Protokoll der Sitzung vom 24.03.2011

Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie herzlich. Die Sitzung ist eröffnet. Wir setzen unsere Beratungen fort.

Ich begrüße auf der Zuschauertribüne Gäste vom Regionalen Bildungszentrum 1 in Kiel. - Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Ebenso herzlich begrüße ich unseren früheren Landtagskollegen Claus Hopp. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Beurlaubt für den heutigen Tag sind die Abgeordnete Ines Strehlau und seitens der Landesregierung Ministerpräsident Peter Harry Carstensen und Ministerin Dr. Juliane Rumpf.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, gibt es eine Wortmeldung zur Geschäftsordnung. Ich erteile dem Fraktionsvorsitzenden der FDP, Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki, das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Namens der CDU- und der FDP-Fraktion beantrage ich die Absetzung des Punktes 7 - Wahl des Flüchtlingsbeauftragten - von der Tagesordnung.

Wir bedauern sehr, dass die Oppositionsfraktionen einen Wahlvorschlag eingereicht haben, der in der Koalition aus CDU und FDP und damit in diesem Hause erkennbar keine Mehrheit finden wird. Ich denke, dass dies weder dem Amt noch der Person Wulf Jöhnk angemessen ist, für dessen Arbeit ich mich von dieser Stelle ausdrücklich bedanken will.

(Beifall bei FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Der Flüchtlingsbeauftragte ist ein Beauftragter des Landtages. Deshalb werden wir versuchen, bis zur Mai-Tagung einen Vorschlag zu unterbreiten, der nicht nur von einer Mehrheit aus CDU und FDP getragen werden kann, sondern auch darüber hinaus Unterstützung in diesem Haus findet. Wir halten es für nicht angemessen, im Rahmen von Geschäftsordnungsdebatten über diese Position politisch zu debattieren. Deshalb beantragen wir die Absetzung.

(Beifall bei FDP und CDU)

Jetzt erteile ich dem Herrn Kollegen Jürgen Weber von der SPD-Fraktion das Wort zur Geschäftsordnung.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte dem Geschäftsordnungsantrag des Kollegen Kubicki widersprechen. Das Thema Flüchtlingsbeauftragter befindet sich seit einigen Monaten in der Beratung. Zum Ende des Jahres 2010 hätte diese Position eigentlich neu besetzt werden sollen. Herr Jöhnk hat vor längerer Zeit angekündigt, dass er bereitsteht, dieses Amt weiterhin auszuführen.

Für die Plenartagung im Dezember war bereits angekündigt und in Vorbesprechungen vorgeklärt worden, dass die Wahl durchgeführt werden könnte. Nach Rücksprachen und auf Wunsch einer Oppositionsfraktion haben wir davon abgesehen, die Wahl im Dezember durchzuführen, und uns auf den Januar vertagt.

Im Januar hieß es, es gebe noch Gesprächs- und Beratungsbedarf, und es wurde gefragt, ob wir uns damit einverstanden erklären könnten, diese Frage im Februar zu regeln. Wir haben uns einverstanden erklärt. - Obwohl bereits ein unterschriebener gemeinsamer Antrag vorlag, hieß es im Februar, es seien noch weitere Absprachen notwendig; wir könnten es doch vielleicht auf den März vertagen. Wir haben uns einverstanden erklärt, es auf den März zu vertagen.

Jetzt hören wir, dass heute wieder nicht entschieden und gewählt werden soll. Ich würde sagen, Herr Kollege Kubicki, „nicht angemessen“ ist die richtige Formulierung. Nicht angemessen ist, dass wir dieses Amt so lange in der Schwebe halten. Das ist dem Amt nicht angemessen und auch nicht dem Kandidaten, der sich zur Verfügung gestellt hat.

Aus diesem Grund werden wir dem Geschäftsordnungsantrag nicht zustimmen und beantragen, dass der Tagesordnungspunkt heute oder morgen abgehandelt und die Abstimmung durchgeführt wird. Das halten wir für eine Mindestanforderung. Wir können nicht akzeptieren, dass wir dieses Thema über Monate vor uns hertragen, weil Sie sich intern nicht einigen können.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW)

Meine Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung über den Geschäftsordnungsantrag von CDU und FDP. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? Ich stelle fest, dass der Tagesordnungspunkt 7 Wahl des Flüchtlingsbeauftragten - mit den Stimmen von CDU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und SSW von der Tagesordnung abgesetzt worden ist und in der nächsten Tagung aufgerufen werden wird.

Zu einer persönlichen Erklärung gebe ich das Wort an den Vorsitzenden der SPD-Fraktion, Herrn Abgeordneten Dr. Ralf Stegner.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte Sie darüber unterrichten, dass mir der Flüchtlingsbeauftragte des Landes Schleswig-Holstein, Wulf Jöhnk, mitgeteilt hat, dass er für eine Wiederwahl in das Amt des Flüchtlingsbeauftragten nicht mehr zur Verfügung steht.

