Protokoll der Sitzung vom 09.07.2010

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Guten Morgen, meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, Platz zu nehmen, damit wir in der Tagung fortfahren können.

Ich möchte zunächst Herrn Abgeordneten CarstenPeter Brodersen als erkrankt melden, dem wir gute Besserung wünschen.

(Beifall)

Ab Mittag sind die Abgeordneten Hans-Jörn Arp und Bernd Voß beurlaubt. Des Weiteren sind ganztägig die Abgeordneten Detlef Matthiessen und Ranka Prante beurlaubt. Vonseiten der Landesregierung sind ganztägig Ministerpräsident Peter Harry Carstensen und Minister Dr. Heiner Garg abwesend. Am Nachmittag wird Frau Ministerin Dr. Juliane Rumpf abwesend sein.

Begrüßen Sie bitte mit mir gemeinsam auf der Tribüne Mitglieder der Universität Flensburg und Studierende des Faches Wirtschaft und Politik, Mitglieder des CDU-Ortsverbandes Owschlag sowie die Landesvorsitzende und Bundestagsabgeordnete der LINKEN, Cornelia Möhring. - Herzlich willkommen im Landeshaus in Kiel!

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 12 auf:

Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Wahlgesetzes für den Landtag von Schleswig-Holstein - Landeswahlgesetz

Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/669 (neu)

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache und erteile der Frau Abgeordneten Serpil Midyatli von der SPD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Teilhabe und Partizipation sind unverzichtbare Grundlagen einer lebendigen und offenen Gesellschaft. Die Demokratie lebt durch Teilhabe. Teilhabe an der Gesellschaft beginnt bei Mitbestimmung. Dies ist eine wichtige Erfahrung für junge Menschen. Jugendliche müssen noch mehr in die Entscheidungsprozesse eingebun

den werden. Viele junge Menschen engagieren sich ehrenamtlich, übernehmen in ihrer Freizeit viel Verantwortung - nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere. Wir vertrauen unsere Kinder selbstverständlich Jugendgruppenleitern an, die Aktionen der Ferienbetreuung durchführen oder in Sportvereinen und Jugendverbänden Führungs- und Betreuungsaufgaben übernehmen.

(Unruhe)

Ein anderes Beispiel - - Es ist mir hier vorn ein bisschen zu laut, Entschuldigung.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Ich wiederhole das: Das Beispiel, das ich anbringen wollte, ist, dass ein 16 Jahre alter Junge oder ein 16 Jahre altes Mädchen gemäß § 9 Abs. 2 des Brandschutzgesetzes aktives Mitglied einer Freiwilligen Feuerwehr werden darf und damit eine der verantwortungsvollsten Aufgaben in unserer Gesellschaft ausüben darf: den Schutz und die Rettung von Menschenleben. Aber wir trauen diesen Jugendlichen nicht zu, die Rahmenbedingungen ihres Lebens durch Wahlen selbst mitzubestimmen. Das passt nicht zusammen.

Auch ist eine 16-Jährige oder ein 16-Jähriger nicht zu jung, einen Ausbildungsplatz anzutreten. Warum verwehren wir ihnen eines unserer Grundrechte, das Recht zu wählen?

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und der Abgeordneten Silke Hinrichsen [SSW])

Ich bin fest davon überzeugt, dass Jugendliche sehr wohl verantwortungsvoll mit ihrem Wahlrecht umgehen werden und in der Lage sind, sich vor dem Hintergrund ihrer Kenntnisse und Erfahrungen aus dem ehrenamtlichen Engagement ein eigenes politisches Urteil zu bilden.

Dies wird uns sicherlich dazu bringen, bei unserer Arbeit mehr auf jugendpolitische Themen und Aspekte zu achten. Hierauf haben die Jugendlichen in unserem Land auch einen Anspruch. Ich bin auch fest davon überzeugt, dass, wenn junge Menschen das Recht zu wählen haben, sie sich auch noch mehr für ihre Themen einsetzen werden.

Ganz besonders an den Tagen, an denen das Jugendparlament hier in unserem Haus tagt, erleben wir, wie sich junge Menschen in diesen Parlamentssitzungen engagieren. Sie bereiten Anträge vor und sind sehr engagiert in der Diskussion. An den drei Tagen werden nicht nur jugendpolitische Themen

debattiert - nein, die Jugendlichen sind sehr breit aufgestellt, und ganz besonders die bildungs-, sozial- und umweltpolitischen Themen sind im Fokus der jungen Menschen.

Auch in anderen Gremien lernen junge Menschen, sich mit Themen oder Problemen auseinanderzusetzen und Lösungen aufzuzeigen, wie zum Beispiel in den Schülervertretungen, beim Landesjugendfeuerwehrverband oder auch beim Landesjugendsportverband.

Junge Menschen leben nicht nur in unserer Gesellschaft, sondern sie übernehmen verantwortungsvoll Aufgaben.

