Heinz-Werner Jezewski
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Vielen Dank! Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In einer kleinen Fraktion zu sitzen, hat Vor- und Nachteile. Der Nachteil ist eindeutig, das meiste, was man sagen wollte, ist bereits vorher gesagt. Der Vorteil ist, man kann zu allem noch einmal seinen Senf dazugeben.
Frau Kollegin Brand-Hückstädt, natürlich habe ich mich gefragt, was denn die Parlamentspräsidentin der Hamburger Bürgerschaft zu den Zuständen bei uns hier sagen wird. Haben wir einen Wissenschaftlichen Dienst, der Vorlagen in Bausch und Bogen zerreißt? Das hat der Wissenschaftliche Dienst natürlich nicht getan, sondern der Wissenschaftliche Dienst hat - da stimme ich ihm inhaltlich zu - die Vorlagen, so wie es seine Aufgabe ist, juristisch bewertet und ist zu einer Stellungnahme gekommen. Er hat uns in seiner Weisheit die Möglichkeit gegeben, auf diese Bewertung einzugehen.
Kollege Habersaat, für meine Partei kann ich definitiv erklären, Bankräuber wählen in der Mehrheit
auch nicht DIE LINKE. Vielleicht erklärt das die derzeitigen Umfrageergebnisse im Land.
Als wir mit dieser Debatte angefangen haben, habe ich mich gefragt, warum wir sie eigentlich führen. Was passiert hier eigentlich? Wir haben die Debatte vor zwei Monaten geführt, wir haben diese Debatte schon über Jahre geführt. Dann fiel mir ein, HeinzWerner, du hast immer schon gesagt, eine Plenarsitzung eineinhalb Wochen vor der Landtagswahl ist verkehrt. Es ist verkehrt, mit dieser Debatte Wahlkampf führen zu wollen. Davon bin ich überzeugt. Warum? - Wenn ich mir angucke, worüber wir diskutieren!
Im Hintergrund höre ich immer: Mitschwimmen Nordstaat, Nordstaat, Nordstaat. Ich finde, wir sollten über den Nordstaat nicht so diskutieren, wie wir über ihn diskutieren, nämlich mit der Motivation Haushalte zu entlasten, indem man größere Verwaltungseinheiten schafft. Wir können gern über andere Verwaltungseinheiten, über andere Formen der Zusammenarbeit in diesem Land diskutieren, wenn wir dabei die Motivation haben, damit Besseres für die Menschen in diesem Land zu bewirken.
Artikel 13 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte gibt jedem Menschen das Recht, sich innerhalb eines Staates frei zu bewegen und seinen Aufenthaltsort frei zu wählen. Jetzt frage ich mich natürlich, ob ein Asylbewerber in diesem Land kein Mensch ist, oder ob wir gegen Artikel 13 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verstoßen, wenn wir Asylbewerber inhaftieren, die in Schleswig-Holstein registriert sind und sich nach Hamburg begeben, um dort zum Arzt zu gehen oder eine Arbeit zu suchen.
Das wären Ansatzpunkte, wo nicht nur eine norddeutsche Kooperation, sondern eine Kooperation im gesamten Staat sinnvoll wäre. Darüber wäre ich gern bereit zu diskutieren. Ich bin nicht bereit, darüber zu diskutieren, ob es für uns sinnvoll ist, Länder zusammenzulegen, nur um vermeintlich damit einen Haushalt zu sanieren.
Die Angst, wenn wir über den Nordstaat diskutieren, ist immer: Ich habe ein Lieblingsland, dazu stehe ich, und ich habe Angst, man will dieses Lieblingsland abschaffen. Das hatten wir schon. Immerhin hat der Spitzenkandidat der SPD dieses Recht vehement gefordert, bevor er dann Spitzenkandidat wurde und zurückgerudert ist.
Ich habe ohnehin immer Probleme damit, wenn jemand von seinem Lieblingsland redet und das so unreflektiert tut. Ich finde, man kann es da gut mit Gustav Heinemann halten, der sinngemäß gesagt hat: Ich liebe meine Frau und nicht mein Land. Menschen kann man lieben, bei Ländern sollte man vorsichtig sein. Wenn irgendjemand sagen würde, „Ich liebe die Menschen in diesem Land, und ich werde versuchen, etwas für die Menschen in diesem Land zu tun“, würde ich mich damit wesentlich mehr wohlfühlen als mit den Aussagen, die in diesem Wahlkampf gemacht werden.
- Zu dieser Aussage werde ich mich heute nicht hinreißen lassen. Sie wissen ja, ich trinke keinen Alkohol, vielleicht liegt es daran.
Die Stärkung der Parlamente, über die wir hier ebenfalls diskutieren, ist richtig und wichtig. Ich finde, wir sollten mit dem Thema der Stärkung der Parlamente auch keinen Wahlkampf machen. Ich glaube, die nächsten Regierungsfraktionen werden die Chance haben, das, was jetzt gesagt worden ist, umzusetzen. Daran werden sie gemessen werden.
Aber Frau Kollegin Strehlau, ich warne Sie - ich möchte noch mit einem Zitat des Spitzenkandidaten der Sozialdemokratie in diesem Land schließen, der im Februar 2011 der „Welt“ gesagt hat; und das gilt für mich -:
„Alle Landesregierungen kümmern sich erst mal um ihre Interessen.“
- Na denn!
Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Buder, die von Ihnen vorgeschlagene rhythmische Verkürzung der Legislaturperiode hätte natürlich den Vorteil, dass wir viel öfter Sitzungen erleben dürften, in denen wir solche anrührenden Redebeiträge wie gerade zu hören bekommen. Das würde mir auch gut gefallen. Ich würde mich dann auch regelmäßig - zumindest jedes zweite Quartal - wieder für den Landtag bewerben.
Ich will jetzt in meine Rede einsteigen. Ich werde nicht den Knüppel auspacken, weil wir ohnehin wissen, dass viel wichtiger als das, was hier gesagt wird, das ist, was im Internet steht und dass wir Transparenz haben. Also werde ich die komplette Rede ins Internet stellen und die unangenehmen Teile heute einfach weglassen.
Nach Informationen der Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat sich jede dritte Person in Deutschland schon einmal konkret diskriminiert gefühlt. Diskriminierung ist also eine weit verbreitete gesellschaftliche Realität.
Die Koalition gegen Diskriminierung als Bestandteil der Offensive für eine diskriminierungsfreie Gesellschaft wurde Anfang 2011 ins Leben gerufen. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes soll deutschlandweit Beratungsstellen und Öffentlichkeitsarbeit gegen Diskriminierung fördern. Machen wir uns nichts vor: Trotz einiger Fortschritte wissen wir, dass vielerorts in unserer Gesellschaft weiter diskriminiert wird. Nach wie vor haben Kinder von Migrantinnen und Migranten schlechtere Bildungschancen, werden Migrantinnen und Migranten oftmals pauschal als Integrationsverweigerer bezeichnet, werden mehr als 18.000 SchleswigHolsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner allein
aufgrund ihrer Herkunft von den kommenden Landtagswahlen ausgeschlossen.
Ein Beitritt zur Koalition gegen Diskriminierung macht deutlich, dass Schleswig-Holstein entschieden gegen Diskriminierung vorgehen will. Der Landtag zeigt damit, wie wichtig Chancengleichheit und Gleichbehandlung sind und dass Diskriminierung in all ihren Formen beendet werden muss. Die unterschiedlichen staatlichen und privaten Akteure müssen vernetzt und die Zusammenarbeit ausgebaut werden - wenn nicht auf Beschluss dieses Landtages, dann hoffentlich aufgrund eines Beschlusses des Landtages der 18. Wahlperiode, der dann ja anders aussehen wird.
Doch DIE LINKE will es nicht bei einem bloßen Lippenbekenntnis belassen. Wir sind der Meinung, das Land muss sich in dieser Frage zu seiner Verantwortung bekennen und Taten folgen lassen. Deswegen beantragen wir, dass der Antidiskriminierungsverband Schleswig-Holstein bei den kommenden Haushaltsberatungen berücksichtigt wird und mindestens für eine Vollzeitstelle institutionelle Förderung durch das Land erhält.
Ihre Aussage, Kollege Buder, hat mir sehr viel Hoffnung gemacht, dass wir eine vernünftige Lösung finden werden.
Wir können nicht hinnehmen, dass Menschen in Schleswig-Holstein immer wieder Nachteile wegen ihrer Herkunft, ihrer sexuellen Identität, ihrem Geschlecht, Glauben oder Alter erleben. Wirksame Antidiskriminierungsarbeit braucht Menschen, die diese Arbeit machen, ehrenamtliche und hauptamtliche.
Auch mir sei ein kurzes Wort gestattet. Ich habe mich leidenschaftlich gern mit Ihnen gestritten. Ich war immer der Ansicht: Wer austeilen kann, der muss auch einstecken können. Ich war aber auch immer der Ansicht: Wer einstecken kann, der muss auch austeilen dürfen. Und so habe ich gehandelt. Ich habe immer versucht, das zu kritisieren, was Sie getan haben, und nicht Sie als Person infrage zu stellen. Wenn mir das an einigen Stellen nicht gelungen ist, kann ich dafür nur um Entschuldigung bitten. Aber ich glaube, ich habe mich da ganz gut im Griff gehabt. Ich bedanke mich dafür, dass mir das genauso entgegengebracht worden ist.
Ich würde jetzt eigentlich auch gern diejenigen loben, mit denen ich gut zusammengearbeitet habe, aber ich weiß ja genau, dass Ihnen das anschließend
genauso viele Schwierigkeiten bringt wie mir. Deswegen nenne ich keine Namen.
Aber auch das Gegenteil möchte ich nicht machen, weil ich niemanden in die Pfanne hauen möchte, der mir wirklich „Spaß“ bereitet hat. Ich weiß eines ganz persönlich: Ich habe viele gute Wünsche erhalten. Ich habe von einigen über Fraktionen hinweg gehört: Mensch, Jezewski, es ist schade, dass du in der nächsten Legislatur nicht mehr dabei bist. Denen kann ich nur raten: Kreuzen Sie am nächsten Sonntag DIE LINKE an. Dann steigt die Chance. Oder sorgen Sie dafür, dass Ihre Parteifreunde in Flensburg eine Erststimmenkampagne für mich machen. Dann wird sie noch größer.
