Serpil Midyatli
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte mich gern für die Antwort der Landesregierung und bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die an der Ausarbeitung der Antwort auf diese Große Anfrage beteiligt gewesen sind, bedanken.
Die Antwort zeigt sehr deutlich: Trotz aller Fortschritte bleibt noch sehr viel zu tun, wenn wir eine echte Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit in unserem Land erreichen wollen. Darin deckt sich die Antwort der Landesregierung mit dem kürzlich vorgestellten Nationalen Aktionsplan Integration der Bundesregierung.
Aus meiner Sicht gibt es drei Handlungsfelder, vor denen wir stehen: Erstens. Die Beherrschung der deutschen Sprache. Zweitens. Die Integration und Inklusion in den Regelunterricht. Drittens. Die Gleichstellung der Schulabschlüsse. Dass man Deutsch beherrschen muss, um in der Schule Erfolg zu haben und um in der Gesellschaft und somit auf dem Arbeitsmarkt gleichberechtigt zu
sein, gilt nicht nur für Menschen mit Migrationshintergrund, sondern für alle.
Erzieherinnen und Erzieher sowie Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer können ein Lied davon singen, wie schlecht die Sprachfähigkeit auch vieler Kinder aus ethnisch deutschen Familien ist. Es war deshalb eine richtige Entscheidung, die Feststellung der Sprachfähigkeit in die Kitas zu verlagern, um sie dazu zu verpflichten, in Zusammenarbeit mit der Schule die nötigen Fördermaßnahmen durchzuführen. Die Voraussetzung dafür allerdings ist, dass wir die Kinder erst einmal in die Kitas bekommen.
Denn wenn noch im Jahre 2011 rund 18 % der Kinder in den Kitas mindestens einen ausländischen Elternteil hatten und 10,3 % zu Hause vorrangig deutsch sprachen, dann bleibt noch eine Menge zu tun. Sie verweisen darauf, dass die Beteiligung von Kindern mit Migrationshintergrund in den Kitas zwischen 2009 und 2010 sprunghaft von 68,7 auf 84,1 % angestiegen sei. Dann muss man sich doch einmal die Frage stellen, woran das vielleicht gelegen haben kann, denn in den anderen Bundesländern haben wir solche Steigerungszahlen nicht. Ich kann Ihnen aber sagen, woran das lag. Es lag an dem richtigen Beschluss der SPD, das letzte KitaJahr beitragsfrei zu gestalten.
Sie werden es erleben, wenn die Zahlen für 2011 ausgewertet sind. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Wiedereinführung der Gebührenpflicht negative Folgen haben wird.
Falls Sie wirklich immer noch der Meinung sind, die Fernhalteprämie alias Betreuungsgeld durchsetzen zu müssen, dann wird dies ein weiteres Vehikel dafür sein, genau die Kinder aus den Kitas fernzuhalten, die dort unbedingt hingehören.
Die Mittel, die für das Betreuungsgeld vorgesehen sind, sind bei den Kommunen und bei den freien Trägern besser aufgehoben als bei dem Betreuungsgeld. Deshalb werden wir uns auch weiterhin bemühen, in der nächsten Legislaturperiode die Gebührenfreiheit mindestens für das letzte Kita-Jahr vor der Einschulung wieder einzuführen. Langfristig streben wir auch an, die gesamte Bildung von der Kita bis zum ersten Studienabschluss gebührenfrei zu machen.
Mich beunruhigt schon sehr, wenn im Schuljahr 2010/11 42 % aller Schülerinnen und Schüler auf ein Gymnasium gegangen sind, aber nur 26 % der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund. Ich bin davon überzeugt, dass die Möglichkeit, die die Gemeinschaftsschule auf der Grundlage des längeren gemeinsamen Lernens bietet - nicht nur für alle Schüler, sondern gerade auch für die mit Migrationshintergrund - eine riesige Chance ist, denn an dieser Schulart war 2010/11 die Beteiligung der Schüler mit Migrationshintergrund unwesentlich höher als die von Schülern ohne.
Was uns im Bildungswesen fehlt, sind junge Menschen aus Migrantenfamilien, die sich dazu entschließen, einen pädagogischen Beruf zu ergreifen, sei es nun als Erzieherin oder Erzieher oder ganz besonders als Lehrerin oder Lehrer. Ich weiß, dass es - zum Teil aufgrund von Mentalitätsproblemen - besonders bei jungen Männern bei diesem Beruf, weil er ein typisch weiblicher Beruf ist, Schwierigkeiten gibt und das Ansehen dafür noch fehlt. Aber bis vor nicht allzu langer Zeit war das in deutschen Familien auch nicht anders, und das war für deutsche Männer auch nicht gerade ein besonders attraktiver Beruf. Das heißt, der Wandel in den Köpfen dauert etwas länger an, aber er geschieht.
Ich hätte mich auch gefreut, wenn Sie, Herr Bildungsminister Klug, einige Initiativen ergriffen hätten. Vorschläge gibt es ja bereits aus den anderen Bundesländern. Ihre Aussage dazu war lediglich, Sie würden sich das weiterhin ansehen. Es ist nicht die Aufgabe einer Regierung, sich etwas anzusehen, sondern es ist die Aufgabe einer Regierung, zu handeln und zu gucken, wo sie etwas verbessern kann.
Ich möchte ganz gern noch einen Akzent auf die berufsbildenden Schulen legen; denn wir sehen, dass die Schülerinnen und Schüler mit und ohne Migrationshintergrund dort in fast gleicher Anzahl vorhanden sind und Abitur machen. Dies zeigt auch, dass das frühe Aussortieren aus dem System nicht dazu führt, dass die Kinder die gleiche Chance im Schulbildungssystem haben, sondern das frühe Aussortieren führt dazu, dass sie das Abitur erst auf dem zweiten Bildungsweg erreichen können. Das ist für mich auch ein Zeichen dafür, dass es nicht daran liegt, ob jemand einen Migrationshintergrund hat oder nicht. Ich fand es auch sehr schön, dass Frau Franzen vorhin auch gesagt hat, dass dies nicht immer als negativ angesehen werden muss. - Wenn Sie Ihren Namen hören, dann reagieren Sie sofort, nicht wahr?
Ja. - Das muss man also durchaus positiv bewerten.
Wie gesagt, es gibt noch viel zu tun in diesem Bereich. Ich hätte mich sehr gefreut, wenn wir von Ihnen, Herr Minister, dazu einige Anregungen und Vorschläge bekommen hätten. Etwas darüber, was Sie gemacht haben, um weitere Fortschritte zu erzielen, haben wir leider nicht gehört. Wir haben also viel zu tun, packen wir es gemeinsam an. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit euch.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben und verehrten Kolleginnen und Kollegen! Einzelne Kollegen von der FDP und der CDU-Fraktion möchte ich auch begrüßen.
Unter diesem Tagesordnungspunkt - das ist hier schon mehrfach gesagt worden - werden leider drei Anträge miteinander vermengt, die nicht viel miteinander zu tun haben. Nun denn, wir werden alle versuchen, das Beste daraus zu machen.
Zunächst einmal möchte ich gern auf den SPD-Antrag zur Integrationsleistung dieser Landesregierung eingehen.
2009 startete diese schwarz-gelbe Koalition mit der Überschrift „Koalition des Aufbruchs“. Trotz Finanznot des Landes scheute man nicht davor zurück, weitere Ressourcen zu schaffen. So kam Schleswig-Holstein mit dem Kollegen Peter Lehnert zu seinem ersten Integrationsbeauftragten. Die SPD-Fraktion sah keine Notwendigkeit für einen Beauftragten für die Integrationspolitik. Jetzt haben wir 2012, und ich meine, es ist Zeit genug ins Land gegangen, um mal zu schauen, was passiert ist, welche Akzente gesetzt worden sind und was er persönlich in Schleswig-Holstein dafür getan hat, dass sich das gemeine Zusammenleben auf dieser Basis verändert und verbessert hat.
Im November 2011 haben wir endlich einen Aktionsplan der Landesregierung vorgelegt bekommen. Vieles davon kennen wir bereits; das kommt
uns sehr bekannt vor, denn bereits 2002 hat die rotgrüne Regierung ein Integrationskonzept vorgelegt, und vieles daraus ist jetzt auch in diesen Aktionsplan eingegangen. Wenn wir uns aber die Ergebnisse anschauen, dann können wir feststellen, dass fast ausschließlich unsere Arbeit fortgeführt worden ist, ohne nennenswerte eigene Akzente zu setzen. Ihr Integrationsplan, lieber Herr Minister Schmalfuß, trägt die rot-grüne Handschrift,
bis auf den Punkt - das haben Sie auch schon angeführt -, Deutsch als Fremdsprache verpflichtend in die Lehrerausbildung aufzunehmen und einen Integrationspreis auszuloben, für dessen Finanzierung Sie bei der Integrationssozialberatung gespart haben - das muss man auch dazu sagen -, um sozusagen ein öffentlich wirksames Schauspiel zu veranstalten, wozu über 370 Menschen auch tatsächlich gekommen sind. In der Presse fand dies aber überhaupt keinen Widerhall. Das fand ich sehr schade; Sie haben auch mehrfach gesagt, dass Sie es traurig fanden, dass darüber gar nicht berichtet worden ist.