Nun rufe ich Tagesordnungspunkt 3 auf:

a) Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Wahlgesetzes für den Landtag von Schleswig-Holstein (Landes- wahlgesetz - LWahlG)

Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/669 (neu)

b) Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Wahlgesetzes für den Landtag von Schleswig-Holstein (Landes- wahlgesetz - LWahlG)

Gesetzentwurf der Fraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW Drucksache 17/1047 (neu)

Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE Drucksache 17/1122

c) Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein und des Landeswahlgesetzes

Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU und FDP Drucksache 17/1081

Bericht und Beschlussempfehlung des Innen- und Rechtsausschusses Drucksache 17/1371

Ich erteile dem Herrn Berichterstatter, dem Vorsitzenden des Innen- und Rechtsausschusses, Herrn Abgeordneten Thomas Rother, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum einen verweise ich der Einfachheit halber auf unsere Beschlussempfehlung und unseren Bericht zum Beratungsverfahren in der genannten Drucksache 17/1371. Zum anderen möchte ich noch zwei Ergänzungen vorschlagen; denn nach Veröffentlichung der Beschlussempfehlung sind noch zwei gesetzessystematische Ungenauigkeiten aufgefallen.

In der Einleitung zur Änderung des Artikels 1 fehlt die Angabe der Fassung der Bekanntmachung. Hier müsste es, abweichend von der Beschlussempfehlung in der Drucksache 17/1371, lauten: „Die Verfassung des Landes Schleswig-Holstein in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Mai 2008 (GVOBl. Schl.-H. S. 223) , zuletzt geändert durch Gesetz …“ Hier müsste also ein anderes Bezugsdatum eingesetzt werden.

Außerdem ergibt sich aus der vorgesehenen Streichung des § 3 Abs. 5 Satz 3 des Landeswahlgesetzes in Artikel 2 des Gesetzentwurfs eine Folgeänderung für den Verweis im neuen Satz 3 auf die ersten Sätze in dem geänderten Absatz. Daher müsste ergänzt werden: „Im neuen Satz 3 wird die Angabe ‚1 bis 3’ durch die Angabe ‚1 und 2’ ersetzt.“ Das hat etwas damit zu tun, dass der Innenund Rechtsausschuss eine Neuregelung im Bezug auf die Ausgleichsmandate empfohlen hat. Insofern soll es künftig einen Satz weniger geben, und wenn es nur zwei Sätze gibt, kann es im Folgenden nicht „1 bis 3“ heißen.

Ich schlage vor, diese beiden redaktionellen Änderungen in die Beschlussempfehlung aufzunehmen.

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Gibt es Wortmeldungen zum Bericht? - Ich sehe, das ist nicht der Fall.

Dann eröffne ich die Aussprache und erteile für die CDU-Fraktion dem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Abgeordneten Dr. Christian von Boetticher, das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beschäftigen uns nicht zum ersten Mal in diesem Landtag mit dem Wahlrecht. Es hat immer wieder Wahlrechtsänderungen gegeben. Diese hat allerdings einen besonderen Ausgangspunkt, nämlich das Landesverfassungsgerichtsurteil vom letzten Jahr. Die Kläger hatten sich gegen § 3 Abs. 5 Satz 3 des Wahlgesetzes gewandt, der die Ausgleichsmandate deckelt. Bei der letzten Wahl hatte die CDU 23 Sitze nach dem Anteil der Zweitstimmen, allerdings 34 Wahlkreise direkt gewonnen. Von den zusätzlichen elf Mandaten mehr wurden allerdings nur acht ausgeglichen, weil wir gemeinsam in diesem Wahlrecht einen Deckel vereinbart hatten.

Nun muss man das Gerichtsurteil genau lesen. Das Gerichtsurteil lässt nämlich offen, wie sich das Gericht grundsätzlich zur Deckelung der Ausgleichsmandate stellt. Es sagt aber: Weil die Zahl von 69 Abgeordneten in der Verfassung stehe, sei im Zusammenspiel dieser Normen diese Regelung verfassungswidrig, weil auch durch die Deckelung - ich zitiere aus dem Urteil - „die vorgeschriebene Abgeordnetenzahl von 69 regelmäßig verfehlt und so Überhangmandate und ihnen folgend Ausgleichsmandate erst in einem nicht mehr vertretbaren Ausmaß entstehen können.“