- Ich weiß, dass das nicht passieren wird. Das ist auch in Ordnung.
Ich freue mich auf die Zeit danach. Ich freue mich auf die Zeit, dass es in diesem Land etwas weitergeht. Ich werde diesen Landtag dann von anderer Stelle aus begleiten. Ich werde das Interesse nicht verlieren. Ich werde kein unpolitischer Mensch. Aber eines weiß ich, was mir sehr viel Freude machen wird, obwohl hier nette Menschen sitzen und auch nicht so nette: Ich habe mit Ihnen in den letzten 28, 30 Monaten mehr Zeit verbracht als mit meiner Enkeltochter. Das wird sich in Zukunft ändern. Ob ich jemals wieder in ein Parlament einziehen werde oder nicht, das wird mir nicht wieder passieren. Das ist, glaube ich, auch eine Lehre, die ich hier erhalten habe, die überhaupt nicht zu bezahlen ist. Dafür danke ich auch. Tschüs!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Koch, auch ich war bei der Diakonie in Lübeck. Ich finde es schön, dass Sie sich so gut an den Nachmittag erinnern. Ich erinnere mich auch daran. Ich erinnere mich aber auch an den anderen Asylbewerber, der gefragt hat: „Warum lasst ihr uns denn hier in Deutschland, wenn ihr uns alle Knüppel zwischen die Beine schmeißt, die ihr findet, um uns die Integration zu erschweren?“ Das ist mir wesentlich fester im Gedächtnis geblieben als das auch von mir aufgenommene Lob.
Ich stimme dem Herrn Minister in einem zu. Es ist eine fast unmögliche Aufgabe, über drei so unterschiedliche Themen in so kurzer Zeit zu sprechen. Ich möchte trotzdem noch einmal betonen, worum es eigentlich geht.
Es geht um die medizinische Versorgung von Menschen, die ohne Aufenthaltsstatus in SchleswigHolstein leben. Es geht um eine menschenwürdige Unterbringung für Asylsuchende und geduldet hier Lebende. Und es geht um einen Bericht der Landesregierung über die Integrationsinitiativen. Diesen drei Anträgen werden wir zustimmen. Es geht dann noch um einen CDU/FDP-Antrag, den ich für reichlich lächerlich halte und den Sie auch nur eingebracht haben, damit Sie dem anderen Antrag nicht zustimmen müssen. Ihren Antrag werden wir aufgrund der Motivation, aus der heraus Sie ihn gestellt haben, nicht zustimmen.
Ich danke dem Herrn Minister auch für den Bericht der Landesregierung, und diesen Dank meine ich
ernst. Herr Minister, Sie haben immerhin einige der Initiativen dieser Opposition umgesetzt. Sie haben von Anfang an in diesem Haus von der linken Seite - von mir aus gesehen - immer wesentlich mehr Beifall gekriegt als von der rechten Seite, und das zu Recht. Sie haben die Initiativen umgesetzt, die die CDU-Fraktion und die FDP-Fraktion im Landtag vorher stets abgelehnt hatten. Dafür gebührt Ihnen unser Dank.
Es geht aber bei aller Unterschiedlichkeit dieser Anträge, die richtig und wichtig sind, im Grunde genommen um eines. Es geht nämlich um unseren Umgang mit Menschen, die zu uns kommen wollen. Wir haben ja Grundlagen dafür, warum wir uns damit eigentlich beschäftigen. Da ist mir Folgendes eingefallen: Wir reden über das Grundgesetz und da speziell über Artikel 1. Wenn wir uns aber die Wirklichkeit angucken, müssten wir Artikel 1 umformulieren und unterteilen; da müsste es dann heißen: Artikel 1 a: Die Würde des Deutschen ist unantastbar. Artikel 1 b: Die Würde des Menschen mit gesichertem Aufenthaltsstatus ist zu achten, wenn er uns wirtschaftlich nützlich sein könnte. Und Artikel 1 c: Die Würde aller anderen ist uns völlig egal.
Nichts hat diese Landesregierung wirklich getan, nichts für Zugewanderte, nichts für Flüchtlinge und nichts für Statuslose. Diese Landesregierung scheint in einer Welt zu leben, in der die Belange dieser Menschen überhaupt keine Rolle spielen.
Im Laufe der zwei Jahre, die ich in diesem Haus gesessen habe, habe ich festgestellt, dass die beiden Seiten in diesem Haus, die rechte und die linke, sich so weit unterscheiden, wie ich es niemals hätte glauben können. Meine Feststellung ist, dass zwischen uns ein kultureller Graben verläuft, der weit tiefer ist als der zwischen mir und vielen Menschen, die aus einem anderen Land und aus einer anderen Kultur zu uns kommen. CDU und FDP haben Migrationsberatungsstellen die Mittel gekürzt, sie haben dem Flüchtlingsrat Mittel verwehrt, sie haben Refugio, einer vorbildlichen Organisation, die sich um traumatisierte Flüchtlinge gekümmert hat, zugrunde gespart. Sie haben unglaublich viele Anträge - Kollegin Damerow hat es zu Recht erwähnt - im Bereich der Migrations- und Integrationspolitik diskutiert und weggestimmt, ohne bessere oder auch nur eigene Vorschläge zu machen. Sie haben nachhaltig bewiesen, dass es ihnen auf diese Menschen nicht ankommt. Schließlich dürfen diese Menschen nicht wählen, schließlich sind diese
Menschen keine Deutschen; da kann man auch Politik gegen diese Menschen machen.
DIE LINKE ist der Meinung, dass Menschen ohne Papiere in Notlagen das Recht und die Möglichkeit haben müssen, grundlegende medizinische Versorgung zu bekommen.
Ich bitte einfach noch einmal darüber nachzudenken, worüber wir reden. Wir reden über eine Familie, die aus Mali oder aus anderen Staaten hierher gekommen ist. Da liegt ein Kind mit Fieber krank im Bett, und die Eltern müssen Angst haben, wenn sie mit diesem Kind zum Arzt gehen, dass ihr ungesicherter Aufenthaltsstatus, ihr sogenannter illegaler - ich sage lieber „illegalisierter“ Aufenthaltsstatus -, bekannt wird und sie deshalb ausgewiesen werden. Die Alternative ist: Ausweisung zurück in die Heimat, Hunger, Folter, Vergewaltigung oder das Kind krank werden zu lassen und darauf zu hoffen, dass es von selbst überlebt. Wenn es eine Blinddarmentzündung oder ein Blinddarmdurchbruch ist, dann wird dieses Kind nicht überleben; dann werden die Eltern in letzter Sekunde, wenn sie einsehen, dass es jetzt gar nicht mehr geht, trotzdem zum Arzt gehen. Das Kind ist dann mit Glück noch gerettet, aber dann ist die ganze Familie nicht mehr hier. Es kann nicht sein, dass wir solche Zustände sehenden Auges hinnehmen.
Offensichtlich gibt es in diesem Haus aber Menschen, die damit leben können. Wir sind dazu nicht bereit.
Wir sind auch der Meinung, dass die Unterbringung von Flüchtlingen vielerorts menschenunwürdig ist und dringend geändert werden muss. Ich kann nicht damit leben, dass Menschen in Containern leben müssen, dass Menschen, wie es jetzt in dem Antrag steht, auf 10 m2 leben müssen, einer Fläche, die wir deutschen Schäferhunden meist nicht zumuten. Das ist für mich unerträglich. Diese Zustände sind so unglaublich, dass es eigentlich beschämend ist, dass wir hierüber überhaupt diskutieren müssen.
Die Regierungsfraktionen sind nicht dazu bereit, dem Flüchtlingsbeauftragten die entsprechende Unterstützung zuzusagen, dass wir die Unterkünfte im Land besuchen und anhand eines Kriterienkatalogs feststellen können, wo Mängel bestehen und wo nicht. Nicht einmal dazu sind Sie bereit; denn das würde offenbar machen, in welch menschenun
würdigen Zuständen Menschen in unserem Land leben müssen.
Reinhard Mey hat vor vielen Jahren ein Lied gesungen: „Von Wand zu Wand sind es vier Schritte, von Tür zum Fenster sechseinhalb.“ Wenn man seinen Schritt abmisst, sind das deutlich mehr als die bisher gültigen 8 m2. Und dieses Lied hat er nicht zu Unrecht „Tyrannis“ genannt.
Der Aktionsplan Integration ist nicht mehr als eine Absichtserklärung. Natürlich wollen wir Maßnahmen zur Unterstützung der sprachlichen Entwicklung für Kinder, die es ja bereits seit 2005 gibt, also schon vor dieser Regierung, nicht missen. Aber darüber hinaus ist nichts passiert, überhaupt nichts. Sie können bisher keine Zahlen vorweisen, die einen verbesserten Zugang zum Arbeitsmarkt belegen könnten, speziell im öffentlichen Dienst. Die Landesregierung hat in den vergangenen zwei Jahren nicht Integrations-, sondern Desintegrationspolitik gemacht. Deswegen wird es Zeit, dass sich das ändert, dass sich die Politik ändert und dass sich die Landesregierung ändert. Darauf freuen wir uns.
Vielen Dank, Frau Präsidentin!
„Wir“
- die Fraktion DIE LINKE
„danken dem SSW ausdrücklich für diesen Gesetzentwurf. Er beinhaltet die grundlegenden und wichtigsten Forderungen der betroffenen Fachverbände, er stellt die Zukunft der Bibliotheken im Land unter Berücksichtigung der spezifischen Zustände in Schleswig-Holstein sicher, und er weist den Weg zum Ausbau des Bibliothekswesens mit klaren Regelungen zu dessen Finanzierung.“
Das war - Sie verzeihen mir, dass ich es nicht vorher gesagt habe - ein Zitat aus dem Jahr 2010, als wir zum ersten Mal über dieses Gesetz diskutiert haben. Der Abgeordnete Jezewski hat das zu diesem Zeitpunkt hier vorgetragen.