Was die Charta der Vielfalt angeht, so finde ich es wie soll ich es ausdrücken - sehr gut und wirklich lobenswert, dass wir der jetzt auch beigetreten sind. Ich muss dazu sagen, als ich Sie damals gefragt habe, was sie davon halten, ob wir dieser Charta der Vielfalt beitreten wollen, fragten Sie mich: Frau Midyatli, was ist denn das? Man muss aber zugutehalten, dass Sie damals Ihr Amt erst neu angetreten hatten. Deswegen freue ich mich ganz besonders und teile auch das, was die Kollegin Amtsberg gesagt hat, dass wir mit Ihnen eigentlich gut zusammenarbeiten konnten.
Ich möchte jetzt noch auf die mageren Ergebnisse eingehen und muss auch feststellen: Sie haben ja vorhin auch ausgeführt, Herr Minister Schmalfuß, was der Kollege Peter Lehnert als Integrationsbeauftragter alles geleistet hat. Ich muss um Verzeihung bitten, falls ich meinen Job als Abgeordnete hier falsch verstanden habe. Genau das haben wir als integrationspolitische Sprecherinnen und Sprecher aus allen Fraktionen im gesamten Land auch getan.
- Ohne zusätzliche Ressourcen, meintest du? Okay.
Was wir in diesem Land brauchen, ist Einsicht, die Einsicht, dass dies Querschnittsaufgabe aller
Ministerien ist und nicht die Aufgabe eines Einzelnen, der dieser Mammutaufgabe ersichtlich nicht gewachsen ist. Ich muss wirklich sagen, das kann man allein auch gar nicht. Unsere gemeinsame Zukunft hängt von der wirtschaftlichen und sozialen Teilhabe aller Menschen in der Gesellschaft ab. Leider muss man auch hier feststellen, dass nicht alle Kabinettsmitglieder dies verstanden haben.
Über den zweiten Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben wir bereits im Innen- und Rechtsausschuss diskutiert und haben auch die Expertise des Flüchtlingsbeauftragten Stefan Schmidt eingeholt. Über die Unterbringung von Flüchtlingen ist festgestellt worden, dass diese Zustände nicht haltbar sind. Sie haben in dem Aktionsplan auch von einer Willkommenskultur gesprochen. Wie kann man Menschen, die neu in dieses Land kommen und dann in Containern untergebracht werden, sagen: Herzlich willkommen, das ist unser Schleswig-Holstein, hier habt ihr einen Container, in dem könnt ihr wohnen. Das ist keine Willkommenskultur, das ist auch keine Anerkennungskultur.
Ich weiß auch, dass Sie eine Handreichung haben, dass Sie Empfehlungen haben, in denen ganz klar aufgezählt ist, wie eine Unterbringung von Flüchtlingen sein muss. Sie sind auch gegen diese Unterbringung in den kleinen Zimmern und gegen die Containerunterbringung. Das Problem ist nur, dass sich die Kommunen nicht alle daran halten. Es kann nicht sein - ich habe das auch schon mehrfach im Innen- und Rechtsausschuss gesagt -, Sie können von den Menschen, die hierher kommen, nicht immer verlangen, sie sollen sich an Gesetz, an Ordnung und an ihre Pflichten halten, und auf der anderen Seite umgehen wir gerade Empfehlungen, Verordnungen, die dieses Land den Kommunen hinreicht aus Kostengründen.
Denn das ist die ehrliche Antwort in dieser Debatte: Wir machen Integrationspolitik nach Kassenlage.
Leider läuft meine Zeit wirklich rapide ab. Deshalb muss ich jetzt wirklich sehr schnell zusammenfassen.
Herzlichen Dank. Wie gesagt, wenn wir uns die Ergebnisse dieser Regierung angucken, kann man wirklich sagen, dass ausschließlich unsere Arbeit fortgeführt worden ist, was wir natürlich schätzen, aber eigene Akzente sind hier nicht gesetzt worden. Das bedauern wir sehr. Sie hätten genug Zeit gehabt.
Wenn ich ein Resümee ziehen soll: Eines Integrationsbeauftragten hätte es nicht bedurft. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben in fast allen Diskussionen, die wir geführt haben, festgestellt, dass es sowohl im Bund als auch im Land jedes Mal an einer Partei scheitert, dass die Integration nicht gelingen kann, dass wir in diesem Bereich nicht weiterkommen, dass wir stehen bleiben, teilweise sogar zurücksteuern. Das ist, muss ich leider sagen, die CDU. Mit Ihnen können wir in diesem Land keine vernünftige Integrationspolitik machen; denn Sie blockieren alles, was für die Zukunft notwendig wäre.
Wenn ich Ihre Ausführungen gerade richtig verstanden habe, gehen Sie davon aus, dass die Eltern ihre Kinder zu Hause problemlos, wunderbar und gut erziehen. Davon gehen auch wir aus. Ich frage Sie, warum dann nicht alle Eltern das Betreuungsgeld bekommen? Warum selektieren Sie dann? Warum machen Sie zwischen Hartz-IV-Eltern und anderen Eltern Unterschiede?
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Kalinka, Sie haben es wieder einmal geschafft, uns alle hier ein bisschen aufzubringen. Sie haben von kommunaler Demokratie gesprochen. Kommunale Demokratie entsteht, wenn wir auch Beteiligung einräumen. Beteiligung bedeutet, dass sie auch ernsthaft gemeint ist und nicht auf Freiwilligkeit besteht. Deswegen fordern wir immer noch und weiterhin ein, dass § 47 f GO genauso bleibt, wie er schon einmal bestanden hat. Sie gehen davon aus, dass das alles auf freiwilliger Ebene geschehen kann. Sie wissen ganz genau, dass das nicht geschieht, dass auf kommunaler Ebene die Beteiligungsrechte - wir haben dazu auch mehrere Anfragen gemacht und Anhörungen durchgeführt - auch mit der vorherigen gesetzlichen Regelung nicht entstanden sind und dass wir da immer noch Aufholbedarf haben.
Es gibt einige Kommunen, wo das großartig läuft. Ahrensburg ist hier zu nennen, wo die kommunale Beteiligung von Kindern und Jugendlichen wunderbar läuft, aber es ist im ganzen Land noch nicht so weit.
Wir werden auch dieses leider handwerklich wieder schlecht Gemachte ändern müssen. Erst aufgrund unseres Antrags haben Sie sich bemüht, wieder einen Halbsatz in den Gesetzentwurf hineinzubrin
gen, weil Sie unglaublich viele Proteste aus dem ganzen Land bekommen haben.
Wie gesagt, die Liste der Aufgaben nach dem 6. Mai verlängert sich dadurch nur. Aber wir nehmen diesen Rucksack mit. Gehen Sie davon aus, dass wir das alles nach dem 6. Mai wieder verändern werden.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe das Wort ergriffen, weil ich nicht verstehe, was hier gerade passiert. Hier stehen jetzt eine Selbstständige, ein Selbstständiger hintereinander auf und erklärt, wie er oder sie es macht. Darum geht es überhaupt nicht.
- Ich bin sehr lange selbstständig gewesen und habe sehr lange einen Familienbetrieb geführt. Ich weiß, worum es geht, wenn Sie das ansprechen. Das ist
nicht etwas, was die FDP für sich gepachtet hat. Wir wissen auch, worüber wir sprechen.
Es ist doch wahnwitzig zu sagen: Nur weil ich nicht korrupt bin, brauche ich das Gesetz nicht. Dann könnte ich auch sagen: Ich klaue nicht, also brauchen wir keine Gesetze gegen Diebstahl, oder: Ich morde nicht, also brauchen wir keine Gesetze gegen Mord. Was ist das für eine Einstellung?
Wir stehen hier jetzt alle und rechtfertigen uns bereits. Was daran ist denn so schlimm?
Wir werden auch jedes Mal gefragt. In jeder Besuchergruppe werden wir gefragt, ob wir neben unserem Beruf noch etwas anderes machen, wie unsere Einkünfte sind. Sie sind auch erlesbar. Was wollen wir eigentlich nicht preisgeben, was wir sowieso schon immer machen? Ich verstehe nicht, welches Ihr Problem dabei ist. Ich verstehe es nicht. Also was ist das Problem?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am 16. Januar starb ein 11-jähriges Kind in Hamburg. Dieses Kind war ein Pflegekind, also ein Kind, das der Jugendhilfe bekannt ist, ein Kind, das aus der eigenen Familie herausgenommen wurde, um in einem sicheren und behüteten Umfeld untergebracht zu werden.
