Protokoll der Sitzung vom 21.05.2010

Ich habe mich aber auch aus einem anderen Grund gemeldet. Ich habe nämlich heute mit Faszination das Interview in der „Welt“ gelesen, in dem ein schöner Satz drinsteht. Auf die Frage: „Also empfehlen Sie der Kanzlerin?“, sagt der amtierende Ministerpräsident dieses Landes:

„Also sage ich“

- also Carstensen

(Heiterkeit bei CDU und FDP)

„der Kanzlerin, dass ich mir nicht sicher bin,“

- ich muss ja erklären, dass er gemeint ist

„ob ich das Ziel im bisher prognostizierten Tempo erreichen kann.“

Das Tempo seit Dezember! Ich habe Ihnen hier im Dezember gesagt, Herr Ministerpräsident, dass ich der Erste bin, wenn sich das als wahr erweist, was Sie hier gesagt haben, der Sie öffentlich dazu beglückwünscht und Ihnen Lob zollt. Das habe ich Ihnen im Dezember gesagt.

Ich muss sagen, ich habe ungern Recht behalten, dass sich herausgestellt hat, dass Sie das Land an der Nase herumgeführt haben. Sie sind mit Herrn Kubicki nach Berlin gefahren, Sie haben nichts mitgebracht. Darüber kann man sich deswegen nicht freuen, weil das bitter ist für die Bildung hier in diesem Land und für die wichtigen Zukunftsaufgaben, die zu lösen sind. Sie haben keine Vorschläge. Sie erreichen in Berlin nichts. Und Sie sagen, innerhalb von drei Monaten haben Sie neue Erkenntnisse.

Frau Merkel wird mächtig beeindruckt sein, wenn sie Ihr Interview gelesen hat. Es ist schade, dass der Ministerpräsident unseres Landes in Berlin kein Gewicht hat und dass die Regierung hier keine Vorschläge macht. Das Land Schleswig-Holstein hat Besseres verdient, in der Bildung allemal.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW)

Das Wort zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag hat der Herr Abgeordnete Ulrich Schippels von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit 1994 nehme ich ab und zu, wenn es zugelassen worden ist, an Podiumsdiskussionen teil, zum Beispiel im Rahmen von Bundestagswahlen, seit 2000 auch im Rahmen von Landtagswahlen.

Meistens handelt es sich um Podiumsdiskussionen vor Schulklassen. Es gibt drei oder vier Punkte, die besprochen werden. Einer davon ist immer die Bildungspolitik. Die Vertreterinnen und Vertreter aller Parteien sind sich immer darüber einig, dass Bildung unsere Zukunft ist. Wir haben nämlich keine Rohstoffe, sondern wir müssen in die Köpfe investieren. Nach der Wahl wird das offensichtlich gleich wieder in die Schubladen gepackt und vor der Wahl für die nächsten Podiumsdiskussionen wieder herausgeholt. Dies geschieht bei allen Parteien, bei CDU, SPD, Grünen und FDP.

Das Ergebnis ist eine Landespolitik in SchleswigHolstein, aufgrund der wir im März 2005 - nach Rot-Grün - Bildungsausgaben in Höhe von 807 € pro Kopf und Einwohner hatten. Wir waren das Schlusslicht und hatten die rote Laterne. Leider hat sich daran bis heute nichts, aber auch gar nichts verändert.

Hinzu kommt die Botschaft von Ihnen, Herr Ministerpräsident. Sie erklärten, das Ziel von Bildungsausgaben in Höhe von 10 % des Bruttoinlandsprodukts nicht einhalten zu können. Ich frage mich, ob es nicht besser heißen sollte, Sie wollen sie nicht einhalten.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich bekomme den Eindruck, dass Sparen an der Bildung hier im Land keinem Sparzwang geschuldet ist, sondern zum Prinzip erhoben wird. Ihre Fahrt mit Herrn Kubicki nach Berlin hat offensichtlich nicht einmal die Fahrtkosten eingebracht.

Dieses Sparen wird noch damit erklärt, dass man die künftigen Generationen finanziell nicht belasten wolle. Kürzung bei den „Kurzen“, Sparen bei der Bildung, Sparen bei den Schülerinnen und Schülern, Sparen bei den Universitäten, Sparen bei der politischen Bildung: Alles für eine bessere Bildung? - Das glaubt Ihnen kaum jemand mehr. So sehe ich das zumindest. Mit Ihrer kurzsichtigen Politik vernichten Sie die Zukunftschancen unseres

(Dr. Ralf Stegner)

Landes und vor allem die Zukunftschancen der jüngeren Generation. Abgesehen davon ist Bildung auch die beste Prävention vor faschistischen Positionen.

Frau Franzen, Sie haben gesagt, dass Geld in der Bildung nicht notwendigerweise zu einer besseren Bildung führt. Sie haben gesagt, dass mehr Geld in Bildung nicht notwendigerweise zu einem besseren Bildungserfolg führt. Angesichts der Schulpolitik in diesem Haus gebe ich Ihnen auch recht. Geld ist aber die notwendige Voraussetzung dafür, dass sich der Bildungserfolg tatsächlich verbessert.

Im Rahmen der Anhörung zur Schuldenbremse haben wir von Professor Dr. Grözinger am 25. März gehört, dass sich Bildungsausgaben volkswirtschaftlich mit 8 % rentieren. Das sind zwar nicht die 17 % der HSH Nordbank, aber dafür nachhaltig. Im Umkehrschluss gilt übrigens auch, wer kein Geld für Bildung ausgibt, sondern kürzt, wie es jetzt zum Beispiel in Flensburg geplant ist, organisiert auch Einnahmeverluste.

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

- Ich weiß, meine Redezeit ist abgelaufen.