- Ich hätte es auch nicht gemerkt, wenn ich mir die Rede nicht rausgeholt hätte. Wenn ich die Reden der damaligen Diskussion nicht durchgelesen hätte,
hätte ich wahrscheinlich auch nicht gemerkt, dass sich die Beiträge der bisherigen Redner und wahrscheinlich auch derer, die nach mir kommen, sehr ähneln. Das ist für mich ein Zeichen dafür, was eigentlich passiert ist und was Art dieser Regierung ist: Es ist nämlich nichts passiert. Wir haben das Gesetz im Ausschuss behandelt. Es sind Änderungen eingefügt worden. Aber im Grunde genommen sind wir, nachdem wir die ganze Arbeit gemacht haben, am gleichen Punkt, an dem wir im Juli 2010 auch schon gestanden haben. Das ist die Art, in der in diesem Lande in den letzten zweieinhalb Jahren Kulturpolitik gemacht wurde.
Ich fasse mich kurz. Das ist nicht nur beim Bibliothekswesen so. Wir haben nicht viel anderes erlebt bei der Gedenkstättenarbeit. Wir haben nicht viel anderes erlebt bei der Soziokultur. Wir haben nicht viel anderes erlebt bei den Theatern in diesem Land. Und, und, und. Das ist das, was mir so leid tut.
Ich habe damals elf Punkte aufgeführt, die wichtig sind, die nicht nur nach Ansicht der LINKEN, sondern auch der Fachverbände bei einem Bibliotheksgesetz wichtig sind. All diese Punkte sehen wir in dem Gesetzentwurf, den der SSW vorgelegt und den wir gemeinsam modifiziert haben, erfüllt. Wir haben damals schon über die Finanzierung gesprochen. Ich muss jetzt nicht wieder die Leier von der Schuldenbremse bringen, der Sie alle zugestimmt haben. Wir hätten die Möglichkeit gehabt, uns um die Finanzierung zu kümmern, wie die Grünen das angemahnt haben. Die Bereitschaft wäre da gewesen. Es ist nichts passiert.
Die Fraktion DIE LINKE war damals davon überzeugt, dass dieser Gesetzentwurf zu einem Gesetz über das Bibliothekswesen hätte führen können, mit dem sowohl die Bibliothekarinnen und Bibliothekare, als auch die Nutzerinnen und Nutzer, als auch die Politikerinnen und Politiker in den Kommunen und im Land sehr zufrieden hätten sein können. Wir hätten stolz darauf sein können, etwas zustande gebracht zu haben, was die Menschen von uns erwartet haben. Unter Führung von CDU und FDP haben wir auch das wieder einmal nicht geschafft.
Frau Präsidentin! Ich freue mich, dass der Einsatz für den Mindestlohn jetzt auch von dieser Seite des Hauses kommt. Bisher kannte ich den ja nur von der anderen Seite. Das sind ja die Leute, die bisher immer Mindestlöhne garantiert haben: staatliche Gebührenordnung für Anwälte, Gebührenordnung für Steuerberater, Gebührenordnung für Architekten, Gebührenordnung für Baugutachter. Da garantieren Sie Mindestlöhne, und diese sind prächtig. Wenn Sie den Mitarbeitern da vorn in der Pförtnerei eine staatliche Gebührenordnung für Pförtnereibeschäftigte garantieren könnten, wäre ich auch zufrieden. Das können wir machen; da habe ich gar kein Problem.
Es geht ja nicht darum, dass Sie keine ordnungspolitischen Maßnahmen wollen, sondern es geht darum, dass Sie manchen Leuten das Geld zuschustern wollen, und anderen gönnen Sie es offensichtlich nicht, oder aber Sie haben das Problem nicht verstanden.
Der zweite Punkt ist: Ich habe kein Mitleid mehr mit CDU- und FDP-Abgeordneten, die über die Zustände in der Rentenversicherung jammern. Wir alle wissen, dass das Lohngefüge in diesem Land dazu führen wird, dass die Rentenversicherung immer mehr zu Kreuze kriechen muss und irgendwann gar kein Geld mehr hat und nur noch von staatlichen Transferleistungen leben muss. Wenn Sie jetzt nichts ändern, ist es Ihre Verantwortung, dass die Rentenversicherungen in zehn, 15 oder 20 Jahren keine vernünftigen Renten mehr bezahlen können. Auch das muss man sehen, wenn es immer heißt, Sie setzen sich für Senioren ein.
Ich habe von Lars Harms recht deutlich gehört und habe auch von Andreas Tietze gehört: Nach dem 6. Mai ist es ziemlich klar, dass diese Seite des Hauses die Opposition bilden wird. Ich würde jetzt ganz gern auch noch von den Sozialdemokraten eine ganz klare Aussage haben: Jawohl, die Gesetzentwürfe, die wir vorgelegt haben, lassen wir nicht der Diskontinuität anheimfallen. Wenn Sie es doch tun, dann bringen wir sie nach dem 7. Mai neu ein, und wir werden das hier so durchsetzen. - Es
würde mich freuen, wenn ich das von Ihnen genauso klar hören würde wie von den anderen auch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich rede drei Minuten, dann habe ich nicht so viel Zeit, mich aufzuregen.
Es ist viel über Ethik gesprochen worden. Der Kollege Matthiessen hat ethische Probleme angesprochen. Sie, Herr Minister, haben dankenswerterweise Max Weber mit seiner Verantwortungsethik zitiert. Zuerst war ich sehr verwirrt. Ich habe gedacht, wir müssten eigentlich zu ähnlichen Schlüssen kommen. Viele kritisieren an der Verantwortungsethik, dass sie auf einem gleichen Wertesystem aufbaut. Nun frage ich mich wirklich, ob unser Wertesystem so unterschiedlich ist. Ich glaube das einfach nicht.
Kollege Matthiessen hat gefragt, wie es ist mit Betriebsgenehmigung entziehen, dicht machen und Schadensersatzansprüchen - das ist hier einige Male angesprochen worden. Die Verantwortungsethik sagt ja eigentlich nicht nur etwas über die Motivation aus, sie sagt auch etwas über die Folgen des Handelns aus. Ich glaube, wenn wir uns einmal klarmachen, welche Folgen unser Handeln hat, welche Folgen unser Tun und unsere Beschlüsse haben, dann müssen wir uns klarmachen, dass es in Wewelsfleth 88 Leukämiefälle in der unmittelbaren Umgebung von Brunsbüttel gibt und dass es in der etwas weiteren Umgebung deutlich über 100 Leukämiefälle gibt. Ich behaupte, Vattenfall ist dafür verantwortlich. Das ist eine derart signifikante Erhöhung, dass mir keine Statistik - egal, wer sie bezahlt hat - einreden kann, daran sei die Atomkraft nicht Schuld.
Es geht nicht um irgendwelche Schadenersatzzahlungen, es geht nicht darum, Schuld zuzuweisen, es geht darum, dass Menschen sterben werden, dass Menschen schwerkrank sind, und Vattenfall ist schuld daran. Deswegen gehört dieses Atomkraftwerk zugemacht – sofort
und unabhängig davon, was uns an Schadenersatz oder Sonstigem ins Haus stehen könnte.
Herr Minister, ich stimme Ihnen zu, der einzige, der in der Lage ist, dieses Atomkraftwerk jetzt zu übernehmen, herunterzufahren und abbauen zu lassen, das ist die Atomaufsicht in Schleswig-Holstein. Die können das. Ihnen und Ihren Mitarbeitern traue ich das zu.
Ich bin davon überzeugt, wenn Vattenfall eine Fischbude auf Nordstrand hätte, wäre die dreimal im Monat wegen Hygieneproblemen geschlossen. Vattenfall ist nicht in der Lage, ein Lagerfeuer im Handewitter Forst zu unterhalten, da würde der ganze Wald abbrennen. Die sind dazu einfach nicht in der Lage.
Da ist E.ON nicht besser, da ist EnBW nicht besser, da ist kein Konzern besser. Wenn man nämlich nur darauf schaut, wie viel Geld man für die Kilowattstunde bekommt und ob man jeden Tag 1 Million € zusätzlich für die Laufzeit dieses Kraftwerkes verdienen kann, dann ist man nicht in der Lage, den Gefahren zu begegnen. Das sollten wir uns klarmachen.
Wenn wir Verantwortungsethik so betrachten, dann können wir zu keinen anderen Schlüssen kommen, als dass wir sagen: Wir müssen mit den schleswigholsteinischen Atomkraftwerken jetzt und sofort Schluss machen. Alles andere geht überhaupt nicht.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will mal gucken, ob noch ein paar Stühle stehen, zwischen die ich mich setzen kann. Wir alle wissen ja, dass das Paket der Gesetzentwürfe zur Kommunalverfassung heute verabschiedet werden muss. Auch wenn die Aufmerksamkeit zurzeit voll und ganz der Landtagswahl im Mai gilt, braucht die scheinbar noch so ferne Kommunalwahl im Mai nächsten Jahres eine Rechtsgrundlage, die wir heute schaffen werden. Das entbindet Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, aber nicht von der Pflicht, die not
wendige Sorgfalt bei der Verabschiedung von Gesetzen walten zu lassen. Zeit dazu gab es genug. Wir haben intensive Beratungsprozesse gehabt, in denen viele Sach- und Fachkundige uns ihre Meinung zu den Gesetzentwürfen gesagt haben. Genutzt hat dies allerdings nichts.
Ursprünglich hatte ich in meinem Redeentwurf stehen: hat es gar nichts genutzt. Das stimmt aber nicht; ich muss mich, glaube ich, bei der kommunalpolitischen Vereinigung der CDU bedanken. Es sind einige sinnvolle Anregungen aus den Beratungen ja doch in das Gesetz eingegangen.