Das heißt, es geht hier um das Zusammenspiel der Normen. Es lohnt sich darum - das ist auch gemacht worden -, sich andere Verfassungen in Deutschland anzusehen. Man wird sehr schnell erkennen, dass fast alle Verfassungen darauf verzichten, eine konkrete Anzahl von Abgeordneten zu definieren. Wer sich mit Wahlrecht ein bisschen auskennt, weiß, dass das auch Sinn macht. Denn der Verfassungsgesetzgeber und am Ende auch der Gesetzgeber können ein Ziel normieren. Das macht man üblicherweise im Wahlgesetz. Aber sie können eben nicht sagen, wie groß der Landtag - wenn man das Verhältniswahlrecht ernst nimmt - am Ende wird. Denn eines ist ganz klar: Je mehr Parteien gewählt werden, desto größer wird ein Parlament,

(Präsident Torsten Geerdts)

weil diese Parteien alle am Verhältnisausgleich teilnehmen. Je mehr Wählerinnen und Wähler vom Stimmensplitting Gebrauch machen, desto mehr werden Erst- und Zweitstimmenergebnisse auseinanderfallen, desto mehr Ausgleichsmandate entstehen und umso größer wird das Parlament. Wer also ein gerechtes Wahlrecht will, muss zunächst anerkennen, dass allein die Wählerinnen und Wähler mit ihrem Wahlverhalten in der Hand haben, wie groß am Ende ein Parlament wirklich ist. Drei Möglichkeiten gibt es nun, dieses von vornherein zu beeinflussen.

Erstens. Man deckelt den Ausgleich wie beispielsweise der Bund auf null, dann hat man eine sehr genau feststehende Anzahl. Oder man begrenzt den Ausgleich. Das hat das Verfassungsgericht nicht prinzipiell verboten. Das ist in Niedersachsen oder Baden-Württemberg so. Das ist die erste Möglichkeit.

Zweitens. Man verhindert das eben genannte Stimmensplitting, das zu diesen Ausgleichsmandaten und im Endeffekt dann auch zu Überhangmandaten führt, indem man zum Einstimmenwahlrecht zurückgeht.

Drittens. Man senkt die Anzahl der Wahlkreise.

Das sind drei Möglichkeiten, von denen man einzeln oder kombiniert Gebrauch machen kann. Wenn man sich auf die Wahlkreise konzentriert und allein die Anzahl der Wahlkreise senkt, reduziert man den Einfluss der Bevölkerung, und zwar auf die konkrete Zusammensetzung dieses Parlaments. Denn nur die erste Stimme entscheidet darüber, welche konkreten Abgeordneten in diesem Parlament sitzen. Über die anderen Abgeordneten entscheiden nicht konkret die Bürgerinnen und Bürger, sondern die Parteien durch ihre Wahllisten. Wir haben uns immer dagegen verwehrt, diese erste Stimme, diese Wahlkreisstimme geringzuschätzen, weil sie die Bürgerstimme und nicht die Parteienstimme ist.

(Beifall bei der CDU)

Wenn man also allein die Anzahl der Wahlkreise reduzieren will, dann verringert man den Einfluss der Bürgerinnen und Bürger und stärkt die Parteien. Das ist aus unserer Sicht nur bis zu einem gewissen Grad zulässig. Wir haben immer gesagt: Personalisiertes Wahlrecht heißt wenigstens 50 zu 50 - das heißt gleiche Anzahl an direkt gewählten Abgeordneten und Listenabgeordneten -, jedenfalls ohne Überhang- und Ausgleichsmandate muss in diesem System vorhanden sein.

Wir wissen, dass wir einen geringen Einfluss auf die Wahlkreise haben. Auch bei 28 Wahlkreisen wären bei entsprechenden Stimmabgaben durch die Bevölkerung leicht über 80 Abgeordnete möglich. Wir sehen also, dass dieses Regulartorium zu kurz greift. Ich hätte mir darum gewünscht, dass auch in den anderen Bereichen ein Entgegenkommen dagewesen wäre, gerade von denjenigen, die ansonsten nur über Wahlkreise reduzieren wollten. Das wäre die Möglichkeit gewesen, das Parlament nennenswert zu verkleinern, zum Beispiel durch den Rückgang zum Einstimmenwahlrecht oder aber durch die Deckelung von Ausgleichs- und Überhangmandaten. Wir hatten das angeboten. Ich sage ganz deutlich, dass die Union einen Teil dieses Weges gegangen ist. Wir sind beim Verhältniswahlrecht bei der ersten Stimme unseren Weg gegangen. Fünf Abgeordnete, die heute in diesem Parlament sitzen, werden ihren direkt gewonnenen Wahlkreis deswegen verlieren. Das ist das Opfer, das auch eine Union oder auch eine SPD, wenn sie wieder einmal stärkere Kraft werden wird, erbringt. Ich stelle fest, dass die, die jetzt über das Wahlrecht nörgeln, nichts dazu beigetragen haben, dass die Anzahl derjenigen, die hier sitzen, nennenswert reduziert wird.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)