Frau Kollegin Spoorendonk, ich habe nichts gegen das Anliegen. Ich frage mich allerdings auch, wenn Sie auf die Landesverfassung Bezug nehmen, warum alle anderen Staatsziele bei dieser Berichterstattung, die von der Anlage her zunächst einmal eine haushaltärische, eine haushaltstechnische, ist, nicht auch mit auftauchen. Warum wird nur dieses eine Staatsziel herausgenommen und werden nicht alle anderen 35 Staatszielbestimmungen auch mit aufgenommen, zu denen die Gemeinde dann auch einen Bericht vorlegen muss?
Unser Anliegen ist, das, was in der Landesverfassung über Minderheitenschutz steht, das, was nach der Sprachencharta umgesetzt werden muss, voranzubringen. Das ist unser Anliegen. Von daher haben wir ein Instrument in der Kommunalverfassung aufgegriffen, das bereits vorhanden ist. Wir haben nichts Neues erfunden, wir haben dieses Berichtswesen um einen Punkt erweitert. Ich denke, das ist sehr vernünftig.
Frau Kollegin, sind Sie mit mir darin einig, dass die Erstellung von Berichten, die Erhebung von Daten und Informationen mit einem Verwaltungs-, Personal- und Kostenaufwand verbunden ist? Zweitens: Wenn Sie eine zusätzliche Förderung haben wollen - wir reden hier nicht davon, dass überhaupt keine Förderung stattfinden soll -, ist dies mit einer hohen Wahr
scheinlichkeit mit weiteren Erwartungen, Zielsetzungen und Kosten verbunden, die dadurch ausgelöst werden. Es geht mir darum, dies deutlich zu machen.
- Lieber Herr Kollege, Minderheitenschutz ist keine beliebige Aufgabe des Landes oder der Kommunen. Es geht nicht, dass man sagt, hier haben wir jetzt noch einmal für die Sonntagsreden alles, was mit Minderheitenpolitik, mit Sprachenpolitik oder Sprachencharta zu tun hat. Es geht darum, dass der Schleswig-Holsteinische Landtag, der Landtagspräsident, in der letzten Legislaturperiode eine sogenannte Kompetenzanalyse in Auftrag gegeben hat, aus der hervorgeht, dass nationale Minderheiten, dass Minderheiten- und Regionalsprachen, dazu beitragen, dass wir ins Schleswig-Holstein ein Alleinstellungsmerkmal haben. Man kann mit der Mehrsprachigkeit also richtig klotzen, man kann Wirtschaft ansiedeln, man kann Touristen anlocken und gleichzeitig dazu stehen, dass Minderheiten ein Teil dieser Gesellschaft sind. Wir sind nicht außen vor, wir sind ein Teil dieser Gesellschaft. Alles das sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Wenn Sie sagen, es müssten neue Daten erhoben werden, kann ich sagen, jede Gemeinde muss zu dem, was im Gemeindegebiet vor sich geht, Daten erheben. Ich denke, das kann nun wirklich nicht das große Problem sein.
Noch etwas - das wird uns auch in anderen Diskussionen verfolgen -: Nicht alles, was wie Bürokratie aussieht, ist auch Bürokratie. Ich denke, das hat mit Beteiligung von Kindern und Jugendlichen, mit Gleichstellungsbeauftragten und auch mit der Minderheitenpolitik zu tun.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich spreche übrigens nicht als Ersatz, sondern in meiner Ressortzuständigkeit.
Die Fraktion des SSW beabsichtigt, mit dem vorgelegten Gesetzentwurf in den kommunalverfassungsrechtlichen Bestimmungen den Schutz der nationalen dänischen Minderheit, der friesischen Volksgruppe und der deutschen Sinti und Roma sowie der Minderheiten- und Regionalsprachen zu
verankern. Zusätzlich soll den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern eine Berichtspflicht über den Schutz dieser Minderheitengruppen auferlegt werden. Völlig unbestritten sind nationale Minderheiten und Volksgruppen ein wichtiger und bereichernder Teil unserer Gesellschaft und tragen in besonderer Weise zur kulturellen Vielfalt und zum gesellschaftlichen Leben unseres Landes bei. Nicht zuletzt aus diesem Grund räumt die Landesverfassung ihnen Schutz und Förderung ein.
Ich halte es aber aus Sicht der Landesregierung nicht für den richtigen Weg, diesen verfassungsrechtlich bereits geschützten Bereich durch Einzelregelungen nun auch in kommunalverfassungsrechtlichen Vorschriften der Gemeinde-, Kreis- und Amtsordnung festzuschreiben.