In der Ämterfrage befriedigt die Landesregierung nicht nur die Interessen einiger weniger Parteigänger im Land, sie begibt sich auch verfassungsrechtlich auf dünnes Eis. Eine saubere Lösung wäre möglich gewesen. Es wäre möglich gewesen, die Ämter abzuschaffen oder aber die Amtsausschüsse direkt von Wählerinnen und Wählern demokratisch legitimieren zu lassen. Das wäre überhaupt kein Problem gewesen.
DIE LINKE unterstützt hier den Ansatz, den die Grünen vertreten. Allerdings halten wir die konkrete Ausarbeitung dafür noch für arg verbesserungsbedürftig. Denn das Prinzip „Friss oder stirb“ für die Gemeinden, schließt euch zusammen und nehmt das Geld oder seht zu, wie ihr allein klarkommt, werden wir nicht mittragen. Das werden wir nicht mittragen beim kommunalen Haushaltskonsolidierungsgesetz, und das werden wir nicht mittragen in der Ämterfrage. Da müssen wir einfach andere Lösungen finden. Aber so funktioniert Politik, dass eben nicht die besseren Argumente zählen, wenn ein Beschluss zustande kommt. Wir werden die Fünf-aus-sechzehn-Regelung bekommen. Wenn nicht erneut das Verfassungsgericht darüber urteilt, dann werden die Gemeinden im Land sehen müssen, wie sie damit klarkommen.
Auch so funktioniert Politik, dass Sie in der heutigen Sitzung die Wertigkeit der Gleichstellungsbeauftragten herabsetzen, dass sie die Kinder- und Jugendbeteiligung im Land, wenn schon nicht faktisch abschaffen, so doch zumindest nicht stärken, und dass Sie die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern auf der kommunalen Ebene schwächen oder aber zumindest nicht stärken.
Bei allen diesen Punkten habe ich aber Hoffnung, dass SPD und Grüne auch nach der noch Wahl zu ihren guten Ansätzen stehen und diese in der näch
sten Legislaturperiode umsetzen werden. Sollte das nicht der Fall sein, wird DIE LINKE sie gern daran erinnern.
Alles in allem bleibt festzuhalten, dass Sie heute die Möglichkeit verstreichen lassen, dieses Land ein bisschen moderner, ein bisschen bürgerfreundlicher und ein bisschen menschlicher zu machen. Da tröstet es auch nicht, dass Sie bei der Umstellung des Wahlverfahrens den richtigen Weg gegangen sind und dass -erstaunlich, dass es so weit kommen würde; es freut mich dann doch - wir zumindest in den Kommunalparlamenten in Zukunft auch noch ein paar FDP-Abgeordnete sitzen sehen oder dass Sie bei der Bürgermeister-Regelung oder den großen kreisangehörigen Städten zumindest gute Ansätze in ihren Gesetzentwürfen haben.
Meine Fraktion allerdings wird den Regierungsentwurf in Gänze ablehnen und bietet den anderen Oppositionsfraktionen an, in der nächsten Legislaturperiode, wenn sie dann vielleicht nicht mehr Oppositionsfraktionen sind und die Mehrheitsverhältnisse in diesem Haus sinnvolle Änderungen wieder möglich machen, in eine konstruktive Diskussion einzutreten.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Kalinka, Sie haben es wieder geschafft. Einen Punkt will ich so nicht stehen lassen: Dass eine Frau im öffentlichen Dienst in den Kommunen in Schleswig-Holstein genauso viel verdient wie ein Mann, der die gleiche Arbeit leistet, ist eine Selbstverständlichkeit und nicht eine Errungenschaft der CDU/FDP-Regierung.
- Genau, es steht im Gesetz. Es ist aber eine Selbstverständlichkeit. Wir haben ja gestern gehört, Selbstverständlichkeiten sollte man nicht ins Gesetz schreiben. Das ist richtig.
Aber wir können uns darüber unterhalten, ob die Gleichstellungsbeauftragten jetzt die idealen Bedingungen geschaffen haben und ihre Arbeit kurz vor Vollendung steht. Wenn genauso viele Frauen in schleswig-holsteinischen Kommunen in Führungspositionen sind wie Männer, wenn wir genauso viele Bürgermeisterinnen wie Bürgermeister, genauso viele Stadträtinnen wie Stadträte haben, dann können wir darüber nachdenken.
Wir haben vier kreisfreie Städte in Schleswig-Holstein und keine Oberbürgermeisterin. Das muss man einmal sagen. Schauen Sie doch einmal in die Verwaltung der kreisfreien Städte und der anderen Gemeinden. Wie viele Bürgermeisterinnen, wie viele Sachgebietsleiterinnen haben wir denn? Da kommen wir noch lange nicht an 50 %. Wenn wir da bei einem Frauenanteil von über 50 % sind, dann können wir über Gleichstellungsbeauftragte anders diskutieren, aber nicht vorher. Das, finde ich, muss gesagt werden.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank, Frau Ministerin, für den ausführlichen Bericht, auch wenn ich inhaltlich natürlich nicht mit ihm einverstanden bin. Ich halte den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für charmant. Es geht um eine Einschränkung der Privilegierung von gewerblichen Tierhaltungsanlagen im Außenbereich. Die Intention ist völlig nachvollziehbar. Wir unterstützen die auch. Aber die Probleme der gewerblichen Tierhaltung
lassen sich nicht mit dem Baugesetzbuch lösen. Deswegen bin ich überzeugt davon, Frau Ministerin, dass wir sehr wohl die Systemdebatte führen müssen.
Die gewerbliche Tierhaltung, über die wir hier reden, ist die logische Folge marktradikalen Denkens und des Willens zur Profitmaximierung. Die Lebensbedingungen der Tiere werden mit Blick auf die Produktionskosten auf das absolute Minimum heruntergedrückt - und das nicht nur auf Kosten der Tiere, sondern auch der Umwelt und der menschlichen Gesundheit.
Als Indikatoren für eine gute oder schlechte Haltung werden nur Bestandsgröße oder Bestandsdichte herangezogen. Das greift eindeutig zu kurz. Ob landwirtschaftliche Nutztiere ihren Bedürfnissen entsprechend gehalten werden, ist nur bedingt eine Frage der Größe der Stallanlage oder der Anzahl der Tiere, obwohl das natürlich auch wichtige Punkte sind. Aber viel wichtiger ist für mich das Zusammenwirken der einzelnen Haltungsfaktoren. Jedes Tier hat spezifische Verhaltensweisen und Bedürfnisse. Wir merken es spätestens dann, wenn wir einen Hund oder eine Katze haben. Es steht außer Frage, dass die natürlichen Verhaltensweisen und das Sozialverhalten der Tiere in der Nutztierhaltung eingeschränkt werden. Dies zu minimieren - davon bin ich überzeugt -, muss unser Ziel sein.
In der Nutztierhaltung, die der Fleischgewinnung dient, ist das Ziel der Haltung die Schlachtung zu einem für den Menschen optimalen Zeitpunkt. Wir sollten im Hinterkopf behalten: Hunde sind nur zufällig keine Schlachttiere, sondern Haustiere. Daraus sollte nicht gefolgert werden, Nutztiere wie Sachen behandeln zu können, die völlig betriebswirtschaftlichen Anforderungen untergeordnet werden können. Nein, es geht als Allererstes darum, den verantwortungsbewussten Umgang mit Lebewesen zu erlernen, die ethischen Probleme des Fleischkonsums zu erkennen und dann dementsprechend zu handeln.
Die massiven Probleme im Bereich der Tiergesundheit, der menschlichen Gesundheit, der Umwelt und der Akzeptanz von Tierhaltungsanlagen in der Bevölkerung zeigen uns doch ganz deutlich, dass ein grundsätzliches Umsteuern notwendig ist. Um dieses Umsteuern in der Praxis zu beschleunigen, hat die Landesregierung eine Reihe von Möglich
keiten. Die reichen von ordnungspolitischen Instrumenten bis hin zu finanziellen Anreizen.
Es kommt aber darauf an, Anforderungen für eine möglichst tiergerechte Haltung auch auf Bundesund europäischer Ebene voranzubringen, um Schleswig-Holstein im Wettbewerb nicht zurückzuwerfen. Ein Agrarinvestitionsprogramm kann die Umsetzung einer möglichst artgerechten Tierhaltung in Schleswig-Holstein erheblich beschleunigen. Dann müssen Art, Umfang und Höhe der Zuwendung eben so gestaltet werden, dass ein Anreiz dazu besteht, Tierhaltungsanlagen möglichst tiergerecht zu bauen und Altanlagen entsprechend nachzubessern.
Für ein Umdenken und Umsteuern in der landwirtschaftlichen Praxis müssen aber auch Lehrinhalte bei der Aus- und Weiterbildung von Landwirten und ähnlichen Berufen angepasst sowie die Kontrollbehörden, speziell die Veterinärämter, entsprechend ausgestattet werden.
Ich möchte, dass allen in der Tierhaltung Beschäftigten, die Verantwortung für Tiere tragen, ein Sachkundenachweis abverlangt wird, weil sie es sind, die bei Bedarf schnell die richtigen Entscheidungen treffen müssen und sollen.
Wir wollen natürlich mit unseren Forderungen die ganze Branche nicht benachteiligen oder in eine Absatz- oder Einkommenskrise führen. Deshalb halten wir Vermarktungsprogramme für notwendig, um Verbraucherinnen und Verbraucher mit dem Konzept „möglichst tiergerecht“ vertraut zu machen und deren Kaufgewohnheiten zu beeinflussen.
Die Einführung zum Beispiel einer Produktkennzeichnung nach dem Vorbild des zweistufigen Labels, das der Tierschutzbund entwickelt hat, stellt eine absolut geeignete Maßnahme da, Absätze und Preise zu stabilisieren, und kann darüber hinaus für Schleswig-Holstein die Chance eröffnen, bundesweit oder sogar europaweit eine Vorbildfunktion in Sachen artgerechter Tierhaltung einzunehmen. Das würde ich mir wünschen.