(Beifall der Abgeordneten Sandra Redmann [SPD])

Warum also sollen sie nicht auch entscheiden können, wie ihre Zukunft aussehen soll? Oft reden wir hier im Parlament darüber, dass wir Politik für nachfolgende Generationen und für junge Menschen machen. Dann ist es auch nur konsequent, wenn ein 16 Jahre alter Mensch auch mitreden und wählen darf.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW)

Für die CDU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Markus Matthießen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Normalerweise müsste ich hier ganz besinnlich eine Adventskerze anzünden und das Lied „Alle Jahre wieder“ anstimmen. Erstens werde ich das aber aus Brandschutzgründen nicht tun, und zweitens, denke ich, würde das auch nicht die Zustimmung des Hauses erfahren.

(Christopher Vogt [FDP]: Wohl wahr!)

Die letzte Diskussion zum Thema Reduzierung des Wahlalters auf 16 Jahre fand in diesem Hause am 6. Mai 2009 statt. Ich könnte es mir einfach machen und die damalige Rede des Kollegen Peter Lehnert erneut zum Besten geben.

(Gerrit Koch [FDP]: Die war gar nicht schlecht!)

Denn wesentlich neue Erkenntnisse hat es im vergangenen Jahr nicht gegeben. Aber Sie können beruhigt sein: Die Argumente aus dem letzten Jahr,

die noch genauso gelten, werde ich trotzdem nicht wiederholen. Stattdessen versuchen SPD und Grüne wieder einmal Effekthascherei und wollen krampfhaft auf jugendlich machen.

Den Wettbewerb „Wer bietet das niedrigste Wahlalter?“ werden wir nicht mitmachen. Die Tatsache, dass in anderen Bundesländern und bei Verbänden sogar über ein Wahlalter von 14 Jahren diskutiert wird, beeindruckt ebenso wenig. Wer meint, dass Jugendliche politische Zusammenhänge am besten mit dem Gebrauch des Wahlrechts erlernen, der irrt.

Der Wahlakt ist kein Staatsbürgerkundeunterricht. Man gibt auch einem Kleinkind keine Streichhölzer, damit es unbeobachtet den verantwortungsvollen Umgang mit dem Feuer lernen kann.

(Zurufe von der SPD)

Es ist zwar legitim, Jugendliche für Politik begeistern zu wollen, das hat aber nicht über Experimente im Wahlrecht, sondern über eine gute politische Bildung zu geschehen, für die wir uns alle einsetzen sollten.

(Beifall bei CDU und FDP)

Kernpunkt ist doch die Frage nach der sogenannten Wahlreife. Wir haben diese in unserem Wahlgesetz sinnvollerweise mit der Volljährigkeit verbunden.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dolgner?

- Nein, ich möchte gern fortfahren.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Kai Dolgner [SPD])

Natürlich lässt sich trefflich darüber streiten, ob ein Jugendlicher mit 16 Jahren schon die nötige Reife besitzt, um die Zusammenhänge der Parteien und der Landespolitik zu durchschauen. Wenn als Argument kommt, dass die heutigen 16-Jährigen schon wesentlich reifer sind, als es die gleiche Altersgruppe vor zehn oder 20 Jahren war, kann man dem die Tatsache entgegenhalten, dass sich zum Beispiel viele Ausbildungsbetriebe über die mangelnde Ausbildungsreife heutiger Jugendlicher beklagen. Dies kann man nicht ignorieren.

(Dr. Kai Dolgner [SPD]: Wahlrecht ist ein gutes Recht, Herr Kollege!)

(Serpil Midyatli)

Ich möchte mich auch gegen das Bild zur Wehr setzen, es sei undemokratisch, 16-Jährige von der Wahl auszuschließen. 14-, 12-, 10- oder 8-Jährige von der Wahl auszuschließen, ist auch nicht undemokratisch.

Wir müssen unterscheiden. Wir als Abgeordnete haben das ganze Volk zu repräsentieren: vom Säugling über alle Kinder und Jugendlichen bis hin zu den Alten und denjenigen, die nicht mehr wählen können. - Das ist etwas völlig anderes als die Frage, ab welchem Zeitpunkt man aufgrund der nötigen Reife das Recht erhalten kann, für sich selbst und die Gemeinschaft den guten vom schlechten Repräsentanten oder den Populisten vom Fachmann zu unterscheiden.

Eine Senkung des Wahlalters würde natürlich auch Auswirkungen auf den Wahlkampf haben. Auf der Tagesordnung dieser Landtagstagung stehen beispielsweise Themen wie Dataport, Justizvollzugsanstalt Glasmoor, die Reform der Katasterverwaltung und die Sicherungsverwahrung. Wie soll sich ein 16-Jähriger vernünftig damit auseinandersetzen?

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Ist Ihnen das nicht peinlich, Herr Kollege?)

Auf die juristischen Gegebenheiten wie zum Beispiel die beschränkte Geschäftsfähigkeit unter 18-Jähriger oder die besondere Behandlung Heranwachsender im Jugendstrafrecht möchte ich gar nicht weiter eingehen.