Jetzt werden Sie sagen: Das war doch in Hamburg. Stimmt. Schleswig-Holstein kennt so einen Pflegekinderfall bisher nicht. Wir wollen es trotzdem zum Anlass nehmen, das Pflegekinderwesen in Schleswig-Holstein zu überprüfen und weiterzuentwickeln. Denn der Schutz von Kindern und Jugendlichen muss kontinuierlich ausgebaut werden.
Es ist Ihre Aufgabe, Herr Minister Garg, hier immer genau hinzuschauen, wie denn die örtliche Umsetzung erfolgt. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen muss auf Ihrer Prioritätenliste ganz oben stehen.
Leider musste das Land erleben, dass der Kinderschutz in Schleswig-Holstein in den letzten zweieinhalb Jahren nicht weiterentwickelt wurde. In diesem sensiblen Bereich haben CDU und FDP sogar Kürzungen vollzogen.
Herr Minister Dr. Garg, Sie sollten sich nicht immer hinter Gesetzen verstecken und die Verantwortung gänzlich abgeben.
- Das habe ich gehört, Herr Minister Schlie. - Das lassen die Gesetze auch nicht zu.
- Ja, Frauen-Multitasking.
§ 49 SGB VIII -
- Meine Herren, sind wir da vorne gleich durch? Sie können gerne mitentscheiden, wenn Sie möchten. Ich mache das so wie in der Schule. Ich bin so lange still, bis alle still sind.
§ 49 SGB VIII enthält einen Landesrechtsvorbehalt, sodass das Nähere zu den Aufgaben im Abschnitt „Schutz von Kindern und Jugendlichen in Familienpflege und in Einrichtungen“ das Land regeln kann. Und § 82 SGB VIII besagt, dass die oberste Landesjugendbehörde die Weiterentwicklung der Jugendhilfe anzuregen und zu fördern hat. Die Länder sollen die Jugendämter bei der Arbeit und bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben unterstützen. Also gibt es genügend Spielraum, um unseren Landesverfassungsauftrag, nämlich den Schutz von Kindern und Jugendlichen, umzusetzen.
Aber auch die notwendigen Weiterentwicklungen durch das Bundeskinderschutzgesetz und die Emp
fehlungen zum Umgang mit Kindern und Jugendlichen bei sexuellen Übergriffen und Missbrauch erfordern ein Überprüfen aller Handlungsspielräume. Dafür war der erste Runde Tisch im Sozialministerium ein erster Schritt.
Unser Antrag ist auch eine Reaktion auf Äußerungen und Berichte, dass in Schleswig-Holstein im Pflegekinderwesen unterschiedlich agiert wird. Wir wissen nun, dass es Empfehlungen der Kreise und kreisfreien Städte für die fachliche Arbeit im Bereich des Pflegekinderwesens gibt. Doch es bleibt festzustellen, dass nicht überall die Empfehlungen gleichermaßen umgesetzt werden. Hier finden wir - gibt es noch Handlungsbedarf.
Wir fordern daher verbindliche Standards für einen besseren Schutz von Kindern und Jugendlichen.
Wir wollen und können nicht einfach die Verantwortung abgeben. Wenn was passiert, dann sind ganz einfach die örtlichen Jugendhilfeträger schuld. Wir wollen, dass freie Träger die Jugendämter in ihrer Arbeit unterstützen. Daher halten wir es für sinnvoll, dass sich im Pflegeelternwesen alle Akteure im Land auf allen Ebenen darüber verständigen, wie denn einheitliche Standards für Schleswig-Holstein entwickelt und verbindlich umgesetzt werden können. Dafür ist es auch wichtig, die Betroffenen einzubinden.
Ich betone, dass wir mit diesem Antrag niemanden vorverurteilen wollen. Wir sind dankbar für die Arbeit der Pflegeeltern. Ihre Hilfsbereitschaft, ein Kind aufzunehmen, ist sehr wichtig und verdient unsere Anerkennung und Unterstützung.
Es gibt für viele Kinder die Gelegenheit, Liebe und Geborgenheit zu erleben, die ihnen leider im häuslichen Umfeld vorenthalten wurde.
Auch die Arbeit der Jugendämter ist nicht immer leicht und verdient unsere volle Unterstützung, aber auch unseren Einsatz für eine personell gut ausgestattete Hilfestruktur. Wir, die SPD-Fraktion mit Unterstützung der Grünen, wollen den bestmöglichen Schutz von Kindern und Jugendlichen in unserem Bundesland, und das verdient unser aller Einsatz.
32 Sekunden hätte ich noch.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir sind uns in diesem Hohen Haus immer einig gewesen: Null Toleranz gegenüber den Rechtsextremisten, egal ob in den Parlamenten oder auf der Straße!
Ferner waren wir uns auch immer einig, dass der jährliche Naziaufmarsch und der Versuch, die Bombardierung Lübecks zur Relativierung der nationalsozialistischen Verbrechen zu missbrauchen, zu verurteilen ist und eine unerträgliche Verhöhnung der Opfer des Nationalsozialismus darstellt.
Herr Innenminister, es erschließt sich uns daher nicht, wie Ihre gegenüber der Presse gemachten Äußerungen dabei helfen sollen, diesen Spuk in diesem Jahr durch ein rechtssicheres Demonstrationsverbot zu verhindern.
Öffentlich fordern Sie den Bürgermeister von Lübeck auf, den Aufmarsch zu verbieten. Als zuständiger Minister wissen Sie aber genau, dass öffentliche Verbotsaufforderungen der obersten Versammlungsbehörde drei Monate vor der Demonstration den Erfolg eines Verbotsverfahrens mehr gefährden als ihm nützen können.
Aber wir wissen ja, dass Sie es eigentlich besser wissen; denn in der letzten Innen- und Rechtsausschusssitzung haben Sie uns wortreich erklärt, dass eine öffentliche Diskussion über die Erkenntnisse, die Ihnen heute vorliegen, die Sie zu Ihrer Einschätzung gebracht haben, dass ein Verbotsverfahren erfolgreich sein könnte, dieses gefährden könnte. Und dann wiederum dürfen wir aber in der Presse lesen, dass die Erkenntnisse über die NSU Sie zu dieser Einschätzung geführt haben. Herr Innenminister, Sie können nicht gegenüber dem Innen- und Rechtsausschuss die auch unserer Meinung nach richtige Auffassung vertreten, dass jede öffentliche Diskussion über konkrete Verbotsgründe das Verfahren gefährdet, aber gleichzeitig gegenüber der Presse genau dies tun, um nach außen das Bild des durchgreifenden Ministers zu suggerieren.
Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter, kommen wir jetzt zu unserem nun endlich gemeinsamen Antrag. Ich finde, dass es auch diesem Hohen Haus sehr gut zu Gesicht steht, dass wir es geschafft haben. Ich hätte mich gefreut, wenn wir es bei diesem Thema, bei dem wir uns immer sehr einig sind, noch ein paar Tage vorher geschafft hätten. Aber nun ist es ja geschafft. Wir wollen alle ein rechtssicheres Verbot der Nazi-Demo in Lübeck erreichen. Hier schließen wir uns den Forderungen des Kollegen Kalinka aus dem Dezember an. Dies kann nur gelingen, wenn der Innenminister alle ihm bekannten Informationen der Versammlungsbehörde in Lübeck, und nur dieser, mitteilt. Mit Freude stelle ich fest, dass wir es nun geschafft haben. Ich stelle aber auch fest, dass viele in diesem Haus die Auffassung teilen, dass Demo-Verbote nicht die Verpflichtung zur Demonstration der öffentlichen demokratischen Gegenmacht ersetzen können.
Gerade am heutigen Tag sollten wir die Gemeinsamkeit der Demokraten suchen und nicht kleinlich das Trennende in der Interpretation einzelner Formulierungen. Das ist ein Wink in Richtung der LINKEN. Deshalb freue ich mich darauf, wenn möglichst viele am 31. März in Lübeck ein friedliches Zeichen gegen Rassismus, Faschismus und rechte Gewalt setzen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte das bestätigen, was Minister Schlie hier ausgeführt hat. Das Wichtigste, worauf
die Menschen jetzt warten - ich habe in den letzten Tagen mit vielen türkischstämmigen Migrantenorganisationen, Vereinen und Verbänden, auch mit vielen Menschen aus meinem Umfeld, mit Nachbarn gesprochen -, ist Aufklärung. Sie wollen, dass das aufgeklärt wird. Sie wollen wissen, was in den letzten zehn Jahren genau passiert ist.