Ich beantrage, die Anträge in den zuständigen Ausschuss zu überweisen, weil sich der Antrag der Grünen und unser Antrag in keiner Weise widersprechen, sondern eher ergänzen. Ich glaube, dass wir im Ausschuss einen vernünftigen gemeinsamen Antrag hinbekommen.
Vielen Dank, Kollege Brodersen. Sie ist auch relativ schnell beantwortbar. Halten Sie die Gepflogenheiten, die der Kollege Rickers vorhin als reformbedürftig beschrieben hat, nämlich das Kupieren von Hühnerschnäbeln, das Enthornen von Kälbern ohne Betäubung oder die Kastration von Schweinen ohne Betäubung für tiergerecht?
Vielen Dank, Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Kollege Nickel, es ist schön, dass Sie sich über dieses Thema noch so erregen können. Das letzte Mal haben wir am 25. Oktober in diesem Haus über das Thema Breitbandversorgung gesprochen. Da ging es um den Masterplan Breitband.
- Kollege Tietze, ich erinnere mich sehr gut an Ihre bahnbrechenden und innovativen Vorstellungen in dieser Diskussion.
Im Großen und Ganzen waren wir uns damals darin einig, dass die Landesregierung eigentlich das Richtige will. Rücklickend muss man aber sagen: Das Gegenteil von gut gemacht ist immer gut gemeint. Das war sehr gut gemeint. Wir diskutieren darüber jetzt seit zwei Jahren, seit 25 Monaten. Wenn wir uns ansehen, was in dieser Zeit passiert
ist, dann gibt es nicht viel zu sehen. Es ist nämlich nicht viel passiert. Ich zitiere aus der damaligen Debatte. Es lohnt sich für die Regierungsfraktionen, diese einmal nachzulesen. Dort wurde viel Kluges gesagt. Ich zitiere den Abgeordneten Heinz-Werner Jezewski von der Fraktion DIE LINKE, der in dieser Debatte am 25. Februar 2010 sagte:
- Er sagt noch mehr Kluges.
„Die Ämter Eiderstedt, Nordsee, Treene und Viöl erarbeiten mit den Städten Husum und Tönning zusammen eine Machbarkeitsstudie. Sie loten aus, ob es sich überhaupt lohnt, Leerrohre zu verlegen, oder ob man lieber andere Maßnahmen ergreifen sollte. Es wird auch geprüft, ob es sinnvoll sein kann, gar nicht auf Kabel - egal ob auf Kupferkabel oder auf Glasfaserkabel - zu setzen, sondern stattdessen Verbindungen per Funk zu schaffen.“
Am 18. Januar 2012, also 23 Monate nach dieser Debatte, berichtete der „s:hz“ darüber, dass in der Gemeinde Löwenstedt, einer der beteiligten Gemeinden, am 1. Februar 2012 die Bürger-Breitband-Netzgesellschaft GmbH & Co. KG gegründet werden sollte. Das war übrigens eine Anregung aus meinem Redebeitrag, in dem ich gefragt habe: Warum machen wir das nicht über Genossenschaften? - Warum machen wir das nicht über Bürgergesellschaften? - Ich freue mich darüber, dass diese Anregungen auf fruchtbaren Boden gefallen sind.
Erlauben Sie mir, aus dem „s:hz“-Artikel zwei kurze Zitate zu nennen:
„Man habe Löwenstedt als Modellgemeinde ausgewählt, da die Unterversorgung dokumentiert sei. Zudem bauen die Biogasanlagenbetreiber ohnehin ein Wärmenetz, da sei es doch logisch, gleich die Glasfaserleerrohre mit zu verlegen.“
- und
„Wenn alles wie geplant verlaufe, so die Koordinatorin, dann dürfte bereits im Frühjahr 2013 das Blitznetz in Löwenstedt verfügbar sein.“
Auch wenn es mich freut, dass meine Anmerkungen von vor zwei Jahren sich jetzt da draußen vor Ort als richtig erweisen, was ebenso für die Anmerkungen vieler anderer Oppositionspolitiker gilt, so macht es mich schon nachdenklich, dass die Umset
zung einer im Grunde genommenen einstimmig akzeptierten Strategie in die Realität vor Ort und für die Menschen mehr als drei Jahre dauert. Wir müssen uns hier überlegen, ob alles richtig läuft. Ich sehe nicht, dass der heute vorliegende Antrag in eine Richtung läuft, die bewirkt, dass die Umsetzung vor Ort schneller gehen soll. Die einzige Wirkung dieses Antrags wird sein, dass wir mehr Bürokratie und mehr Fördergelder für Großkonzerne bekommen werden. Ansonsten dauert dies da draußen weiterhin genauso lange.
Ich glaube trotzdem, dass wir uns heute im Großen und Ganzen einig sind. Ich hoffe, dass diese Einigkeit irgendwann einmal dazu führen wird, dass der Ausbau der Breitbandversorgung endlich Fahrt aufnimmt. Ich hoffe, dass wir an den Orten, an denen es noch eine Lücke in der Breitbandversorgung gibt, diese endlich schließen können, und zwar möglichst vor dem Termin, der Ihnen vorschwebt.
Für DIE LINKE gilt dabei das Gleiche, das auch schon vor zwei Jahren richtig war. Ich verweise dabei, wie ich es immer gern tue, auf die Landesregierung. In der Breitbandstrategie der Landesregierung können wir nachlesen:
„Wir brauchen feste Netze in Glasfaser und in Kupfer. Außerdem brauchen wir zusätzlich Funknetze. Sonst werden wir die Anbindungen, die die Wirtschaft und die Menschen in unserem Lande brauchen, nicht realisieren können.“
Wir können sonst nicht die Anbindung der Freiberuflerinnen und -berufler am Strand gewährleisten, die der Kollege Tietze richtigerweise bereits 2010 angemahnt hat.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die jetzt zu beschließenden Änderungen in den Gesetzen sind lang und breit diskutiert worden. Sie sind sicherlich im Ausschuss so nicht inhaltlich diskutiert worden. Ich gebe Ihnen da recht, Herr Kalinka. Woran das gelegen hat, darüber mögen wir streiten.
Was wir hier tun können, ist vermutlich - so fürchte ich - nicht mehr, das Abstimmungsverhalten einzelner Abgeordneter zu ändern. Was wir aber wohl tun können, ist noch einmal für die Öffentlichkeit zu dokumentieren, über was wir hier eigentlich abstimmen. Die Kürze der Zeit erlaubt mir leider nicht, auf alle Punkte einzugehen. Es ist ein sehr breites Konvolut, das wir da vorliegen haben. Ich werde mich beschränken nach dem Motto: „Bevor du den Splitter im Auge deines Nachbarn suchst, beschäftige dich doch erst einmal mit dem Balken in deinem eigenen.“ Ich beschränke mich auf das, was wir hier für uns als Abgeordnete nicht ändern werden.
Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FPD - ich weiß gar nicht, ob Sie das alle so genau wissen, ob Sie die Gesetzestexte alle genau gelesen haben -, wollen nicht, dass in Zukunft die Ausübung unseres Mandats im Mittelpunkt unserer Tätigkeit steht. Ich habe mir gedacht: Hallo! 7.000 € und mehr bekomme ich für etwas, was nicht im Mittelpunkt meiner Tätigkeit steht? Ich finde das bemerkenswert. Das ist ja doch eine ganze Summe Geld, auch wenn manche von Ihnen sagen: „Peanuts. Ich möchte gar nicht Minister sein, denn dann kann ich ja nicht einmal richtig Geld verdienen.“ Welche, die so sprechen, soll es ja geben, habe ich gehört. Aber 7.000 € für etwas, was nicht im Mittelpunkt meiner Tätigkeit steht?
Genau deswegen habe ich gesagt: Lasst uns hier eine namentliche Abstimmung machen. Und genau deswegen sage ich: Lasst uns das zum Abgeordnetengesetz machen. Ich glaube das einfach nicht. Selbst wenn es nicht Gesetz wird, weiß ich, dass in den Oppositionsfraktionen die überwältigende Mehrheit - ich behaupte einmal, alle - die Ausübung ihres Mandats in den Mittelpunkt ihrer Tä
tigkeit stellen. Ich glaube, dass das auch in den Regierungsfraktionen so ist. Ich frage mich nur: Warum stimmen Sie dann dem Gesetzentwurf nicht zu?
Das will ich einfach wissen. Da müssen wir doch einmal mit namentlicher Abstimmung feststellen: Wer meint denn, dass das nicht im Mittelpunkt seiner Tätigkeit steht?
Aber Sie möchten ja noch mehr. Den nächsten Punkt sollten wir uns auf der Zunge zergehen lassen. Ich zitiere jetzt teilweise aus dem Gesetzestext. Sie möchten, dass Abgeordnete des Schleswig-Holsteinischen Landtags Geld und geldwerte Vorteile - jetzt nur für die, die das nicht verstehen: das sind zum Beispiel kostenlose Urlaube in den Ferienanlagen befreundeter Unternehmer - dafür annehmen dürfen, dass sie im Landtag die Interessen derjenigen vertreten, die ihnen das Geld geben.
Für mich ist das eindeutig Lobbyismus. Ich glaube, das ist auch Korruption. Um es deutlich zu sagen: Wer diesem Antrag nicht zustimmt, der will die Bestechlichkeit von Abgeordneten erlauben.
Da ist es doch schon fast eine Petitesse, dass Sie auch die Transparenz, die für Bundestagsabgeordnete selbstverständlich ist, nämlich die Information der Öffentlichkeit über Nebeneinkünfte, von uns Abgeordneten - immer von uns - in Bausch und Bogen ablehnen.
