Meine Damen und Herren! Ich eröffne die Sitzung und begrüße Sie herzlich. Erkrankt sind die Abgeordneten Marion Herdan und Hartmut Hamerich; beurlaubt ist Ministerin Dr. Juliane Rumpf.
Begrüßen Sie mit mir gemeinsam Schülerinnen und Schüler und Lehrerinnen und Lehrer des NordseeGymnasiums aus Büsum! - Herzlich willkommen!
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Für die Fraktion des SSW erteile ich der Frau Abgeordneten Silke Hinrichsen das Wort.
Guten Morgen, sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Landesverfassungsgericht hat gesprochen. Es hat uns aufgetragen, spätestens bis zum 31. Mai 2011 ein verfassungskonformes Wahlgesetz zu beschließen und bis zum 30. September 2012 eine Landtagswahl durchzuführen. Bis zur Neuwahl haben das Parlament und die jetzt Quasi-Übergangsregierung die volle Entscheidungs- und Handlungskompetenz.
kreativ genutzt, um die Wahlgerechtigkeit wiederherzustellen, ohne das Land in eine Krise zu stürzen oder in die politischen Mehrheitsverhältnisse einzugreifen. Es gibt nun einmal kein Gesetz oder Handbuch, in dem steht, was Landesverfassungsgerichte tun sollen, wenn sie mit einer Landtagsmehrheit konfrontiert werden, die auf schwerwiegenden Wahlfehlern beruht. Angesichts der Umstände hat das Gericht sehr verantwortungsvoll gehandelt und das Land vor einer politischen Krise bewahrt.
Das Landesverfassungsgericht hat dem Land quasi eine Wiederholungswahl im Sinne von § 46 Landeswahlgesetz verordnet. Es hat aber die Frist von sechs Wochen auf 25 Monate verlängert, um dem Landtag die Möglichkeit zu geben, eine verfassungsgemäße Grundlage für die Neuwahl zu schaffen. Im Gegensatz zur Wiederholungswahl bekommen die Parteien auch die Chance, mit neuen Listen- und Wahlkreiskandidaten anzutreten.
Nun kann man an diesem Urteil herumdeuteln und -kritteln, wie einige ältere Herren, denen die eigene, vorgefasste Meinung wichtiger ist als die Integrität unseres obersten Gerichts.
(Beifall der Abgeordneten Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Thorsten Fürter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Denn wenn man von einer modifizierten Form der Wiederholungswahl ausgeht, ist das weitere Vorgehen klar. Es besteht aus drei Phasen.
Phase 1: Der Landtag muss jetzt so schnell wie möglich ein neues Wahlgesetz auf den Weg bringen. Der Vorschlag des Landtagspräsidenten, dieses fraktionsübergreifend vorzubereiten, ist der einzig richtige Weg.
Zum einen hinterließe es einen faden Beigeschmack, wenn in dieser Situation mit einer knappen Mehrheit ein neues Wahlgesetz beschlossen würde. Es wäre auch fatal für das Ansehen des Landtags, wenn die Reaktionen auf das Verfassungsgerichtsurteil wieder nur von den parteitaktischen Interessen geprägt wären, die uns erst in diese Bredouille gebracht haben.
(Beifall beim SSW sowie der Abgeordneten Dr. Christian von Boetticher [CDU], Dr. Ralf 2132 Schleswig-Holsteinischer Landtag (17. WP) - 27. Sitzung - Donnerstag, 9. September 2010
Zum anderen kann die Fokussierung auf einen gemeinsam getragenen Kompromiss dazu beitragen, dass dieser zügig in die laufenden Beratungen im Innenausschuss eingespeist werden kann. In dieser Phase geht uns aber Gründlichkeit und Qualität vor Schnelligkeit. Am Ende muss als Minimum ein absolut verfassungsfestes Wahlgesetz stehen, gern aber auch eine ambitionierte Erneuerung des Wahlsystems.
Phase 2: Wenn der Landtag das neue Wahlgesetz beschlossen hat, liegt der Ball beim Wahlkreisausschuss. Es liegt an den Abgeordneten, die diesen Ausschuss bilden, wie schnell die Arbeit mit dem Zuschnitt der Landtagswahlkreise abgeschlossen werden kann.
Phase 3: Sofort nach der Festlegung der Wahlkreise muss die Landesregierung gemäß § 4 Landeswahlgesetz Neuwahlen ausschreiben. Nur dieser Weg entspricht der Analogie zur Wiederholungswahl, denn diese ist nicht mit einer Selbstauflösung des Landtags verbunden. Die Landesregierung muss dann - wie schon 2009 - eine Neuwahl innerhalb von 90 Tagen ansetzen. Auf diese Weise wird es möglich, ein gutes Wahlgesetz zu erarbeiten und spätestens Ende 2011 die Neuwahlen durchzuführen.
(Beifall beim SSW und der Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD] und Heinz-Werner Jezewski [DIE LINKE])
Das Landesverfassungsgericht hat eine Wahl spätestens am 30. September 2012 bestimmt. Die Orientierung des Urteils an den Regelungen der Wiederholungswahl legt nahe, dass der Landtag diese Galgenfrist nicht ausschöpft. Je länger die Übergangszeit dauert, umso stärker wird politisch die Frage nach der Legitimation der Übergangsregierung gestellt werden.