Es wäre ein wichtiges und gutes Zeichen, dass den Menschen gerade in den Opferfamilien ihre Würde zurückgegeben würde, wenn sich zum Beispiel Polizei oder auch die oberen Bediensteten bei den Familien dafür entschuldigten, dass sie diese Familien jahrzehntelang verdächtigt haben, Drogenhändler gewesen zu sein. Es ist in diese Richtung ermittelt worden. Diese Menschen mussten sich jahrzehntelang bei ihren Verwandten, Familienangehörigen und Nachbarn dafür rechtfertigen. Untersucht worden ist auch, ob sie Verbindungen zu Mafiaorganisationen gehabt haben. Das sind ehrbare Bürger gewesen, denen von heute auf morgen Drogenhändlertätigkeit oder Mafiabezüge oder sonst etwas nachgesagt wurde.
Das kränkt die Menschen neben dem Verlust, den sie in ihrer Familie hatten, zusätzlich. Gerade, wenn man sich überhaupt nicht in diesem Umfeld bewegt und nie etwas damit zu tun gehabt hat, ist das eine ganz besondere Schande. Sie wissen, dass Ehre im moslimisch-arabischen Spektrum einen anderen Hintergrund hat, wenn sie sich auf einmal hinstellen und rechtfertigen müssen und erklären müssen, dass sie keine Drogendealer sind, dass sie nichts mit Schutzgeld, Schmiergeld oder sonst irgendetwas zu tun haben. Es wäre wirklich ein ganz wichtiges Zeichen, wenn man sich bei diesen Menschen dafür entschuldigt, dass man sie sozusagen jahrzehntelang mit diesem Stempel auf ihren Stirnen hat herumlaufen lassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mir ist auch ganz besonders wichtig, auf etwas aufmerksam zu machen, was in diesem Land eigentlich Alltag ist: Verdrängen, Wegschauen und Ablenken. Das ist in der Regel die Wahl des Mittels, das wir nutzen, wenn Rassismus und Intoleranz gesehen werden. Jedes Wochenende können wir hier vor Clubs und Discotheken erleben, dass türkischstämmige oder diejenigen, die so aussehen - es kommt ja alles in einen Topf hinein -, vor den Clubs stehen und ihnen gesagt wird: Du bist Türke, du kommst hier nicht rein. Auch das Zücken des deutschen Personalausweises nutzt gar nichts. Sie kommen nicht rein. Sie müssen vor den Clubs bleiben.
Es gibt einen Fitnessclub, da gibt es eine Türkenquote. Wenn die erreicht wird, dürfen sich nicht mehr Migranten in diesem Club anmelden. Denn, wenn zu viele Türken da sind, kommen die Deutschen nicht mehr.
Man erlebt Diskriminierung in Behörden, in der Schule, auf der Straße. Eine Frau in Greifswald wurde angespuckt, weil sie asiatisch aussieht. Das ist etwas, wo wir alle mithelfen können, wo wir hingucken können. Wir wollen nicht verdrängen, wir wollen nicht wegschauen, und wir wollen nicht ablenken. Das können wir jeden Tag tun.
Ich weiß, es gibt Situationen, die Sie alle mit Sicherheit einmal erlebt haben, bei denen Sie sich vielleicht gedacht haben: Ist ja nicht ganz so schlimm. - Doch, es ist schlimm!
Ich bin 36 Jahre alt. Ich bin in diesem Land geboren und aufgewachsen. Ich bin Schleswig-Holsteinerin - mehr als alles andere. Wir wollen in diesem Land endlich akzeptiert werden. Wenn ich höre, dass Horst Seehofer im März dieses Jahres gesagt hat: „Wir werden uns gegen Zuwanderung in deutsche Sozialsysteme wehren - bis zur letzten Patrone“, dann hat das für mich einen ganz merkwürdigen Beigeschmack.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Magnussen, Sie haben mich dazu veranlasst, mich auch zu Wort zu melden. Ich bin lange selbstständig gewesen und komme aus einer Selbstständigen-Familie. Daher weiß ich ganz genau: Die Unternehmen, über die wir im Moment reden, sind nicht die Familienbetriebe in Schleswig-Holstein, nicht die kleinen und mittelständischen Betriebe. Wir wissen, sie sind hier angesiedelt und haben eine lange Tradition. Wir reden über die Callcenter, die nicht den Lohn zahlen, den die Mitarbeiter eigentlich verdienen, und über den Niedriglohnbereich. Sie wissen, dass es um solche Unternehmen geht.
Herr von Boetticher, Sie haben dargelegt, wie sich nach Ihrer Ansicht der Niedriglohnsektor herausgebildet habe. Sie wissen, dass in Betrieben in Schleswig-Holstein die Stammbelegschaften entlassen wurden, um sie dann wieder einzustellen und niedrigere Löhne zu zahlen. Das können Sie doch nicht leugnen. Sie sind doch auch vor Ort und reden mit den Menschen, mit denen, die in den Betrieben tätig sind.
Ich weiß, dass Vertreter eines Unternehmens zum Mitarbeiter eines Jobcenters gesagt haben: Diejenigen, die wir entlassen haben, wollen wir nicht wiederhaben, weil sie versucht haben, einen Betriebsrat zu gründen. - Das ist die Realität. Der eigentliche Grund, warum Sie von der CDU beim Thema
Mindestlohn umgeschwenkt sind, liegt darin, dass auch Sie endlich anfangen, die Realität in unserem Land wahrzunehmen. Sie wollen mittlerweile auch mitagieren und nicht immer nur zugucken. Sie wissen, dass wir Mindestlöhne auch deshalb brauchen, um im europäischen Umfeld wettbewerbsfähig zu bleiben. Wir brauchen Mindestlöhne in unserem Land, um Wettbewerb gestalten zu können. Ich finde es erbärmlich, wenn Sie sich hier hinstellen und so tun, als ob wir Familienbetriebe in unserem Land angreifen würden. Das stimmt nicht.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der August-Tagung waren wir uns hier im Haus alle einig, dass wir eine stichtagsunabhängige Bleiberechtsregelung mit vernünftigen Zugangskriterien brauchen. Der Fall Tigran, dessen bevorstehende Abschiebung und die Reaktion der Öffentlichkeit haben uns alle - quer durch die Fraktionen - bestürzt und uns vor Augen geführt, dass hier endlich eine gerechte Lösung gefunden werden muss.
Entsprechende Anträge wurden in den Ausschuss überwiesen, Anhörungen durchgeführt. Herr Minister Schmalfuß nahm den Fall zum Anlass, am 22. August 2011 öffentlich eine stichtagsunabhängige Bleiberechtsregelung nach dem Vorbild des § 25 a Aufenthaltsgesetz zu fordern.
In der vorletzten Sitzung des Innen- und Rechtsausschusses präsentierte er uns schließlich einen konsensfähigen Vorschlag für eine Bundesratsinitiati
ve mit Eckpunkten. Unter anderem fordert er die Sicherung des Lebensunterhaltes durch aktive Teilnahme am Arbeitsmarkt, aber im Sinne einer überwiegenden Erwerbssicherung -. Das ist der erste Unterschied, Frau Damerow -: eine überwiegende Erwerbssicherung als Ergebnis des Anhörungsverfahrens. Zudem fordert er, dass Antragsteller unbestraft sein müssen - mit Ausnahme - hier ist der zweite Unterschied, Frau Damerow - solcher Straftaten, die nach dem Aufenthaltsgesetz oder dem Asylverfahrensgesetz nur von Ausländerinnen und Ausländern begangen werden können.
Alles wunderbar, könnte man meinen. Dem ist aber nicht so. Denn die Fraktionen von CDU und FDP legten uns in der Sitzung ebenfalls einen Antrag vor, aus dem nicht eindeutig hervorgeht, wie die beiden Kriterien denn gemeint sind. Auf meine Nachfrage hin bekam ich von Kollege Gerrit Koch die Aussage, es handele sich um eine überwiegende Lebenssicherung. Dem widersprach jedoch die Aussage der Kollegin Damerow, man habe eine völlige Lebensgrundsicherung gemeint. Ähnlich unterschiedliche Auffassungen gelten auch für das Kriterium der Unbestraftheit. Gleichwohl haben Sie von den Regierungsparteien Ihren Antrag, über dessen Inhalt man offensichtlich völlig unterschiedlicher Auffassung ist, beschlossen.