Um es ganz deutlich zu sagen - Kollege Kalinka, da geht der Vorwurf an Sie zurück -: Es geht Ihnen eben nicht um unklare Formulierungen, die die praktische Umsetzbarkeit der Regelung behindern. Wenn es Ihnen darum gegangen wäre, dann hätten Sie seit dem 16. März 2010 Zeit gehabt, einen besseren Antrag einzureichen. Das tun Sie doch sonst auch bei jedem Antrag, den wir als Opposition stellen. Das ist doch überhaupt kein Problem für Sie. Das können Sie doch. Aber Ihnen geht es anscheinend darum, zu verhindern, dass Korruption oder besser noch jeder Anschein von Korruption in diesem Hause geächtet wird.
Es geht ja gar nicht darum, dass Regierung oder Abgeordnete in diesem Landtag in Zukunft keine umstrittenen Entscheidungen mehr treffen dürfen. Es geht einzig und allein darum, dass niemand au
ßer den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern ihnen dafür Geld bezahlen soll.
Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der rechten Seite des Hauses, haben sich oft darüber beklagt, dass die Reisen einiger Mitglieder dieses Hauses, zum Beispiel nach Malta oder nach Sylt oder zu Champions-League-Endspielen, hier süffisant kommentiert wurden. Ich hatte bei den Debatten immer ein merkwürdiges Gefühl. Nachdem ich aber jetzt diese Diskussion heute miterlebt habe, kann ich nur sagen: Stimmen Sie heute einfach den Änderungen des Abgeordnetengesetzes und des Ministergesetzes zu! Ich persönlich werde Ihnen beim nächsten Angriff auf Ihre persönliche Integrität gern beispringen.
Wer aber diese Anträge heute ablehnt, der darf sich nicht wundern, wenn solche Angriffe kommen, und der soll dann auch bitte nicht jammern. Der darf sich auch nicht wundern, wenn immer mehr Menschen in diesem Land keine Lust mehr auf Politik haben und einfach nicht mehr zu den Wahlen gehen. Politikverdrossenheit hat nämlich sehr viel zu tun mit dem, was wir gleich beschließen oder besser nicht beschließen werden. Wer in der folgenden Abstimmung nicht mit Ja stimmt, der trägt nicht nur zur Politikverdrossenheit bei, nein, er ist sogar eine der Hauptursachen dafür.
Kollege Kalinka, ich hoffe, ich habe Sie bei Ihren Äußerungen zur Bestechlichkeit falsch verstanden. Halten Sie es für richtig, dass Abgeordnete des Schleswig-Holsteinischen Landtags dafür Geld annehmen dürfen sollen, dass sie im Landtag die Interessen des Geldgebers vertreten?
Vielen Dank, Frau Präsidentin! - Kollegin Damerow, wenn Sie jetzt glauben, ich hätte jemandem oder gar Ihnen - unterstellt, er sei eventuell bestechlich, dann bedauere ich das und weise das zurück. Natürlich unterstelle ich das niemandem hier in diesem Haus.
Sie sagen, wenn man ein Gesetz mache, impliziere man, dass man in der Gefahr sei. Dann frage ich mich, ob im Bundestag massenhaft Abgeordnete mit undurchsichtigen Nebeneinkünften sitzen.
Oder warum haben sie ein Gesetz gemacht? Warum machen wir zum Beispiel Gesetze gegen Steuerhinterziehung? Die gelten für uns auch. Ich fühle mich nicht in der Gefahr, Steuern zu hinterziehen. Ich zahle meine Steuern anständig und ehrlich. Trotzdem stimme ich jedem Gesetz gegen Steuerhinterziehung zu. Das ist doch eine Selbstverständlichkeit.
Ich wollte das nur klarstellen. Ich glaube, Sie haben das auch nicht so gemeint. Wenn allerdings der Eindruck entstanden sein sollte, ich wollte irgendjemanden bezichtigen, tut mir das leid. Dieser Eindruck ist nicht gewollt.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Kalinka, wir sitzen jetzt seit über zwei Jahren hier zusammen, seit fast zweieinhalb Jahren. Wir haben die Drucksache 17/1600. Es ist bezeichnend, dass Sie jetzt endlich mal stolz darauf hinweisen können, dass Ihnen der SSW zumindest moralisch zustimmt. Man merkt schon, da wächst zusammen, was zusammen gehört.
Ich will mich zu diesem Thema auch kurz fassen. Ich finde nicht den Gesetzentwurf besorgniserregend, sondern die Art und Weise, wie er hier heute verabschiedet werden soll und wird. Niemand bestreitet - zumindest aufseiten der LINKEN bestreitet das niemand -, dass wir uns die Regelungen zu den Anwohnerbeiträgen einmal ansehen sollten, um sie eventuell zu verändern. Kollege Koch hat einige Punkte angeführt, die man wirklich mal kritisch betrachten kann. Dazu bedarf es aber eines Gesetzgebungsverfahrens, in dem die Meinungen der Anzuhörenden nicht nur gehört und gelesen, sondern auch gewogen werden.
Wenn wir uns die Aussagen dieser Angehörten anschauen, dann fällt uns auf, dass immer wieder infrage gestellt wird, ob Teilregelungen dieses Gesetzentwurfs eigentlich verfassungsgemäß seien und sein können. Wenn vergleichbare Regelungen in einem anderen Bundesland immerhin von einem Oberverwaltungsgericht als vermutlich verfassungswidrig bezeichnet werden, dann dürfen Sie von der LINKEN die Zustimmung zu dem Gesetz nicht verlangen.
Was der Gesetzentwurf bewirken wird, sind zwei Dinge: Zum Ersten wird er die Kluft zwischen den sogenannten reichen Gemeinden und denen, die ohne eigenes Verschulden kaum noch Luft zum Atmen haben, weiter vertiefen. Um ein Beispiel zu nennen: Die Stadt Flensburg wird es sich nicht erlauben können, auf die Erhebung der Anwohnerbeiträge zu verzichten, weil sie nämlich die Infrastruktur für das gesamte Umland bereithalten muss und bisher auch noch bereithält und bezahlt. Die Gemeinde Harrislee hingegen, räumlich eigentlich gar nicht von Flensburg zu trennen, wird ihren Einwohnerinnen und Einwohnern diese Gebühr ersparen können. Sicherlich wird niemand nur wegen dieser nicht erhobenen Beiträge von Flensburg nach Harrislee ziehen, aber das Ganze ist ein Faktor mehr, der die Attraktivität der sogenannten Speckgürtel steigert und die Oberzentren abwertet.
Trotzdem sage ich ganz ehrlich, wir hätten mit uns darüber reden lassen. Aber dann geben Sie zuerst einmal den Kommunen die 120 Millionen € jährlich wieder, die Sie ihnen geraubt haben.
Dann können wir über solche Dinge nachdenken.
Der zweite Effekt Ihres Gesetzentwurfs wird sein, dass zukünftig die Möglichkeit bestehen wird, die Anwohnerbeiträge auf die Mieter umzulegen. Da brauchen wir uns nichts vorzumachen: Genau deswegen werden nicht mehr einmalige, sondern wiederkehrende Beiträge genommen, weil die wiederkehrenden Beiträge auf die Mieter umgelegt werden können. Da jubeln natürlich die Vermieter. Denen kann es auch egal sein, dass das Oberverwaltungsgericht Koblenz diese Regelung verfassungsrechtlich immerhin für so bedenklich hält, dass es das Bundesverfassungsgericht gebeten hat, den Sachverhalt zu prüfen.
Ganz abgesehen davon, dass die Gesamtschau der Anhörungen eindeutig - der Kollege Rother hat es eindrucksvoll vorgetragen - eine Ablehnung des Gesetzentwurfs in der vorliegenden Fassung empfiehlt, werden wir uns an einem zumindest fahrlässig herbeigeführten Verfassungsbruch nicht beteiligen. Aber diese Argumente scheinen hier ohnehin nicht zu interessieren. Es interessiert offensichtlich nur der Wahlkampf und die noch für kurze Zeit vorhandene Mehrheit in diesem Haus. Die Chance auf eine wirklich sinnvolle und an Sachargumenten orientierte Neuregelung der Anwohnerbeiträge
haben Sie jedenfalls vertan. Ich bedanke mich deswegen nur für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Brand-Hückstädt, es ist schon schwierig, nicht mitzuklatschen, wenn Sie hier reden, und das Gefühl zu unterdrücken, Sie auch einmal in Schutz nehmen zu müssen.
Auch wenn man das inmitten dieser Jubelarien kaum glauben mag: Wir sind ja nicht die ersten, die sich in diesem Land mit dem Thema norddeutsche Kooperation und allem, was dazugehört, beschäftigen. Am 15. Februar 1988 - ich erinnere mich sehr genau an den Tag, weil mein Sohn da zwei Jahre alt geworden ist -, also vor exakt 24 Jahren, zitierte der „Spiegel“ den damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht mit den Worten, niemand hätte Verständnis dafür, wenn gewachsene Strukturen nun wieder zerschlagen würden. Und
das Nordlicht Albrecht - so der „Spiegel“ weiter sagte: „Bei gutem Willen können die Nordlichter gemeinsame Probleme auch grenzüberschreitend lösen.“
Zu grenzüberschreitend gehört, dass es Grenzen gibt, dass man ganz deutliche Abgrenzungen zwischen Bundesländern hat. Aber noch treffender drückte diese Tatsache ein unbenannter Bremer Parlamentarier aus, der in der gleichen „Spiegel“-Ausgabe mit den Worten zitiert wird: „Wenn mal jemand ein Ei loslegen will, fängt er an, vom Nordstaat zu reden.“
Exakt die gleichen Erkenntnisse, die der „Spiegel“ damals aufgeführt hat, hat die jetzt abgeschlossene Arbeit der Enquetekommission erbracht. Erstens: Wir haben eine gewachsene und funktionierende Struktur. Sie zu verbessern, ist unsere ständige Aufgabe, nicht nur im Hinblick auf eine bessere Zusammenarbeit mit den norddeutschen Ländern. Sie nicht zu zerschlagen, muss unsere Pflicht sein. Wir wissen alle, wovon wir reden. Es gibt Strukturen, die den Landesteil Schleswig am Leben halten. Ich habe Angst, dass diese Strukturen vor die Hunde gehen, wenn die norddeutsche Kooperation in die Richtung geht, die einige gern möchten.