Es geht kein Weg daran vorbei, wir würden damit zusätzliche neue Standards schaffen - das ist, glaube ich, unbestritten - und den Kommunen weitere Verpflichtungen auferlegen. Da trennt sich dann die Auffassung von dem, was Sie dazu ausgeführt haben, verehrte Frau Kollegin Spoorendonk, zu dem, was wir von kommunaler Selbstverwaltung denken. Wir sind nämlich davon überzeugt, dass im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung und auch aus dem Selbstverständnis der Probleme vor Ort heraus die Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker eigenverantwortlich damit besser umgehen können, als wenn wir wieder landesweite Standards setzen würden und durch Landesvorgaben eine Vereinheitlichung herbeiführen, von der auch schon in der Debatte deutlich geworden ist, dass es sie gar nicht gibt. Ich halte es für gut und auch als einen Beweis dafür, dass diese kommunale Selbstverwaltung diese Lebendigkeit und diese Verantwortungsübernahme vor Ort auch lebt. Herr Abgeordneter Harms hat in seinem Beitrag auch deutlich gemacht, dass in der Stadt Flensburg und im Kreis Nordfriesland bereits solche Initiativen aus eigener Kraft heraus entstanden sind.
Wir haben uns mit dem Koalitionsvertrag zum Ziel gesetzt, die kommunale Selbstverantwortung zu stärken. Das bedeutet auch, dass wir unseren Kommunen zutrauen, die nationale dänische Minderheit, die friesische Volksgruppe und die deutschen Sinti und Roma zu schützen und im Rahmen ihrer Möglichkeiten die Entwicklung dieser Volksgruppen auf Gemeindeebene zu fördern und zu unterstützen.
Ich kann Ihnen aus eigener Kenntnis und 27-jähriger Tätigkeit im lauenburgischen Kreistag auch sagen, dass wir dies beispielsweise bei der Volksgruppe der Sinti und Roma getan haben. Es bedarf
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich halte den vom SSW vorgelegten Gesetzentwurf nicht für sinnvoll, da er die Kommunen zusätzlich mit Vorgaben belastet und zudem möglicherweise Folgekosten auf das Land zukommen. Vor allem aber hilft er dem eigentlichen Ansinnen, bestimmte Volksgruppen zu schützen und zu fördern, nicht wirklich weiter.
Eines ist für mich, der ich auch mitgewirkt habe an der Festlegung des Staatsziels des Niederdeutschen in unserer Landesverfassung, auch klar: Eine Berichtspflicht über Regionalsprachen wird sicherlich kein Beitrag dazu sein, diese Regionalsprachen am Leben zu erhalten. Dazu bedarf es schon des tatsächlichen Sprechens und ganz anderer Aktivitäten. Aus Sicht der Landesregierung geht dieser Antrag leider fehl.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratungen. Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf Drucksache 17/522 federführend dem Innen- und Rechtsausschuss, mitberatend dem Europaausschuss zu überweisen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist einstimmig so beschlossen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne wieder unsere heutige Sitzung. Begrüßen Sie zunächst mit mir Landfrauen aus dem Ortsverband Eutin sehr herzlich. - Herzlich willkommen hier bei uns im Schleswig-Holsteinischen Landtag!
Ich bitte um Informationen der Parlamentarischen Geschäftsführer, wie wir mit den Tagesordnungspunkten 11 und 70 verfahren sollen. Ich rufe aber gleich zunächst den gesetzten Tagesordnungspunkt 53 auf.
Bevor wir jedoch dazu kommen, möchte ich einen kurzen Hinweis geben: Wir finden auf unseren Plätzen ein großes gelbes Blatt vor, das beschrieben ist. Wir konnten in der kurzen Zeit nicht in Erfahrung bringen, wer das hier auf den Tischen verteilt hat.
Es hieß, in der Mittagspause habe das jemand getan. Wir werden dem nachgehen, weil das sehr ungewöhnlich ist. Wir werden klären, wie das hier zu uns hereingekommen ist. Das ist das, was ich im Moment dazu sagen kann.
Bericht zur Situation von Kindern und Jugendlichen bei Gefahren für ihr körperliches, geistiges oder seelisches Wohl
Ich bitte um Aufmerksamkeit und erteile für den Bericht dem Minister für Arbeit, Soziales und Gesundheit, Herrn Dr. Heiner Garg, das Wort. - Herr Dr. Garg, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem heute zur Beratung vorgelegten Kinderschutzbericht entspricht die Landesregierung der Verpflichtung aus § 14 Kinderschutzgesetz, regelmäßig einen Bericht zur Situation von Kindern und Jugendlichen bei Gefahren für körperliches, geistiges oder seelisches Wohl vorzulegen. Ich will die Gelegenheit nutzen, den Mitgliedern der unabhängigen Kommission zu danken, die diesen Bericht ehrenamtlich erarbeitet haben. - Herzlichen Dank dafür.
