Protokoll der Sitzung vom 19.05.2010

gleich haben - auch hier der Hinweis auf sicherlich noch folgende Runden der Föderalismuskommission.

Wenn wir uns auf Kürzungen, auf Personalabbau verständigen, muss dies sehr verantwortungsvoll im Einklang mit den Aufgaben passieren. Dies zu vermitteln, ist eine gemeinsame Anstrengung des gesamten Parlaments.

Wir haben im Bildungsbereich bereits in der letzten Wahlperiode mit dem Bildungspakt Reduzierungen beim Lehrpersonal akzeptiert, wenn die Zahl der Schülerinnen und Schüler zurückgeht. Aber wir haben auch immer deutlich gemacht, dass die sogenannte Demografie-Rendite auch der Qualitätssteigerung dienen muss. Gemessen an den reinen Schülerzahlen könnten im Zeitraum 2011 bis 2020 schrittweise rund 4.200 Lehrerstellen abgebaut werden. Vereinbart wurde damals, dass von diesen Stellen rund 1.300 im System bleiben, um den Systemwechsel zu unterstützen. Bildung ist so ziemlich die einzige Ressource, die wir in Deutschland haben. Deshalb ist es folgerichtig, dass wir in Bildung investieren.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr von Boetticher, es ist nett, dass die CDU-Fraktion zu Gesprächen mit der Opposition bereit ist. Wir haben schon im März unsere Gesprächsbereitschaft signalisiert. Bisher gibt es aber noch nichts zu diskutieren.

Natürlich heißt unsere Zustimmung zur Schuldenbremse nicht, dass wir kommentarlos akzeptieren, was ein kleiner Zirkel außerhalb jeder parlamentarischer Legitimation vorlegt.

Genau wie die Regierung sich Zeit lässt mit der Vorlage ihrer Giftliste - wie der Kollege Arp das nennt, der gerade nicht da ist -, werden wir die Vorschläge mit der nötigen Sorgfalt prüfen und eigene Vorschläge vorlegen. Wir werden Prioritäten, aber auch Nachrangigkeiten benennen.

(Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Das ist doch logisch!)

Und wir werden Vorschläge entwickeln, an welcher Stelle wir Strukturen verändern müssen.

(Beifall bei der SPD - Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Genau das wollen wir!)

Bezogen auf unseren Schwerpunkt Bildung heißt das, auf diesen Firlefanz eines Nebeneinanders von Systemen - G8, G9, Y-Modell und so weiter zu verzichten,

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

die mehr kosten und bei den Betroffenen zu viel mehr Verunsicherung führen.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

In der Vergangenheit gab es einen gewissen Automatismus, Ausgabensteigerungen über Kredite zu finanzieren. Das sage ich durchaus auch selbstkritisch in unsere Reihen hinein. Dadurch sind wir in der absurden Situation - das sage ich jetzt in Richtung links, weil ich ahne, was gleich kommt -, dass wir in den vergangenen 40 Jahren genauso viel an Krediten aufgenommen haben, wie wir im selben Zeitraum an Zinsen gezahlt haben. Das heißt, wir haben überhaupt keine Spielräume gewonnen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eigentlich sollte es so sein, dass wir Aufgaben definieren und auf dieser Basis bestimmen, wie hoch die Einnahmen, also das Steueraufkommen sein muss.

Steuererhöhungen sind unpopulär. Wenn eine zusätzliche Aufgabe immer öffentliche Diskussionen über Steuererhöhungen auslösen würde, hätten wir auch mehr öffentliche Diskussionen über die wirkliche Bedeutung dieser Aufgaben, und die Struktur mancher Haushalte würde vermutlich anders aussehen als heute.

Zukunftsvorsorge bedeutet Stabilisierung des Schuldenstandes. Zukunftsvorsorge ist aber auch staatliche Aufgabenerfüllung in den beschriebenen Bereichen. Eine Schuldenbremse allein macht keine Politik. Politisch wird es bei ihrer Ausgestaltung. Da gibt es auch - anders, als die Kollegin Herdan im letzten Tagesordnungspunkt unterstellt hat - keine Zwangsläufigkeiten.

Wir sind gespannt - na ja, es geht so -, was in den kommenden Wochen vorgestellt wird, und werden uns an der Diskussion konstruktiv beteiligen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die FDP-Fraktion erteile ich Frau Kollegin Katharina Loedige.

(Birgit Herdejürgen)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! „Daniel Düsentrieb, der zerstreute Hühnervogel aus der Comic-Stadt Entenhausen, hat wunderbare Dinge erfunden.“ Daran erinnert uns die Journalistin Susanne Höll. Sie meint, dass man ihm auch zutrauen könnte, eine Schuldenbremse zu bauen. Das wäre eine Apparatur, die jeden deutschen Politiker automatisch, geräuschvoll und äußerst schmerzhaft zwickt, wenn er wieder einmal neue Kredite für fragwürdige Projekte aufnehmen möchte.

(Christopher Vogt [FDP]: Herr Baasch zum Beispiel!)

Und natürlich auch dann, wenn er staatliche Schulden nicht zurückzahlt, obgleich er es sich leisten kann.

Das Gerät gibt es leider nicht, die Schuldenbremse wird es aber in Schleswig-Holstein bald geben. Als einziges Bundesland werden wir eine sogenannte Schuldenbremse in unserer Verfassung verankern und damit auch die Politiker der kommenden Wahlperioden in die Pflicht nehmen.

