zu schaffen.

Wir haben hier zurzeit ein funktionierendes System, in dem die beteiligten Akteure solidarisch miteinander an der Siedlungsvorsorge arbeiten, auch wenn

dabei so manches Mal heftig gestritten wird. Wer je kommunalpolitisch aktiv war, der wird das bestätigen können. Dieses System wird durch die jetzt eingeforderten Vorgaben beschädigt, wenn nicht gar zerstört, denn eines sollte uns klar sein: Auch ein neuer Landesentwicklungsplan wird unsere Bevölkerung nicht wachsen lassen. Die Folie, auf der sich die Siedlungs- und Wohnungsbauentwicklung abspielt, heißt demografischer Wandel. Das wird wohl niemand bestreiten. Wir werden in zehn Jahren weniger Menschen haben als heute, und wir werden in 20 Jahren weniger Menschen haben als in zehn Jahren. Das steht fest. Darauf geht der alte und immer noch angefeindete sogenannte StegnerEntwurf des Landesentwicklungsplans sehr intensiv ein.

Wenn wir jetzt jede Beschränkung aufheben, so werden wir den Konkurrenzkampf um Einwohner damit verschärfen. Jede Einwohnerin, die im Ort A gewonnen wird, wird dem Ort B oder C abhanden kommen, wenn ich das einmal so lax ausdrücken darf. Vom Prinzip her ist das auch gar nicht so schlimm, denn solche Bewegungen hat es immer gegeben. Wenn Sie aber jetzt jegliche Rahmenbedingungen und Vorgaben dafür abschaffen wollen, so wird sowohl in A als auch in B und C für diese Einwohnerin geplant werden. Am Ende werden zwei Orte als die Dummen dastehen, während der dritte Ort sich freut, dass er den Konkurrenzkampf gewonnen hat. Was das alles an Resourcen, Zeit und vor allem Geld kostet, brauche ich wohl niemandem zu erklären.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich denke, Sie täuschen sich auch, wenn Ihre Schlussfolgerung ist, dass die ländlichen Räume am Ende durch den Wegfall der Vorgaben besser dastehen werden. Zum einen wird die Konkurrenz untereinander gerade die Kommunen im ländlichen Raum enorm belasten, zum anderen wird am Ende das geflügelte Wort von den Großen, die die Kleinen fressen, seinen Wahrheitsgehalt beweisen. Die konsequente Umsetzung dieser Planung im Landesentwicklungsplan bedeutet das Ende der traditionellen kleinteiligen Siedlungsstruktur in SchleswigHolstein. Ich frage mich, ob Sie das wirklich wollen.

An anderen Stellen aber wissen Sie genau, was Sie wollen, zum Beispiel die zivile Nutzung des Militärflughafens in Jagel. Gleich im nächsten Satz wird dann die Prüfung des Standortes Kaltenkirchen im Rahmen eines Luftverkehrskonzepts verlangt. Die Idee eines solchen Luftverkehrskonzeptes können wir hier gerne diskutieren. Aber wenn

(Heinz-Werner Jezewski)

die zivile Nutzung Jagels gleich vorgeschrieben wird, dann brauchen wir uns über dessen Qualität wohl keine großen Illusionen zu machen.

Dass Ihnen zum Thema Tourismus offenbar nicht mehr einfällt, als Campingplätze näher an den Strand und die Seeufer zu bauen und die Größenbeschränkung für Wochenend- und Ferienhäuser zu lockern, ist ein Trauerspiel.

(Beifall bei der LINKEN und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass der Tourismus, eine der wirklich großen und dabei noch ausbaufähigen Branchen in unserem Lande, nur vor sich hindümpelt und eine Weiterentwicklung nirgends in Sicht ist, ist sogar eine Katastrophe. Hier braucht es nicht nur handwerklich geschickte Landesentwicklungsplanung, sondern auch entschlossenes und kluges Regierungshandeln, um die in dieser Planung getroffenen Vorgaben dann auch umzusetzen. Aber die Größenbeschränkung von Wochenendhäusern oder der Abstand eines Campingplatzes vom Seeufer ist meines Erachtens kein Thema für den Schleswig-Holsteinischen Landtag.

Ob Energieversorgung, Schulsystem oder Verkehr, Sie versuchen Ihre überholten und von der überwiegenden Mehrheit der Menschen in unserem Land abgelehnten Vorstellungen quasi durch die Hintertür zu politischen Vorgaben zu machen. Das wird Ihnen nicht gelingen, denn so lautlos und schnell, wie Sie es sich offenbar vorstellen und wünschen, wird sich diese Diskussion nicht erledigen.