Zugleich haben Sie den zuständigen Fachminister ihrer Landesregierung öffentlich brüskiert, da Sie dessen fachkundiges Urteil offenbar gar nicht interessiert. Wir haben jetzt die interessante Situation über ein gemeinsames Papier von CDU und FDP abstimmen zu müssen, über dessen Inhalt die Autoren höchst unterschiedliche Auffassungen vertreten. Schwarz-Gelb stellt uns immer wieder vor neue Herausforderungen. Wir sind der Auffassung, dass der Vorschlag des Ministers Schmalfuß der richtige Schritt zu einer Bundesratsinitiative ist und legen Ihnen heute den Vorschlag des Ministers - den Vorschlag des Ministers! - zur Abstimmung vor.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der CDU. Das, was Sie uns hier vorgelegt haben, bringt uns keinen einzigen Schritt weiter. Wenn das so verabschiedet wird, wird keiner der betroffenen 1.800 Menschen in Schleswig-Holstein von der neuen Regelung profitieren können. Der Vorschlag des Ministers ist weder rot noch grün, auch nicht schwarz oder gelb. Zur Lösung eines immer wieder auftretenden Problems ist dies eine geeignete Lösung, bei der eine Gnadenentscheidung des Ministerpräsidenten durch eine klare gesetzliche Regelung ersetzt wird. Zwar sprechen wir dem
Ministerpräsidenten nicht ab, hier verantwortliche Entscheidungen zu treffen, aber das Prinzip Gnade vor Recht ist in einem Rechtsstaat keine gute Lösung. Mit der Zustimmung zur Beschlussempfehlung des Innen- und Rechtsausschusses sprechen Sie Ihrem Justizminister erneut das Misstrauen aus, nachdem Sie ihn bereits bei der doppelten Staatsbürgerschaft und dem Optionsmodell zurückgepfiffen haben. Welch ein erbärmliches Trauerspiel!
Danke schön, Herr Präsident. - Kollege Jezewski, können Sie sich ebenso wie ich daran erinnern, dass im Fall Tigran gerade die Straffälligkeit der Eltern beziehungsweise die damaligen Aussagen, die in dem Antrag der Kollegen von der CDU und FDP vorkamen, all dies ausgelöst haben? Stimmen Sie mir zu, dass gerade dies all dies ausgelöst hat und dass dies in dem Antrag von CDU und FDP als Ausnahmeregelung explizit drinsteht?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte auch ich mich im Namen meiner Fraktion für die Beantwortung der Großen Anfrage bedanken. Dies gilt umso mehr, da man sich doch die Frage stellen muss: Was soll das?
Keine Frage: Alle demokratischen Parteien - vorneweg die beiden großen Volksparteien - tragen hier eine große Verantwortung, Rechtsextremismus, Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus in allen seinen Formen zu bekämpfen. Anti-Demokraten, die unsere demokratische Grundordnung zerstören wollen, muss entschieden entgegengetreten werden.
Dies tun wir, indem wir uns mit den Ursachen, den Erscheinungsformen und den Gefahren des Rechtsextremismus auseinandersetzen und uns dabei auch kritisch fragen, welchen Beitrag wir selbst zu der Entwicklung geleistet haben und was wir besser machen müssen, um rechtsradikalen Brandstiftern das Handwerk legen zu können. Wir tun es, indem wir uns mit den Argumenten und Parolen der Rechtsextremen beschäftigen, damit wir ihren Vereinfachungen, Vorurteilen und Scheinlösungen widersprechen können und ihnen nicht kampflos die
Hoheit über Stammtische überlassen. Wir zeigen in der Öffentlichkeit Präsenz, indem wir uns an gewaltlosen Demonstrationen gegen rechtsextreme Aufmärsche und Aktionen beteiligen und hierzu auch öffentlich aufrufen. Wir unterstützen die Arbeit der Polizei, die nach unserer Erfahrung und Überzeugung den braunen Mob in Lübeck oder anderswo genauso abstoßend und ekelerregend findet wie wir, jedoch an Recht und Gesetz gebunden ist und daher die Demonstrationsfreiheit für alle zu gewährleisten hat.
Wir organisieren Veranstaltungen, in denen wir für mehr Toleranz und Vielfalt in unserem Land werben, über Vorurteile aufklären und uns dagegenstellen. Wir tun es mit Informationsveranstaltungen in den Schulen, mit der Finanzierung von Demokratie-Initiativen, Beratungseinrichtungen und Aussteigerprogrammen. Wir beteiligen uns an den Runden Tischen gegen Rechtsextremismus dort, wo der Rechtsextremismus nicht nur abstrakt, sondern konkret vor Ort vorhanden ist und das friedliche Zusammenleben der Menschen gefährdet.
Jetzt fragen Sie sich sicherlich, was das mit der Großen Anfrage zu tun hat. - Zu Recht! Die Große Anfrage ist aus meiner Sicht entweder ein erschreckendes Dokument der Hilf- und Einfallslosigkeit einer Fraktion, die in ihrer Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus bereits an den Begrifflichkeiten scheitert,
oder sie ist der, wie ich finde, ebenfalls gescheiterte -
- Ich bin so irritiert von dem Applaus auf dieser Seite.
- Es wird noch besser! Warten Sie, Herr Schippels! Es wird noch besser!
Oder sie ist der ebenfalls gescheiterte Versuch, gegenüber bestimmten Interessengruppen einen Tätigkeitsnachweis für ein Thema abzuliefern,
das von Ihnen zwar immer wie eine Monstranz vorweggetragen wird, mit dem Sie sich aber offenkundig außer anlässlich von Sitzblockaden überhaupt nicht beschäftigen. Wie denn auch? - Bei Veran
staltungen von Fachleuten wie beispielsweise bei der Fachkonferenz des Rates für Kriminalitätsverhütung am 19. September 2011 in Lübeck fehlen Sie in der Regel. So ist es auch nicht verwunderlich, wenn Ihre sogenannte Große Anfrage so spannende Fragen enthält wie beispielsweise Nr. 1.5.4. ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin aus der Großen Anfrage -:
„Wie finanzieren sich die jeweiligen Parteien beziehungsweise parteinahen (Jugend-)Organisationen?“
Die überraschende Antwort:
„Rechtsextremistische Parteien finanzieren sich im Wesentlichen durch Mitgliedsbeiträge, Spenden und Mittel aus der staatlichen Teilfinanzierung.“
Toll, großartig, was für eine große Überraschung!
So geht es weiter. Da wird nach den politischen Mandaten rechtsextremer Parteien seit 2005 gefragt, obwohl doch wirklich jeder, der sich in der Szene auskennt und mit dem Thema beschäftigt, weiß, dass die NPD in der Kieler Ratsversammlung und im Kreistag des Kreises Herzogtum Lauenburg erstmalig seit der Kommunalwahl 2008 jeweils mit einem Mandat vertreten ist.
Da werden Datenfriedhöfe angelegt und Zahlen abgefragt, die bereits durch Anfragen der Bundestagsfraktion DIE LINKE ständig erhoben werden.
- Doch, auch. Gucken Sie doch einmal rein! Ich habe alles bei mir oben liegen! Wozu das alles dienen soll, erschließt sich uns nicht. Vor allem ist uns völlig unklar, warum diese Auflistung nun erforderlich ist, obwohl die wesentlichen Fakten -
- Ich habe meine Meinung dazu. Danke schön.
Warum ist diese Auflistung erforderlich, obwohl die wesentlichen Fakten der Zusammenhänge bereits umfänglich und periodisch im Verfassungsschutzbericht dargestellt werden? Man hat beim Lesen der Antworten auf Ihre Fragen zu Recht ständig Déjà-vu-Erlebnisse,
weil wir bereits in der letzten Tagung über diesen Bericht debattiert haben.
In dieser Debatte fiel übrigens auch vom Kollegen Schippels ein Satz, den ich hier noch einmal erklären muss. Sie sagten anlässlich der Debatte zum Verfassungsschutzbericht 2010 in der Sitzung am 15. September 2011 Folgendes - ich zitiere, Frau Präsidentin -:
„Der Bericht, der uns heute hier vorgelegt wird, ist aus unserer Sicht so unsinnig wie die Arbeit des Verfassungsschutzes in Schleswig-Holstein.“
Herr Schippels, was glauben Sie denn, woher die Informationen kommen, die Sie da abfragen?
Glauben Sie ernsthaft, dass das Innenministerium bei der NPD angerufen hat und nach der Altersstruktur der Mitglieder gefragt hat oder wann das nächste Feldlager der HDJ stattfindet? Oder wie wollen Sie ohne den Verfassungsschutz das tatsächliche Bedrohungspotenzial der rechtsautonomen Gruppen beurteilen?
Reicht Ihnen da das fachkundige Urteil Ihres Kollegen Thoroe und seiner Freunde? - Mir nicht!