Zweitens. Die länderübergreifenden Probleme, die wir haben, können wir lösen, wenn auf allen Seiten das vorhanden ist, was Ministerpräsident Albrecht damals angemahnt hat: ein wenig guter Wille.
Drittens. Wir werden es nicht verhindern können, dass immer wieder jemand den sogenannten Nordstaat ins Gespräch bringt, wenn er anders nicht die Aufmerksamkeit findet, die er offenbar benötigt.
Ich will die Arbeit, die die Kommission geleistet hat, keinesfalls kleinreden. In einem sehr konstruktiven Arbeitsklima mit der Unterstützung von hochqualifizierten und motivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist es ihr gelungen, eine ordentliche Bestandsaufnahme der Situation zu erstellen. An dieser Stelle möchte auch ich mich bei allen Beteiligten, vor allem bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und den externen Sachverständigen, bedanken; ohne sie wäre all das nicht möglich gewesen. Wenn die Bestandsaufnahme lückenhaft ist, ist dies sicherlich nicht der Arbeit der Kommission anzulasten. Auch für Parlamentarierinnen und Parlamentarier in Schleswig-Holstein hat der Tag nur 24 Stunden, und das gilt auch für die Kollegin Brand-Hückstädt. Das große Manko dieser Enque
tekommission war wohl schon der Einsetzungsbeschluss, den dieses Haus gefasst hat. Solch ein länderübergreifendes Thema ausschließlich aus der Sicht eines einzelnen Landes zu behandeln, konnte einfach keine besseren Ergebnisse bringen.
Es mag jetzt zwar wahlkampftaktisch angebracht sein, aufeinander einzuschlagen, besser aber wäre es gewesen, diese länderübergreifende Zusammenarbeit auf parlamentarischer wie auf administrativer Ebene schon bei der Einsetzung der Kommission anzumahnen - und nicht nur in diesem Hause, sondern auch in den anderen norddeutschen Bundesländern. Ich habe Verständnis dafür, dass im Wahlkampf jeder seine Schäfchen ins Trockene bringen will. Ich habe auch Verständnis dafür, dass wir uns persönlich kennenlernen wollen. Kollege Stegner, aber wo war denn die SPD-Fraktion der Hamburgischen Bürgerschaft, als wir hier den Einsetzungsbeschluss gefasst haben? Wo war die SPDFraktion der Hamburgischen Bürgerschaft während der zweijährigen Arbeit dieser Kommission? Wir haben die Hamburger eingeladen. Was haben sie gemacht? - Sie haben einen Abteilungsleiter geschickt. Das müssen die sich heute vorwerfen lassen.
Was wir als Fazit aus dem Bericht und der Arbeit der Kommission mitnehmen sollten, ist die Richtigkeit des bekannten Sprichworts: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. Der Bericht zeigt uns eine Menge Schwachpunkte der norddeutschen Zusammenarbeit auf. Es liegt an den Abgeordneten dieses Hauses, in der jetzigen und der nächsten Legislaturperiode, diese Schwachpunkte in Angriff zu nehmen. Dabei müssen wir nicht auf das immer wieder beschworene Gastschulabkommen oder die katastrophale Situation bei der Husumer Windmesse zurückkommen.
Ich gebe Ihnen ein Beispiel, das in der Kommission gar nicht angerissen wurde: Will sich ein Mensch, der als Asylbewerber in Stormarn lebt, in Lübeck Arbeit suchen, kann er das neuerdings, wenn er denn eine Arbeitsgenehmigung hat, ohne bürokratische Hürden tun. Er oder sie setzt sich in den Zug, fährt nach Lübeck und kann sich bei dem Betrieb, der Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter sucht, vorstellen. Liegt dieser Betrieb aber in Lüdersdorf, wenige Kilometer östlich von Lübeck, macht sich dieser Mensch eines Vergehens gegen das Ausländerrecht schuldig. Minister Schmalfuß hat in diesem Hause zu Recht viel Beifall für die Aufhebung der Residenzpflicht erhalten.
Es wird nun Zeit, diese Mindestanforderung an ein modernes Ausländerrecht auch länderübergreifend durchzusetzen.
Ich komme zum letzten Satz. - Dazu braucht es nur das, was Ernst Albrecht bereits vor 24 Jahren angemahnt hat, nämlich den guten Willen aller Beteiligten.
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Arp, über das, was wir morgens so rauchen, unterhalten wir uns ein anderes Mal, glaube ich.
Flemming Meyer, vielen Dank, dass Sie jetzt die Reihe der Büttenreden unterbrochen haben und auf Argumente eingegangen sind. Das war wohltuend, und man konnte gut damit leben.
Ich hätte gut damit leben können, wenn wir aus der Ausschussberatung herausgekommen wären und genau das, was Kollege Meyer gesagt hat, als Ergebnis gehabt hätten: Wir stellen fest, die 15 €, die im Regelsatz vorhanden sind, reichen nicht für die Mobilität, die jedem Menschen zusteht. Wir als dieses Haus fordern geschlossen die Bundesregierung auf, den Regelsatz so zu ändern, dass es reicht.
Das wäre ein Ausschussergebnis, mit dem ich hätte leben können.
Ich will aber ein bisschen auf die Realität zurückkommen. Ich rede viel mit Menschen und auch mit Menschen, bei denen ich keine Hoffnung habe, dass sie mich beim nächsten Mal wählen, zum Beispiel mit den Wirtschaftsjunioren.
Ich bin zu den Wirtschaftsjunioren hingegangen vor einem Jahr oder vor anderthalb Jahren - und habe gesagt: Ich möchte gern die Gewerbesteuer in Flensburg erhöhen. Da haben die gefragt, warum. Da habe ich gesagt: Weil ich in Flensburg einen umlagefinanzierten ÖPNV haben möchte und als ersten Schritt dafür ein Sozialticket.
Dann habe ich denen erklärt, was ein umlagefinanzierter ÖPNV ist. Daraufhin haben einige von denen gesagt: Herr Jezewski, dafür würden wir eine Gewerbesteuererhöhung mittragen. Ein konkretes Projekt, das die Mobilität innerhalb des Kreises erhöht - dafür könnte man das mittragen.
Die waren sich auch nicht einig, aber es will schon etwas heißen, wenn solche Leute mit mir darüber so diskutieren.
Dann habe ich mit den Betreibern des ÖPNV darüber gesprochen, die alle gesagt haben: Dass ÖPNV Geld kostet, ist verkehrt - fragen Sie die einmal! Dass derjenige, der in den Bus einsteigt und das macht, was wir wollen, nämlich sich umweltfreundlich durch dieses Land zu bewegen, dafür bezahlen muss, sei verkehrt, sagen die.
Ich habe jetzt von Herrn Kumbartzky ganz viel über soziale Gerechtigkeit gehört. Ich frage mich jetzt, Kollege Kumbartzky, ob Sie es richtig finden, dass diejenigen, die Kinderwindeln kaufen, diejenigen mit ihrer Mehrwertsteuer subventionieren müssen, die günstig in Hotels wohnen. Finden Sie es richtig, dass in einer Kita-Sozialstaffel diejenigen, die gut verdienen, diejenigen unterstützen müssen, die wenig verdienen? - Ich finde das Erste falsch, das Zweite richtig. Darüber sollte man angesichts dessen, dass wir in unserer Bundesverfassung einer Eigentumsverpflichtung festgelegt haben, einmal nachdenken. Da steht deutlich: „Eigentum verpflichtet.“
Natürlich sind Menschen, die viel haben, verpflichtet, denen zu helfen, die wenig haben. Die starken Schultern tragen mehr als die schwachen, jeder trägt so viel, wie er kann. Ich fände es gut, wenn wir dahinkämen - es wäre mein Wunsch, dass wir den Antrag in der Richtung diskutieren. Ob wir ihn dann so beschließen oder nicht, ist mir im Endeffekt wurscht. Aber ich wünsche mir die Diskussion darüber. Und die Lösung, die Flemming Meyer gerade genannt hat, wäre ein Ausweg aus dieser Diskussion, mit dem ich gut leben könnte.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Es kann ja nicht jeder Bildungspolitiker sein. Ich bin kein Bildungspolitiker. Ich kenne mich nicht bis in die letzten Verästelungen aus. Das habe ich gemein mit vielen Millionen Menschen in Schleswig-Holstein, mit Frau Conrad zum Beispiel, aber auch mit anderen. Aber ich bin von Bildung betroffen, weil ich Vater bin von Kindern, die schon zur Schule oder noch zur Schule gehen, und Großvater von Enkelkindern, die bald zur Schule gehen. Als solcher bin ich in der Lage, zum Beispiel Zeitung zu lesen. Mir kommen dann in Anlehnung an Bert Brecht die „Fragen eines lesenden Familienvaters“.
Herr Minister, wie fühlt man sich denn, wenn man fast zweieinhalb Jahre immer in die Pfanne gehauen wird? Das war ja schon so weit, als die Umfrage veröffentlicht wurde: Der schlechteste Minister Schleswig-Holsteins ist der Bildungsminister. Alle haben auf Sie eingeprügelt, sodass ich dann gesagt habe: Irgendwie müssen wir doch einmal mit dem Mann stimmen, das ist ja gefährlich. Man kann den doch nicht völlig fertig machen. Immer kriegen Sie von allen Seiten richtig Druck. Sie haben ja auch von uns Druck gekriegt. Ich will mich dafür nicht entschuldigen. Meistens haben Sie den ja zu Recht gekriegt.
