Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 18. Tagung des Schleswig-Holsteinischen Landtags. Das Haus ist ordnungsgemäß einberufen und beschlussfähig. Erkrankt ist der Kollege MarkOliver Potzahr von der CDU-Fraktion, dem wir von dieser Stelle aus gute Besserung wünschen.
Beurlaubt ab heute Mittag, 12 Uhr, ist Herr Abgeordneter Flemming Meyer und für die Landesregierung Herr Minister Dr. Heiner Garg.
Meine Damen und Herren, die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat einen Dringlichkeitsantrag vorgelegt.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Ich sehe, das ist der Fall. Das Wort hat Frau Abgeordnete Monika Heinold für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Berlin sind wieder einmal schwarz-gelbe Geisterfahrer unterwegs.
Es sind Geisterfahrer, die die finanzpolitische Realität verkennen. Die angezählte FDP - meine Damen und Herren, Sie haben das verfolgt - setzt die Kanzlerin unter Druck, und die Kanzlerin wurde jetzt beauftragt, Ministerpräsidenten einzufangen und auf FDP-Steuergeschenke einzuschwören.
Meine Damen und Herren, Ihren Wiederbelebungsversuch nennt man dann gern liberale Marktwirtschaft. Er soll auf jeden Fall 10 Milliarden € Einkommensteuer kosten - so die Spekulation. Man muss das auf Schleswig-Holstein einmal herunter
rechnen, damit man - und Sie vielleicht auch - die Dringlichkeit erkennt. Ein Minus von 10 Milliarden € Einkommensteuer bedeuten für SchleswigHolstein ungefähr 150 Millionen € - ein neues Steuerloch!
Das wäre ein neues strukturelles Steuerloch, und dazu kämen dann noch die Defizite für die Kommunen. Deshalb beantragt meine Fraktion, heute sofort die rote Karte zu zeigen.
(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie vereinzelt bei SPD und SSW - Christo- pher Vogt [FDP]: Die grüne Karte!)
Es sind auch federführende Landespolitiker aus Schleswig-Holstein bei der FDP - wie Landesvorsitzender Jürgen Koppelin; sogleich groß in den „Tagesthemen“ zu sehen -, die sich für diese Steuersenkung einsetzen und dort Druck machen. Ich empfehle Ihnen: Nehmen Sie Ihren Landesvorsitzenden einmal mit zu einer schleswig-holsteinischen Sommertour! Zeigen Sie ihm die maroden Schulen, zeigen Sie ihm die geschlossenen Schwimmbäder und die teuren Kindertagesstätten!
Als wir erst vor wenigen Wochen in einer Aktuellen Stunde darüber diskutiert haben, ob der konjunkturelle Aufschwung Spielräume für Ausgaben lässt, waren wir uns noch weitestgehend einig und haben gesagt, dass die neue Logik der Schuldenbremse so aussieht, dass auch bei einem konjunkturellen Aufschwung das strukturelle Defizit im Haushalt nicht verschwunden ist. Das muss auch in dieser Situation gelten. Wenn der Bund denn zu viel Geld hat, dann soll er über Umsatzsteuerpunkte den Ländern und Kommunen für Bildung und Infrastruktur Geld „rüberschieben“.
Meine Damen und Herren, unser Antrag heute sollte ein Signal sein. Ich finde es sehr enttäuschend und auch bezeichnend, dass Sie nicht den Mut haben, diese Debatte zu führen und den Antrag dann zu verabschieden.
Unser Antrag sollte das Ziel haben, vom hohen Norden aus ganz klar zu sagen: Wirre und irre Debatten um Steuersenkungen machen wir nicht mit!
Und unsere Landesregierung macht sie hoffentlich auch nicht mit. - Jetzt klatschen Sie wieder. Ich sehe es doch schon wieder, dass der Ministerpräsident aus Berlin zurückkommen und sagen wird, er habe sich leider nicht durchsetzen können. Letztes Mal sind Sie umgefallen, meine Damen und Herren, und dieses Mal sollten wir im Vorfeld das Stopp-Schild möglichst jede Sitzung neu aufstellen, damit wir nicht neue Haushaltslöcher bekommen. Stimmen Sie der Dringlichkeit unseres Antrages zu!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Parlamentarismus im Wandel“ - unter diesem Titel hat unser Landtagspräsident vor geraumer Zeit Vorschläge und Thesen zur Gestaltung unserer Parlamentskultur vorgelegt.
(Christopher Vogt [FDP]: Hat mal wieder nichts gebracht! - Weitere Zurufe von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Er hat damit vorgeschlagen, dass wir uns als Landtag wieder stärker auf unsere Kernaufgaben konzentrieren sollten, auf die landesspezifische Gesetzgebungskompetenz, die wir haben.
Er hat kritisch hinterfragt, ob für jeden Antrag, der hier gestellt wird, wirklich immer eine Notwendigkeit besteht. Ich könnte mir vorstellen, dass der Herr Landtagspräsident einen solchen Antrag vor Augen gehabt hat, als er diese Thesen formulierte.
(Vereinzelter Beifall bei der FDP - Zuruf von der SPD: Das hat er nicht verdient! - Weitere Zurufe von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, für eine Dringlichkeit des von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gestellten Antrags gibt es heute absolut keine Notwendigkeit. Was wir zurzeit erleben, ist eine politische Debatte in Berliner Regierungskreisen - nicht mehr und nicht weniger.
Wir sollen hier jetzt auf der Basis von Presseberichten eine Debatte führen? Es gibt weder einen Kabinettsbeschluss in Berlin, es gibt weder einen entsprechenden Gesetzentwurf,
und erst recht steht weder in dieser Woche noch in der nächsten Woche in dieser Frage eine Entscheidung im Bundesrat an. Eine zeitliche Dringlichkeit für die heutige Beratung des Antrags gibt es nicht.
Erschwerend kommt aber noch hinzu, dass auch inhaltlich eine Beratung heute gar nicht möglich ist. Das hat auch Ihr Wortbeitrag gerade gezeigt. Hier ohne Zahlen und Fakten eine Debatte zu führen, das wäre nicht sachlich und fundiert.
Das sollte aber schon unser Anspruch sein, eine sachlich fundierte Debatte zu führen, die sich nicht in Spekulationen und Theorien erschöpft.
Eine Debatte ohne inhaltliche Substanz und ohne zeitliche Notwendigkeit sollten wir diesem Haus ersparen und dabei die mahnenden Worte unseres Landtagspräsidenten im Hinterkopf behalten.
Ich appelliere deshalb an Sie, Herr Dr. Habeck und Frau Heinold, diesen Antrag heute zurückzuziehen und ihn dann zu gegebener Zeit neu zu stellen, wenn er relevant wird.