Ihre Anfrage ist genauso konfus wie Ihre Auseinandersetzung mit dem Thema. Ihre Methodik im Umgang mit politischem Extremismus ist widersprüchlich und aus meiner Sicht auch unprofessionell. Ein Beitrag zur ernsthaften Auseinandersetzung mit diesem Thema ist Ihre Anfrage sicherlich nicht.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Dreiminutenbeitrag des Kollegen Schippels hat mich noch einmal hierherbemüht. Niemand streitet Ihnen das Recht ab, Große Anfragen zu stellen. Etwas anderes habe ich in meinen Ausführungen auch überhaupt nicht gesagt. Meine Kritik richtete sich gegen die Art. Sie haben im Februar 2010 eine Kleine Anfrage gestellt, noch einmal im Februar 2010 eine Kleine Anfrage zum gleichen Thema gestellt, im März 2010 noch einmal eine Anfrage gestellt. Dann gab es drei Anfragen im Bundestag, teilweise mit den gleichen Fragen, dann kommt diese Große Anfrage. Wir hatten vorher den Verfassungsschutzbericht, und wir hatten den Sicherheitsbericht. Die Fragen haben sich ständig wiederholt.
Ich musste mir da einmal die Frage stellen: Was soll das Ganze? Wissen Sie was, Herr Schippels? Wenn wir hier eine Liste aufmachen würden, wer mehr in diesem Laden - Entschuldigung -, in diesem Parlament diskriminiert wurde, ausgegrenzt wurde, da würden Sie, glauben Sie mir, im direkten Vergleich mit mir den Kürzeren ziehen. Ich möchte hier nicht eine Liste aufmachen, wer, wie, wann und wo verfolgt wurde, wer sich wann und wo eingesetzt hat. Sie haben sich hier vorhin hingestellt und haben gesagt: Ich habe mich hier eingesetzt, ich habe mich da eingesetzt.
Darum geht es überhaupt nicht in dieser Großen Anfrage. Es geht um das, was Sie abgefragt haben, und die Ergebnisse lagen uns schon vor.
Wenn Sie sich dann hier hinstellen und sagen, die Antworten bräuchten sie gar nicht, das hätten sie auch alles googeln können, dann frage ich: Was ist denn das für eine Aussage?
Das war der Grund, warum ich meine Rede so formuliert habe, wie ich das wollte.
Wenn Sie hier von sachlich reden, dann schauen Sie sich doch bitte noch einmal Ihre Fragen an.
Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte mich im Namen meiner Fraktion für die von Horst Eger geleistete Arbeit bedanken. Ich wünsche ihm viel Spaß in seinem wohlverdienten Ruhestand.
Ferner bedanke ich mich für den Bericht. Er hat mir sehr gut gefallen, gerade in der Art und Weise, wie er auf einzelne Punkte eingeht.
Ich möchte mich in meiner Rede auf zwei Schwerpunkte beschränken, weil ich finde, dass sie inhaltlich den größten Anteil des Berichts ausmachen: Rechtsextremismus und Islamismus.
Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Rechtsextremisten sowie der rechtsextremistischen Aktionen und Straftaten zurückgegangen. Auch rückläufig war die öffentliche Präsenz des Rechtsextremismus. Die NPD befindet sich auch in SchleswigHolstein weiter im Niedergang und hat außerhalb des rechtsextremistischen Spektrums keinen politischen Einfluss.
Ein Grund zur Freude? - Nein. Denn die rechtsextremistische Szene in Schleswig-Holstein befindet sich im Wandel. Feste Strukturen von sogenannten Kameradschaften oder Bindungen von Skinheads beziehungsweise Neonazis an die NPD werden durch rechtsautonome Aktionsgruppen ersetzt, die zahlenmäßig zwar schwächer, dafür aber radikaler und gewaltbereiter auftraten. Hinzu kommen gewaltbereite Einzelpersonen, die aktionistisch ausgerichtet sind und mit ihrer Gefolgschaft provozierend bis aggressiv in Erscheinung treten, beispielsweise diverse Mitglieder selbst ernannter Aktionsgruppen, die zuletzt bei der Kundgebung zum 1. Mai in Husum ein Feld der Verwüstung und Schrecken hinterlassen haben.
Den größten Zulauf erhalten die sogenannten Aktionsgruppen aus der Altersgruppe der 16- bis 25Jährigen. Daher ist es zwingend notwendig, die präventiven Angebote für junge Menschen nicht abzubauen, sondern weiterhin zu fördern.
Jeder Zentimeter, den wir im öffentlichen Raum der Jugendsozialarbeit räumen, ist eine Einladung an politische und religiöse Extremisten jeglicher Couleur, diese Lücke auszufüllen. Und sie nutzen ihre Chance. Daher ist es zwingend notwendig, die Jugendtreffs, die Mädchentreffs, aber auch die Schulsozialarbeit auch im ländlichen Raum zu unterstützen und nicht weiter abzubauen.
Die vitale Zivilgesellschaft des Landes stellt dem Rechtsextremismus selbst eine Menge entgegen. Daher konnte es Extremisten bislang nirgendwo gelingen, Dominanz auszuüben. Allen Organisationen, die sich gegen rechte Gewalt und Rechtsextremismus einsetzen, möchte ich auch im Namen meiner Fraktion sehr herzlich dafür danken, dass sie Tag für Tag Zivilcourage zeigen.
Auch der Landeskoordinierungsstelle gegen Rechtsextremismus gilt unser Dank. Seit Ende 2009 gibt es diese kompetente Beratungsstelle, an deren Team sich Bürgerinnen und Bürger, aber auch Institutionen direkt wenden können, wenn sie sich aufgrund rechtsextremer, fremdenfeindlicher oder antisemitischer Vorfälle bedroht fühlen.
Einen weiteren Schwerpunkt im Bericht nimmt der Islamismus ein. Der 11. September 2011 hat die
Welt und die Sichtweise der Menschen auf den Islam verändert. Der Islamismus ist zu einer ernst zu nehmenden Gefahr auch für uns in Deutschland geworden. Die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes aus dem Jahr 2010 machen die derzeitige Bedrohung durch den islamischen Terrorismus auch in unserem Land deutlich.
Seinen Ursprung hat der Islamismus in einer extremistischen Auslegung des Islams, die von der großen Mehrheit der Moslems abgelehnt wird. Dies erkennt auch der Verfassungsschutz, wenn er in dem Bericht formuliert - ich möchte mit Ihrer Erlaubnis zitieren, Herr Präsident -:
„Islamismus als Form des politischen Extremismus ist zunächst klar von der Religion des Islam selbst zu unterscheiden. Der Islam sowie die gläubigen Muslime und ihre Religionsausübung stehen in keiner Weise im Fokus der Beobachtung und sind für den Verfassungsschutz auch nicht relevant.“
Wie sieht jedoch die Realität aus? - Die Realität in der Politik und in der Bevölkerung sieht anders aus. Man darf heute von „kleinen Kopftuchmädchen“ sprechen; stärker als bislang wird die Integrationsdebatte auf den Islam reduziert. So ist es kein Zufall, dass islamfeindliche Einstellungen deutlich zugenommen haben. 58,4 % der Befragten waren der Meinung, die Religionsausübung für Muslime solle erheblich eingeschränkt werden. Ich finde das bedenklich; denn Artikel 4 des Grundgesetzes garantiert die Glaubens- und Gewissensfreiheit. Genau das ist es, liebe Kolleginnen und Kollegen, was uns Demokraten von den Extremisten unterscheidet: die Wahrung der Grundrechte der Menschen.
Dies dürfen wir nicht preisgeben; denn sonst hätten die Extremisten ihr Ziel erreicht.
Meine Fraktion und ich treten für eine sehr kritische Auseinandersetzung mit dem Thema des religiösen Extremismus und ethnischer Parallelgesellschaften ein. Die Freiheiten des Grundgesetzes und unserer Gesellschaft dürfen auch nicht dazu missbraucht werden, unter ihrem Schutz Intoleranz, Selbstjustiz, Gewalt gegen Frauen und ein mittelalterliches Gesellschaftsmodell anzuwenden oder zu predigen. Demokratie, Menschenwürde und Rechtsstaatlichkeit gelten für alle, aber verpflichten auch alle.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Dieser Bericht macht so rich
tig viel Spaß. Eigentlich hätte ich meine gesamte Rede nur mit Zitaten aus und Verweisen auf Seiten des Berichtes bestücken können. Ich habe mich aber dann doch entschieden, das anders zu machen.
Auch im Namen meiner Fraktion möchte ich mich zunächst recht herzlich für diesen Bericht bedanken. Für zwei Kollegen hier im Haus dürfte dieser Bericht wohl sehr ernüchternd sein. Ich möchte gern vorwegnehmen, dass es im Gesamtergebnis keinen Anstieg der Jugendkriminalität in Schleswig-Holstein gibt. Dieses wird im Bericht mehrfach wiederholt und herausgestellt, lieber Herr Kollege Kalinka.