Über den Rest werden wir nachher noch diskutieren. Zum Schluss sage ich Ihnen noch eines: Wer unwiderruflich 1,5 Milliarden € in die HSH Nordbank versenkt, soll sich nicht hierher stellen und sagen, es ist kein Geld für die Bildung und die Zukunft da.

(Beifall bei der LINKEN)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt, den Antrag Drucksache 17/500 und den Änderungsantrag Drucksache 17/555 als selbstständigen Antrag sowie den Bericht der Landesregierung, Drucksache 17/451, federführend an den Bildungsausschuss und mitberatend an den Wirtschaftsausschuss zu überweisen, wobei der Bericht, Drucksache 17/451, zur abschließenden Beratung überwiesen werden soll. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit sind diese Anträge mit den Stimmen von CDU, SPD, FDP, der LINKEN und SSW gegen die Stimmen der

Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN an die Ausschüsse überwiesen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 31 und 36 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Stärkung des Hochschulstandortes Flensburg

Antrag der Fraktion des SSW Drucksache 17/523

b) Hochschulentwicklung mit Augenmaß statt unkoordiniertes Zerschlagen von Hochschulen und Studiengängen

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/534

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als sich der Kollege Kubicki Ende April in einem Gespräch mit den „Kieler Nachrichten“ verplauderte, ging aus dem Nebensatz des Presseartikels hervor, dass die Haushaltsstrukturkommission empfehlen würde, die Universität Flensburg in eine Pädagogische Hochschule zurückzustufen. „Kann gar nicht sein“, war die erste Reaktion bei uns im Norden. Die Rechnung „Amputation gleich Einsparung“ geht schlicht und ergreifend nicht auf. Doch mittlerweile hat selbst Wissenschaftsminister de Jager bestätigt, dass das Schicksal der Universität Flensburg noch vor der Sommerpause entschieden wird, obwohl das Wissenschaftsministerium Anfang des Jahres die niedersächsische Wissenschaftskommission damit beauftragt hatte, bis zum Herbst ein Gutachten über die Universität zu erstellen und erst auf dieser Grundlage die Zukunft der Universität Flensburg zu diskutieren.

Mit verantwortlicher Politik hat dies alles wenig zu tun.

(Beifall bei SSW und der LINKEN)

Dabei will ich überhaupt nicht bestreiten, dass es am Hochschulstandort Flensburg anders weitergehen muss als heute. Zu deutlich sind die notdürftige Finanzierung der Universität, ihr strukturelles

(Ulrich Schippels)

Defizit und der Mangel an Personal- und Sachausstattung, als dass hier ein „Weiter so!“ funktionieren würde.

Es gibt eine Reihe vielversprechender Perspektiven für den Hochschulstandort Flensburg, die zuerst einmal nicht mehr Geld kosten, aber eine Zukunft der nördlichen Region unseres Landes aufzeigen und nichts zerstören. Dazu gehören unter dem Deckmantel des Sparens ganz explizit nicht die Zurückstufung der Uni zu einer PH und auch nicht das Andocken der Universität an die CAU. Der Spareffekt bei einer Zurückstufung ist bisher nämlich in keiner Weise belegt. Vielmehr hat das Land in den letzten zehn Jahren Hunderte Millionen Euro in den Ausbau der Universität gesteckt. Auch die regionale Wirtschaft hat erheblich in die Universität investiert. Mit nachhaltiger Politik hätte eine Zurückstufung also auch nichts zu tun.

(Beifall bei SSW und der LINKEN)

Die regionale Wirtschaft hat nicht in die Universität investiert, um die Landespolitik zu entlasten, sondern weil sie erkannt hat, wie wichtig ein starker Hochschulcampus für die Wirtschaft im Landesteil Schleswig ist. Ansonsten droht die Abkopplung der nördlichen Region von der wirtschaftlichen Entwicklung insgesamt, die mehr denn je von Bildung, Fachkräften, innovativem Denken und dem engen Austausch zwischen Wissenschaft und Wirtschaft abhängt. Daher sage ich noch einmal ganz klar und deutlich: Zwischen Wissenschafts- und Regionalpolitik unterscheiden zu wollen, ist heute einfach kein zeitgemäßes Denken mehr.

(Beifall beim SSW)

Wir brauchen daher eine langfristige und tragfähige Lösung für den gesamten Hochschulstandort Flensburg. Aus Sicht des SSW muss die Zielsetzung sein, die Eigenständigkeit der Universität mit ihren Schwerpunkten in den vermittlungs-, wirtschafts- und erziehungswissenschaftlichen Studiengängen zu erhalten. Außerdem muss der Hochschulstandort durch die intensivierte Zusammenarbeit zwischen Universität und Fachhochschule gestärkt werden. Wir fordern die Landesregierung auf, dafür die Rahmenbedingungen zu schaffen, denn nur eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe hat Zukunft.

(Beifall bei SSW und SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, als Alleinstellungsmerkmale des Flensburger Hochschulstandortes sind schon jetzt die grenzüberschreitenden Studiengänge und die Zusammenarbeit mit der

Syddansk Universitet hervorzuheben. Dass diese Kooperation kein Sahnehäubchen für die Syddansk Universitet ist, sondern ein Markenzeichen und damit ein Wirtschaftsfaktor, erklärt, warum man von dänischer Seite die Diskussion um die Zukunft der Uni Flensburg mit großer Aufmerksamkeit und auch mit großer Sorge verfolgt. Das soll heißen, es ist keine Alternative, die Wirtschaftswissenschaften nach Kiel zu verlagern. Gerade die Nähe zu Flensburg macht für Sønderborg den Reiz der grenzüberschreitenden Studiengänge aus.