Aber dann kommt plötzlich eine Situation: Sie haben eine Idee, und Sie werfen diese auf den Markt. Sie bringen diese in die Zeitungen, und plötzlich kommt in diesem Haus eine ganz große Gruppe und sagt: Mensch, da hat er doch etwas Gutes gemacht. Aber als Minister weiß er das vielleicht nicht so. Wir gießen das jetzt einmal in ein parlamentari
sches Verfahren. Dank der Haushaltsexperten auf der linken Seite des Podiums kam dann plötzlich ein Antrag über einen Nachtragshaushalt. Ich bin auch kein Finanzpolitiker. Ich weiß nicht, wie substanziiert dieser Antrag ist, aber ich glaube, er ist ganz gut. Jetzt ist das, was Sie sich Richtiges ausgedacht haben, plötzlich mehrheitsfähig in diesem Haus. Denn - Kopfrechnen können wir, glaube ich, alle - wenn Sie den Abgeordneten Klug davon überzeugen können, dass er diesem Antrag zustimmt, dann haben Sie gut die Hälfte von dem, was Sie in Ihrem Papier gefordert haben, schon einmal durchgesetzt. Das ist ein schöner Erfolg für eine Einzelperson. Ich würde mich darüber freuen.
Das muss man sehen: Der Minister hat für seine Vorstellung durchaus eine Mehrheit in diesem Haus.
Ich stelle mir aber auch andere Fragen, wenn ich diese Debatte als Vater und Großvater verfolge. Ich glaube, diese Fragen stellen Hunderttausende Menschen da draußen sich, wenn auf dieser Seite des Hauses immer so geklatscht wird, wenn auf die Versäumnisse sozialdemokratischer oder rot-grüner Bildungspolitik eingegangen wird. Sie sind ja immer so begeistert davon. Das schönste Beispiel war vorhin: Wir bilden immer noch Lehrer aus für Schularten, die es nicht mehr gibt.
Da waren Sie ganz begeistert, das abzustellen.
Ich frage mich: Wissen Sie eigentlich, dass Sie seit gut zweieinhalb Jahren a) die Mehrheit in diesem Hause haben und das jederzeit hätten abstellen können und b) der Minister, der für die Lehrerausbildung zuständig ist, zwar im Moment nicht im Haus ist, aber immerhin Ihren Reihen angehört, auch wenn er kein Parlamentsmitglied ist? Da frage ich mich doch: Wenn das so schlimm ist und wenn Sie da immer so jubeln müssen, wenn ein sozialdemokratisches Versäumnis aufgeworfen wird, warum stellen Sie es denn nicht einfach ab? Ist es so kompliziert, dazu ein Gesetz zu schreiben?
Das sind die Fragen.
Dann müssen wir uns doch auch ernsthaft einmal fragen: Herr Klug, warum spielen Sie dieses Spiel denn noch mit? Sie sind doch in dieser Beziehung auf dem richtigen Weg. Dann sagen Sie doch: Jetzt
stehen wir dazu. Wenn Sie dann von Ihren eigenen Leuten angepflaumt werden, dann sagen Sie doch: Ich suche mir in diesem Land die Mehrheit. Diese ist doch da. So kompliziert ist das doch gar nicht.
Deswegen begrüßt meine Fraktion sehr die namentliche Abstimmung über diesen Antrag, damit wir einmal sehen, ob wir mit dem Minister Klug und mit dem Abgeordneten Klug eine gespaltene Persönlichkeit in diesem Haus sitzen haben oder was wirklich in Ihren Reihen los ist.
Vielen Dank, Herr Kollege. Vielen Dank erst einmal für Ihre aufschlussreichen Äußerungen zur Arbeitsweise innerhalb des Koalitionsausschusses und zu den Indiskretionen, die da passieren. Das hätte man sich als normaler Mensch gar nicht vorstellen können.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, ich vermute, auch Sie haben Ihren Karl Kraus gelesen. Der von mir sehr geschätzte Schriftsteller hat ja einmal gesagt: Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen sogar Zwerge lange Schatten. Lange Schatten wirft diese Landesregierung eindeutig. Aber denken Sie daran, wenn die Sonne heute niedrig steht, dann ist sie morgen untergegangen, und von Ihrem Schatten ist dann nichts mehr da. Ich glaube, was das bedeutet, werden Sie am 6. Mai 2012 spätestens zu spüren kriegen.
Ich will nur kurz, wirklich nur kurz, auf die Soziokultur eingehen.
- Ganz kurz! Ich wünsche mir, dass dieser Antrag an den zuständigen Fachausschuss überwiesen und dort weiter diskutiert wird. Ich habe Zweifel, dass in diesem Bericht alles so beantwortet worden ist, wie es hätte beantwortet werden sollen. Ich lasse mir diese Zweifel gern nehmen. Ich will trotzdem ein paar Zahlen dazu nennen: 126 hauptamtliche Mitarbeiter in der Soziokultur plus 330 Ehrenamtler haben im vorletzten Jahr 4.487 Veranstaltungen organisiert. Man muss sich das vorstellen: 126 Mitarbeiter 4.487 Veranstaltungen mit geschätzten 700.000 bis 800.000 Besuchern. Das ist eine großartige Leistung, für die wir uns bei allen Mitarbeitern und ehrenamtlich Tätigen in der Soziokultur bedanken sollten.
Zu den herausragenden Leistungen dieser Landesregierung gehört, dass sie für die 19 soziokulturellen Zentren - manche von uns kennen sie; sie sind meistens in sehr alten und sehr schützenswerten Gebäuden - 2011 immerhin noch 95.000 € Investitionsförderung ausgegeben hat. Das klingt angesichts der Zustände in diesen Zentren eher wie ein Witz. Deswegen haben Sie auch für 2012 gesagt: Die Lächerlichkeit und die Peinlichkeit müssen wir uns nicht mehr geben, wir streichen die Investitionsförderung ganz. Das ist die kulturpolitische
Leistung dieser Landesregierung im Bereich Soziokultur. Sie haben sich bis auf das Hemd blamiert!
Seit 1618 wird in Schleswig nachweislich Theater gespielt. 1781 hat Landgraf Karl von Hessen sogar das Gottorfer Hoftheater gegründet. Da zeichnete sich schon ab - das war nämlich der dänische Statthalter in Schleswig in dieser Zeit -: Die Dänen wussten immer schon besser, wie es geht. Hören Sie gleich gut zu, wenn Frau Spoorendonk redet!
Nach Kriegsende gab es in Schleswig ein entscheidendes Ereignis. Da wurde nämlich ein großes Privattheater gegründet, nachdem die Nazis die Theaterszene im Landesteil Schleswig so gut wie zerschlagen hatten. Das Renaissance-Theater haben die Briten 1947 freigegeben. Im März 1949 passierte das, was Sie jetzt auch planen für das Landestheater, nämlich das Renaissance-Theater meldete Konkurs an, und 88 Ensemble-Mitarbeiter standen auf der Straße.
Das ist alles absehbar. Wir wissen, was dabei herauskommen wird, wenn Sie Ihre Kahlschlagspolitik weitermachen, Herr Minister. Trotzdem lassen Sie sich nicht beirren. Sie sagen wahrscheinlich: Nach mir die Sintflut. Politik der verbrannten Erde zumindest im Kulturbereich.
Schleswig-Holstein bildet bei der Kulturfinanzierung bereits heute das Schlusslicht in Deutschland. Ohne die Mittel des kommunalen Finanzausgleichs - wir müssen uns hier einmal ganz klarmachen, dass die FAG-Mittel keine Mittel des Landes sind, sondern FAG-Mittel sind Mittel, die den Kommunen zustehen, wobei einzig und allein diese Landesregierung sich immer noch anmaßt, darüber zu entscheiden, wie sie die einzusetzen haben - beträgt der Kulturhaushalt - das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen - 0,3 % des Landeshaushalts. Indem wir da sparen, retten wir das Bundesland Schleswig-Holstein vor der endgültigen Verschuldung. Sparen Sie die zu 100 % ein, und Sie werden trotzdem überhaupt nichts davon merken. In der Kultur zu kürzen, heißt, sich an der Gesellschaft dieses Landes zu versündigen.
Der Landeskulturverband, das Kulturforum Schleswig-Holstein und die Kulturpolitische Gesellschaft fordern seit sehr langer Zeit mit sehr konkreten Konzepten und sehr konkreten Forderungen die Politik auf, endlich etwas zu tun. Es gibt in diesem ominösen Punkteplan die Aussage, Kunst und Kultur sind entscheidend für die Persönlichkeitsentwicklung und Bildung des Einzelnen und für eine demokratische und friedliche Zukunft unserer Ge
sellschaft und für die Lebensqualität und die Wirtschaft Schleswig-Holsteins. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, wir machen uns lächerlich, wenn wir hier in allem Ernst über Antifaschismus und über demokratische Entwicklungen diskutieren und gleichzeitig die Kultur plattmachen. Das funktioniert nicht.
Die kulturpolitischen Organisationen haben sehr viele Anregungen gegeben. Sie haben auf sehr viele Tatsachen hingewiesen. Sie haben unter anderem immer wieder darauf hingewiesen, dass die Kommunen die Träger und Förderer von Kunst und Kultur sind und das Land ihnen Anreize bieten muss, diese Aufgaben mit mittelfristigen und langfristigen Perspektiven zu erfüllen. Ein langfristiger Anreiz ist es aber nicht, den Kommunen in jedem Jahr 120 Millionen € zu streichen und zu sagen: Jetzt erfüllt mal schön eure kulturpolitischen Aufgaben. Das funktioniert nicht. Geben Sie den Kommunen die 120 Millionen € wieder, und sie werden ihre Aufgaben erfüllen!
Das tue ich.
- Ja, das kann ich Ihnen sagen.
- Entschuldigen Sie, ich habe nicht immer alles dabei. Minister Klug sagt im Bericht der Landesregierung zur Lage der Soziokultur, Drucksache 17/1923:
„Im Jahr 2011 sind 95.000 € als Investitionsförderung veranschlagt (0740-893 05, MG 14). Für das Haushaltsjahr 2012 hat der Haushaltsgesetzgeber den Ansatz nicht dotiert. In den Erläuterungen dazu heißt es: ‚Für 2012 soll die Förderung zur Kompensation
der institutionellen Förderung ausgenutzt werden’.“
Das ist keine Begründung, aber immerhin: Da haben wir gestrichen und gekürzt.