Die üblichen Verdächtigen bei diesem Thema sollten endlich aufhören, hier Populismus zu betreiben. Damit sind sie in Hessen bereits einmal böse auf die Nase gefallen. Ich komme noch einmal darauf zurück.
Auch wird noch einmal darauf hingewiesen, dass es in Schleswig-Holstein keinen einheitlichen Kriterienkatalog für jugendliche Intensivtäter gibt. Auch das hat Innenminister Schlie schon gesagt, und dies hat bereits mein Kollege Dr. Dolgner bei der Ausschussberatung des ersten Teils des Berichtes verdeutlicht. Daher ist es notwendig, jetzt eine klare und einheitliche Definition für SchleswigHolstein zu erarbeiten.
Ein weiterer sehr interessanter Aspekt im Bericht, der auch mehrmals erwähnt wird, ist die Stellungnahme zur geschlossenen Heimunterbringung:
„Es besteht Konsens … darin, dass eine Rückkehr zu den herkömmlichen Modellen der geschlossenen Unterbringung abgelehnt wird.
Intensive pädagogische Betreuungsmaßnahmen, die gerade für die Mehrfach- und Intensivtäter zu entwickeln sind, haben in jedem Fall Vorrang.“
Ich habe mir fast jede Seite markiert, in der das im Bericht aufgeführt wurde. Das kommt mehrmals im Text vor.
- Es wird noch besser. Das Modell, das im Ausschuss von der Landesregierung Niedersachsen
CDU/FDP - vorgestellt wurde, wonach eine Unterbringung - ich bitte Sie, jetzt einmal kurz auf die Zahlen zu achten - von Kindern und Jugendlichen im Alter von 10 bis 14 Jahren - 10- bis 14-jährige Kinder! - in geschlossenen Heimen erfolgt - das wurde uns im Innen- und Rechtsausschuss vorgestellt -, lehnt meine Fraktion kategorisch ab.
Auch Sie, verehrte CDU-Kollegen, sollten sich endlich von diesem Vorhaben ein für allemal verabschieden.
Denn es zieht sich wie ein roter Faden durch den gesamten Bericht, wie wichtig die präventiven und erzieherischen Maßnahmen sind. Und die gibt es bereits. Was glauben Sie denn, wofür die Jugendämter da sind? Sie blenden völlig aus, dass man schon etwas tun kann und auch muss, bevor ein Kind so weit abgerutscht ist, dass man nur noch auf dessen Strafmündigkeit warten kann.
Aber wer im Bereich der Jugendarbeit, der Jugendhilfe kürzt, bekommt natürlich die Probleme, die dann durch Einsperren gelöst werden sollen.
- Erst einmal zuhören! Wir setzen dagegen auf ein vielfältiges und bedarfsgerechtes Angebot an Präventiv- und Interventionsmaßnahmen, um der Jugendkriminalität entgegenzutreten.
1993 hat sich Schleswig-Holstein daher aus gutem Grund entschieden, die Landeseinrichtungen zu schließen. 2011 will die CDU diese wieder einrichten, obwohl bisher niemand ein tragfähiges sozialtherapeutisches Betreuungskonzept - wie Sie das nennen - entwickeln konnte, welches offenbar selbst Sie zur Bedingung hierfür machen wollen. Und das nennen Sie dann Fortschritt!
Tatsächlich empfiehlt der Bericht auf Seite 28 doch gerade das Gegenteil: Es bedarf für diese Altersgruppe gar keiner neuen spezialisierten Angebote oder Einrichtungen, vielmehr ist es notwendig,
„den Jugendämtern das im Einzelfall passende Angebot auf der Grundlage zentraler Kenntnisse über die Angebotsstruktur und
die Leistungsprofile im Land empfehlen zu können“.
Dem habe ich nichts mehr hinzuzufügen.
Aber auch im Bereich der Jugendlichen und Heranwachsenden gibt der Bericht wertvolle Hinweise. So wird Folgendes berichtet, nämlich dass die Jugendgerichtshilfe „in einem nicht unerheblichen Prozentsatz“ nicht mehr an den Hauptverhandlungen in Jugendstrafsachen teilnimmt. Weiter wird die zunehmende Abnahme der Fachlichkeit in den Bereichen der Jugendgerichtshilfe und der Jugendstrafjustiz beklagt. So erfüllen laut einer bundesweiten Befragung im Jahr 2003 - es gab leider keine aktuelleren Zahlen und auch keine über Schleswig-Holstein in dem Bericht - 38,8 % der Jugendrichter und 25 % der Jugendstaatsanwälte nicht die Voraussetzungen des § 37 JGG, der eine erzieherische Befähigung und Erfahrung in der Jugenderziehung verlangt.
Ein Ansatz wäre hier, die Qualität der Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen der beteiligten Professionen zu verbessern und die Jugendgerichtshilfe wieder in die Lage zu versetzen, ihrer wichtigen Aufgabe nachzukommen, die übrigens in § 38 JGG gesetzlich vorgeschrieben ist.
Ein Punkt in dem Antrag von CDU und FDP, der diesen Bericht eingefordert hat, war ja, ob denn die Präventionsmöglichkeiten ausreichen oder hier weitergehende Maßnahmen als erforderlich angesehen werden. Da haben Sie die Antworten.
Ich habe zu Beginn meiner Rede darauf aufmerksam gemacht, dass dieser Bericht insbesondere zwei Kollegen die Augen öffnen sollte. Gemeint sind die Kollegen Herr von Boetticher und Herr Kalinka,
die im Juni 2011 mit großem Mediengetöse ihr Papier ,,Zehn Maßnahmen zu Prävention und Sanktionen bei jugendlichen Intensivtätern“ vorgestellt haben. Statt über Führerscheinentzug, Warnschussarrest und geschlossene Heime zu diskutieren, sollten Sie den vorliegenden Bericht Ihres Innenministers erst einmal gründlich durcharbeiten und dann bitte endlich Konsequenzen daraus ziehen.
Sehr geehrter Herr Kollege Kalinka, haben Sie bitte zur Kennt
Frau Präsidentin! Ich lächele, weil ich immer noch versuche, die Aussage von soeben zu verdauen: Müssen wir tatsächlich immer noch Abschiebungshindernisse beseitigen, liebe Frau Damerow? Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Fall Tigran hat uns deutlich vor Augen geführt, dass das Aufenthaltsgesetz geändert werden muss. Schon mehrfach wurde angekündigt, dem Phänomen der Kettenduldung Abhilfe zu leisten; das ist bisher nur unzureichend geschehen. Die Unsicherheit bei Betroffenen, ob sie bleiben dürfen, führt dazu, dass sie jahrelang auf gepackten Koffern sitzen und sich nicht richtig in die Gesellschaft integrieren.
Eine weitere Folge des ungesicherten Aufenthaltsstatus besteht darin, dass diese Menschen keinen oder nur eingeschränkten Zugang zu Integrationsmaßnahmen haben. Selbst wenn sie es aus eigener Kraft und mit eigenem Fleiß schaffen, Sprachkenntnisse zu erwerben, eine Ausbildung zu absolvieren, sich eine berufliche Existenz aufzubauen und sich in die Gesellschaft zu integrieren, bietet das alles keinen Schutz vor der Abschiebung in ein Land, dessen Staatsbürger sie nur noch formal sind. Viele dieser Menschen haben hervorragende Integrationsleistungen erbracht, ohne Aussicht darauf zu haben, dass dies von dieser Gesellschaft anerkannt wird. Bestenfalls können sie - wie im Fall Tigran auf ein positives Votum der Härtefallkommission hoffen. Das ist ungerecht und stellt keinen Anreiz dar, sich zu integrieren, wie wir es von allen Zuwanderern verlangen. Im Kopf ist immer der Gedanke, dass man schon bald abgeschoben werden könnte.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat uns einen Antrag vorgelegt, in dem deutlich wird, wie sie sich eine Gesetzesänderung vorstellen kann. Dann ereilte uns jedoch die Nachricht aus dem Integrationsministerium. Emil Schmalfuß schlug vor, einen eigenen Aufenthaltstitel für Ausländerinnen und Ausländer, die sich nachhaltig integriert haben, einzurichten. Das ist zwar nicht ganz neu, aber neu zumindest für ein schwarz-gelbes Kabinett.
Wir, die SPD-Fraktion, begrüßen diesen Vorschlag sehr. Aus der Sicht meiner Fraktion handelt es sich
um einen pragmatischen Ansatz, den wir unterstützen können. Wir sind auch bereit, einige unserer Forderungen zurückzustellen, um hier einen möglichst breiten Konsens zu ermöglichen. Es kann vermieden werden, dass ewig und drei Tage an einem Aufenthaltsgesetz herumgedoktert wird; ein eigener Aufenthaltstitel würde endlich auf gesetzlicher Ebene Klarheit schaffen.