Dass uns heute ein fraktionsübergreifender Antrag vorliegt - mit Ausnahme der LINKEN natürlich -, ist sicherlich auch den vielen neuen und jungen Politikerinnen und Politikern in unseren Fraktionen zu verdanken.

(Beifall bei der FDP)

Wir wollen einfach keine Schulden mehr. Wir sind bereit, für die fehlgeleitete Politik der letzten Jahrzehnte die Konsequenzen zu ziehen, und zwingen uns heute in ein sehr enges Verfassungskorsett.

Über Jahre hinweg ist es versäumt worden, eine Konjunkturrücklage zu bilden. Statt in guten Zeiten für die schlechten zu sparen, hat man sowohl in guten wie in schlechten Zeiten immer mehr ausgegeben, als eingenommen wurde. Der Wohlfahrtsstaat hat mit Zustimmung und zum Teil sogar auf Forderung seiner Bürger über seine Verhältnisse gelebt.

Die bisherigen verfassungsrechtlichen Regelungen zur Begrenzung der Kreditaufnahme, nämlich nur für Investitionen, wurden umgangen. Das Land hat Kredite aufgenommen, um konsumtive Ausgaben zu finanzieren. Es hat Schattenhaushalte gebildet, um diese Missstände zu verschleiern.

Dies ist künftig nicht mehr möglich. Der vor wenigen Tagen auf Bundesebene eingerichtete Stabili

tätsrat wird unter anderem über die Einhaltung der Konsolidierungsverpflichtungen der Länder wachen. Eine Nichteinhaltung auch nur in einem der nächsten zehn Jahre bedeutet für Schleswig-Holstein nicht nur den Empfang eines Blauen Briefes aus Berlin, sondern auch die Streichung der Konsolidierungshilfe in Höhe von 80 Millionen € in dem betreffenden Jahr.

Wir haben ein Ausgabenproblem, was sich an der letzten Steuerschätzung wieder gezeigt hat. Die Einnahmen der Bundesrepublik sind zwar nicht so hoch wie erhofft, aber so hoch wie noch nie - und das trotz eines beschleunigten Rückgangs der Bevölkerung. Es wird unsere Aufgabe sein, die Einnahmen des Landes mit den Ausgaben in den nächsten zehn Jahren in Einklang zu bringen - eine Herkulesaufgabe angesichts der finanziellen Situation, in der sich Schleswig-Holstein befindet.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Durch Steuersen- kung!)

Die größte Sorge vieler Menschen ist die wirtschaftliche und damit auch die gesellschaftliche und politische Stabilität des Staates. Viele Menschen haben ihr Vertrauen in die finanzpolitische Seriosität staatlicher Schulden oder gar Finanzverwaltungen, die Festigkeit der Versorgungssysteme und eine sichere Zukunft des Sozialstaats verloren. Sie sind verängstigt durch die schiere Höhe der Staatsschulden.

Die Schuldenbremse ist Mittel und Symbol zugleich. Sie dient dazu, das Schuldenmanagement, das bisher von der Politik eher wie eines der üblichen Silvesterversprechen behandelt wurde, nun zu einem verpflichtenden Instrument der Entschuldung und damit der Wiedergewinnung der Handlungsfähigkeit unseres Gemeinwesens zu machen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Die griechischen Spuren schrecken! Unsere Politik wird darauf ausgerichtet sein, Wirtschaftswachstum zu stützen und so höhere Einnahmen für das Land zu generieren.

Die Krise um Griechenland, aber auch die Verschuldung aller Staaten, die sich krisenbedingt stark erhöht hat, ruft nach institutionellen Änderungen in Europa. Die tiefe Sorge um die Beherrschbarkeit der Staatsfinanzen und die Debatte über die Möglichkeit von Staatsbankrotten zeigen, dass die Regeln des Maastrichter Vertrags und des Stabilitätsund Wachstumspakts nicht ausreichen. Staaten

müssen sich selbst disziplinieren. Unsere Antwort ist die verfassungsrechtliche Schuldenbremse.

Der Norden setzt Zeichen! Er zeigt mit seinem heutigen Beschluss allen anderen Bundesländern, dass er es ernst meint mit der Konsolidierung seines Haushalts und damit mit der Gestaltung der Zukunft seiner Landeskinder. Am Erfolg unserer Konsolidierungspolitik entscheidet sich auch unser zukünftiger Wohlstand. Es gibt dazu keine Alternative.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich der Frau Kollegin Monika Heinold.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Rahmenbedingungen für die Aufnahme der Schuldenbremse in die Landesverfassung sind denkbar schlecht:

(Beifall bei der LINKEN)

milliardenschwere Zinslasten, steigende Pensionsverpflichtungen, wachsende Sozialausgaben, Investitionsbedarf in Bildung und Klimaschutz, schlummernde Risiken in der HSH Nordbank und absehbar niedrige Wachstumsraten. Dennoch: Wann, wenn nicht jetzt, ist die Zeit gekommen, um umzusteuern, um einen Riegel vorzuschieben, dass wir permanent auf Kosten der nächsten Generationen leben?

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist weder nachhaltig noch generationengerecht, unseren Kindern und Enkeln einen milliardenschweren Schuldenberg zu übergeben, garniert mit ungedeckten Pensionschecks und maroden Schulen und Universitäten.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)