Deshalb, genau deshalb müssen alle drei Phasen auf dem Weg zur Landtagswahl so kurz wie möglich gestaltet werden. Dies ist auch im Interesse der Bürgerinnen und Bürger. Sowohl aktuelle Umfragen und die Äußerungen von Wirtschaftsvertretern und Gewerkschaften als auch die einhellige Meinung aller Leitartikler im Land geben hierzu einen deutlichen Fingerzeig. Schleswig-Holstein hat die
Genau deshalb appellieren wir wirklich an alle Fraktionen: Sorgen Sie gemeinsam mit uns dafür, dass die Neuwahl schon im kommenden Jahr durchgeführt werden kann!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! - Ich verstehe die Heiterkeit nicht ganz. Wir haben am 30. August ein Urteil bekommen, das besagt, dass die Regelung in § 3 Abs. 5 Satz 1 zur Begrenzung der Ausgleichsmandate im Zusammenspiel mit anderen Normen und mit dem Maßstab des Artikels 10 Abs. 2 der Landesverfassung, in den wir hineingeschrieben haben, dass dieser Landtag aus 69 Abgeordneten besteht, nicht in Einklang zu bringen ist.
Gleichzeitig wird vom Verfassungsgericht gesagt, eine Überschreitung der Zahl der 69 Abgeordneten soll so weit wie möglich vermieden werden. Wir alle wissen ganz genau, dass wir die Zahl 69 konkret und dem entsprechend, was wir in die Verfassung geschrieben haben, nur dann einhalten würden, wenn wir ein Mehrheitswahlrecht hätten mit genauso vielen Wahlkreisen, wie es Sitze gibt. Bei einer Verhältnismäßigkeitswahl orientiert sich das Ergebnis nämlich daran, wie der Bürger wählt. Je mehr er ein Stimmensplitting vornimmt, desto unberechenbarer wird die Anzahl der Sitze. Ein verfassungswidriges Wahlrecht ist allerdings eine Ohrfeige für die Parteien, die dieses Wahlrecht gemacht haben. Sie haben das nicht bedacht. Das muss ganz deutlich gesagt werden. Ich sage aber auch: Es ist nicht das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, -
- Ich sage doch, wir haben das mit beschlossen. Das war eine sehr selbstkritische Anmerkung. Sie haben das vielleicht nicht richtig verstanden, Herr Abgeordneter. Das war eine selbstkritische Anmerkung, weil wir dieses Wahlrecht mit beschlossen haben.
Wir haben in der Bundesrepublik allerdings schon mehrfach ein verfassungswidriges Wahlrecht gehabt. Im Übrigen ist derzeit das Bundestagswahlrecht auch verfassungswidrig. Spannend ist an der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2008, dass das Bundesverfassungsgericht dem Bundestag drei Jahre Zeit für die Änderung des Wahlrechts gegeben hat. Es hat gesagt, der Bundestag dürfte noch einmal mit diesem verfassungswidrigen Wahlrecht wählen. Das heißt, der Deutsche Bundestag und die deutsche Bundesregierung amtieren auf der Grundlage eines verfassungswidrigen Wahlrechts, und niemand stellt im Augenblick die Legitimität der Regierung und die Legitimität des Parlaments oder anderer in Frage.
Ich sage das ganz deutlich. Das heißt, die Kette, die Sie manches Mal zwischen dem Wahlrecht und der Legitimität zu spannen versuchen, ist völlig verfehlt. Das weiß und sagt auch das Verfassungsgericht ganz eindeutig. Darum war nicht die Aussage überraschend, dass ein Wahlrecht verfassungswidrig ist. Das trifft uns, darauf müssen wir eingehen. Wir müssen das entsprechend ändern. Überraschend war die Folgewirkung von einem halben Jahr an Zeit für eine Änderung des Wahlrechts. Das ist eine klare Frist. Wir alle bemühen uns. Ich glaube, das haben wir deutlich gemacht. Ich nehme an, heute werden das alle Kollegen deutlich machen. Wir werden die Frist einhalten, und wir werden uns beeilen, wie Kollegin es eben gesagt hat. Wir werden aber sorgsam und vernünftig ein neues Wahlrecht so gestalten, dass es dieses Mal verfassungsgemäß ist.
Es erstaunt mich, wenn sich hier große Verfassungsrechtsexperten der deutschen Geschichte zu Wort melden wie Herr Stegner und Frau Heinold. Ich sage immer: Wenn ich Zahnschmerzen habe, dann gehe ich zum Zahnarzt, ich gehe nicht zum Hautarzt und auch nicht zum Ingenieur. Wenn man von dieser Materie so wenig Ahnung hat wie Sie, Herr Stegner, wenn man so wenig Ahnung hat wie jemand, der die Verfassung nachweislich so oft gebrochen hat wie Sie, dann würde ich mich ein Stück zurückhalten mit diesen Äußerungen.
Sie haben in den letzten Tagen bemerkenswerte Sätze abgeliefert. Von Herrn Stegner kam: Die Regierung ist vielleicht legal, aber nicht legitim. Das Parlament hat nur noch zwei Aufgaben: Das Wahlrecht zu gestalten und sich dann aufzulösen. Ich frage Sie: Warum sitzen wir hier drei Tage lang, wenn wir nur noch diese beiden Aufgaben haben? - Wir diskutieren hier drei Tage lang, wir verabschieden Gesetze, wir kriegen Große Anfragen, und draußen erzählen Sie, wir haben eigentlich nur noch zwei Aufgaben. Das ist völlig unglaubwürdig, was Sie als Opposition hier im Augenblick leisten.