Der Bericht umfasst neben einer - so die Kommission - ersten Situationsanalyse Anmerkungen zur Umsetzung des Gesetzes in die Praxis sowie Hinweise zu Perspektiven, Herausforderungen und konkret zu lösenden Schwierigkeiten. Die Landesregierung hat sich intensiv mit dem Bericht auseinandergesetzt. Unsere Stellungnahme liegt Ihnen vor. Ich meine, der Kinderschutzbericht enthält eine überwiegend positive Zwischenbilanz.
Eine der wichtigsten Neuerungen war erstens die Einführung des verbindlichen Einladungswesens für Früherkennungsuntersuchungen bei Kindern, wobei der Bericht verdeutlicht, dass es ein Irrtum wäre, von diesem Einladungswesen die verstärkte Aufdeckung von Kindeswohlgefährdungsfällen zu
erhoffen. Es ist aber ein wichtiges Instrument für eine bessere gesundheitliche Versorgung von Säuglingen und Kleinkindern, insbesondere im Hinblick auf die zunehmende Zahl von Kindern mit Entwicklungsverzögerungen.
Das Kinderschutzgesetz ist vor allem präventiv ausgerichtet. Es geht um die Stärkung der Familien in ihrer Fähigkeit, ein guter Ort für das Aufwachsen von Kindern sein zu können. Wesentlich ist, dass das verbindliche Einladungswesen Eltern erreicht, die sonst aus sozialen, kulturellen oder sprachlichen Gründen gerade keinen Zugang zu Versorgungssystemen haben. Auch wenn die Kommission teilweise Umsetzungsschwierigkeiten festgestellt hat, meine ich, dass das Verfahren grundsätzlich richtig ist. Trotzdem werden wir aufmerksam beobachten, welchen Nachsteuerungsbedarf es gegebenenfalls gibt. Insbesondere wollen wir die erfreuliche Akzeptanz des verbindlichen Einladungswesens bei den Eltern noch weiter steigern.
Zweitens. Kinderschutz braucht qualifizierte Fachkräfte. Dazu gehört die Sensibilisierung für mögliche Kindeswohlgefährdung. Dazu gehört, Gefahren erkennen zu können und zu wissen, was zu tun ist. Das erfordert Erfahrung, Wissen und Kompetenz.
Drittens. Grundlegend für einen funktionierenden Kinderschutz sind Netzwerkstrukturen und multiprofessionelle Kooperationen. Insbesondere die im Gesetz vorgegebenen lokalen Netzwerke Kinderschutz und die Kooperationskreise zielen auf interdisziplinäre Zusammenarbeit, Zusammenarbeit von Jugendhilfe, von Gesundheitswesen, Frühförderung, Behindertenhilfe, Schule, Polizei und Justiz.
Rückmeldungen aus den Kommunen besagen, dass sich insbesondere die Zusammenarbeit zwischen Jugendhilfe und Gesundheitswesen erfreulicherweise verbessert hat.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sinn und Zweck eines Kinderschutzberichts ist aber nicht, sich selbst auf die Schulter zu klopfen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und selbstverständlich auch der Minister des Sozial- und Gesundheitsministeriums selbst nehmen die Hinweise auf das, was nicht gut läuft, auch sehr ernst, zum Beispiel die im Bericht problematisierte Rolle der Frühförderung im System der frühen Hilfen. Die Kommission moniert, dass die Vernetzung zwischen heilpädagogisch-medizinisch indizierten Leistungen der Frühförderung und präventiv unterstützenden Angeboten der frühen Hilfen bis heute unterentwickelt ist.
Wir sind uns der Schnittstellenproblematik bewusst und haben deshalb vor Kurzem eine Bestandsaufnahme und eine Analyse in Auftrag gegeben. Ziel ist es, eine bessere Identifizierung der Kooperation und damit Synergiepotenziale zwischen Frühförderung und frühen Hilfen erreichen zu können. Zugleich müssen wir aber auch Strukturen und Verfahren identifizieren, die als Hemmschwellen für zielgerichtete und effektive Kinderschutzarbeit wirken. Dazu gehört - eine Bemerkung, die Sie mir bitte am Rande gestatten - das sensible und schwierige Thema „sexueller Missbrauch“, das die Öffentlichkeit derzeit bewegt.