Der Fall Tigran war und ist keine Ausnahme. Vor ähnlichen Schwierigkeiten stehen die Ausländerbehörden und die Härtefallkommission immer wieder. Die Entscheidung, ob jemand bleiben darf oder nicht, hängt gegenwärtig auch von der Gnade des Ministerpräsidenten ab. In diesem Falle zeigte der Daumen nach oben - danke, Herr Ministerpräsident Carstensen! Ihr Einsatz in allen Ehren, aber Gnadenentscheidungen dürfen in einem Rechtsstaat keine gesetzlichen Regelungen ersetzen.
Mit unserem Antrag möchten wir, die SPD-Fraktion, die Bemühungen des Herrn Minister Schmalfuß unterstützen. Auch wir sind der Auffassung, dass im Bundesrat eine entsprechende Initiative gestartet werden muss. Wenn Sie gestatten, Frau Präsidentin, würde ich gern aus der Presseerklärung des Herrn Ministers vom 22. August 2011 zitieren:
,,Ich bin davon überzeugt, dass wir eine dauerhafte Regelung im Gesetz brauchen, die diejenigen begünstigt, die sich langjährig hier aufhalten und sich integriert haben.“
Da zum Ende dieses Jahres die bereits verlängerte Altfallregelung ausläuft, muss die Initiative noch in diesem Jahr in den Bundesrat eingebracht werden, damit die Ausländerbehörden die Möglichkeit haben, Abschiebungen unter Hinweis auf die mögliche Rechtsänderung auszusetzen.
Dies sieht zu unserer Freude - zu meiner ganz besonders - auch die CDU-Fraktion so. Daher begrüßen wir den Antrag der Fraktionen von CDU und FDP außerordentlich. Was für ein Paradigmenwechsel!
Die CDU hat sich aber wohl gedacht: Wir wollen es nicht gleich übertreiben; denn da gibt es noch die Kriterien, die zu beachten sind. Zunächst einmal überweisen wir deshalb alle Anträge in den Ausschuss. - Das ist okay; Hauptsache, wir kommen in der Debatte weiter.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Rahmen des neuen Bundesprogramms ,,Toleranz fördern - Kompetenz stärken“ sollen die Zuwendungsempfänger nicht nur eine Bestätigung unterschreiben, mit der sie sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen, sondern sie sollen auch eine Art ,,Aushilfsverfassungsschützer“ werden, um potenzielle Partner auf ihre Verfassungstreue hin zu beurteilen.
Diese Regelung ist aus mehreren Gründen abzulehnen. Sie ist rechtsstaatlich bedenklich. Zu diesem Ergebnis kommt der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages in einem Gutachten, welches im Auftrag der SPD-Bundestagsfraktion erstellt wurde. Dort heißt es wörtlich - ich zitiere mit Genehmigung der Präsidentin -:
,,Ein solches Bekenntnis darf der Staat im Rahmen eines besonderen Dienstund Treueverhältnisses (zum Beispiel Beamten- verhältnis) verlangen und kommt auch in Betracht, wenn weitgehende und dauerhafte Rechte wie zum Beispiel durch eine Einbürgerung eingeräumt werden.“
- Meine Herren, ich bitte um etwas mehr Aufmerksamkeit! Danke schön.
„Ein reines Zuwendungsverhältnis - auch im Zusammenhang mit einem Projekt für Toleranz und Demokratie - dürfte ein diesem vergleichbares enges Dienst- und Treueverhältnis nicht begründen.“
Kritisch sieht der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages die Auflage, dass sich auch Projektpartner der Zuwendungsempfänger zu diesen Zielen des Grundgesetzes verpflichten sollen. Hier sei unklar, welches denn genau diese Ziele seien, ob hiermit nur die freiheitlich-demokratische Grundordnung gemeint sei oder auch andere Staatsziele und Verfassungsaufträge, wie zum Beispiel die Sozialisierung von Grund und Boden, Naturschätzen und Produktionsmittel durch Überführung in Gemeineigentum im Sinne von Artikel 15 des Grundgesetzes. Für die Folgen dieser Unklarheiten haftet jedoch der Zuwendungsempfänger. Ab welchem Verdachtsmoment ein Verstoß gegen diese Bestimmung anzunehmen sei, lasse sich nicht be
stimmen, kritisiert der Wissenschaftliche Dienst weiter.
Diese Feststellungen sollten Grund genug sein, sich noch einmal intensiv mit diesem nicht nur politischen, sondern auch handwerklichen Murks von Frau Schröder zu beschäftigen.
Die Regelung ist entwürdigend. Die Bundesregierung erhebt einen Generalverdacht gegen diejenigen, die nicht selten unter hohem persönlichen Einsatz für Demokratie und gegen politischen Extremismus eintreten. Von diesem Verdacht können sie sich nur durch Abgabe der geforderten Erklärung befreien. Das Engagement, die Kreativität, die Arbeit und die zum Teil persönliche Gefährdung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Beispiel durch Neonazis reichen offenkundig nicht aus. Wo ist eigentlich die Grenze dessen, was man machen muss, um gefördert zu werden? Ich meine, so kann man mit diesen Menschen nicht umgehen.
Die Regelung ist kontraproduktiv. Viele dieser Initiativen leben von der Vielfalt der Angebote. Hierfür brauchen die Anbieter auch Kooperationspartner. Wenn sie für deren Verfassungstreue was immer das auch sein soll - gegenüber der Bundesregierung haften sollen, verzichten sie vielleicht lieber auf Angebote. Sie tun das entweder, weil man nichts falsch machen will oder weil man sich nicht als ,,Gesinnungsschnüffler“ betätigen will. Der Qualität der Angebote dient das bestimmt nicht.
Die Regelung ist ungeeignet. Die Beurteilung der Verfassungstreue erfolgt in diesem Land durch die gesetzlich dafür zuständigen und auch verantwortlichen Verfassungsschutzbehörden. Keine Erklärung kann und darf diese ersetzen. Die Begründung, diese Regelungen sollten die Förderung von NPDAktivitäten verhindern, halte ich für vorgeschoben. Die NPD hätte wohl auch kein Problem damit, diese Erklärung zu unterschreiben. Wegen der oben genannten Mängel der Bestimmtheit dürfte wohl auch das Bekenntnis zu den ausgewählten Artikeln wie dem Schutz der Familie ausreichen, den Anforderungen der Bundesregierung zu genügen.
Diese untaugliche und schädliche Regelung hat meines Erachtens nur eines im Sinn, nämlich linken Organisationen den Zugang zu Fördergeldern zu
erschweren. Die SPD-Fraktion lehnt diese Extremismusklausel ab, und Sie sollten dieses ebenfalls tun.
Sie sollten das auch aus folgendem Grund tun: Wir hatten eigentlich die beiden Tagesordnungspunkte NPD-Verbot und Extremismusklausel untereinander gesetzt - ganz bewusst. Herr Innenminister, ich finde, Sie können hier heute gleich Ihren Worten von gestern Taten folgen lassen und diesem Antrag zustimmen. Denn Sie sind diejenigen gewesen, die gesagt haben, wir bräuchten kein NPD-Verbot, weil wir Organisationen haben, Projektträger, Vereine und Verbände, die gegen Extremismus in diesem Land kämpfen. Mit dieser Klausel verhindern Sie genau das, was Sie gestern allen hier versprochen haben.
Übrigens: Der Ausschuss für Frauen und Jugend des Bundesrates hat einer entsprechenden Initiative des Landes Berlin bereits zugestimmt.
Geben Sie sich einen Ruck, stimmen Sie mit uns ab. Ich beantrage, die beiden Anträge zu eigenständigen Anträgen zu erklären, und Abstimmung in der Sache.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Weil Sie vorhin keine Zwischenfrage zugelassen haben, muss ich jetzt noch einmal nach vorn gehen. Ich möchte gern wissen, wo CDU- und FDP-Fraktion den Topf mit Weisheit um das Landeshaus herum versteckt haben, zu dem sie rausgehen und aus dem sie immer wieder einen Löffel nehmen. Sie
stellen sich hier hin und behaupten, dass nur Sie diejenigen sind, die recht haben.
Ich bin in meinen Ausführungen darauf eingegangen, dass der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages dies für rechtsstaatlich bedenklich hält, dass der Ausschuss für Frauen und Jugend des Bundesrates einer entsprechenden Initiative des Landes Berlin schon zugestimmt hat. Aber nur Sie auf der rechten Seite des Hauses wissen immer alles besser und können sich überhaupt nicht vorstellen, dass Anträge vernünftig vorbereitet worden sind, und einfach einmal der Argumentationslinie folgen. Das finde ich sehr traurig.